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Montag, 24 Juli 2023 15:59

Die Rolle der Galvanotechnik in der Zukunft …

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Geschätzte Lesezeit: 8 - 15 Minuten
Robotergestützte Galvanik, deren Entwickler 2021 den Leipziger Galvanopreis erhielten Robotergestützte Galvanik, deren Entwickler 2021 den Leipziger Galvanopreis erhielten (Foto: Julius Nickisch)

… zu kennen ist selbstverständlich unmöglich. Die Gegenwart ist das einzige, was wir sicher und einigermaßen bewusst erleben. Das Vergangene ist nicht mehr, unsere lückenhafte, je nach Temperament bittere oder auch verklärte Erinnerung an frühere Zeiten durchaus anzuzweifeln, und die Zukunft ist noch nicht da. Jede Prognose – das jedenfalls hat die Vergangenheit immer wieder und gerade in den letzten Jahren brutal gezeigt – kann durch Unvorhergesehenes kurzerhand widerlegt werden. Dennoch wagt die Autorin nach bestem Wissen und Gewissen einen Blick nach vorne.

Zukunft

Abb. 1: Eine Galvanik der ersten Stunde (Quelle: Wikimedia commons)Abb. 1: Eine Galvanik der ersten Stunde (Quelle: Wikimedia commons)Gibt es überhaupt eine langfristige Zukunft, eine bedeutende Zukunft für die Galvanotechnik? Ist die Technologie nicht veraltet, überholt, schmutzig, unflexibel? Machen Materialinnovationen möglicherweise die gesamte Oberflächentechnik dereinst obsolet? Ich glaube das nicht, und ich will als erstes darlegen, warum. Die Beschichtung eines Gegenstandes mit einem anderen Material bietet die einzigartige Chance, die Eigenschaften von Substrat und Oberfläche zu trennen. Der Werkstoff eines Bauteils kann preisgünstiger, leichter, zäher, fester, einfach ganz anders sein als seine Oberfläche. Diese mag teurer, schwerer, weicher oder auch viel härter, edler oder unedler, leitfähiger oder isolierend sein, meistens auch viel schöner (was immer das heißt). Das spart Ressourcen und bietet mehr Möglichkeiten für die Gestaltung. Und im Gegensatz zu anderen Oberflächentechniken arbeitet die Galvanotechnik – also die elektrochemische Abscheidung (im wesentlichen) metallischer Schichten – bei Normaldruck, bei relativ niedrigen Temperaturen und elektrischen Spannungen; ihr Lösungsmittel ist üblicherweise Wasser. Metalle sind Elemente, also auf der Erde vorhanden und nicht gemacht, ihre potentielle Recyclingfähigkeit ist nahezu unendlich (wenn wir sie nicht ins All jagen), und Leitfähigkeit ist ihre Natur. Fast alle denkbaren Werkstoffe können auf irgendeine Weise galvanisiert werden – daher ist gerade die Galvanotechnik eine der anpassungsfähigsten und flexibelsten Technologien. Im Vergleich zur Jahrtausende alten Geschichte der Lacke ist die Galvanotechnik sogar ausgesprochen jung (Abb. 1). Und schmutzig muss sie nicht sein – dazu später mehr.

Innovationen

Die Galvanotechnik ist nie oder fast nie die eigentliche Treiberin technischer Innovationen. Als Dienstleistungstechnologie folgt sie den Aufgaben und Anforderungen ihrer Kunden und deren Auftraggebern, unterstützt und ermöglicht also deren Innovationen. Zuweilen wird versucht, diese Entwicklungen zu antizipieren; es hat sich aber bewährt, in enger Kommunikation zu bleiben, um die neuen Ideen möglichst frühzeitig zu erfahren und im Dialog ihre Realisierbarkeit zu erforschen. Einige Galvaniken arbeiten heute als „verlängerte Werkbänke“ ihrer Kunden, mit hoher Transparenz und tiefgehender Zusammenarbeit.

