Gangwechsel – Europas Automobilindustrie am Scheideweg

Gangwechsel – Europas Automobilindustrie am Scheideweg

Jahrzehntelang war die europäische Automobilindustrie die tragende Säule der Wirtschaft. Mit Innovationskraft, Design und Ingenieurskunst schuf sie Millionen Arbeitsplätze und setzte weltweit Maßstäbe. Heute steht sie an einem kritischen Wendepunkt.

Globale Wettbewerbsverschärfung, Produktionsverlagerung nach Asien, der Aufstieg der Elektromobilität und softwarebasierte Technologien verändern die Automobilbranche in Europa grundlegend. Zudem erhöhen verschärfte Umweltauflagen den Anpassungsdruck. In diesem Kontext stellt sich eine entscheidende Frage: Wie kann die europäische Automobilindustrie auf veränderte Marktanforderungen und Kostenstrukturen reagieren, um ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern? Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Trends, die den Wandel der Automobilindustrie prägen, skizziert die sich daraus ergebenden Handlungsfelder und zeigt schließlich auf, welche Chancen sich durch Verhandlungen und strategische Kooperationen eröffnen.

Zentrale Trends in der Automobilindustrie

Produktionsverlagerung nach Asien

Europa verliert seine traditionelle Vormachtstellung in der Automobilproduktion. Länder wie Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien blicken auf eine lange Geschichte technischer Pionierleistungen zurück, von den ersten Verbrennungsmotoren bis hin zu führenden Entwicklungs- und Fertigungskompetenzen. Heute jedoch verlagern viele Hersteller ihre Kapazitäten in asiatische Länder, getrieben durch niedrigere Lohnkosten, großzügige staatliche Förderprogramme und eine wachsende lokale Nachfrage.

  • Kostenstruktur: Die Errichtung von Fertigungsstandorten in China und anderen asiatischen Volkswirtschaften ist oftmals kostengünstiger, insbesondere aufgrund niedrigerer Löhne und attraktiver Investitionsanreize.
  • Wachsender Absatzmarkt: Märkte wie China verfügen inzwischen über eine große und rasch wachsende Mittelschicht, die sowohl traditionelle als auch elektrische Fahrzeuge nachfragt und damit einen selbsttragenden Wachstumskreislauf schafft.

Implikationen für Europa

Produktionsverlagerungen ins Ausland lassen europäische Werke zunehmend unter Druck geraten. Werke, die sich nicht rechtzeitig technologisch neu ausrichten oder keine wettbewerbsfähigen Kostenstrukturen bieten, riskieren Unterauslastung oder sogar Schließung. Diese Entwicklung hat nicht nur wirtschaftliche, sondern auch erhebliche soziale und politische Implikationen, da Regierungen und Gewerkschaften sich verstärkt um den Erhalt von Arbeitsplätzen und lokaler Fertigungskapazitäten bemühen.

Elektrifizierung und E-Mobilität

Parallel zur geografischen Verschiebung vollzieht sich ein ebenso tiefgreifender technologischer Wandel: die Elektrifizierung des Automobils. Nahezu alle globalen Hersteller investieren massiv in die Entwicklung von Elektro- und Hybridfahrzeugen, um Emissionsvorgaben zu erfüllen und veränderte Konsumentenpräferenzen zu bedienen.

  • Emissionsvorgaben: Europäische Richtlinien und nationale Programme erhöhen den Druck, den Ausstoß konventioneller Verbrennungsmotoren zu senken und die Einführung elektrischer Antriebe zu beschleunigen.
  • Batterietechnologie: Der Wettbewerb um effizientere, kostengünstigere und nachhaltigere Batterien gewinnt zunehmend an Dynamik. Neben Effizienz und Kosten spielen auch die Sicherung strategisch wichtiger Rohstoffe wie Lithium und Cobalt eine zentrale Rolle. Fortschritte in der Batterietechnologie beeinflussen maßgeblich den Preis und die Reichweite von Fahrzeugen – beides entscheidende Kriterien für eine breite Marktakzeptanz.
  • Neue Formen der Zusammenarbeit (‚co-opetition'): Start-ups mit Spezialisierung auf Batterie- und Softwaretechnologie treten sowohl als ernst zu nehmende Wettbewerber als auch als potenzielle Partner für etablierte Hersteller auf. Strategische Investitionen oder Partnerschaften können beiden Seiten Vorteile bringen: Für traditionelle OEMs treiben sie technologische Innovationen voran, und für Start-ups bieten sie Zugang zu Produktionskapazitäten und Marktstrukturen, die bei der Skalierung helfen.

