Dünne Folie schützt empfindliche Elektronik

Abb. 1: Biegeversuche des neuen Verbundmaterials

Das Korea Institute of Materials Science (KIMS) hat nach eigenen Angaben das weltweit erste ultradünne Verbundfolienmaterial entwickelt, das über 99 % der elektromagnetischen Wellen aus verschiedenen Frequenzbändern absorbiert, einschließlich 5G, 6G, WLAN und Radar für autonomes Fahren. Die Ergebnisse sind geeignet, die Abschirmung von Elektronik zu revolutionieren.

In seinem neuen und umfangreichen Handbuch ‚Beschichtungsstoffe für die Elektronik', welches im letzten Jahr im Leuze-Verlag erschien, belegt der Autor Dr. Manfred Suppa anhand seiner in mehreren Jahrzehnten gesammelten Erfahrungen die große Bedeutung des Oberflächenschutzes für die Zuverlässigkeit von Elektronik. Dort heißt es etwa: Auf den Baugruppen selbst werden wichtige Elemente erst auf den zweiten Blick erkennbar – dazu zählen die Beschichtungsstoffe. Dabei können weder die heute geforderten hohen Frequenzen noch die in der Leistungselektronik benötigten hohen Spannungen, geschweige denn die von allen erwarteten Anforderungen an die Zuverlässigkeit und Sicherheit ohne Beschichtungen beherrscht werden.

Das lässt sich an einem so makabren wie ultimativen, leider sehr aktuellen Beispiel besonders gut demonstrieren: Die Verfügbarkeit geeigneter Beschichtungsmaterialien wirkt sich entscheidend auch auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Militärelektronik aus - und damit auf menschliches Leben. Nicht zuletzt der in den vergangenen etwa zwanzig Jahren erfolgte massive Übergang auf elektronische Kriegsführung hat die Entwicklung bestimmter Beschichtungsmaterialien (zusammen mit klassischen metallischen Abschirmungen) vorangetrieben. Durch Maßnahmen des elektronischen Kampfes wie Stören, Täuschen und Neutralisieren werden die Möglichkeiten eines Gegners zur elektronisch unterstützten Führung, Aufklärung und Wirkung seiner Kräfte und Mittel eingeschränkt oder sogar ausgeschaltet. Gleichzeitig werden die Methoden der elektronische Kampfführung, beispielsweise durch Nutzung elektromagnetischer und akustischer Mittel, zur Führung eigener Kräfte eingesetzt. Es wird versucht, auf die sensible elektronische Steuerung von Waffen oder auf Radarsysteme durch massive HF-Störsignale Einfluss zu nehmen und die Funktion derselben einzuschränken bzw. bestenfalls zu eliminieren. Im Krieg zwischen Russland und der Ukraine hat die elektronische Kriegsführung einen bisher nicht dagewesenen Höhepunkt erreicht. Der geeignete Schutz der Raketen- und Drohnensteuerungen vor dem Einfluss des Gegners gibt effektiven, preiswerten und leicht zu realisierenden Abschirmungen einen neuen Stellenwert.

Doch auch beim Übergang auf autonomes Fahren, in digitalen IT-Netzwerken, in Steuerungen für automatisierte Fertigungen sowie in der Medizintechnik wird die Frage der Gewährleistung von Zuverlässigkeit und Sicherheit immer größer - und damit die Frage der Fremdbeeinflussung, also auch der Schirmung. Es ist also nicht verwunderlich, dass weltweit an neuen, dafür geeigneten Lösungen intensiv gearbeitet wird.

Folien für effektive Abschirmung

Geht man von den vorn gemachten Ausführungen aus, hat die folgende Pressemitteilung vom 8.10.2024 einen hohen Stellenwert. Das Forschungsteam um Dr. Byeongjin Park und Dr. Sang Bok Lee von der Composites & Convergence Materials Research Division am Korea Institute of Materials Science (KIMS, Changwon) hat nach eigenen Angaben das weltweit erste ultradünne Schichtverbundmaterial entwickelt, das in der Lage ist, über 99 % der elektromagnetischen Wellen aus verschiedenen Frequenzbändern, die für 5G/6G, WiFi und autonomes Fahrradar wichtig sind, mit einem einzigen Material zu absorbieren [1].

Dieses Material zur Absorption und Abschirmung elektromagnetischer Wellen ist weniger als 0,5 mm dick und zeichnet sich durch eine geringe Reflexionsrate von weniger als einem Prozent und eine hohe Absorptionsrate von über 99 % über drei verschiedene Frequenzbänder aus. Das bedeutet, dass das neue Abschirmmaterial dafür verwendet werden kann, einerseits die Abstrahlung der selbst erzeugten Wellen zu verhindern, andererseits vor fremden Wellen zu schützen, also die eigene geschützte Elektronik von außen nicht beeinflussbar zu machen.

Elektromagnetische Wellen, die von eigenen oder fremden elektronischen Komponenten ausgesendet werden, können Interferenzen verursachen, die zu Leistungseinbußen bei anderen oder auch eigenen elektronischen Geräteteilen führen. Die Aufgaben von elektromagnetischen Abschirmmaterialien können also recht komplex sein. Bisher eingesetzte Abschirmungen sind weitaus dicker und damit materialintensiver, sodass die damit geschützten Geräte voluminöser sind als nötig. Auch lässt deren Abschirmeffizienz oft zu wünschen übrig.