Inhaltlich waren die Innovationen der letzten Jahrzehnte meist sehr stark geprägt vom Ersatz gefährlicher Arbeitsstoffe. Cyanidfreie Elektrolyte sind seit längerem für die meisten Metalle zum Standard geworden. Sechswertiges Chrom wurde aus den Passivierungen („Chromatierungen“) für Zink und Zinklegierungen weitgehend verbannt, und in der dekorativen Verchromung läuft seit einigen Jahren die Umstellung auf dreiwertige Verfahren. Für die POP-Vorbehandlung gibt es Alternativen zur Chromsäure [1], und selbst beim Hartchrom wird am Ersatz gearbeitet. Aus dem Umfeld HSE (Health, Safety, Environment – Gesundheit, Sicherheit, Umwelt) wird es auch weiterhin immer wieder Aufgaben für die Galvanotechnik geben.

Ein weiterer, sehr wichtiger, aber weniger spektakulärer Bereich zahlreicher Innovationen der Vergangenheit und Gegenwart ist die Qualitätssicherung und die Kontrolle der Verfahren, und das möglichst automatisch und/oder möglichst kostenneutral: Die Investitionen müssen sich im Gegenzug durch Verringerung von Ausschuss und geringerem Materialverbrauch bezahlt machen. Auch diese Aufgabenstellungen werden – gerade auch im Hinblick auf die gegenwärtige und erwartete Personalsituation – eher mehr als weniger werden, das zeigen auch die neueren Patentanmeldungen.Was aber sind die innovativen technischen Trends der nächsten drei Dekaden?

Große Wünsche

Abb. 2: Gehirn-Computer-Interface (Quelle: Wikipedia)Abb. 2: Gehirn-Computer-Interface (Quelle: Wikipedia)Vorherrschende Trends der Gegenwart sind groß, zuweilen riesengroß und werden in Zukunft immer gigantischer: Kommunikation, die häufiger (quasi ständig?), schneller, perfekter und vollständiger stattfindet, und das nicht nur zwischen Menschen (Telefonie, Nachrichten, Videokonferenzen bis hin zur Dreidimensionalität – Apple’s Vision Pro), sondern auch zwischen Geräten (5G, Internet of Things – IoT). Die Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) nicht nur zum Texteschreiben oder Bildererzeugen, sondern auch für moderne Robotik und viele technische Aufgaben, sogar zum besseren Staubsaugen [2]. Selbst die technischen Varianten der „Human Augmentation“ oder des „Human Enhancement“ (z. B. smarte Prothetik nicht nur zur Hilfe für Behinderte, sondern zur Erweiterung menschlicher Fähigkeiten, mit Hirnimplantaten verbundene Exoskelette und andere Mensch-Maschine-Verbindungen bzw. Mensch-Computer-Interfaces, Abb. 2) sind bereits Gegenstand ernsthafter Bemühungen, gerade auch aus militärischer Perspektive [3]. Dazu kommen autonome Geräte (Fahrzeuge, Lieferdrohnen, Lager- und Produktionsanlagen), Hyperautomatisierung (lernende KI für agile Geschäftsprozesse), Smart Cities …

Für die Realisierung all dieser großen Ideen und Wünsche sind elektronische Systeme nötig, und zwar immer kleiner, dichter gepackt, flexibler und vielfältiger und vor allem immer mehr [4]. Die galvanische Verkupferung ist für all dies ein Kernverfahren. Aber gibt es dafür eigentlich ausreichend Kupfer? Und was gibt es sonst? Das und alles darumherum (Aktivierung der Substrate, Adhäsion, Abdichtung, Abschirmung, Passivierung) wird die Galvanotechnik in der näheren und auch ferneren Zukunft ganz sicher stark beschäftigen.

Herausforderung

Leider geht es aber nicht nur immer schneller – höher – stärker: Auch die Galvanotechnik muss sich mit der Endlichkeit des „Raumschiffs Erde“ und den Grenzen seiner Ressourcen beschäftigen. Die nächsten Jahrzehnte werden stark von dem geprägt werden, was wir heute bereits spüren: dem aktuellen Klimawandel. Diesen hat es in der Erdgeschichte immer wieder gegeben, aber diesmal sind wir alle, vor allem unsere Nachkommen, direkt dabei.