Implikationen für Automobilhersteller

Elektrifizierung ist längst nicht mehr nur regulatorische Pflicht, sondern ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Hersteller, die ihre E-Strategien nicht konsequent vorantreiben, riskieren Relevanzverluste sowohl gegenüber neuen Marktteilnehmern als auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Erfolgreiche Transformation erfordert stabile Batterielieferketten, den Ausbau der Ladeinfrastruktur sowie eine differenzierte Positionierung durch Technologie- und Markenführung.

Digitalisierung und softwaredefinierte Fahrzeuge

Ein weiterer grundlegender Trend in der Automobilindustrie ist die digitale Revolution: Autos entwickeln sich zunehmend zu ‚Computern auf Rädern' – ausgestattet mit softwarebasierten Funktionen, modernen Infotainmentsystemen, umfassenden Konnektivitätsdiensten und halb-autonomen Fahrfunktionen.

  • Vernetzte Fahrzeuge: Immer mehr Modelle bieten Funktionen wie drahtlose Software-Updates (‚over-the-air'), frühzeitige Wartungsempfehlungen (‚predictive maintenance') oder App-basierte Fahrzeugsteuerung. Die Entwicklung solcher Systeme erfordert spezialisierte Softwarekompetenzen und umfassende Cybersicherheitsmaßnahmen.
  • Assistiertes und autonomes Fahren: Während vollständig autonome Fahrzeuge (SAE Level 5) noch Zukunftsmusik sind, gehören teilautomatisierte Fahrfunktionen (z. B. Spurhalteassistent, adaptive Geschwindigkeitsregelung) bereits heute zum Standard. Zur kontinuierlichen Weiterentwicklung in diesen Bereichen werden Partnerschaften mit Technologieunternehmen sowie KI- und Datenkompetenzen unverzichtbar.

Folgen für die Branche

Traditionelle mechanische Kompetenz allein genügt nicht mehr, um im Wettbewerb zu bestehen. Automobilhersteller und Zulieferer müssen zunehmend Softwareentwickler, Datenwissenschaftler und Spezialisten für Künstliche Intelligenz integrieren. Auch die Zulieferindustrie, die sich bislang auf mechanische Komponenten konzentrierte, könnte sich gezwungen sehen, ihre Angebote in Richtung smarter Systeme, Sensorik und Algorithmen zu erweitern, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Nachhaltigkeit und ESG-Anforderungen

Parallel zur Elektrifizierung verändert auch der steigende Fokus auf Nachhaltigkeit grundlegend die Art und Weise, wie Automobilhersteller operieren. Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) entwickeln sich zu zentralen Bestandteilen von Unternehmensstrategien.

  • Nachhaltige Lieferketten: Unternehmen werden nicht mehr nur bezüglich der Emissionen ihrer Fahrzeuge kritisch beobachtet, sondern werden entlang der gesamten Wertschöpfungskette in die Verantwortung genommen – von der Rohstoffgewinnung bis hin zum Recycling von Batterien und Fahrzeugkomponenten.
  • Ansätze der Kreislaufwirtschaft: Immer mehr Hersteller setzen auf Strategien, die eine Wiederaufbereitung, Weiterverwendung oder das Recycling von Fahrzeugteilen ermöglichen. Teilweise werden Fahrzeuge bereits in der Designphase so gestaltet, dass sie leichter zerlegt und wiederverwertet werden können – ein entscheidender Schritt zur Abfallvermeidung.
  • Soziale und Governance-Faktoren: Arbeitsbedingungen, Diversität, Transparenz und ethisches Wirtschaften rücken verstärkt in den Fokus. Investoren, Geschäftspartner und Konsumenten erwarten zunehmend, dass Unternehmen über reine Gewinnorientierung hinaus auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.

