Die EFDS lud gemeinsam mit dem Fraunhofer IWU und Siemens Energy in die historische Stadt Görlitz zu einem Symposium ein.
Das Symposium
Unter dem Motto „Oberflächenfunktionalisierung – Schlüsseltechnologie für eine effiziente Wasserstoffwirtschaft“ wurde das Europäische H2 Symposium vom 13.–14. September 2021 in Görlitz am Siemens Innovationscampus abgehalten. Gastgeber der von der Europäischen Forschungsgesellschaft Dünne Schichten e.V. (EFDS) organisierten Veranstaltung war Siemens Energy. Mehr als 70 Teilnehmer aus Forschung und Industrie kamen zur Veranstaltung, um sich zu aktuellen Entwicklungen auf diesem Gebiet zu informieren, Erfahrungen auszutauschen und auch alte Kontakte zu pflegen und neue zu schließen.
Wasserstoff ist ein zentraler Baustein einer zukünftigen umweltfreundlichen Energieversorgung. Um seine Nutzung zu ermöglichen laufen viele Aktivitäten in Grundlagen- und angewandter Forschung und industrieller Entwicklung. Das europäische H2 Symposium konnte zu dieser Zielsetzung einen Beitrag leisten und wichtige Akteure aus Forschung, Industrie und Politik für einen interdisziplinären Austausch zusammenbringen.
Von der Herstellung über den Transport bis zur Nutzung spielen die Oberflächen, mit denen der Wasserstoff in Berührung kommt, eine entscheidende Rolle. Oft ist eine gezielte Funktionalisierung notwendig.
Wichtig für den zukünftigen Erfolg wird auch sein, die gesamte Pro- zesskette von Forschung und Entwicklung bis hin zur industriellen Umsetzung zu betrachten. Dabei darf die Kostenseite nicht vernachlässigt werden, denn die Nutzung von Wasserstoff ist nur eine von mehreren klimafreundlichen Möglichkeiten und muss im Wettbewerb bestehen können.
Vorstellung des Gastgebers und Werksführung
Nach Eröffnung des Symposiums und Begrüßung der Teilnehmer durch die EFDS-Geschäftsführerin, Frau Grit Köckritz, stellte Dr. Yashar Musayev von Siemens energy Global GmbH & Co. KG aus Erlangen die H2-Aktivitäten vor.
Er stimmte mit seinem Vortrag „Green hydrogen as one of the primary energy sources in the future“ auf die Thematik ein. Wasserstoff kann auf verschiedene Weise hergestellt werden, wobei seine Gewinnung durch Elektrolyse von Wasser nur dann umweltfreundlich ist, wenn ausschließlich „grüner“ Strom (z.B. aus Windkraft oder Photovoltaik) eingesetzt wird. Dieser kann sicher erzeugt, transportiert, gelagert und auch z.B. in Brennstoffzellen für Elektroautos eingesetzt werden. Siemens energy verfügt über fundiertes Know-how entlang der gesamten Energiekette und hat auch schon Erfahrungen mit leistungsfähigen Prototypen (z.B. PEM-Technologie).
„Siemens Energy Standort Görlitz und Innovationscampus Görlitz“ – in diesem Beitrag informierte der Standortleiter Sven Werner über Sicherheitsrichtlinien und bereitete die Teilnehmer auf die anschließende Werksbesichtigung vor. Diese gab den Teilnehmern die Möglichkeit, Informationen zum Fertigungsprozess von Dampfturbinen und Komponenten, von der Schaufelherstellung bis zum Zusammenbau derselben zu erhalten. Im Innovationscampus Görlitz kooperiert Siemens energy mit Forschungseinrichtungen und Industriebetrieben und erste Forschungsprojekte laufen. Der Standort bietet auch Raum für weitere Ansiedlungen.
