Sachsen angelt in Taiwan nach den nächsten Chip-Coups – Weiterer Ansiedlungs-Schub im Gefolge von TSMC-Fabrik und Infineon-Ausbau in Dresden

ESMC-Präsident Christian Koitzsch schaut auf die Baustelle der Chipfabrik von ESMC/TSMC in Dresden. Die Entscheidung der Muttergesellschaft TSMC, in Sachsen zehn Milliarden zu investieren, gilt als Adelsschlag für den Mikroelektronik-Standort
  • Titelbild: ESMC-Präsident Christian Koitzsch schaut auf die Baustelle der Chipfabrik von ESMC/TSMC in Dresden. Die Entscheidung der Muttergesellschaft TSMC, in Sachsen zehn Milliarden zu investieren, gilt als Adelsschlag für den Mikroelektronik-Standort

Während anderswo potenziell milliardenteure Ansiedlungsversuche gescheitert sind, zeigt sich in Sachsen einmal mehr: Wo Ökosystem, Subventionen und Erfahrung zusammenkommen, kann das Europäische Chipgesetz durchaus etwas bewirken. Denn während TSMC noch an seiner Fabrik im Dresdner Norden baut, haben diese Entscheidung der Taiwanesen sowie die neue Fabrik von Infineon einen weiteren Schub an Investitionen und Ansiedlungen ausgelöst. Derweil bereiten die Sachsen in Asien die nächsten Coups vor.

So verhandelt der Freistaat unseren Informationen zufolge bereits recht konkret mit einem taiwanesischen Unternehmen, das sich im Gefolge der TSMC-Großinvestition in Dresden ansiedeln will. Noch ist unklar, um welche Firma es sich handelt – aber es soll wohl ein Technologie-Unternehmen sein, das in Taiwan ohnehin Beziehungen zu TSMC hat.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der sächsische Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) kürzlich zur ‚Semicon Taiwan' gereist ist und an deren Rande auch den Elektronikgeräte-Auftragsfertiger ‚Foxconn' besucht hat. Die Vermutung liegt nahe, dass er dort für eine Ansiedlung in Sachsen geworben hat. Sollte dies gelingen, wäre es ein großer Schritt vorwärts für das ‚Silicon Saxony': Seit die Treuhand das DDR-Computerkombinat ‚Robotron' nach der Wende abgewickelt und auch die Nachfolgebetriebe die PC-Produktion eingestellt hatten, gibt es im Freistaat keinen größeren Computerbauer mehr. Sollte Foxconn anbeißen, könnte der Großkonzern mit einer Ansiedlung eine Lücke in der sächsischen Elektronik-Wertschöpfungskette schließen.

„Der Freistaat wird in Taiwan immer bekannter, weil klar ist, dass wir Europas Nummer eins in der Mikroelektronik sind.“
Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter

Minister Panter erklärte nach seiner Taiwan-Reise: „Insgesamt merken wir, dass Sachsen auf dem strategisch wichtigen Gebiet der Halbleiterindustrie als Top-Player wahrgenommen wird.“ Dabei verteidigte Panter die staatlichen Subventionen für die Branche: „Die Halbleiterei ist ein sehr kapitalintensives Geschäft“, erklärte er. Andererseits aber sei „die Halbleiterindustrie für die Zukunft strategisch absolut wichtig“. Und: „Da wir in Europa noch einen Nachholbedarf haben, müssen wir jetzt auch Geld in die Hand nehmen, um uns im weltweiten Wettbewerb zu behaupten.“

Wirtschaftsminister Dirk Panter (4. von rechts) und Chef-Wirtschaftsförderer Thomas Horn (3. von links) auf Werbetour in Taiwan; Bild: SMWAWirtschaftsminister Dirk Panter (4. von rechts) und Chef-Wirtschaftsförderer Thomas Horn (3. von links) auf Werbetour in Taiwan; Bild: SMWA

Murata und Insecotec investieren in Dresden

Dass die Milliarden-Beihilfen von Bund, Land – und letztlich auch der Kommune – im Falle Dresdens helfen, daran besteht in der sächsischen Landeshauptstadt kaum noch ein Zweifel: Nach ‚Sachsen-Kälte', ‚Exyte' und anderen Ausbauentscheidungen am Standort im Zuge der entstehenden TSMC-Fab zeichnet sich bereits der nächste Schub an Ansiedlungen ab: So baut der japanische Chipfabrik-Automatisierer ‚Murata' aus Kyoto nun für 7 Mio. € sein erstes europäisches Schulungszentrum sowie ein Kundenbetreuungs-Büro unweit des wachsenden Chipfabrik-Campus. Gleich daneben errichtet der Murata-Partner ‚Insecotec' zudem für 4,5 Mio. € seinen neuen Firmensitz.