Ein wesentlicher Einflussfaktor sind die seit Beginn der Industrialisierung in erheblichem und zunehmendem Maße freigesetzten Treibhausgase [5], insbesondere CO2, beispiellos seit Beginn der Wetteraufzeichnung (Abb. 3).

Unmittelbare Folgen sind Gletscherschmelze, steigende Meeresspiegel, Versauerung der Meere, Verschiebung von Klima- und Vegetationszonen, verändertes Auftreten von Niederschlägen mit stärkeren oder häufigeren Extremen wie Überschwemmungen, Stürmen und Dürren, Ausbreitung von Parasiten und „tropischen“ Krankheiten. In manchen Gegenden auf der Erde wird es schwer sein zu überleben, was zu umweltbedingter Migration führt und noch stärker führen wird [6]. Aber all das ist nicht nur Material für Katastrophenfilme, Anlass zu Alpträumen und verzweifelten Protesten sowie – im Gegenzug – der trotzigen Leugnung [7], verbunden mit YOLO (you only live once)-Aktionen oder auch après-moi-le-déluge-Haltung (nach mir die Sintflut): Es gibt bereits heute bedeutende - noch nicht ausreichend koordinierte – Initiativen der meisten Industriestaaten und zahlreicher großer und nicht-so-großer Firmen, mit neuen Verfahren und Technologien den CO2-Anstieg zu stoppen, zu stabilisieren oder sogar umzukehren. „Es lohnt sich, noch einmal zu wiederholen, dass wir die erste Generation sind, die den Klimawandel vollständig versteht, und die letzte Generation, die etwas dagegen tun kann“, sagte 2018 Petteri Taalas, Generalsekretär der World Meteorological Organization [8].

Abb. 3: Änderungen der globalen Oberflächentemperatur gegenüber 1850–1900 (Quelle: IPCC)Abb. 3: Änderungen der globalen Oberflächentemperatur gegenüber 1850–1900 (Quelle: IPCC)

Was also kann die Galvanotechnik tun? CO2-Reduktion

Nur wer seinen CO2-Fußabdruck kennt, kann ihn auch beeinflussen. Diesen wirklich genau zu berechnen ist eine komplexe Aufgabe; die im Internet verfügbaren CO2-Rechner sind sehr grob und geben nur erste Hinweise für Privatleute. Die internationale Norm ISO 14067 definiert Instrumente für die Quantifizierung, Überwachung, Berichterstattung und Validierung [9]. Praktisch gesehen geht es im ersten Schritt darum, die eingesetzte Energie, die eine erhebliche Rolle in der Galvanik spielt, so effizient wie möglich zu nutzen. Wichtige Parameter für Energieeffizienz von Galvaniken sind die Gleichrichter (deren Wirkungsgrad und ggf. die Möglichkeit der Verlustwärmenutzung), aber auch die Zu- und Abluft, Druckluft [10], Trocknung sowie die Prozess- und Raumwärme [11]. Können Heiz- und Kühlbedarf sinnvoll gekoppelt werden, sind erhebliche Einsparungen erzielbar [12]. Die Herausforderung ist, dennoch als Galvanik agil und flexibel zu bleiben. Hier kann effektive IT stark unterstützen, wie das Beispiel von B+T eindrücklich zeigt [13] (Abb. 4).

Abb. 4: Beschichtete Oberflächen und aufgewendete Energie können mittels IT ins Verhältnis gesetzt werden (Grafik: B+T)Abb. 4: Beschichtete Oberflächen und aufgewendete Energie können mittels IT ins Verhältnis gesetzt werden (Grafik: B+T)

Der im Mai 2023 gestartete Förderwettbewerb des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zur Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft bietet für Galvaniken einen interessanten Anreiz, mit höheren Förderquoten als zuvor [14]. Zwei Beispiele [15] aus der Galvanotechnik verdeutlichen den Ansatz.

