Baustart für Megafab und ein Blick in die Kinderstube des Universums – TSMC-Investition startet in Dresden und zieht weitere Investitionen nach sich

Blick auf einen prozessierten Wafer von TSMC Bild:

Die Investitionen in Sachsen in einen massiven Ausbau der Produktions- und Ausbildungskapazitäten in der Mikroelektronik und verwandten Branchen konkretisieren sich: TSMC hat mit seinen europäischen Partnern den Baustart für seine Dresdner Mega-Chipfabrik eingeläutet, parallel dazu treiben Freistaat, Landeshauptstadt und Umland ihr Fachkräfteprogramm voran. Und eine kosmische Bewerbung soll für einen Auftragsboom in der sächsischen Hightech-Wirtschaft sorgen.

Lange wurde es angekündigt und vorab gefeiert, nun war es soweit: Manager und Politiker haben in Dresden die ersten Spaten für Deutschlands teuerste Chipfabrik in den Boden gerammt: Für 10 Mrd. € entsteht hier eine gemeinsame Megafab von TSMC mit den europäischen Halbleiterkonzernen Bosch, Infineon und NXP. Die Hälfte der Investitionssumme zahlt der Staat als Beihilfe. Für ,Silicon Saxony’-Geschäftsführer Frank Bösenberg ist das gut angelegtes Geld: „Dies zeigt eindrucksvoll, dass die Maßnahmen des EU Chips Act zur Stärkung der europäischen Halbleiterindustrie greifen und den Standort Dresden weiter als zentralen Innovations- und Produktionshub in Europa festigen.“ Eine besondere Gabe aus Brüssel hat dem Chipkonzern TSMC derweil den Spatenstich für dessen erste Megafab in Europa versüßt: Die EU-Kommission hat der deutschen Regierung am selben Tage auch offiziell erlaubt, die Hälfte der 10 Mrd.-Investition in Dresden mit Steuergeldern zu finanzieren. „Dieses Projekt wird große Ausstrahlung auf den gesamten Wirtschaftsstandort Sachsen haben, weit über Dresden hinaus“ – davon ist Thomas Horn, Geschäftsführer der ,Wirtschaftsförderung Sachsen’, überzeugt. Die staatlichen Wirtschaftsförderer hoffen insbesondere, dass sich die Stammzulieferer von TSMC aus Taiwan und anderen Ländern im Gefolge der Megafab nun nach und nach auch in Dresden ansiedeln. „Wir würden uns sehr freuen, wenn zahlreiche taiwanesische Firmen sowohl aus der Mikroelektronik als auch aus anderen Branchen hier ihren neuen europäischen Standort aufbauen.“

Fairness-Pakt geschlossen

Weil solche Großsubventionen umstritten sind, hatten regionale Wirtschaftsvertreter bereits im Vorfeld ihre Claims rings um die TSMC-Fab in der sächsischen Staatskanzlei eingeschlagen: Vertreter von Mittelstand und Chipkonzernen handelten auf Vermittlung der Regierung in Dresden eine Vereinbarung aus, die unter anderem sicherstellen soll, dass auch die kleineren Unternehmen sowie die Umlandgemeinden etwas von der Großansiedlung haben. Der Deal sieht unter anderem vor, dass die großen Halbleiterunternehmen ihre internationale Strahlkraft nutzen, um genügend ausländische Fachkräfte anzuwerben – damit dieses Reservoir dann für die Tischlerei und die kleine Autowerkstatt genauso reicht wie für die große Chipfabrik im ,Silicon Saxony’. Auch soll ein neuer Beirat verhindern, dass TSMC, Infineon & Co. zu stark in den gleichen Lehrlings-Pools wie Handwerker und Mittelständler herumfischen. Die Mittelständler sollen zudem einen gleichberechtigten Zugang zu den neuen Ausbildungskapazitäten bekommen, die gerade in und um Dresden für die wachsende Halbleiterindustrie entstehen.

