Prozess- und Schichtanalytik bei der YIG-Schichtherstellung für magnonische Anwendungen – 2. und letzter Teil

Natursalz
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Schichtart, Kristallisation und Ausblick / Fortsetzung aus GT 6/2024 Schichtdicken, Abscheiderate und Morphologie

Die Dicken der abgeschiedenen Dünnfilme wurden neben der bereits beschriebenen spektralen Ellipsometrie zumeist über taktile Messmethoden erfasst. Dabei wird mit einer Abtastnadel (Stylus-Messspitze 2 μm Radius / 60 °) über einen während der Schichtherstellung abgedeckten Bereich auf dem Substrat verfahren und so die generierten Kanten ortsaufgelöst vermessen. Für unsere Untersuchungen wurde dafür ein Profilometer Alpha-Step D-600 (KLA Tencor) verwendet, welches für die Aufnahme von 3D mappings der Oberfläche geeignet ist und Stufenhöhen bis ca. 1 nm auflösen kann. Aus der Bestimmung der Schichtdicke kann sodann über die Sputter-Depositionszeit auf die Schichtbildungsrate für den jeweiligen Sputter-Parametersatz rückgerechnet werden. Die Oberflächentopographie kann – neben dem Einsatz des Profilometers – auch mit Hilfe der Rasterkraftmikroskopie bestimmt werden. Dabei fährt ein aluminiumbeschichteter Mikro-Cantilever über die Oberfläche der Probe, die Auflösung sowohl in vertikaler als auch in lateraler Ausrichtung ist damit im Vergleich zum Profilometer deutlich verbessert. Für unsere Messungen kam dazu ein MFP 3D-Classic (Asylum Research) zum Einsatz, gemessen wurde im sogenannten Tapping Mode mit einer Auflösung von 256 x 256 Bildpunkten bei einer Ansteuerfrequenz von 273,9 kHz. Abbildung 8 stellt Ergebnisse auf Basis von Topographiemessungen an ungetemperten YIG-Schichten vor, die mit unterschiedlicher Eisen-Kathodenleistung hergestellt wurden. Man erkennt einerseits sehr gut den Anstieg der Schichtbildungsrate mit steigender Eisen-Kathodenleistung (bei konstanter Yttrium-Kathodenleistung von 100 W), andererseits zeigt sich die arithmetische Oberflächenrauheit Sa mit einem sehr geringen Wert von kleiner 0,2 nm unabhängig von der Schichtdicke. Die hergestellten YIG-Dünnschichten können insofern auch mit Schichtdicken im Bereich von 200 nm sehr glatt abgeschieden werden, eine Voraussetzung für die Messung sehr guter magnetischer Eigenschaften.

Abb. 8: Ergebnisse von Schichtdicken- und Rauheitsmessungen an YIG-Schichten. Im Inset ist eine AFMTopographieaufnahme eines 200 nm dünnen YIG-Films direkt nach der Herstellung zu sehen.

Nachtemperprozesse, Kristallisation und magnetische Eigenschaften

Die YIG-Dünnschicht ist nur in einkristalliner Form als Spinwellenleiter für magnonische Anwendungen verwendbar. Dafür müssen die zunächst amorph abgeschiedenen Schichten kristallisiert werden. Die auf (111) GGG-Substraten (Luxium Solutions) und (001) Si-Substraten (Si-Mat Silicon Materials) abgeschiedenen Schichten wurden an Luft bei 650 – 850 °C getempert. Dabei wird die Aktivierungsenergie in Form von thermischer Energie für den Kristallisationsprozess bereitgestellt.

Durch das verwendete einkristalline Substrat wird die Aktivierungsenergie zusätzlich reduziert, weil sich nicht erst Kristallisationskeime ausbilden müssen. Damit definiert die kristallografische Orientierung des Substrats die kristallografische Orientierung der kristallisierten Granatschicht.