Für Galvaniken wird sie eine zentrale Aufgabe werden (oder bleiben), aber auch Chemiefachfirmen sollten die Energie- und Ressourceneffizienz als ihr Innovationsfeld ansehen, nicht zuletzt wegen der Auswirkung ihrer Produkte und Verfahren auf die Energiebilanz ihrer Kunden.

Smart Plating

Daten sind angeblich das Gold des 21. Jahrhunderts, aber die Daten an sich sind wertlos ohne ordentliches „Sieben“, also ihre vernünftige Analyse und die daraus gewonnenen Informationen.

So arbeitet das Fraunhofer IST (Institut für Schicht- und Oberflächentechnik) in Braunschweig in diversen Projekten daran, galvanische Verfahren durch smarten Einsatz digitaler Methoden noch flexibler und gleichzeitig nachhaltiger zu machen [16]. Differenzstromüberwachung kann helfen, galvanische Verfahren zu optimieren und typischen Brandrisiken vorzubeugen [17]. Digitales Monitoring zur Überwachung des Energieverbrauchs wird bei B+T Oberflächentechnik eingesetzt, die Methoden dazu wurden mit Partnern in der eigenen Unternehmensgruppe entwickelt [18].

Ressourcen

Waren die vergangenen Jahrzehnte geprägt vom Ersatz gefährlicher Arbeitsstoffe, so wird sich das Augenmerk in den nächsten Jahren auf die Ressourcensicherheit verschieben.

Deutschland ist bei der Bedarfsdeckung von Metallen und Energierohstoffen sehr stark von Importen abhängig, bei Metall-Primärrohstoffen zu fast 100 %. Bei Kupfer, Stahl/Eisen, Aluminium und Zink trägt schon heute das Recycling deutlich zur Versorgung bei. Die Recyclingquote vieler Metalle kann und muss deutlich gesteigert werden, aber dazu fehlt es derzeit noch an Recycling-Rohstoffen (Schrott). Die Verfügbarkeit hängt u. a. von der Lebensdauer der Produkte, in denen der Rohstoff gebunden ist, den Sammelquoten und -routen sowie der Recycelfähigkeit der Sekundärrohstoffe ab. Beispiel Kupfer: Fast 50 % der europäischen und etwas über 30 % der weltweiten Kupfernachfrage werden derzeit durch Recyclingmaterial gedeckt, aber rund 80 % des jemals erzeugten Kupfers sind noch heute in der aktiven Nutzung (und damit Teil der geschätzten Kupferreserven). Recyclingkupfer verbraucht 80–90 % weniger Energie als Primärkupfer. Die International Energy Agency schätzt, dass der weltweite Kupferbedarf bis 2040 um über 40 % gegenüber dem heutigen Bedarf von rund 22 Millionen Tonnen ansteigen wird (zum Vergleich: Seltene Erden +40 %, Nickel und Cobalt + 60-70 %, Lithium +90 %) [19].

Auf die Recylingquote können Galvaniken indirekt Einfluss nehmen, nämlich indem sie ihre Spülwässer und Abfälle so wenig wie möglich mischen. Das erzeugt besser recycelbare Schlämme bzw. Konzentrate mit möglichst hohem Metallgehalt.

Abb. 5: Die rasche Einführung sauberer Energietechnologien im Rahmen der Energiewende führt zu einem erheblichen Anstieg der Nachfrage nach Mineralien (Foto: IEA)Abb. 5: Die rasche Einführung sauberer Energietechnologien im Rahmen der Energiewende führt zu einem erheblichen Anstieg der Nachfrage nach Mineralien (Foto: IEA)

Die Verwendung bestimmter Metalle und Halbmetalle wird in Zukunft stark ansteigen, denn für die „grüne Energie“ wird deutlich mehr gebraucht als konventionell (Abb. 5).

