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Dienstag, 30 August 2022 12:00

Smart Coatings beim 10. Winterthurer Oberflächentag

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Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten
Neueste Erkenntnisse zum Zukunftsthema Smart Coatings tauschten Anfang Juni knapp 100 Teilnehmer in Winterthur aus Neueste Erkenntnisse zum Zukunftsthema Smart Coatings tauschten Anfang Juni knapp 100 Teilnehmer in Winterthur aus Fotos: ZHAW Winterthur

Nach 2-jähriger, Corona-bedingter Unterbrechung meldete sich der Winterthurer Oberflächentag an der ZHAW Winterthur Anfang Juni mit 95 Teilnehmern zurück. Die acht Vorträge drehten sich um das Thema „Smart Coatings“. 14 Aussteller waren bei der Industrieausstellung vertreten.

Was bedeutet eigentlich Smart Coatings? Dieser neue Begriff stammt aus dem 21. Jahrhundert und bezeichnet Beschichtungen, die auf einen äußeren Reiz reagieren können, so wie beispielsweise die menschliche Haut. Deshalb werden sie auch Bioinspired Coatings genannt. Ein Beispiel: Es gibt selbstheilende Beschichtungen, auf der Kratzer wieder verschwinden. Der globale Markt für Smart Coatings soll bis 2025 in etwa 25 Mrd. US-Dollar erreichen und damit massiv wachsen.

Als Erster sprach Nicolas Spencer von der ETH Zürich über polymerfunktionalisierte maßgeschneiderte Oberflächen. Er erklärt: „Wenn wir an Werkstoffe denken, fallen uns oft zuerst die Masseneigenschaften ein: Festigkeit, Dichte, Elastizitätsmodul oder sogar der Preis. Die Oberflächeneigenschaften, wie z. B. Schmierfähigkeit, Biokompatibilität oder Benetzbarkeit, sind jedoch oft noch wichtiger für eine bestimmte Anwendung. Oberflächengebundene Polymere stellen eine besonders wirksame und vielseitige Klasse von Materialien dar, die Oberflächen für bestimmte Anwendungen modifizieren können. Dies kann durch das Anbringen von Polymeren an Oberflächen durch eine Vielzahl von Methoden oder durch das Wachstum von Polymeren aus Oberflächen erreicht werden.“ Als erstes Beispiel erwähnte er PLL-g-PEG, ein bifunktionelles Makromolekül, das einerseits an Metalloxidoberflächen binden kann, und andererseits die Oberfläche durch die PEG-Ketten hydrophil und biokompatibel ausrüstet. PLL-g-PEG findet Anwendung in Biosensoren und in der Reibungsminderung, auch ist es selbstheilend. Schließlich wurden Hydrogelbeschichtungen und ihre reibungsmindernden Eigenschaften vorgestellt.

Thomas Imwinkelried nahm Magnesiumimplantate in den Blick,  die mit einer cleveren Beschichtung vielleicht ihren medizintechnischen Durchbruch erleben   Thomas Imwinkelried nahm Magnesiumimplantate in den Blick, die mit einer cleveren Beschichtung vielleicht ihren medizintechnischen Durchbruch erleben Über Polymerfilme mit responsiven Funktionen referierte Stephen Schrettl, AMI University of Fribourg/TU München. Zum Anfang zeigte er Polymere mit nicht-kovalenten Bindungen, wie etwa durch Metallionen zusammengehaltene Polymere (Supramolekulare Polymere). Diese haben spezielle Eigenschaften, z. B. werden sie durch Hitze in die Monomere gespalten und können so recycliert werden. Auch können die Eigenschaften dieser Polymere von dehnbar bis steif und spröde getunt werden. Ihre mechanischen Eigenschaften erreichen fast diejenigen von kommerziellen Polymeren wie PE. Kratzer auf supramolekularen Polymeren heilen durch die Einwirkung von Licht oder Wärme. Als nächstes stellte er neue Wege zu Nanokompositen vor: Kleine Platincluster können in einer polymeren Matrix erzeugt werden. Diese Komposite haben immer noch die katalytische Wirkung von Platin und zersetzen beispielsweise Wasserstoffperoxid. Ein externer Reiz, wie die Bestrahlung mit UV-Licht, erzeugt Platincluster im Kunststoff und ruft eine Farbänderung von schwach gelb (atomares Platin) zu schwarz (Platincluster) hervor. Schließlich zeigte er Kunststoffe mit eingelagerten, speziellen Farbstoffen, die ihre Farbe auf einen externen Reiz hin ändern. Der Farbstoff fluoresziert rot, wenn er in Aggregaten vorliegt und grün, wenn er dispergiert ist. Dies kann man zur Erzeugung von Kunststoffen nutzen, die ihre Farbe auf mechanische Reize (Streckung) hin ändern.