Implikationen für Branchenführer

Wer Nachhaltigkeit und ESG-Prinzipien frühzeitig und überzeugend in sein Geschäftsmodell integriert, sichert Markenwert, das Vertrauen von Investoren sowie die eigene langfristige Wettbewerbsfähigkeit. Wer sie hingegen nur als Pflichtübung behandelt, läuft Gefahr, den Anschluss an neue Marktstandards zu verlieren. Vom Aufbau transparenter Lieferketten bis hin zur konsequenten Umsetzung von Kreislaufwirtschaftsmodellen – die Unternehmen, die hier vorangehen, setzen Maßstäbe, an denen sich die Branche künftig orientieren wird.

Herausforderungen für europäische Automobilhersteller und Zulieferer

Personalstrukturen im Wandel

Eine der größten Herausforderungen im Transformationsprozess der Automobilindustrie liegt im Umgang mit den sozialen Auswirkungen – insbesondere mit den Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt.

  • Arbeitsplatzverluste versus Qualifikationslücken: Während Produktionsverlagerungen nach Asien und zunehmende Automatisierung klassische Fertigungsarbeitsplätze in Europa bedrohen, entsteht gleichzeitig ein erheblicher Bedarf an Fachkräften in Bereichen wie Softwareentwicklung, Batterietechnologie und Datenanalyse. Dies erzeugt dringenden Handlungsbedarf für umfassende Neu- und Weiterqualifizierung der Belegschaften.
  • Sozialer und politischer Druck: Regierungen und Gewerkschaften reagieren sensibel auf mögliche Massenentlassungen, nicht zuletzt weil sie öffentliche Debatten auslösen und Reputationsschäden riskieren. Häufig stehen daher Verhandlungen über Vorruhestandsregelungen, Qualifizierungsprogramme oder regionale Transformationsfonds im Zentrum der Diskussionen.
  • Langfristige Talentförderung: Über die unmittelbare Abfederung von Arbeitsplatzverlusten hinaus sind Unternehmen gefordert, den Aufbau eines nachhaltigen Talentpools aktiv zu gestalten. Kooperationen mit Universitäten und Berufsakademien können dabei Programme für Elektromobilität und Digitalisierung hervorbringen, die für zukünftige Qualifikationsanforderungen hochrelevant sind.

Bild: AdobeStock

Strukturwandel in der Zulieferindustrie

Die Zulieferbranche bildet das Rückgrat der europäischen Automobilindustrie – und steht gleichzeitig unter immensem Druck aufgrund des technologischen Wandels.

  • Von mechanischen zu intelligenten Systemen: Viele traditionelle Zulieferer, die auf Getriebe, Motoren oder Bremskomponenten spezialisiert sind, müssen ihr Portfolio um Elektronik, Sensorik und Software erweitern, um im neuen Marktumfeld wettbewerbsfähig zu bleiben. Größere Anbieter wie Continental oder Bosch haben bereits eigene Softwareeinheiten aufgebaut oder technologische Start-ups übernommen, um ihre Position in den Bereichen autonomes Fahren, Konnektivität oder Infotainment zu stärken.
  • Finanzierung der Transformation: Insbesondere kleinere Zulieferer stehen vor der Herausforderung, Investitionen in Forschung, Entwicklung und Produktionsumstellungen zu stemmen – und dies oftmals unter erschwerten Bedingungen durch schwankende Produktionsvolumina infolge von Standortverlagerungen oder Nachfragerückgängen.
  • Komplexität von Kooperationen: Strategische Allianzen oder Fusionen bieten für viele Zulieferer eine Möglichkeit, Ressourcen zu bündeln und technologische Kompetenzen gemeinsam auszubauen. Solche Zusammenschlüsse bergen jedoch auch Risiken, etwa im Hinblick auf die Integration unterschiedlicher Unternehmenskulturen oder eine faire Verteilung von Entwicklungsgewinnen.

Bild: AdobeStock

Finanzierungslücken in Forschung und Entwicklung

Die Entwicklung der nächsten Generation von Fahrzeugen – insbesondere im Bereich der Elektromobilität und des autonomen Fahrens – erfordert enorme, langfristige Investitionen in Forschung und Entwicklung. Viele europäische Hersteller und Zulieferer stehen dabei vor erheblichen finanziellen Herausforderungen.

  • Hohe Kosten, hohe Risiken: Allein die Batterietechnologie verlangt kontinuierliche Innovationen, um Reichweite, Kostenstruktur und Sicherheitsstandards zu verbessern. Das schwedische Unternehmen Northvolt erhielt über 15 Mrd. $ an Investitionszusagen, um die weltweit ‚grünsten' Batterien herzustellen und Europas Abhängigkeit von asiatischen Importen zu verringern. Doch die Umsetzung scheiterte bislang: Die Muttergesellschaft musste Insolvenz anmelden. Auch die Entwicklung autonomer Fahrsysteme bindet immense Ressourcen in Milliardenhöhe, oft mit ungewisser Marktreife.
  • Konkurrenz um Kapital: Europäische Automobilhersteller und Zulieferer konkurrieren mit finanzstarken Technologieunternehmen und aufstrebenden asiatischen EV-Herstellern um Investitionen. Dieser internationale Wettbewerb um Finanzmittel setzt insbesondere mittelständische Unternehmen unter Druck und belastet Margen sowie Innovationszyklen.
  • Öffentliche versus private Finanzierung Staatliche Förderprogramme und Subventionen können technologische Entwicklungen anstoßen, sind jedoch häufig an Auflagen wie Arbeitsplatzgarantien oder Standortvorgaben geknüpft. Die Herausforderung besteht darin, eine ausgewogene Mischung aus öffentlicher Unterstützung und privatem Kapital sicherzustellen, um Innovationen auch in konjunkturell unsicheren Zeiten voranzutreiben.

Chancen und Verhandlungspfade

Trotz aller Herausforderungen verfügen europäische Automobilhersteller weiterhin über bedeutende Handlungsoptionen. Wie viel Proaktivität sie dabei an den Tag legen – insbesondere im Umgang mit Arbeitsmarktveränderungen, politischen Rahmenbedingungen, neuen Kooperationsmodellen und internationalen, einschließlich asiatischen, Partnerschaften – wird nachhaltig ihre Standhaftigkeit prägen.

Im Folgenden werden mögliche Pfade aufgezeigt und einige wesentliche Erwägungen skizziert, die für die kommenden Jahre an Bedeutung gewinnen dürften, wenn es um Verhandlungen mit Gewerkschaften, Regierungen und Geschäftspartnern geht – innereuropäisch wie international.

Verhandlungen mit Belegschaften

Bild: AdobeStockDie Sicherung von Arbeitsplätzen und die gezielte Vorbereitung auf neue Tätigkeitsfelder stehen im Mittelpunkt vieler Transformationsprozesse. Ein vielversprechender Ansatz liegt darin, Qualifizierungsmaßnahmen – etwa für digitale Fertigung, Elektromobilität und Softwareentwicklung – systematisch in Tarifverhandlungen zu integrieren. Ihre Verankerung in Kollektivvereinbarungen fördert die Stabilität der Belegschaften und einen sozialverträglichen Wandel. Der Erfolg solcher Initiativen hängt jedoch maßgeblich von transparenter Kommunikation sowie einer fairen Aufteilung der finanziellen Belastungen zwischen Unternehmen, Staat und Beschäftigten ab.

Zusätzlich können Modelle wie gestaffelte Ruhestandsregelungen oder vorgezogene Austrittsprogramme eine Rolle in Verhandlungen spielen. Ansätze wie diese tragen dazu bei, die negativen Effekte plötzlicher Massenentlassungen abzumildern und gleichzeitig neue Beschäftigungsmöglichkeiten für jüngere oder intern umqualifizierte Mitarbeiter zu schaffen. Zentrale Verhandlungsaspekte sind hierbei der Umfang der angebotenen Leistungen, mögliche staatliche Unterstützung – etwa in Form regionaler Weiterbildungsförderungen – sowie die langfristige Tragfähigkeit solcher Modelle im Zuge des Übergangs von traditionellen Verbrennungsmotoren hin zu neuen Technologien.