Fachkräfte-Sicherung für Mikroelektronik

Denn während sich in Magdeburg und im Saarland die Bedenken häufen, ob die angekündigtem Chipfabriken von Intel und Wolfspeed in absehbarer Zeit wirklich gebaut werden, machen die Sachsen Nägel mit Köpfen: Nicht nur, dass Infineon und TSMC bereits mit ihren Fabrikbauten begonnen haben, auch die vom Freistaat und von der Landeshauptstadt avisierten Fachkräfte-Programme für die sächsische Halbleiterindustrie nehmen konkrete Formen an. So haben sich Stadt und Land nun auf zwei Investitionen in eine großformatige Azubi-Ausbildung im Gesamtwert von rund 0,25 Mrd. € geeinigt: Für den theoretischen Teil entsteht im Dresdner Stadtteil Prohlis mit einem Aufwand von 127,5 Mio. € ein neues ,Exzellenz-Berufsschulzentrum für Elektrotechnik’ (Det). Das soll im Schuljahr 2028/29 starten und wird für bis zu 2200 angehende Mikrotechnologen, Mechatroniker, Fachinformatiker, Elektroniker, Elektroanlagenmonteure und Informationstechnologie-Systemelektroniker ausgelegt. „Dresden ist der führende Mikroelektronikstandort in Europa und das ,Silicon Saxony’ wächst weiter“, erklärte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) die eher ungewöhnliche Beteiligung des Landes an den direkten Baukosten für eine derart große Berufsschule. „Damit steigt auch der Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften. Mit dem Neubau des Berufsschulzentrums erhöhen wir die Ausbildungskapazitäten für die Zukunftsbranche Elektrotechnik deutlich. Davon profitieren die großen Halbleiterproduzenten und die mittelständischen Unternehmen gleichermaßen.“ Parallel dazu entsteht in Radeberg bei Dresden für den praktischen Ausbildungsteil eine zentrale Lehrlingsschmiede für die Mikroelektronik in Sachsen. Die soll etwa 120 Mio. € kosten und bis zu 1.000 Mechatroniker und Mikrotechnologen in spe an industrienahen Anlagen schulen. Dieses ,Sächsische Ausbildungszentrum für Mikroelektronik’ (Sam) wird unter anderem eine Lehrlings-Reinraumfabrik, Schulungsräume, Labore und Werkstätten umfassen. „Wir haben uns ganz bewusst für den Standort Radeberg entschieden“, erklärte der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). „Damit sorgen wir dafür, dass die positiven Auswirkungen der Halbleiterentwicklung ganz direkt im Umland von Dresden ankommen. Handwerk und Mittelstand sind ein elementarer Bestandteil des Silicon Saxony. Wir sorgen dafür, dass sie weiter von den Investitionen der Weltkonzerne profitieren. Das Ausbildungscluster Mikroelektronik ist ein großer Baustein für den Fachkräftebedarf.“ Hintergründe für diese Bildungsinvestitionen sind das organische Wachstum der Hochtechnologieindustrien im ,Silicon Saxony’, aber auch die jüngste Ansiedlung von TSMC: Die Sachsen hatten den Taiwanesen nicht nur milliardenteure Subventionen von Bund und Land, sondern offensichtlich ebenso einen steten Fluss von Fachkräften für die neue Megafab in Dresden versprochen.

