Das 27. Neue Dresdner Vakuumtechnische Kolloquium widmete sich in zwei Vortragsblöcken sensorischen Prinzipien und Produktionsketten.
Das 27. Dresdner Neue Vakuumtechnische Kolloquium (NDVaK) fand online statt. Neben den langjährigen Veranstaltern Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e.V., Europäische Forschungsgesellschaft Dünne Schichten e.V. und Deutsche Forschungsgesellschaft für Oberflächenbehandlung e.V., wirkten die Creavac GmbH, Dresden, und Coating Consulting, Markkleeberg, wesentlich an der Gestaltung mit. Die perfekte Organisation der Web-Konferenz durch das Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik (FEP), Dresden, trug entscheidend zum Gelingen der Veranstaltung bei. Im Rahmen der Basisthematik „Beschichtung, Modifizierung und Charakterisierung von Polymeroberflächen“ des NDVaK mit dem Schwerpunkt „Sensorik auf Polymeroberflächen“ gab es 16 Vorträge zu sensorischen Prinzipien und Sensordesign und zu technologischen Aspekten der Sensorfertigung wie Oberflächenfunktionalisierung, Beschichtung, Verkapselung, Reinigung, Prozessüberwachung, Recycling und Umweltverträglichkeit sowie zu Anwendungen von Sensoren in Produktionsketten. Die angebotenen Diskussionsmöglichkeiten wurden ausgiebig genutzt. Die Resonanz auf diese Veranstaltung war bei den 88 Teilnehmern durchweg positiv.
Vortragsblock 1: Sensorische Prinzipien
J. Kunzmann (Smart Material GmbH, Dresden) behandelt Komposite auf der Basis von piezoelektrischen Fasern. Für spezielle eigene flexible und starre Aktorelemente und Ultraschallwandler, beschichtet in der Anlage Creamet® der Creavac GmbH, werden Designmerkmale, Details der Fertigung, Kennwerte und Eigenschaftsvorteile mitgeteilt und weitere vorteilhaften Einsatzmöglichkeiten von Piezofiber Composites in Sensorik und Aktorik in der Luftfahrt, zur Energiegewinnung (Energy Harvesting) und in der Ultraschalltechnik dargestellt.
F. Villasmunta (Technische Hochschule Wildau) berichtet über die Überwachung des Ätzprozesses zur Entfernung von überschüssigem Polymethylmethacrylat (PMMA) nach dem Verfüllen von Silizium-Durchkontaktierungen (Through-Silicon Vias, TSV) mittels induktiv gekoppeltem Sauerstoffplasma (SENTECH SI 500 D). Zur Endpunktkontrolle für die vollständige Entfernung des Polymers wurde die Plasmaemission UV- VIS-spektrometrisch analysiert. Das selektiv wirkende Sauerstoffplasma greift vorherige Beschichtungen (SiO2, Cu, Si3N4) und mechanisch polierte Oberflächen nicht an.
A. Fery (Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden, IPF) lenkt das Interesse auf die sensorische Nutzung der Lokalisierten Oberflächenplasmonenresonanz (LSPR) an metallischen Nanopartikeln für den markierungsfreien Nachweis angelagerter Analyt- moleküle, z. B. von Biomolekülen. Optimierte optische und elektronische Funktionalitäten können durch geeignete Anordnung der Nanopartikel mit unterschiedlicher Längenskalierung erreicht werden. Hier wird über die Implementierung funktionaler plasmonischer Nanopartikel in Polymerhüllen und/oder -scaffolds, auch unter Ausnutzung von Selbstassemblierung, berichtet. Schließlich wurden die Perspektiven für die Oberflächenverstärkte RAMAN-Spektroskopie (SERS) an kolloidalen Metallpartikeln und die Wirkung mechanischer Spannungen diskutiert.
R. Ottermann (Institut für Mikroproduktionstechnik, Garbsen) beschreibt eine Vakuumbeschichtungseinrichtung und den Prozessablauf für die Direktabscheidung von bauteilinhärenten Sensoren, hier Dehnungsmessstreifen (DMS) aus Ni80Cr20, Ni60Cr40 und Konstantan, mittels Magnetronsputtern auf Großbauteilen. Die Strukturierung erfolgt über metallische bzw. Siliziumschattenmasken. Mit derart aufgebrachten DMS werden Alterungsprozesse wie bei aufgeklebten oder mechanisch befestigten polymerfoliengetragenen Sensoren vermieden. Die Beschichtungsanlage der Firma scia Systems GmbH gehört zum Forschungsbau SCALE für die Erforschung von Produktionstechnik im XXL-Format.