„Die Entscheidung von Murata Machinery ist ein weiteres starkes Signal für die nachhaltige Dynamik der Halbleiterindustrie in der Region Dresden“, kommentiert Frank Bösenberg vom Branchenverband ‚Silicon Saxony' diese Vorhaben. Vor allem der Zuzug von Murata sei ein „wegweisender Meilenstein für die Weiterentwicklung unseres Clusters“ und stärke das gesamte europäische Halbleiterökosystem.

Murata ist Marktführer für solche automatischen Decken- Transportsysteme für Wafer-Boxen in Chipfabriken - hier ein Blick in die Globalfoundries-Fab Dresden Bild: Karin Raths, GlobalfoundriesMurata ist Marktführer für solche automatischen Decken-Transportsysteme für Wafer-Boxen in Chipfabriken – hier ein Blick in die Globalfoundries-Fab Dresden; Bild: Karin Raths, Globalfoundries

Air Liquide investiert weitere Viertelmilliarde in Dresden

Auch ‚Air Liquide' (AL) baut seine Präsenz im ‚Silicon Saxony' aus und investierte nun eine weitere Viertelmilliarde Euro in Dresden. Konkret baut das Unternehmen drei Luftzerlegungsanlagen (LZA), zwei Wasserstoffproduktionsanlagen und die dazugehörige Infrastruktur. Diese Anlagen betreibt AL im Anschluss dann auch. Die Aggregate stellen hochreinen Stickstoff, Sauerstoff, Argon, Wasserstoff, Helium und CO2 für die Mikroelektronik-Betriebe bereit.

„Diese Investition stärkt auch unsere Führungsposition im ,Silicon Saxony’ und trägt gleichzeitig zur technologischen Souveränität Europas bei“, betonte Emilie Mouren-Renouard von AL. Zuvor hatte das Unternehmen bereits in kleineren Schritten seine Niederlassung in Ottendorf-Okrilla nördlich von Dresden ausgebaut. Allerdings wird auch immer deutlicher: Allein als Stadt wird Dresden die Position als führende Mikroelektronik-Metropole in Europa nicht unbegrenzt weiter ausbauen können: Einerseits gibt es im Stadtgebiet kaum noch größere Flächen für große Fabriken à la Foxconn, deshalb siedeln sich auch viele Mikroelektronik-Zulieferer wie beispielsweise Air Liquide im Dresdner Umland an. Andererseits versuchen die Sachsen – bisher mit eher wechselhaftem Erfolg – jene Lücken in der Halbleiter-Wertschöpfungskette wieder zu schließen, die seit der Wende 1989/90 entstanden sind: Gemeint sind Chipdesign, Backend sowie die Produktion von elektronischen Endprodukten. Da sind einige Standorte in Deutschland durchaus schon weiter – sodass Sachsen hier verstärkt auf überregionale Kooperationen setzt.

Dresden und München planen gemeinsames Chipdesignzentrum

Ein Beispiel dafür ist München: In der bayerischen Landeshauptstadt hat Apple sein europäisches Chipdesign-Zentrum verankert. Und auch TSMC will sein ‚European Design Center' (EUDC) in Bayern konzentrieren. In diesem Zuge wollen Mikroelektronik-Forscher aus Sachsen und Bayern mit dem ‚Competence Center Chip Design' (CCCD) ein gemeinsames Chipdesignzentrum etablieren. Beteiligt sind das Barkhausen-Institut Dresden, die TU München, Fraunhofer, Unternehmen aus dem ‚Silicon Saxony' sowie das Bundesprojekt „Chipdesign Germany“. Die Partner hoffen auf Bundeszuschüsse: „Mit vereinten Kräften und unseren komplementären Stärken wollen wir in Sachsen und Bayern dazu beitragen, dass Europa an technologischer Souveränität und geopolitischer Statur gewinnt.“