„Gemeinsam mit der sächsischen Staatsregierung verfolgen wir das Ziel, dass Sachsen der ,Taiwan-Hub’ in Deutschland und Europa wird“
Thomas Horn

Ein neues Groß-Berufsschulzentrum für Elektrotechnik entsteht in Dresden-ProhlisEin neues Groß-Berufsschulzentrum für Elektrotechnik entsteht in Dresden-Prohlis

Zeiss kauft Litho-Sparte

Derweil kommt auch in die Ausrüstungsbranche für Chipfabriken wieder einmal Bewegung: Zeiss kauft die Chipbelichtungs-Sparte des Schweizer Technologiekonzerns ,Ruag’. Inbegriffen sind die Lithografietechnik-Produktionen in Zürich und im sächsischen Coswig mit insgesamt 200 Beschäftigten. Das haben die Zeiss-Mikroelektronik-Tochter ,Zeiss Semiconductor Manufacturing Technology’ (SMT) in Oberkochen und Ruag International (alias ,Beyond Gravity’) in Zürich mitgeteilt. „Seit 2001 haben wir unsere Kompetenzen für Lithografieanwendungen kontinuierlich entwickelt und eine erfolgreiche Partnerschaft mit unserem Hauptkunden Zeiss SMT aufgebaut“, erklärte Ruag-Chef André Wall. „Mit den neuen Eigentümern erhält unsere Lithografie-Division ein ideales Umfeld für die Weiterentwicklung der großen Kompetenzen, die wir über die Jahre aufgebaut haben.“ Auch für Zeiss-SMT-Operativchef Christoph Hensche ist der Transfer ein logischer Schritt: „Die Division Lithography von Ruag International war in den letzten zwei Jahrzehnten ein hervorragender und verlässlicher Partner in unserer Lieferkette“, betonte er. „Der Halbleitermarkt bietet viele Chancen für eine prosperierende Zukunft. Zeiss SMT setzt seinen Wachstumskurs fort, der durch diese Akquisition unterstützt wird.“ Die Fabrik in Coswig hatten die Schweizer im Jahr 2016 von der sächsischen „HTS“ übernommen. Sie wollten damit näher an das Chipcluster Dresden heranrücken.

Blick in die Litho-Sparte der RuagBlick in die Litho-Sparte der Ruag

Sachsen bewirbt sich um Einstein-Teleskop

Unterdessen haben sich Politiker und Forscher in Sachsen auf ein weiteres Großprojekt festgelegt, das erhebliche Impulse für die Wirtschaft im Freistaat auslösen soll: Sie wollen sich um das geplante Einstein-Teleskop bewerben und es in der Lausitz bauen. Mit diesem unterirdischen Großinstrument möchten Astronomen Gravitationswellen aus dem All in bisher unerreichter Genauigkeit auffangen und mit Radioteleskopdaten kombinieren, um damit in die ,Kinderstube’ des Universums zu schauen. Das klingt zwar zunächst nach ganz fernen Welten und industrieferner Theorie. Doch die Elektronikindustrie in Sachsen und ganz Deutschland rechnet insgeheim mit einem Auftrags-Schub, wenn dieses europäische Superinstrument tatsächlich in der Lausitz gebaut werden sollte – wobei sich allerdings auch die Europaregion Maas-Rhein (EMR) und Sardinien um das europäische Großprojekt bewerben. Das Einstein-Teleskop wird eine Vielzahl ganz neuartiger Steuer-, Mess- und Auswerteanlagen sowie Sensorik und komplexe Detektoren brauchen, die weltweit einzigartig sein werden. Dies wiederum könnte über Jahre hinweg Aufträge für die Hightech-Zulieferindustrie in der Region generieren – von der Leiterplatte über den Sonder-Schaltkreis bis hin zu KI-Beschleunigern und Spezial-Software. Gedacht ist das riesige unterirdische Dreiecks-Instrument vor allem für das in Görlitz entstehende ,Deutsche Zentrum für Astrophysik’ (DZA). Das Geld für dieses Großforschungszentrum hatte die Lausitz als Ausgleich für den Kohleausstieg zugesagt bekommen. „Beide Großprojekte, DZA und Einstein-Teleskop, passen inhaltlich perfekt zusammen und würden sich als direkte Nachbarn gut ergänzen”, erklärte der sächsische Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU). Unterirdische Gravitations-Teleskope bestehen meist aus einem dreieckigen oder zweischenkligen Höhlensystem, in dem Spiegel Laserstrahlen über weite Strecken in unterschiedliche Richtungen leiten. Kleine Laufzeit-Differenzen können dann Hinweise auf einwirkende Schwerkraft-Wellen aus dem All liefern. Die wiederrum entstehen zum Beispiel, wenn sich zwei ultraschwere Schwarze Löcher umkreisen oder vereinigen beziehungsweise wenn andere sehr massereiche Objekte interagieren.