Für Anwendungen außerhalb der besonders wertvollen klassischen und neuen Anwendungen muss der Einsatz bestimmter Metalle wie beispielsweise Cobalt überdacht werden. Die Elektronikfirma Apple setzte 2022 rund 20 % allen Materials aus Recycling oder nachhaltigen Quellen ein und plant, bis 2025 diese Quote bei Cobalt und einigen anderen Elementen auf 100  % zu steigern [20]. Überbeschichtung, z. B. an den Kanten muss durch Verfahren mit guter Metallverteilung, der Verwendung von Innenanoden und/oder spezifischer Anlagentechnik (z. B. Beschichtungsreaktoren) vermieden werden. Stoffverlustverminderte Verfahren mit weitgehender oder auch nur teilweiser Spülwasser-Rückführung werden an Bedeutung gewinnen, denn sie vermeiden Abfälle (oder scheiden relativ reine Abfälle ab), können bei geeigneter Prozessführung ein Fließgleichgewicht und damit konsistente Qualitätsbedingungen einstellen [21], und sie schonen die bedeutendste nichtmetallische Ressource der Galvanik: das Wasser.

(Sauberes) Wasser ist nicht nur das zukünftig immer knapper werdende Elixier allen irdischen Lebens, es ist auch das wesentliche Lösemittel in der Galvanik: den Wasserverbrauch so gering wie möglich zu halten, qualitativ hochwertiges Kreislaufwasser zu erzeugen und wo immer möglich direkte Spülrückführung einzusetzen wird an Bedeutung noch weiter zunehmen. Die alten Visionen der abwasserfreien Galvanik werden neue Impulse bekommen [22].

Chemie

Galvanotechnik als angewandte Elektrochemie benötigt nicht nur Anodenmetalle, Metallsalze, Leitsalze und Säuren bzw. Alkali, sondern auch organische Additive und Komplexbildner. Die organische Chemie hängt heute nahezu vollständig von fossilen Rohstoffen ab. Auch hier muss es in den nächsten Jahrzehnten gravierende Änderungen geben, und das bedeutet, künftige Rohstoffe müssen

  • aus erneuerbaren Quellen oder
  • aus Recyclingverfahren stammen.

In der chemischen Industrie ist Methanol nach Ammoniak eine der meistproduzierten organischen Chemikalien und dient als Grundstoff für die organische Synthese, als Lösemittel und auch als Kraftstoff(zusatz). Bis heute wird es katalytisch aus Erdgas und anderen fossilen Rohstoffen hergestellt. „Grünes“ Methanol hingegen kann aus Biogas- und Abgas-Kohlendioxid sowie mittels Windenergie hergestelltem Wasserstoff synthetisiert werden, „flüssiger Wind“ mit hoher Energiedichte, vor allem für den Langstrecken­­transport und Speicherung erneuerbarer Energie [23]. Das ist kein Wunschdenken und keine Utopie, es gibt Firmen, die damit bereits beginnen – so hat das Project Air der Perstorp Gruppe (Harze, Lacke, technische Fluide, Tenside u.v.m.) tatsächlich zum Ziel, aus erneuerbarer Energie und gereinigtem Abwasser Wasserstoff zu generieren, und daraus sowie mit CO2 aus eigener Produktion (CCU – Carbon Capture & Utilization) plus Biogas eigenes nachhaltiges Methanol zu produzieren, nicht nur als Brennstoff, sondern auch als Rohstoff für ihre Syntheseverfahren [24]. Kernstück ist ein alkalischer Elektrolyseur von Sunfire, der weltweit erstmalig gereinigtes Abwasser einsetzt.

Das Project Air wird das gesamte von Perstorp in Europa als Rohstoff für chemische Produkte verwendete fossile Methanol durch nachhaltiges Methanol ersetzen. Dies ist nur ein erstes Beispiel für das, was auch auf dem Gebiet der organischen Chemie künftig möglich und verfügbar sein wird.

Neue Anwendungen

Elektromobilität als aktueller Megatrend kombiniert Leichtbau mit anspruchsvollen elektrischen Anwendungen für Steckverbinder, Kontakte, Stromschienen, Gehäuse, Halter und Kabelschuhe u.v.m. Daraus ergeben sich neue Anforderungen an bewährte Schichten wie Zink/Nickel, Zinn, Zinn/Zink und Chemisch Nickel, beispielsweise Leitfähigkeit in Kombination mit Korrosionsschutz zur Übertragung hoher elektrischer Leistungen und gleichzeitigem Vermeiden von Kontaktkorrosion. Neue Schichten und Schichtsysteme sind in der Entwicklung und werden die etablierten ergänzen.