Dresden plant wegen Chipboom Berufsausbildung auf Englisch

Derweil intensiviert Sachsen seine Bemühungen, für das Wachstum des Chip-Clusters genügend Fachkräfte herbeizuorganisieren. Ein Beispiel ist das neue, 136 Mio. € teure Exzellenz-Berufsschulzentrum für Mikroelektronik, das im Dresdner Plattenbauviertel Prohlis entstehen soll. Obwohl Schulbau eigentlich eine kommunale Aufgabe ist, finanzieren in diesem Falle Freistaat und EU den größten Teil der Summe. „Mit dem Neubau des Berufsschulzentrums für Elektrotechnik investieren wir direkt in die Ausbildung junger Talente und stärken zugleich den Mikroelektronikstandort Sachsen“, erläutert der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). „So machen wir das Silicon Saxony noch zukunftsfähiger.“

In diesem Zuge plant Dresden weitere Neuerungen. So wird es in der Mikroelektronik-Schule auch eine Mechatroniker-Berufsausbildung auf Englisch geben. „Dies ist deutschlandweit ein einzigartiges Angebot“, betont Sachsens Kultusminister Conrad Clemens (CDU). Parallel dazu baut Dresden auch den internationalen Unterricht an staatlichen Schulen deutlich aus. Zudem erweitert die Dresden International School (DIS) derzeit ihren Schulcampus in die Innenstadt. „Den Arbeitsmarkt müssen neben sächsischen Fachkräften zunehmend auch solche aus der ganzen Bundesrepublik, aber auch aus dem Ausland bereichern“, argumentiert der Dresdner Bildungsbürgermeister Jan Donhauser (CDU). „Für ausländische Fachkräfte sind hervorragende Bildungsmöglichkeiten ein bedeutsamer Faktor für die Entscheidung, am Standort Dresden eine Tätigkeit aufzunehmen.“

Dresden wird deutsche Pilotstadt für die digitale Brieftasche der EU

Mit der neuen digitalen Ausweis-Brieftasche ‚Eudi Wallet‘ der EU sollen sich Unionsbürger künftig überall per Smartphone ausweisen können. Dresden wird zur Pilotkommune in DeutschlandMit der neuen digitalen Ausweis-Brieftasche ‚Eudi Wallet‘ der EU sollen sich Unionsbürger künftig überall per Smartphone ausweisen können. Dresden wird zur Pilotkommune in DeutschlandUnterdessen treiben Forscher, Ingenieure und Entwickler im „Silicon Saxony“ jenseits der Mikroelektronik auch ganz andere Innovationen voran. So steht die sächsische Landeshauptstadt bereits als erste deutsche Pilotkommune für die neue europaweite digitale Ausweis-Brieftasche ‚Eudi Wallet' fest. „Die Dresdner und ihre Gäste werden ab 2026 die neue Wallet nutzen können“, erklärte Michael Breidung, Chef des städtischen Eigenbetriebs für Informationstechnologie (IT) auf Anfrage. Damit sei Dresden der Vorreiter für ein zentrales Digitalisierungsprojekt der EU. Die Wallet ist als App für Smartphones konzipiert.

Zu den ersten Digitalausweisen, deren Nutzung in der EU-Brieftasche die Stadt erprobt, werden laut Breidung der Dresden-Pass, der Ehrenamtspass, die „Dresden Welcome Cards“ für Touristen, der Personalausweis und Führerschein gehören. „Künftig wird es dann auch möglich sein, weitere Ausweise, aber auch Behördenbescheide darin abzulegen. Denn für den einzelnen Nutzer, die Verwaltung und Unternehmen sieht er viele Vorteile aus der Eudi-Wallet erwachsen: Neue Ausweise, Pässe und Bescheide zum Beispiel müssen dann nicht mehr im Bürgerbüro oder anderswo in Behörden in Papierform vor Ort abgeholt werden, sondern lassen sich künftig automatisch und sofort nach der amtlichen Entscheidung in die digitale Brieftasche einspielen.

Hinzu kommt ein ganz prinzipielles Argument: Mit den Ausweisen in der Digi-Brieftasche kann man sich eindeutig elektronisch identifizieren, auch beispielsweise auf Internetportalen, in der Kommunikation mit Behörden oder für Einkäufe und Rechtsakte in der Online-Welt. Sie gibt dabei immer nur soviel Informationen preis, wie der Nutzer wirklich will beziehungsweise für die konkrete Aktion im Netz unbedingt nötig sind. „Wir geben den Bürgern die Hoheit über ihre Identifikationsverwaltung zurück, die bisher die großen Hyperscaler aus den USA haben.“

  • Ausgabe: Oktober
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Heiko Weckbrodt
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