Herkömmliche elektromagnetische Abschirmmaterialien reflektieren nur über 90 % der Wellen, wobei die tatsächliche Absorptionsrate oft nur 10 % beträgt. Die Absorption elektromagnetischer Wellen ist aber wirksamer, um Störungen zu reduzieren, als ihre bloße Reflexion. Darüber hinaus sind Materialien mit höheren Absorptionsraten in der Regel darauf beschränkt, elektromagnetische Wellen innerhalb eines einzigen Frequenzbandes zu absorbieren.

Um diese Einschränkungen zu überwinden, entwickelte das Forschungsteam ein Verbundmaterial, das elektromagnetische Wellen über mehrere Frequenzbänder gleichzeitig absorbieren kann. Diese Technologie absorbiert und eliminiert elektromagnetische Wellen und löst so sekundäre Interferenzprobleme. Das innovative Hightech-Material ist außerdem dünn, flexibel und langlebig genug, um seine Form auch nach tausendfachem Falten und Aufklappen beizubehalten, wodurch es für den Einsatz in stationären wie auch tragbaren Geräten geeignet ist (Abb. 1).

Modifizierte Polymerverbundfolie als Basis

Das Team synthetisierte ein magnetisches Material, indem es die Kristallstruktur von Ferrit veränderte, sodass es die gewünschten Frequenzen selektiv absorbieren konnte. Sie stellten eine ultradünne Polymerverbundfolie her und fügten leitfähige Muster auf der Rückseite der Folie hinzu, um die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen zu kontrollieren. Durch die Anpassung der Form des Leitermusters kann die Reflexion elektromagnetischer Wellen bei bestimmten Frequenzen drastisch reduziert werden. Zusätzlich wurde eine dünne Schicht aus Kohlenstoff-Nanoröhren mit hohen Abschirmeigenschaften auf die Rückseite aufgebracht, um die Abschirmungsfähigkeiten des Materials gegen elektromagnetische Wellen weiter zu verbessern (Abb. 2).

Abb. 2: Musterbeispiel der neuen Abschirmfolie von KIMS
Abb. 2: Musterbeispiel der neuen Abschirmfolie von KIMS

Abb. 2: Musterbeispiel der neuen Abschirmfolie von KIMS

Für Handys, autonome Fahrzeuge, Militärelektronik

Der verantwortliche Forscher Byeongjin Park von KIMS, der das Projekt leitete, kommentierte: „Da die Anwendungen der 5G/6G-Kommunikation weiter zunehmen, wächst die Bedeutung von Absorptions- und Abschirmmaterialien für elektromagnetische Wellen. Dieses Material hat das Potenzial, die Zuverlässigkeit von drahtlosen Kommunikationsgeräten wie Smartphones und Radargeräten für autonome Fahrzeuge erheblich zu verbessern.“ Auch Basisstationen (Small Cells) und Satellitenantennen für die Low-Orbit-Kommunikation können von der absorptionsdominanten Technologie profitieren. Allerdings wurde in einer anderen Quelle berichtet, dass nur zwei oder drei Unternehmen in den Vereinigten Staaten, Japan und Deutschland bisher in der Lage sind, die Technologie des südkoreanischen Forscherteams zu kommerzialisieren, da diese Materialien modernste Materialdesigntechnologien erfordern, um eine fortschrittliche Leistung beispielsweise in den 5G/6G-Frequenzbändern zu erreichen. Das Forschungsteam hatte Gespräche mit mehreren Unternehmen über den Technologietransfer für die Massenherstellung von absorbierendem Schutzmaterial geführt.

Abb. 3: Schematische Darstellung des vorgeschlagenen Abschirmfilms mit einer magnetischen Verbundschicht, einem leitfähigen, strukturierten Gitter und einem doppelwandigen Kohlenstoff- NanoröhrenfilmAbb. 3: Schematische Darstellung des vorgeschlagenen Abschirmfilms mit einer magnetischen Verbundschicht, einem leitfähigen, strukturierten Gitter und einem doppelwandigen Kohlenstoff- Nanoröhrenfilm

Gefördertes Projekt

Das Forschungsvorhaben wurde durch die Grundlagenforschungsprojekte des KIMS und die Electromagnetic Solution Integrated Research Group (SEIF) des National Research Council of Science & Technology finanziert. Die Ergebnisse wurden als Titelartikel in der Ausgabe vom 1. Oktober 2024 der internationalen Fachzeitschrift ‚Advanced Functional Materials' (Erstautor: Dr. Byeongjin Park) veröffentlicht [2]. Das Forschungsteam hat die inländische Patentanmeldung abgeschlossen und auch Patente in den USA, China und anderen Ländern angemeldet. Darüber hinaus wurde die Technologie an mehrere inländische Materialunternehmen weitergegeben und wird derzeit in realen Kommunikationsgeräten und Autos angewendet. Weil Südkorea bekannterweise ebenfalls bedeutender Hersteller sowohl von Waffensystemen als auch dazugehöriger Elektronik ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Neuentwicklung auch in diesem Sektor Anwendung findet.

Referenzen

[1] www.kims.re.kr/v17/bbx/board.php?bx_table=en_04_02&wr_id=204&page=1www.kims.re.kr/v17/bbx/board.php?bx_table=en_04_02&wr_id=204&page=1 (Abruf 19.1.25).
[2] https://advanced.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/adfm.202406197 (Abruf 25.2.25).

  • Titelbild: Abb. 1: Biegeversuche des neuen Verbundmaterials
  • Ausgabe: März
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Dr.-Ing. Hartmut Poschmann
  • Link: https://www.kims.re.kr/
Image

Eugen G. Leuze Verlag GmbH & Co. KG
Karlstraße 4
88348 Bad Saulgau

Tel.: 07581 4801-0
Fax: 07581 4801-10
E-Mail: info@leuze-verlag.de

 

Melden Sie sich jetzt an unserem Newsletter an: