Kolumne: Anders gesehen – Grün, grün, grün sind alle meine Kleider [1]

Elektronikschrott im Museum: Installation ‚her0‘ der bosnischherzegowinischen Künstlerin Selma Selman im Berliner Gropius Bau

Schon bevor sich die Politiker eine grüne Umwelt auf die Fahnen geschrieben hatten, veröffentlichte von Fallersleben dieses Kinderlied. Heute würde aber der Jäger als Schatz schon wieder zumindest bei einigen Veganern auf Kritik stoßen, da er ja auch unter anderem die geliebten streunenden Katzen und Hunde abknallt und nicht nur für Wildschweinschinken sorgt.

Liedsammlung ‚Schlesische Volkslieder‘ (1842) aus dem Munde des Volkes gesammelt. In einem Lied besingt eine verliebte Dame das Grün als Kleiderfarbe ihres Schatzes – eines Jägers.Liedsammlung ‚Schlesische Volkslieder‘ (1842) aus dem Munde des Volkes gesammelt. In einem Lied besingt eine verliebte Dame das Grün als Kleiderfarbe ihres Schatzes – eines Jägers.Die rasche Folge an Handys und anderem elektronischem Gerät hat als Auswirkung einen immer größer werdenden Haufen an Schrott in den verschiedenen Schubladen der geplagten Verbraucher gesorgt, die offenbar nicht ganz ‚grün' reagieren.

Da alles, was produziert wird, eine endliche Lebenserwartung hat und die Überflussgesellschaft kaum mehr etwas repariert – wobei die Industrie hilfreich zur Hand geht und die Geräte so auslegt, dass eine Reparatur fast unmöglich gemacht wird – sammelt sich immer mehr in den Haushalten und Sammelstellen an.

Ob die Behauptungen der Marketingspezialisten, dass die Kunden stets ‚das neueste und tollste Gerät' verlangen oder ob diese Wünsche schon in den Kleinsten auf die raffinierteste Art erweckt werden, wollen wir erst gar nicht ergründen. Kaum jemand benötigt die volle Reichweite und alle Möglichkeiten eines Laptops oder eines Handtelefons, um gelegentlich ein paar Rezepte aus dem Internet zu holen.

Nach den Untersuchungen an der Harvard Universität [2] scheint es auch, dass einige Firmen ihre Software absichtlich so auslegen, dass der Kunde praktisch animiert wird, sich ein neues Gerät zuzulegen, sobald die neue Wunderwaffe auf dem Markt mit viel Trara angekündigt wurde.

Der soziale Druck, der ein Kind in der Grundschule bereits ächtet, wenn es die ‚falschen' Turnschuhe oder Jeans mit der Billignummer trägt, weitet sich auch auf andere Gebiete aus, sodass die Größe des Bildschirms mit dem Ansehen des Besitzers oder gar dessen Intelligenz gleichgesetzt wird. Schon die Billigversion eines Grillgeräts im Garten versetzt die Freunde und Besucher in Angst und Schrecken.

Was für Mobiltelefone gilt, trifft auch auf andere elektronische Ware zu. Insgesamt fallen jährlich allein in Deutschland 2 Mio. t Elektronikschrott an, was einiges Kopfzerbrechen hervorruft, denn wenn man weiß, was alles in diese Baugruppen gerät, ist die Entsorgung und hoffentlich Wiederverwendung teurer Mineralien nicht ganz einfach. Die Zukunftsaussichten sind laut Vorhersagegurus noch beängstigender: Während der nächsten vier Jahre wird der Entwicklung eine Zuwachsrate von 33 % vorhergesagt, sodass bis 2030 mehr als 1 Mrd. t ‚e-waste' anfallen werden, wie die Environmental Protection Agency der Vereinigten Staaten zu bedenken gibt. Danach landen etwa 80-85 % nicht in Aufbereitungsanlagen, sondern werden verbrannt oder aber auf Mülldeponien ‚entsorgt'. Ob das dem Grün der Umwelt nutzt, kann bezweifelt werden.

Die Gleichung hat hier zwei Seiten. Einerseits werden rare Mineralien und Stoffe in den (oftmals unnötigen) Produkten verwendet, zum anderen ist bei der Entsorgung deren Wert und Toxizität zu berücksichtigen.

Bild: Statista/CC BY-ND 3.0 [3]

Bild: Statista/CC BY-ND 3.0 [4]Das Sammeln des Elektronikschrotts ist in den westlichen Ländern meist gut organisiert. Das Recycling bereitet aber noch Kopfzerbrechen. Diese elektronischen Instrumente und Geräte sind kompliziert und bestehen aus einer Vielfalt an Teilen, die von den verschiedenen Kunststoffen, den Batterien über Metallrahmen bis hin zu den Baugruppen reicht. Hier verstecken sich Edelmetalle wie Gold, Silber und Platin sowie Kupfer, Eisen, Aluminium, deren Herstellung bereits viel Energie verschluckt hat. Eine günstige Rückgewinnung wäre wünschenswert.