Die Vorträge
Den zweiten Veranstaltungstag eröffnete Frau Dr. Sylvia Schattauer, Fraunhofer IMWS, mit ihrem Impulsvortrag „Grüner Wasserstoff für eine CO2-neutrale Industrie – Technologietransfer in die Anwendungsbereiche“. In mehreren Beispielen informierte sie über das Anwendungs- potenzial von Wasserstoff, zeigte aber auch die Grenzen auf, z.B. dass langfristig nicht genügend klimaneutraler Strom für die Wasserstofferzeugung verfügbar sein könnte. Allein die Dekarbonisierung (z.B. in der Stahlindustrie) würde große Mengen (grünen) Wasserstoff benötigen. In Deutschland existieren bereits mehrere Netzwerke sowie Wasserstoff Labs in Görlitz, Leuna und Bremerhaven.
Der anschließende Vortrag „Grüner Wasserstoff als Schlüssel für eine dekarbonisierte Zukunft – Chancen und Herausforderungen für die deutsche Industrie“ wurde von Dr. Florian Gruschwitz, MAN Energy Solutions SE, Augsburg, gehalten. Er nannte vier Elemente für eine erfolgreiche Dekarbonisierung (Umstieg auf erneuerbare Energien, Einsatz von „grünem“ Wasserstoff, Lagerung von Kohlenstoff und eFuels). Nur durch Nutzung aller Elemente werden die Ziele der Energiewende erreicht werden können. „Grüner“ Wasserstoff wird dabei eine wichtige Rolle spielen. MAN ES verfügt über ein umfangreiches Portfolio an Technologien und Lösungen dazu, wie am Beispiel einer Zementfabrik-Kalzinierung auf Basis von MAN-Technologie gezeigt wurde. Das bei der chemischen Reaktion entstehende CO2 wird mit MAN Getriebekompressoren verflüssigt und kann dann transportiert und „endgelagert“ werden.
„Wasserstoff als Energieträger – Beschichtungen für elektrochemische Zellen“ - Dr. Mehmet Öte, Schaeffler Technologies AG& Co. KG, Herzogenaurach, stellte in seinem Vortrag neuartige Beschichtungssysteme für Komponenten von elektrochemischen Zellen vor, die z.B. in der Brennstoffzelle oder Wasserelektrolyse verwendet werden. In der Schaeffler Coating Toolbox sind vielfältige Beschichtungslösungen verfügbar. Darunter die Enertect Schichten auf Kohlenstoffbasis (DLC), die korrosionsbeständig und elektrisch gut leitfähig sind und auch die Lebensdauer der Zellen erhöhen können. Schaeffler bietet individuelle Beschichtungslösungen vom Muster bis zur Großserienfertigung an.
„Beschichtung von Brennstoffzellen und Elektrolyseurplatten – Skalierung auf hohes Volumen“ – in diesem Vortrag informierte Roel Bosch, IHI Hauzer Techno Coating B.V., Venlo, über neu entwickelte Schichtsysteme und die Anlagentechnik, mit der Komponenten der Wasserstofftechnologie sowohl kostengünstiger als auch in größeren Stückzahlen gefertigt werden können. Bisher kommen bei PEM-Brennstoffzellen oder Elektrolyseuren Materialien wie Graphit, Gold oder Platin zum Einsatz. Elektroden zur Stromleitung (Bipolarplatten) müssen extrem korrosionsbeständig sein und hohe elektrische Leitfähigkeit aufweisen, sie werden bisher mit Gold beschichtet. Die teure Schicht kann heute z.B. durch kohlenstoffbasierte Schichten (DLC) ersetzt werden. Bosch präsentierte auch ein Verfahren, mit dem mittels thermisch Spritzen Goldpunkte aufgebracht werden können (DOT™). Schon bei einer Bedeckung von wenigen Prozent wird gute elektrische Leitfähigkeit erreicht. Hauzer verfügt über die Verfahrens- und Anlagentechnik, um solche Schichten wirtschaftlich und in großen Stückzahlen herzustellen.