Die Phasenausbildung in den hergestellten YIG-Schichten wurde im Zusammenhang mit Rasterelektronenmikroskopie-Untersuchungen (REM) anhand von Elektronenrückstreubeugungs-Messungen (Electron backscatter dif­fraction – EBSD) beurteilt. Die Methode ist grundsätzlich sehr gut für die Charakterisierung der kristallinen Dünnschichten geeignet, weil die Informationstiefe mit wenigen Nanometern sehr gering ist. Hinzu kommt, dass die Rauheit der abgeschiedenen YIG-Schichten sehr gering ist, sodass keine zusätzliche Probenpräparation notwendig ist. Für die Durchführung der EBSD-Untersuchung muss lediglich eine ca. 2 nm dicke Kohlenstoffschicht auf die Probenoberfläche aufgebracht werden, um eine elektrische Leitfähigkeit der Probe sicherzustellen. Die hier untersuchten Proben wurden mit einem Ultra 55 Elektronenmikroskop (Carl Zeiss) mit eFlash EBSD-Detektor (Bruker) charakterisiert. Neben der Charakterisierung der kristallografischen Orientierung der eigentlichen YIG-Schicht können durch EBSD außerdem kristalline Fremdphasen wie z. B. Fe2O3 und YFeO3 nachgewiesen werden. Diese Phasen entstehen bei der Kristallisation, wenn das reale Y/Fe-Verhältnis in der Schicht vom optimalen Verhältnis von 0,6 für YIG abweicht. Bei Eisenüberschuss bildet sich neben der YIG-Phase dann auch Fe2O3 aus, bei Yttrium-Überschuss wird YFeO3 ausgeschieden.Abb. 9: REM-Aufnahme (links) und farbkodiertes EBSD-Phasen-Mapping (rechts) für zwei YIG-Schichten auf einem GGG-Substrat, getempert 1 h bei 750 °C (oben) und 850 °C (unten)

Die Nachtemperprozesse an den zunächst amorphen YIG-Schichten auf GGG-Substraten wurden in Abhängigkeit von der Temperatur in einem Rohrofen (Typ SR, Gero Hochtemperaturöfen GmbH) zwischen 650 und 850 °C durchgeführt. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Kristallisation der YIG-Schicht ab einer Temperatur von etwa 750 °C einsetzt (siehe farbkodiertes Phasenmapping in Abb. 9). Bei 850 °C konnte eine komplett durchkristallisierte Schicht nachgewiesen werden. Nicht indizierte Bereiche wurden durch Unebenheiten der Proben (siehe REM-Aufnahme) hervorgerufen. Für das EBSD-Beugungs­experiment muss ein Winkel von 70 ° zwischen Elektronenstrahl und Probenoberfläche gewährleistet sein.

Neben der Detektion der kristallografischen Phasen selbst konnte auf Basis der EBSD-Messungen auch die Orientierung der kristallisierten YIG-Phase anhand von Polfiguren beschrieben werden. Solche Polfiguren sind eine der gebräuchlichsten Darstellungen für Orientierungsdaten. Sie zeigen die Verteilungen der ausgewählten Pole {hkl} unter Berücksichtigung aller Orientierungsmessungen.

Polfiguren liefern somit wichtige Informationen über die Stärke einer Textur und auch darüber, welche Texturkomponenten dominant sind. Im Fall der hier hergestellten YIG-Schichten konnte gezeigt werden, dass die kristallisierte YIG-Schicht die gleiche (111) Orientierung wie das (111) GGG-Substrat aufweist (Abb. 10). Die Schärfe der Pole gibt dabei den Grad der Texturierung wieder bzw. ist ein Maß für die Mosaizität des Einkristalls. Für einen perfekten Einkristall ohne Gitterfehler wären die Pole einzelne Punkte, die mit nur einem Pixel dargestellt werden.

 gt 2024 07 079Abbildung 10: Polfiguren der Granatphase für eine YIG-Schicht auf einem GGG-Substrat, getempert 1 h bei 850 °C

Die magnetischen Eigenschaften der kristallisierten YIG-Schichten wurden durch die Messung der ferromagnetischen Resonanzfrequenz (FMR) charakterisiert. YIG hat von allen bekannten Materialien die kleinste Linienbreite der FMR. Die Linienbreite selbst ist sehr stark abhängig von der Anzahl der Gitterfehler des Kristalls und kann als Maß für die Qualität eines YIG-Kristalls oder einer YIG-Schicht herangezogen werden. Eine der ersten auf GGG dc-gesputterten und kristallisierten YIG-Schichten zeigte eine Linienbreite der FMR von 9,6 Oe (Abb. 11). Das ist ca. das 10-fache der Linienbreite der FMR einer YIG-Schicht, die entsprechend dem Stand der Technik durch Flüssigphasenepitaxie auf GGG abgeschieden wurde. In der Literatur sind aber auch Arbeiten zu rf-gesputterten YIG-Schichten bekannt, die eine Linienbreite der FMR von 2-3 Oe aufweisen [01]. Das zeigt, das durch weitere Prozessoptimierungen noch Potenzial für eine Verbesserung der FMR-Eigenschaften der dc-gesputterten YIG-Schichten besteht.