Staatliche Förderpolitik und öffentliche Programme

Politische Rahmenbedingungen beeinflussen maßgeblich die Spielräume für Unternehmenstransformationen. Gezielte Förderprogramme, steuerliche Anreize oder Co-Finanzierungsmodelle können Investitionen in Forschung und Entwicklung erheblich beschleunigen – insbesondere in strategischen Bereichen wie Elektromobilität und autonomes Fahren. Solche Förderinstrumente werden häufig an Auflagen geknüpft, etwa Arbeitsplatzgarantien oder Mindestquoten für lokale Produktion. Damit gewinnen Verhandlungen über Art und Umfang solcher Bedingungen an Bedeutung, denn einerseits sind sie geeignet, Innovationen zu fördern, andererseits wirken sie in einem sich verändernden ökonomischen Umfeld potenziell restriktiv.

Zusätzlich können Public-Private-Partnerships (PPP) als Katalysatoren für kritische Infrastrukturprojekte dienen. Dabei können Automobilhersteller, Forschungseinrichtungen und öffentliche Stellen gemeinsam den Ausbau von Ladesäulennetzen vorantreiben oder Testkorridore für autonomes Fahren schaffen. Aus Verhandlungssicht ist es für solche Partnerschaften erfolgsentscheidend, klar definierte Mechanismen für Kosten- und Gewinnverteilung zu vereinbaren sowie sich auf abgestimmte Nachhaltigkeitsziele zu verständigen.

Partnerschaften und Allianzen

Angesichts der enormen Innovationsdynamik wird
branchen- und wertschöpfungskettenübergreifende Zusammenarbeit zum Schlüsselfaktor für Europas Automobilindustrie. Insbesondere kleinere Zulieferer, die sich auf Komponenten für die Elektromobilität oder Konnektivitätslösungen umstellen möchten, können durch geteilte Forschungs- und Entwicklungsressourcen die Produktentwicklung beschleunigen. Die Ausgestaltung solcher Kooperationen erfordert jedoch eine sorgfältige Verhandlung über die Nutzung von Entwicklungsergebnissen, geistigen Eigentumsrechten und die Aufteilung von Investitionsrisiken. Auch die Gewinnverteilung sollte auf Basis klar formulierter Geschäftserwartungen einvernehmlich geregelt werden.

Darüber hinaus kann es vermehrt zur Bildung von Allianzen zwischen Technologieunternehmen und Energieversorgern kommen. Auch die Integration von 5G-Technologien und Satellitenkommunikation in die Fahrzeugkonnektivität, der Aufbau einer integrierten Batteriewertschöpfungskette sowie intelligente Energielösungen für Fahrzeugflotten könnten künftig Gegenstand von Verhandlungen sein. Solche Kooperationen erfordern nicht nur technologische Schnittstellenkompetenz, sondern auch klare Vereinbarungen über Investitionen, Datenhoheit und langfristige Geschäftsmodelle. Gerade weil sich Technologien und Marktbedingungen rasant entwickeln, sind flexible, belastbare Partnerschaftsstrukturen entscheidend, um Chancen gemeinsam nutzen und Risiken ausgewogen tragen zu können.

Kooperationen mit asiatischen Partnern: Ausgewogene Vereinbarungen treffen

Mit fortschreitender Produktionsverlagerung nach Asien wird die Zusammenarbeit mit asiatischen Unternehmen wichtiger. Besonders China verfügt über Massenfertigungsexzellenz und starke Kompetenzen in Batterie- und Halbleitertechnologien. Europäische Firmen bringen hingegen ihre Stärken in Design, Ingenieurwesen und Markenführung in die Zusammenarbeit ein. Kooperative Entwicklungsprojekte bieten Synergiepotenziale – sei es im Zusammenhang mit Plattformen für Elektrofahrzeuge, Technologietransfer oder gemeinsamer Produktionsanlagen.

Jedoch verlangen kulturelle Unterschiede, abweichende regulatorische Rahmenbedingungen und Fragen des geistigen Eigentums ein hohes Maß an Sensibilität und sorgfältiger Vorbereitung, insbesondere bereits in der frühen Verhandlungsphase. Tragfähige Vereinbarungen erfordern zwangsläufig klare Regelungen zu Schutzrechten, Investitionsstrukturen und Leistungsüberprüfungen.

Auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft

Die aktuellen Herausforderungen eröffnen zugleich die Chance zu einer grundlegenden Erneuerung. Prinzipien der Kreislaufwirtschaft – etwa Materialrückgewinnung und Wiederverwertung – können entscheidend zur ökologischen und ökonomischen Resilienz der Automobilindustrie beitragen. Verhandlungen mit Zulieferern und politischen Entscheidungsträgern könnten künftig verstärkt auf den Aufbau geschlossener Wertstoffkreisläufe und Batterierecycling zielen.