„In-line-fähige Lösungen zum Beschichten und Strukturieren für Brennstoffzellen und Elektrodenmaterial“ – Dr. Teja Roch, Fraunhofer-IWS, Dresden, berichtete in seinem Vortrag über gemeinsam mit der TU Dresden bearbeitete Projekte. Zur Oberflächenfunktionalisierung von Bipolarplatten mittels PVD wurde ein Roll-to-Roll-Verfahren entwickelt, mit dem bereits 100 Meter Stahlband in einem kontinuierlichen Vakuumprozess beschichtet werden konnten. Es wurde der Nachweis erbracht, dass die Qualität der bandbeschichteten Platten ähnlich der im Chargenbetrieb hergestellten ist. Die abgeschiedenen kohlenstoffbasierten Schichten waren mit Gold in Hinblick auf Korrosionsbeständigkeit und elektrische Leitfähigkeit mindestens vergleichbar. Durch Strukturierung mittels „Direct Laser Interference Patterning (DLIP)“, einem Mehrstrahlverfahren mit einem Polygon-Scanner zur Laserstrahlaufteilung, konnte bei Metallschäumen eine Verdoppelung des inneren Volumens erreicht werden. Analysen ihrer Struktur zeigten, dass im Oberflächenbereich der Schäume eine Mikro-/Nano-Struktur erzeugt werden konnte.
„Neue Materialien und Komponenten für die Wasserelektrolyse“ – zu dieser Thematik informierte Prof. Marco Carmo, Forschungszentrum Jülich. Entscheidend für einen erfolgreichen Einsatz der umweltfreundlichen Wasserstofftechnologie wird sein, die Effizienz der Elektrolyseure zu verbessern, ihre Lebensdauer zu erhöhen und insbesondere auch die Investitions-/Betriebskosten zu senken. Dazu stellte der Vortragende verschiedene Lösungsansätze vor, darunter katalysatorbeschichtete Membranen für PEM Elektrolyseure, Membran-Elektrode-Assemblies (MEA) und neue poröse Transportschichten. Ein neues MEA-Konzept ermöglicht einen sehr dünnen Auftrag der Schichten durch slot-dye coating. Als Elektrokatalysatoren für PEM-Elektrolyseure werden Platin-/Iridiumbasierte Materialien untersucht. Auch neue poröse Transportschichten (auf Basis von Iridium, Platin, Gold) wurden entwickelt und bewertet. Dabei zeigten die Schichten auf Iridium- und Platinbasis die besten Eigenschaften.
„Beschichtungen für Wasserstoffanwendungen – bewährte und neue Konzepte für klimaneutrale Mobilitätskonzepte“ war Thema des Vortrags von Christian Scholz, Oerlikon Balzers Coating Germany GmbH, Bingen. Um den direkten Kontakt von Wasserstoff mit Oberflächen zu unterbinden und so die Wasserstoffversprödung hochfester Stähle zu verhindern, kommen schon seit Jahren Barriereschichten zum Einsatz. Neu entwickelt werden müssen aber Beschichtungen für tribologische Systeme in Wasserstoffatmosphäre, z.B. in der Peripherie von Brennstoffzellen. Dies ist notwendig, da Wasserstoff praktisch keine Schmierfähigkeit besitzt. Für die verschiedenen Problemstellungen steht bei Balzers ein breites Coating Portfolio zur Verfügung, darunter kohlenstoffbasierte Schichten (DLC) zur Reibungsminderung, kohlenstoff- und nitridbasierte Schichten zum Verschleißschutz und nitrid- oder oxidbasierte Schichten zum Korrosionsschutz. Dabei müssen Aspekte wie der Trockenlauf, die Temperaturbelastung und der Reibungskoeffizient berücksichtigt und bewertet werden.