Abbildung 11: FMR-Eigenschaften einer dc-gesputterten und bei 850 °C getemperten (links) und einer mittel LPE hergestellten (rechts) YIG-Schicht auf einem GGG-SubstratAbbildung 11: FMR-Eigenschaften einer dc-gesputterten und bei 850 °C getemperten (links) und einer mittel LPE hergestellten (rechts) YIG-Schicht auf einem GGG-Substrat

Es wurden in ersten Versuchen außerdem YIG-Schichten auf (100) Si-Wafern abgeschieden. Mittels EBSD-Charakterisierung konnte nachgewiesen werden, dass diese Schichten mangels epitaktischer Information des Substrats während des Temperprozesses polykristallin auskristallisiert sind. Darüber hinaus kann anhand des EBSD-IPF Z Maps (IPF – inverse pole figure) die kristallografische Orientierung der Körner in Bezug auf die Z-Achse (aus der Ebene herauskommend) bestimmt werden (Abb. 12 links). Auf dieser Basis konnte gezeigt werden, dass die Orientierung in einem Korn nicht immer homogen ist und teilweise extreme Verspannungen auch über dem Korndurchmesser auftreten. Dies kann mit dem Mismatch des thermischen Ausdehnungskoeffizienten von YIG und dem Si-Substrat erklärt werden. Die auftretenden Korngrenzen und die extremen Verspannungen sind die Ursache für eine deutlich größere Linienbreite der FMR von 278 Oe (Abb. 12 rechts).

Abb. 12: EBSD-Mapping, hier inverse Polfigur in z-Richtung (links) und entsprechende FMR-Messung (rechts) für eine gesputterte YIG-Schicht auf (100) – SiAbb. 12: EBSD-Mapping, hier inverse Polfigur in z-Richtung (links) und entsprechende FMR-Messung (rechts) für eine gesputterte YIG-Schicht auf (100) – Si

Zusammenfassung und Ausblick

Im Rahmen der hier durchgeführten Untersuchungen wurden Ergebnisse zur Abscheidung von YIG-Dünnschichten vorgestellt, die mittels dc-Kathodenzerstäubung hergestellt wurden. Eine Kontrolle des dc-Sputterprozesses über ein genaues Monitoring der Entladungsspannungen sowie über eine exakte Bestimmung des Y/Fe-Elementverhältnisses in den Schichten sowie der ent-sprechenden optischen Schichteigenschaften erlaubt die Herstellung von zunächst amorphen Yttrium-Eisen-Granat-Schichten mit stöchiometrischer Zusammensetzung. Durch einen anschließenden Temperprozess können diese Schichten nachkristallisiert werden. Die Strukturaufklärung der Dünnschichten erfolgte insbesondere mittels Elektronenrückstreubeugungs-Experimenten. Erste Ergebnisse zu den magnetischen Eigenschaften der kristallisierten YIG-Schichten wurden durch Messungen zur ferromagnetischen Resonanz vorgestellt. In zukünftigen Experimenten soll insbesondere der Einfluss von möglichen Pufferschichten auf die kristalline Perfektion der YIG-Dünnschichten und die magnetischen Eigenschaften untersucht werden.

Danksagung

Die hier vorgestellten Arbeiten wurden zum Teil gefördert durch den Freistaat Thüringen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds Plus unter dem FKZ 2022FGR0008.

Literatur

[01]G. Schmidt, C. Hauser, P. Trempler, M. Paleschke, E. Th. Papaioannou; “Ultra Thin Films of Yttrium Iron Garnet with Very Low Damping: A Review”, Physica Status Solidi B, 2020, 1900644; https://doi.org/10.1002/pssb.201900644

  • Ausgabe: Juli
  • Jahr: 2024
  • Autoren: A. Pfuch, T. Reimann, V. Faldu, T. Seemann, T. Friedrich, O. Surzhenko, O. Beier und A. Gopakumar
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