Die Förderung regionaler Innovationscluster rund um Forschungseinrichtungen und Start-ups bietet die Möglichkeit, Europas ingenieurtechnische Spitzenkompetenzen langfristig zu sichern. Wenn Unternehmen und Gewerkschaften tragfähige Vereinbarungen zu Qualifikationsübergängen erzielen und Regierungen ihre Ressourcen gezielt in fortschrittliche Infrastrukturen und grüne Technologien lenken, könnte Europa seine Position selbst im intensiver werdenden globalen Wettbewerb behaupten.

Durch proaktive und sorgfältig strukturierte Verhandlungen auf allen relevanten Ebenen – mit Arbeitnehmervertretungen, Regierungen, Industrienetzwerken und internationalen Partnern –kann die europäische Automobilindustrie einen stabileren und nachhaltigeren Pfad in die Zukunft einschlagen.

Zeit für den nächsten Gang

Die europäische Automobilindustrie steht an einem Scheideweg. Beispiellose Veränderungen – von der fortwährenden Verlagerung von Produktionskapazitäten nach Asien bis hin zur steigenden Nachfrage nach elektrifizierten und digital vernetzten Fahrzeugen – fordern ihr industrielles Erbe heraus. Doch so gewaltig diese Umwälzungen auch erscheinen mögen, sie eröffnen zugleich eine Chance zur Neuerfindung.

Die Kräfte, die den globalen Markt neu formen, stellen operative, finanzielle und gesellschaftliche Herausforderungen dar. Bestehende Strukturen kommen unter Druck, aber der Wandel bedeutet keinen unausweichlichen Niedergang. Die skizzierten Verhandlungspfade zeigen Wege, wie Unternehmen, Regierungen und Arbeitnehmervertretungen die Komplexität meistern können: durch kluge Verhandlungen, neue Allianzen und ausgewogene Kooperationen.

Erfolg wird davon abhängen, ob es gelingt, flexible und innovative Strategien zu entwickeln, die auf geteilter Verantwortung beruhen. Initiativen wie gemeinsame Forschungsprojekte, öffentliche Investitionen in Ladeinfrastruktur oder Kooperationen zwischen Automobilherstellern und Energieversorgern könnten beispielhafte Modelle sein, um Marktanforderungen und ökologische Ziele in Einklang zu bringen. Solche Strategien werden nicht alle Risiken eliminieren, aber sie sind dazu geeignet, eine widerstandsfähigere Grundlage für nachhaltiges Wachstum zu schaffen.

Mit Blick nach vorn liegt Europas Chance darin, den Wandel aktiv zu gestalten, unter Wahrung der eigenen Stärken: hochwertige Fertigungsqualität, tief verwurzelte Ingenieursexzellenz und ein zunehmendes Bekenntnis zur Nachhaltigkeit. Durch die Einbettung dieser Werte in Verhandlungen – sowohl innerhalb Europas als auch international – kann Europas Automobilindustrie ihre Führungsrolle im Bereich zukunftsweisender Mobilitätstechnologien behaupten, selbst wenn sich das globale Machtzentrum weiter verschiebt. In diesem Sinne könnten die heutigen Herausforderungen letztlich als Katalysator für eine stabilere, nachhaltigere und sozial verantwortungsvollere Zukunft wirken.

Hrvoje ZaricHrvoje Zaric ist Experte für strategische Verhandlungen, komplexe Geschäftsabschlüsse und die Führung interdisziplinärer Teams. Mit über 25 Jahren internationaler Erfahrung in verschiedenen Branchen verhilft er Führungsteams und Organisationen zu nachhaltigem Erfolg.

 

Andreas FolgeAndreas Folge ist Branchenexperte in der Leiterplatten- und Elektronikindustrie mit über 25 Jahren internationaler Managementerfahrung. Unternehmen profitieren von seinen tiefgehenden Kenntnissen globaler Marktstrukturen, Branchensegmenten und Schlüsselakteuren, einschließlich führender OEMs.
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