Für Magnetfeldsensoren eröffnet sich zunehmend eine Vielzahl von Anwendungen, beispielsweise bei der Steuerung von Maschinen und Antrieben, im Fahrzeugbau und in der Raumfahrttechnik, in der Biomedizintechnik und Konsumerelektronik. D. Makarov (Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf e.V., HZDR) berichtet über Entwurf und Fertigung von an den jeweiligen Anwendungsfall angepassten 3D-formbarer Magnetfeldsensoren aus metallischen Dünnschichten auf 1 bis 150 µm dicken Polymerfolien, die den magnetoresistiven bzw. den Hall-Effekt nutzen. Die sog. Giant-Magnetoresistance-Sensoren bestehen aus 20 bis 50 magnetischen und nichtmagnetischen Doppelschichten. Anwendungen für „smart skins“, “smart textiles“, „soft robotics“ und in der Mensch- Maschine-Interface werden beschrieben.
U. Vogel (Fh FEP, Dresden) spricht über die Prototypenentwicklung und Fertigung von OLED-on-Silicon-Mikrodisplays, bei denen Lichtquellen (R-G-B-W) und Photosensoren in einem Siliziumchip vereint sind. Er zeigt eindrucksvoll, dass man damit u. a. in effektiver Weise sowohl das Wachstum als auch die Reduktion von gefährlichen Biofilmen in-situ und im Dunkeln verfolgt werden kann, z. B. auf medizinischen Implantaten, chirurgischen Instrumenten und in Kathetern. Dabei wird das von den OLEDs emittierte und von kontaminierten Oberflächen reflektierte Licht parallel mit den integrierten Photosensoren detektiert. So konnten Inaktivierung und Entfernung für Stearinsäure, Methylenblau und Escheria-coli Bakterien durch die photokatalytische Wirkung von TiO2-Beschichtung nachgewiesen werden.
Kunststofffolien und -behälter werden mit einem angepassten Barrieresystem von metallischen, oxidischen oder organischen Schichten bzw. deren Kombinationen versehen, um die Permeation von atmosphärischen Gasen (H2O, O2) auf ein für den Einsatzfall ausreichendes Maß zu reduzieren. Der Vortrag von W. Grählert (Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik, IWS, Dresden) gibt einen Überblick, wie mit optischen Methoden die Permeationseigenschaften (Permeationsrate und Durchbruchzeit des Permeats) beschichteter Kunststofffolien bestimmt werden können. So kann mittels Laserdiodenspektroskopie (TDLAS, Tunable Diode Laser Spectroscopy), permeierter Wasserdampf über einen Bereich von 6 Größenordnungen bei einer Nachweisgrenze um 10-6 g m-2 d-1 zuverlässig quantifiziert werden. Kürzere Messzeiten ermöglicht die Hyperspektrale Bildgebung (HSI, Hyperspectral Imaging) in Kombination mit Auswertemethoden der künstlichen Intelligenz. Dabei werden die von einer definierten Fläche der Barrierefolie aufgenommenen orts- und spektral aufgelösten Datensätze mit einem im Vorfeld entwickelten Vorhersagemodell ausgewertet.
Nach einer kurzen Einleitung zu Aufbau und Eigenschaften von Hydrogelen geht S. Schreiber (TU Dresden, Institut für Festkörperelektronik, IFE) auf den piezoresistiven Effekt in miniaturisierten Siliziumsensoren in Kombination einer vom pH-Wert anhängigen Volumenänderung eines Hydrogels ein. Die dadurch erzeugte Verformung des dünnen Bodens einer Messzelle aus Silizium wird mit einer äußeren „Gegenkraft“ kompensiert. Dafür kommen ein externer Luftdruck, ein externes temperaturgesteuertes Hydrogel oder ein integriertes bisensitives intramolekulares Hydrogel in Betracht. Andere denkbare Sensorkonfigurationen werden diskutiert.