So stellen sich die Astrophysiker ihr unterirdisches Einstein-Teleskop vor. Schon der Bau dürfte in der jeweiligen Region einen Auftrags- und Forschungsboom in der Elektronik- und Geräteindustrie auslösen.So stellen sich die Astrophysiker ihr unterirdisches Einstein-Teleskop vor. Schon der Bau dürfte in der jeweiligen Region einen Auftrags- und Forschungsboom in der Elektronik- und Geräteindustrie auslösen.

Marktpotenzial ist enorm

Und noch ein Blick auf das andere Ende des Hightech-Clusters ,Silicon Saxony’: Während Politiker und Manager in Dresden und Görlitz neue Großprojekte anschieben, haben Freiberger Forscher einen vielversprechenden Akkumulator aus Aluminium, Kohlenstoff und festen Polymer-Elektrolyten entwickelt. Diese Energiespeicher sind im Vergleich zu den meisten heutigen Batterien billiger und feuerfester, zudem müsste Deutschland dafür keine strategisch vergleichsweise knappen Rohstoffe wie Lithium importieren. Das sächsische Wissenschaftsministerium schießt nun 0,25 Mio. € zu, damit die Bergakademie Freiberg diese neue Akku-Technologie für eine Serienproduktion fit machen kann. Wissenschaftler und Wirtschaftspolitiker wittern in den Alu-Polymer-Festkörper-Akkus viel Marktpotenzial als stationäre Energiespeicher für Häuser mit Solardächern. Für ihre Elektroden verwenden die Freiberger Ingenieure Aluminium und Graphit statt Lithium. Der eigentliche Clou ihrer Energiespeicher sind aber die Elektrolyten dazwischen, durch die die Ladungsträger hin und her wandern: In Lithium-Akkus sind das meist flüssige Lösungen aus Kohlenwasserstoffen und Lithiumsalz. Im Freiberger Energiespeicher übernimmt diese Aufgabe hingegen ein honigfarbenes festes Polymer. „Dabei handelt es sich um eine Mischung aus Triethylaminhydrochlorid und Aluminiumchlorid, die zusammen mit Polyamid ein festes Netzwerk bilden“, erklärt Projektmitarbeiter Oliver Schmidt. „Im Vergleich zu traditionellen flüssigen Elektrolyten bietet dieser Festelektrolyt zahlreiche Vorteile: Er kann nicht auslaufen, ist resistent gegen Feuchtigkeit und Sauerstoff und reduziert Korrosion. Zudem ersetzt er die übliche Separator-Schicht, was die Batterie sicherer und kostengünstiger in der Herstellung macht.“

Die Batterie besteht aus Aluminium als Anode, Grafit als Kathode und einem an der Universität entwickelten, neuartigen Elektrolyten auf Polymerbasis.Die Batterie besteht aus Aluminium als Anode, Grafit als Kathode und einem an der Universität entwickelten, neuartigen Elektrolyten auf Polymerbasis.

Referenzen

TSMC, Silicon Saxony, Wirtschaftsförderung Sachsen, Sächsische Staatskanzlei, IHK Dresden, Ruag, Oiger.de, Bergakademie Freiberg.

  • Titelbild: Blick auf einen prozessierten Wafer von TSMC Bild:
  • Ausgabe: Oktober
  • Jahr: 2024
  • Autoren: Heiko Weckbrodt
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