Andererseits weiß man spätestens seit der RoHS, dass auch potenziell gefährliche Elemente vorliegen: Neben dem in einigen Ländern ‚verbannten' Blei und Cadmium finden sich Beryllium [5] und weitere nicht ganz harmlose Chemikalien im Schrott, was zumindest mal andeuten sollte, dass sich Arbeiter, die mit diesem Abfall umgehen, schützen müssten.

Da viel dieses Schrotts exportiert wird – Kosten in den meisten Teilen Europas sind einfach zu hoch, um solche Arbeit zu verrichten – landet der Müll entweder unkontrolliert auf Halden oder wird unter sehr fragwürdigen Umständen sortiert, zerlegt und dann eingeschmolzen. Dabei geht zumindest ein Teil der wertvollen Materialien, wie etwa Kabelummantelungen, verloren. Offenbar gehen die Lohnkosten meist mit dem unzureichenden Schutz der Arbeiter Hand in Hand.

Immerhin ermöglicht eine Zerlegung durch Handarbeit, gewisse Teile der Wiederverwendung zuzuführen. Da einige Bauteile nicht mehr hergestellt werden, jedoch zum Beispiel beim Militär noch immer gefragt sind, können alte Prozessoren weit mehr erbringen als ihren Materialwert.

Anlagen wie etwa NADIN [6] in Novi Iskar, Bulgarien, automatisieren einen Großteil dieser Arbeit. In solchen Betrieben wird zwar nach wie vor alles automatisch zerkleinert und sortiert, aber zumindest werden giftige Gase und anderer fragwürdiger Abfall nicht an die Umwelt entlassen. Die münzgroßen Teile werden dann der Wiederverwendung zugeführt: Waffen, Glas, Batterien. Edelmetalle gehen an Metallhütten.

Natürlich wird auf diesem Gebiet auch geforscht. Techniker an der Rice University und dem Indischen Institute of Science gehen zum Beispiel einer Idee nach, die ausnehmend modern klingt: Nanostaub.

In seiner Versuchsserie [7] hat Dr. Chandra Sekhar Tiwary, der sowohl in den USA wie auch in Indien forscht, Baugruppen mittels Argon und Stickstoff auf 154 K gekühlt und anschließend zu Staub zerstoßen. Statt mit Hitze, bei der sich Stoffe leicht vermischen, verwendet das Team Kälte, die einer Vermischung entgegenwirkt und Stoffe versprödet. Die in Partikel der Größe von 20-100 nm zertrümmerten Materialien sind weitgehend homogen und lassen sich dann mittels Ausfällmethoden relativ leicht und kostengünstig sortieren.

Verluste bei dieser Methode seien sehr gering und alle Materialien könnten einer Wiederverwendung zugeführt werden. Zudem sei die Methode weit billiger als die hergebrachten, die mittels Verbrennung und Hochtemperaturschmelzung arbeiten. Ob die Kühlung billiger ist als die Erwärmung, sollte nochmals durchgerechnet werden.

Als nächsten Schritt sehen die Wissenschaftler die Entwicklung des Prozesses von Labordimensionen auf Produktionsniveau.

Automatisierte Sortieranlage in Novi Iskar, BulgarienAutomatisierte Sortieranlage in Novi Iskar, Bulgarien

Referenzen

[1] Deutsches Volkslied des 19. Jahrhunderts. Der Text wurde 1842 in der Sammlung ‚Schlesische Volkslieder' von Ernst Richter und Hoffmann von Fallerslebenveröffentlicht.
[2] www.dailymail.co.uk/sciencetech/article-2709502/Does-Apple-deliberately-slow-old-models-new-release-Searches-iPhone-slow-spike-ahead-launches.html (Abruf: 10.08.2025).
[3] www.statista.com/infografik/13203/anzahl-alt-handys-in-deutschen-haushalten/ (Abruf: 10.08.2025).
[4] www.statista.com/chart/2514/iphone-releases/ (Abruf: 10.08.2025).
[5] www.ccohs.ca/oshanswers/diseases/beryllium.html (Abruf: 10.08.2025).
[6] https://nadin.bg/ (Abruf: 10.08.2025).
[7] C. S. Tiwary, P. A. K. Chattopadhyay & D. P. Mahapatra, ,Electronic Waste Recycling via Cryo-milling and Nanoparticle Beneficiation’; Materials Today. Online: www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1369702116303972 (Abruf: 10.08.2025).

  • Titelbild: Elektronikschrott im Museum: Installation ‚her0‘ der bosnischherzegowinischen Künstlerin Selma Selman im Berliner Gropius Bau
  • Ausgabe: September
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Prof. Armin Rahn
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