Über „Smart coating of textile for advance material application“ sprach Gaffar Hossain von v-trion aus Bregenz, Östereich. In seiner Firma wird an selbstheilenden, hydrophoben, hydrophilen, antimikrobiellen, witterungsbeständigen und elektrisch leitenden Textilen geforscht. Smarte Textilien sind zum Beispiel Textilien mit Sensoren, die Bewegung registrieren und aufzeichnen können, z. B. in Verwendung als Schrittzähler aber auch als MaschineMensch-Interface. Ein großes Gebiet sind die selbstreinigenden Textilien, welche mit Fluorchemikalien behandelt werden. Dann können spezielle Textilien als Filtermaterial Gemische von Wasser und Öl trennen. Auch antivirale/antimikrobielle Textilien werden hergestellt, sie beruhen auf superhydrophoben Oberflächen.

Funktionelle und smarte Beschichtungen am IMPE war Martin Winklers Thema. Der Wissenschaftler von der ZHAW Winterthur stellte die Forschung in den Labors des Institute of Materials and Process Engineering (IMPE) der gastgebenden ZHAW Winterthur vor. Die Methoden zur Oberflächenmodifikation kann man in Pfropfen (grafting from / to), Additivieren der Bindemittelmatrix und durch Modifikation des Bindemittels einteilen. Als erstes Beispiel zu „grafting to“ wurde fotoreaktives Skiwachs gezeigt, welches dank Azid/Nitrenanbindung doppelt so lang am Ski haftet wie konventionelles Skiwachs. Bei der Winterolympiade von 2018 wurden damit Medaillen gewonnen. Als Beispiel zur Additivierung zeigte er Easy-to-Clean Beschichtungen auf Transportbändern, welche dank eines hydrophoben Additivs schmutzabweisend werden. Dann kamen antimikrobielle Wasserrohre zur Sprache, die mit quartären Ammoniumsalzen biozid ausgerüstet wurden. Durch Sol-Gel-Chemie können anorganisch-organische Hybridbindemittel hergestellt werden. Wundverbände werden durch neue Bindemittel nicht mehr allergen. Schließlich sprach er über hydrophile Beschichtungen für Herzkatheter. Ein hydrophiles Polymer wird durch Azid/Nitrenchemie an den Katheter angebunden, welcher dann durch Blutkontakt glitschig wird und deshalb gut durch die Blutgefäße geschoben werden kann.

Der Vortrag von Sonja Neuhaus von der Fachhochschule Nordwestschweiz handelte von „UV-Licht, Elektronenstrahlen, Plasma – starke Helfer für smarte Beschichtungen auf Kunststoffen“. Die heutzutage verfügbaren UV-LED können die traditionellen Quecksilberdampflampen zur Härtung von Beschichtungen ersetzen. Allerdings emittieren die LED – im Gegensatz zu den Hg-Lampen – in einem schmalen Wellenlängenbereich. Die Strahlung von UV-A LED dringt tief in die Beschichtung ein, härtet aber nicht die Oberfläche. Das kann man sich zunutze machen, und die noch klebrige Oberfläche mit einem anderen Material nachbeschichten. Sonja Neuhaus nennt das ReLaFun (Reaktive Layer Functionalization). Damit lassen sich beispielsweise kratzfeste, easy-to-clean oder anti-fog Beschichtungen realisieren.