Vortragsblock 2: Beiträge zu Produktionsketten unter Beteiligung von Sensoren
Das Magnetronsputtern ist für viele Anwendungen eine etablierte Technologie, wird aber für die industrielle Abscheidung aktiver Halbleiterschichten wie Absorber in Dünnschichtsolarzellen bislang nicht eingesetzt, weil der mit der Magnetronentladung verbundene Beschuss mit hochenergetischen Teilchen (Ionen, Atome, Elektronen) in halbleitendem Material störende Defekte generiert. K. Ellmer (Optotransmitter – Umweltschutztechnologie e. V., OTU, Berlin) zeigt, wie die Magnetronentladung modifiziert werden kann, ohne die Vorteile des plasmagestützten Schichtwachstum zu verlieren. Dazu werden mit einem multifunktionalen Plasma- und Beschichtungssensor – basierend auf einem konventionellen Schwingquarz zur Schichtdickenmessung – quasi simultan Abscheiderate, Energiefluss, Plasmadichte und Elektronentemperatur gemessen und daraus das Ionen/Neutralteilchen-Verhältnis und die mittlere Energie der abgeschiedenen Schichtteilchen berechnet, die für die Charakterisierung und Optimierung von Plasmaprozessen für defektsensitive Schichten wichtig sind. Ergebnisse werden für (Ga, In)N, Zni3N2 und TCO-Schichten mitgeteilt.
A. Holländer (Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung, IAP, Potsdam) stellt ein Messverfahren zur Überwachung der Dickenverteilung dünner transparenter Schichten im Submikrometerbereich auf oder zwischen ebenfalls transparenten Polymerfolien im Rolle-zu-Rolle-Fertigungsprozess vor. Dafür wird dem Schichtwerkstoff ein fluoreszierender Farbstoff in so geringer Konzentration beigegeben, dass die Eigenschaften der Schicht nicht beeinflusst werden. Die Fluoreszenzintensität des in der Schicht molekular dispergierten Fluorophors ist der Schichtdicke proportional. So kann beispielsweise die Dickenverteilung von 1 µm dicken transparenten organischen Barrierelackschichten auf PET und von der EVOH-Barriereschicht in einem coextrudierten PE-EVOH-PE-Verbund inline erfasst werden. Weitere Arbeiten sind zur industrietauglichen Messtechnik und Software und zur Farbstoffauswahl und -zuführung erforderlich.
F. Gruber (Fh IWS, Dresden) berichtet über Versuche mit dem Ziel, eine kostengünstige Sortierung schwarzer Kunststoffpartikel mit abbildender Fluoreszensspektroskopie im Nahen Infrarot in Kombination mit Klassifikation durch maschinelles Lernen oder mit Deep-Learning-Klassifikationsalgorithmen zu realisieren, wobei eine Sortenreinheit von 99,9 % angestrebt wird. Als Algorithmen werden die Lineare Diskriminanzanalyse (LDA), die k-nächste-Nachbarn-Klassifikation (KNN), Support-Vektor-Maschinen (SVM), Ensemblemodelle mit entscheidungsbäumen (ENSEMBLE) und Konvolutionale Neurale Netzwerke (CNN) benutzt. Zusätzlich wurden die Hyperparameter der Klassifikationsalgorithmen mit einen Suchalgorithmus optimiert. Es wurden viele verschiedene Mixturen von Kunststoffen unterschiedlicher Kunststoffklassen geprüft und Klassifikationsgenauigkeiten zwischen 90,0 und 99,9 % erreicht, was als erfolgsversprechend für die Sortierung schwarzer Kunststoffabfälle gewertet wird.
Mit reaktiven Multischichten (RMS), die aus einem Stapel aus mehreren hundert nanoskalierten dünner Schichtpaaren bestehen, meist aus Ni und Al, aber auch aus Zr/Si, können wärmeempfindliche Bauteile in Kombination mit Weich- oder Hartloten gefügt werden. Durch einen kurzzeitigen Wärme-Input (Laser, elektrischer Funke) bilden RMS-Schichten exotherm eine intermetallische Verbindung und schmelzen in Millisekunden das beiderseitige Lot auf dem Bauelement oder auf einer freitragenden Folie. E. Pflug (Fh IWS, Dresden) demonstriert dieses Bondverfahren an einem piezoelektrischen CMOS- Dehnungssensor über eine RMS-Folie (Ni/Al, 40 µm dick) mit einer Leiterplatte. Es wird eine 2,5-fach höhere Empfindlichkeit als mit Epoxidklebung erreicht.