Fragen zur „Normung und Standardisierung von Brennstoffzellen“ konnte der Beitrag von Dr. Corinna Harms, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Oldenburg, beantworten. Sie gab einen Überblick über die Normung auf nationaler und internationaler Ebene. Zusätzlich stellte sie zwei vom BMVI geförderte Projekte (BePPel, QM-GDL) vor, in denen vergleichbare und verlässliche Methoden zur Definition von Qualitätsmerkmalen der Brennstoffzellenkomponenten Bipolarplatte und Gasdiffusionsanlage erarbeitet werden.
„Korrosionsuntersuchungen an Bipolarplatten“ war Thema des Beitrags von Dr. Susan Seifert, Vitesco Technologies GmbH, Limbach-Oberfrohna. Bipolarplatten sind ein Kernbauteil von Polymer-Elektrolyt-Membranen (PEM) Brennstoffzellen und Elektrolysestacks. Sie müssen kostengünstig in Großserie hergestellt werden und eine lange Lebensdauer gewährleisten. Im Vortrag wurden Methoden zur Korrosionsanalyse vorgestellt, die eine schnelle Vorauswahl von Materialien und Beschichtungen ermöglichen. Es wurde über die Ergebnisse von 3-Elektrodenmessanordnungen und weiterführende Analysenmöglichkeiten berichtet, mit denen z.B. das Korrosionsverhalten von Schichtsystemen wie Ti/C und Ti/Au mit korrosionstechnisch ungeeignetem unbeschichtetem Bandstahl verglichen werden können.
In einer abschließenden Präsentation wurde das „Energiesystem Lausitz – Potentiale für eine Wasserstoffwirtschaft“ durch Hagen Bültemeier vorgestellt. Die Konzeptstudie des DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH, Leipzig zeigt, wie Wasserstoff als Alternative zur kohlebasierten Wärme- und Stromversorgung die Region Lausitz zu einem Leuchtturm der Energiewende machen könnte.
Interessenten an Vorträgen wenden sich bitte an die EFDS (www-efds.org) oder direkt an die Autoren.
Die Industrieausstellung
Begleitend zum Symposium fand eine Industrieausstellung statt. Aussteller hatten auch die Möglichkeit, ihre Aktivitäten im Rahmen des Symposiums kurz vorzustellen (Aussteller-Pitch).
Die Podiumsdiskussion:
Im Rahmen einer von der EFDS-Geschäftsführerin Grit Köckritz geleiteten Podiumsdiskussion gingen Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft und Forschung (Siemens Energy, MAN Energy, Fraunhofer-Gesellschaft, Sächsisches Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft) der Frage nach, wie das Potential von Wasserstoff aus Sicht der Energiewende zu sehen sei und was getan werden muss. Grundsätzlich war man sich einig, dass Wasserstoff eine zentrale Rolle spielen werde, aber noch viele Fragen zu klären seien. Deutschland könne Technologie exportieren, werde aber voraussichtlich Wasserstoff aus Ländern importieren müssen, wo Solarstrom billig erzeugt werden kann. Im Land selbst werde nicht genügend klimaneutraler Strom zur Verfügung stehen, da ja auch ein völliger Ausstieg aus Kern- und Kohleenergie beschlossen ist.
Transport/Zwischenlagerung würden weitere Kosten verursachen und könnten die Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu bestehenden Alternativen in Frage stellen. So würde allein die Dekarbonisierung der Industrie sehr viel zusätzlichen Wasserstoff benötigen. Es muss auch berücksichtigt werden, dass die Wasserstoffproduktion wegen der Versorgungssicherheit nur in politisch stabilen und kalkulierbaren Ländern erfolgen kann. Sonst kommen wir in die gleiche Problematik wie während der Ölkrise 1973. Wir werden bei der Entwicklung/Umsetzung der notwendigen Technologien auch schnell genug sein müssen, damit uns nicht andere (China, Japan) wieder einmal zuvorkommen! Für die nächste Zukunft wird wichtig sein, in Deutschland weit verstreute Kapazitäten gezielt zu bündeln und auch entsprechende staatliche Unterstützung vorzusehen. Der Wasserstoff muss noch viel „grüner“ werden als bisher.