Dann lassen sich mit Elektronenstrahlen Enzyme auf Oberflächen immobilisieren, welche als Biosensoren eingesetzt werden können. Mit Atmosphärenplasma können Oberflächen aktiviert und beschichtet werden. Als Beispiel wurden mit Zinkoxid-Partikeln beschichtete Oberflächen vorgestellt, die mit Licht schlechte Gerüche neutralisieren können.

Dann sprach Giulia Morgese, von der ZHAW Winterthur über einfache nasschemische Vorbehandlung von Polyolefinen für die Beschichtung und Verklebung. Trotz ihrer immensen Bedeutung lassen sich Polyolefine wie PE oder PP nicht so einfach verkleben. Das hängt mit ihrer inerten Oberfläche und der daraus resultierenden niedrigen Oberflächenenergie zusammen. Nur unspezifische, drastische und nicht-pemanente Verfahren wie die Plasmabehandlung machen PE und PP verklebbar. Giulia Morgese hat deshalb einen durch UV-Licht aktivierbaren Primer entwickelt, welcher es ermöglicht, auch PE und PP mit verschiedenen Klebstoffen (Araldit, PU-Kleber, Sekundenkleber) aufeinander zu binden. Sie konnte zeigen, dass mit ihrem Primer die Klebkraft mindestens so gut wie die mit den gängigen Plasmaverfahren ist. Allerdings muss der Kunststoff frei von Additiven sein, sonst verschlechtert sich die Klebkraft. Sie hat auch gezeigt, dass – im Gegensatz zur Plasmabehandlung – ihre geprimerten Werkstücke über Monate gelagert werden können, ohne dass die darauffolgende Verklebung schlechter wird, die geprimerten Werkstücke sind also lagerstabil.

Michael Steidle von der Textildruckerei Mayer in Messstetten-Unterdingisheim sprach über: Sensorik und Aktorik, intelligente Textilien der nächsten Generation. Es besteht ein Bedarf an Textilien welche leitend, stützend, erfassend (Sensoren), meldend, visualisierend und schützend sind. Die Firma Mayer hat ein Bezugsmaterial für komfortable und robuste Arbeitsstühle entwickelt, welches so weich und atmungsaktiv wie Stoff und dabei so robust wie Integralschaum ist. Möglich wird dies durch eine Mikropanzerung, die auf ein Trägertextil aufgebracht wird. Im Automobilbau werden viele funktionale Textiloberflächen benötigt. So z. B. zur Heizung, zur Sensorik, und zur Aktorik. Diese neuen Textilien werden das Automobil, so wie wir es kennen, stark verändern.

Thomas Imwinkelried von der RMS Foundation Bettlach, Schweiz, stellte die Frage: Verhilft eine clevere Beschichtung Magnesiumimplantaten zu Durchbruch? Implantate bestehen heutzutage aus Magnesium, weil das sich nach erfüllter Funktion wieder auflöst und verschwindet. Die Nachteile von Magnesium sind: Es entsteht Wasserstoffgas beim Auflösen und Magnesium ist anfällig für Spannungsrisskorosion. Magnesiumschrauben werden beispielsweise bei Haluxoperationen eingesetzt, und Koronarstents bestehen aus Magnesium. Die folgenden klinischen Anforderungen können durch eine Beschichtung erfüllt werden:

  • Anforderung: Sollen ohne unerwünschte Nebenwirkungen verschwinden.
  • Effekt der Beschichtung: Verzögerung der Degradation, Vermeidung von Gasblasen.
  • Anforderung: Mechanische Stabilität, kein vorzeitiges Versagen.
  • Effekt der Beschichtung: Minderung der Spannungsrisskorosion, Verlängerung der Tragfähigkeit.
  • Anforderung: Erwünschte Gewebereaktionen.
  • Effekt der Beschichtung: z. B: Anwachsen von Knochen.

Fazit: Erst eine clevere Beschichtung schafft die technischen Grundlagen, um Magnesiumimplantaten zum Durchbruch zu verhelfen.

www.zhaw.ch/impe/wot

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  • Ausgabe: 8
  • Jahr: 2022
  • Autoren: Dr. Konstantin Siegmann

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