Die Luftfahrt erfährt eine stark steigende Nachfrage, insbesondere in Indien, das sich in den nächsten 15 Jahren zum zweitgrößten Luftverkehrsmarkt der Welt nach den USA entwickeln könnte. 80 neue Flughäfen sollen in Indien in den nächsten fünf Jahren in Betrieb gehen [25]. Wie ist es möglich, die Luftfahrt zu dekarbonisieren? Airbus plant, im Rahmen seines ZEROe Aircraft-Projektes bereits im Jahr 2026 Testflüge mit einem für Wasserstoffantrieb ausgestatteten Demonstrator auf Basis des A380 durchzuführen. Die Technologie der Spezialtanks für flüssigen Wasserstoff und des gesamten Systems dazu ist aber eine große Herausforderung: Flüssiger Wasserstoff ist sehr kalt, es gibt noch viele Fragen auf dem Gebiet der Materialforschung und natürlich auch der Oberflächentechnik. Und im Jahr 2035 soll das weltweit erste wasserstoffgetriebene kommerzielle Flugzeug fertig entwickelt sein [26].

Überhaupt stellt die Wasserstofftechnologie von der Erzeugung über den Transport bis hin zur Speicherung zahlreiche materialtechnische und elektrochemische Aufgaben, die auch die Galvanotechnik betreffen, z. B. für Katalysatoren [27]. Die Energie von Windkraftanlagen, Wasserkraftwerken und Photovoltaikanlagen wird zur höheren Flexibilität und besseren Transportierbarkeit in Wasserstoff und Methanol gespeichert werden, das zeigen die zahlreichen Projekte und Programme in der EU und weltweit. Aber auch für Brennstoffzellensysteme [28] kann die Galvanotechnik Beiträge leisten.

Insgesamt werden galvanische Schichten neben ihren klassischen Eigenschaften wie Glanz/Mattgrad, Korrosionsschutz, Härte, Verschleißschutz auch spezifischere Kombinationen an Oberflächenfunktionen generieren, z. B. für spezielle Wearables ästhetische, verschleißtechnische und medienbeständige Anforderungsprofile erfüllen. Es wird immer wieder neue Substrate geben, beispielsweise aus additiver Fertigung, sogenannte 3D-Drucke, und das auch aus biogenen und biologisch abbaubaren Kunststoffen, oder auch keramischen Materialien.

Fazit

Die Galvanotechnik wird, obwohl sie mit anderen Oberflächentechnologien und auch (beschichtungsfreien) Materialinnovationen konkurriert, aufgrund ihrer Fähigkeit, flexibel, skalierbar und präzise hochwertige Schichten relativ preisgünstig abzuscheiden, weiterhin ein wertvolles und weit verbreitetes Verfahren sein. Der künftige Erfolg einzelner Firmen wird jedoch von ihrer Fähigkeit abhängen, den sich wandelnden Anforderungen der Industrie wie Nachhaltigkeit, Qualitätskonsistenz und Automatisierung immer wieder gerecht zu werden.

  • Smart Plating – verstärkte Automatisierung auch bei Kontrollen – Erhöhung der Konsistenz – Integration von Sensoren – Datenanalyse – Echtzeitüberwachung und -steuerung
  • Nachhaltiges Arbeiten über die gesamte Lieferkette hinweg – Verringerung von Abfällen, Erzeugung von Sekundärrohstoffen – Steigerung der Energie-Effizienz – Minimierung der Umweltauswirkungen
  • Verbesserte Schichteigenschaften für alte und neue Anwendungen – eMobility – Elektronik – Medizintechnik – Energie(träger)erzeugung-, -transport und -speicherung – Wasserstoff