S. Gerullis (INNOVENT e.V. Technologieentwicklung, Jena) zeigt, wie effektive Gassensoren mit SnO2-Schichten mit einer vorteilhaften oberflächennahen Porosität durch Chemische Dampfphasenabscheidung bei Atmosphärendruck (APPCVD) mit einem nicht thermischen Atmosphärendruck-Plasmajet aus Zinntetrabutyl als Precursor und Luft als Arbeits- und Reaktivgas auf 300 °C heißen Glas- oder Siliziumsubstraten abgeschieden werden können. Mit angepassten Parametern wurden Schichten mit einem spezifischen Widerstand von 70 mΩcm abgeschieden und oberflächen- und dünnschichtanalytisch charakterisiert und für Wasserdampf und Ammoniak bei unterschiedlichen Sensortemperaturen und Testgaskonzentrationen erprobt.
Die Machbarkeit von der Natur inspirierter, biologisch abbaubarer Halbleiter in Dünnfilmtransistor-Strukturen (TFT) mit nicht abbaubaren Metallkontakten (Au, Al) und Isolatoren auf AlOx-Basis ist bekannt. M. Hoffmann (Fh FEP, Dresden) präsentiert funktionierende, vollständig biologisch abbaubare TFT-Strukturen unter Verwendung eines ungiftigen organischen Halbleiters, biologisch abbaubarer Gate-, Source- und Drain-Kontakte aus biodegradablem und biokompatiblem Magnesium, eines biologisch abbaubaren Polymers für den Gate-Isolator (hier Gelatine) und von Polymilchsäure (PLA) als Substrat. Basistechnologien sind die vakuumtechnische Abscheidung von Magnesium und Spincoating für die Gelatine. Durch Kombination von Trocknung und Plasmabehandlung und mit Seedschichten können fein strukturierte Leiterbahnen auf das polymere Substrat haftfest aufgebracht werden. Es wird erwartet, dass Anwendungen in bioresorbierbaren aktiven medizinischen Implantaten möglich sein werden.
S. Barth (Fh FEP, Dresden) berichtet über die Abscheidung von Dünnschichten aus Aluminiumnitrid (AlN) bzw. scandiumdotiertem Aluminiumnitrid (AlxSc1-xN) auf flexiblen Substraten für Sensorik und Energy Harvesting durch reaktives Cosputtering mit der gepulsten Doppelring-Magnetron-Sputterquelle DRM 400 (Abscheiderate bis 200 nm/min, Substratdurchmesser maximal 200 mm) mit Stickstoff als Reaktivgas. Die mechanischen, elektrischen und piezoelektrischen Eigenschaften hängen stark von den Prozessparametern ab. Hier wird der Einfluss von Druck und Pulsmodus, Dotierung, Seedschicht und Substratmaterial diskutiert.
Übliche lithografische Verfahren haben bei individualisierten, meist kleinen Losgrößen Nachteile bei Designflexibilität und Kosten. Daher werden insbesondere für flexible Sensoren auf Polymerfolien und Papier digitale additive Druckverfahren in Betracht gezogen, die prinzipiell auch eine Rolle-zu- Rolle-Produktion von Sensoren erlauben. M Fritsch (Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme, IKTS, Dresden) informiert über Entwicklungen maßgeschneiderter Funktionstinten und Pasten für den Druck metallischer Elektroden und sensorisch aktiver Schichten auf thermisch empfindlichen Substraten. Bisherige Anwendungen betreffen u. a. die Temperatur-, pH- und Gassensorik und Heizer für elektrochemische und magnetische Sensoren. Mittels Linienlasersintern können auch schwierig sinternde Materialen aufgebracht werden.
Die meisten Abstracts zu den Vorträgen und die Vortragspräsentationen können im Institut für Polymerforschung Dresden e. V. (
Das 28. Neue Dresdner Vakuumtechnische Kolloquium ist für den Herbst 2022 geplant, womit der zweijährige Turnus wiederhergestellt wird.