Literatur

[1] www.wotech-technical-media.de/womag/ausgabe/2023/01-02/29_bia-forum_01-02j2023/29_bia-forum_01-02j2023.php
[2] www.samsung.com/de/vacuum-cleaners/bespoke-jet-ai
[3] www.bundeswehr.de/de/organisation/weitere-bmvg-dienststellen/planungsamt-der-bundeswehr-/human-augmentation-verbindung-mensch-maschine-planungsamt-5016384
[4] www.ncabgroup.com/de/blog/news/wandel-in-der-welt-der-leiterplatten[5]de.wikipedia.org/wiki/Klimawandel#cite_note-10.1038/ngeo2681-61
[6] de.wikipedia.org/wiki/Folgen_der_globalen_Erwärmung
[7] www.klimafakten.de/behauptungen/behauptung-im-mittelalter-war-es-waermer-als-heute
[8] sustainingecology.com/2018/12/09/we-are-the-first-generation-to-fully-understand-climate-change-and-the-last-generation-to-be-able-to-do-something-about-it-global-warming-reaches-1c
[9] www.beuth.de/de/norm/din-en-iso-14067/289443505
[10] www.druckluft-effizient.de/downloads/dokumente/leitfaden_galvanik.pdf[
11] pdf4pro.com/fullscreen/effiziente-energienutzung-in-der-galvanikindustrie-4e78a.html

[12] www.leuze-verlag.de/fachzeitschriften/galvanotechnik/item/5954-waermetauscher-optimieren-kohlendioxid-vermeiden
[13] www.wotech-technical-media.de/womag/ausgabe/2023/01-02/22_bag_gt40_01-02j2023/22_bag_gt40_01-02j2023.php
[14] www.wettbewerb-energieeffizienz.de/WENEFF/Navigation/DE/Foerderwettbewerb/Wettbewerbsrunden/wettbewerbsrunden.html
[15] 1. Beispiel: www.wettbewerb-energieeffizienz.de/WENEFF/Redaktion/DE/Artikel/Projekte/Projektideen/steigerung-der-energieeffizienz-in-der-galvanotechnik.html 2. Beispiel: www.wettbewerb-energieeffizienz.de/WENEFF/Redaktion/DE/Artikel/Projekte/Gefoerderte-Projekte/optimierung-galvanikanlage.html
[16] www.ist.fraunhofer.de/de/kompetenzen/simulation-digital-services/datenerfassung-prozessoptimierung/digitalisierung-galvanotechnik.html
[17] www.funk-gruppe.de/de/themen-blog/risikomanagement/galvanik
[18] www.leuze-verlag.de/fachzeitschriften/galvanotechnik/item/6118-mit-asap-zur-klimaneutralitaet-in-der-oberflaechentechnik
[19] www.iea.org/reports/the-role-of-critical-minerals-in-clean-energy-transitions/mineral-requirements-for-clean-energy-transitions
[20] www.apple.com/newsroom/2023/04/apple-will-use-100-percent-recycled-cobalt-in-batteries-by-2025
[21] silo.tips/download/prozesssicherheit-in-der-galvanotechnik
[22] www.leuze-verlag.de/fachzeitschriften/galvanotechnik/item/3888-nachhaltigkeit-in-der-galvanotechnik-aufbereitung-und-kreislauffuehrung-der-spuelwaesser
[23] www.thyssenkrupp.com/de/stories/nachhaltigkeit-und-klimaschutz/die-revolution-des-gruenen-methanols
[24] projectair.se/en
[25] www.dw.com/de/indiens-luftfahrtmarkt-auf-der-überholspur/a-64973145
[26] www.airbus.com/en/innovation/low-carbon-aviation/hydrogen/zeroe
[27] holzapfel-group.com/oberflaechenverfahren/beschichtungsloesungen-fuer-die-wasserstofferzeugung
www.leuze-verlag.de/fachzeitschriften/galvanotechnik/item/6235-30-mio-euro-fuer-galvanikausbau
[28] www.zbt.de/aktuell/aus-unserer-forschung/forschung-und-projekte/detail/News/entwicklungsstart-flexibel-auslegbare-sensor-brennstoffzellen-mit-3d-druck-und-galvanotechnik-hers

 

 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 7
  • Jahr: 2023
  • Autoren: Patrizia Preikschat

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