Vor fünf Jahren verkauften ausländische Hersteller noch 62 % aller in China zugelassenen PKW (Verbrenner + New Electric Vehicles). Das Bild hat sich kontinuierlich zugunsten chinesischer Hersteller gewandelt. 2023 war das erste Jahr, in dem mit 48 % weniger als die Hälfte ausländische Marken verkauft wurden. Außer Tesla haben vor allem deutsche, japanische und koreanische Hersteller einen deutlichen Rückgang der Verkäufe zu verkraften.
Beschleunigt durch den rasanten chinesischen Wandel zur E-Mobilität werden 2024 etwa 56 % aller PKW von chinesischen Herstellern stammen (Abb. 2). Technologisch und mengenmäßig hat China bei New Electric Vehicles (NEV) die Weltspitze erreicht. Durch vertikale Integration aller Schlüsselkomponenten hat man Kostenvorteile, die an die Kunden weitergegeben werden. Außerdem werden im Gegensatz zu Deutschland auch kleine kostengünstige E-Fahrzeuge hergestellt. Dazu kommt eine Software nach Kundengeschmack mit Spielen und Unterhaltung.
China wird zum Automobil-Dominator
Die Produktionskapazität für PKWs von China be trägt nach Aussagen von Fachleuten derzeit 46 Mio. Einheiten. Dies sind mehr als 50 % der weltweiten PKW-Produktion von etwa 80 Mio. Einheiten. Dem gegenüber steht ein Absatz von 26 Mio. PKW (Abb. 3). Hier ist also Luft nach oben. Dementsprechend steigt der Autoexport steil an. Waren es 2020 noch 1 Mio. PKW und 2023 bereits 5 Mio. Einheiten, wird der Export in diesem Jahr auf 6 Mio. PKW geschätzt, wobei der Anteil an E-Autos derzeit auf knapp 25 % gestiegen ist. (Abb. 5). BYD (33 %) und Tesla (28 %) bestreiten dabei ca. 60 % der chinesischen NEV-Exporte. Ob seltene Erden, Rohstoffe wie Lithium und Cobalt oder das Know-how für die weltbesten Batterien: China hat sich strategisch den Zugriff auf die gesamte Lieferkette für E-Autos verschafft. Damit besteht ein erhebliches Risiko für deutsche und andere ausländische Hersteller, in den nächsten zehn Jahren aus dem Markt gedrängt zu werden. Mit 26 Mio. verkauften PKW war China nicht nur der weltweit größte Gesamtmarkt, sondern führte mit 6,9 Mio. E-Autos (BEV) und 2,8 Mio. Plug-in-Hybriden (PHEV) auch in diesem Markt-Segment (Abb. 4).
BYD-Marktführer im Bereich EV
Zum 30-jährigen Jubiläum hat BYD gerade das zehnmillionste NEV (Batterieelektrisch + Hybrid) auf den Markt gebracht. Es gibt mehrere Schlüsselfaktoren für den Erfolg des Unternehmens:
Eigene Produktion mit hoher Wertschöpfung: Damit schafft es BYD, die Kosten niedrig zu halten. Das Unternehmen stellt so viele Komponenten wie möglich selbst her und integriert sie. So stellt BYD zum Beispiel alle Komponenten des kostengünstigen Erfolgsmodells Dolphin selbst her, mit Ausnahme der Fenster und Reifen. Der Preis in China beträgt ca. 13.000 €, in Deutschland ca. 32.000 €.
- Tochtergesellschaft Batterie: BYD hat seine Wurzeln in der Batterieproduktion und ist damit der erste Batteriehersteller, der sich erfolgreich zu einem Kraftfahrzeughersteller entwickelt hat. Nachdem BYD in den späten 1990er-Jahren mit der Batterieproduktion begonnen hatte, stieg das Unternehmen 2003 in die Automobilindustrie ein und hat seither die Branche entscheidend verändert. Eine der herausragenden Innovationen von BYD ist die Cell-to-Pack-Technologie mit großen ‚Blade Cells', die die Effizienz steigern. Was BYD von anderen Unternehmen unterscheidet, ist die Kontrolle über die gesamte Batterie-Lieferkette: BYD stellt wichtige Komponenten wie Elektrolyt, Separatoren und Lithiumkarbonat etc. selbst her. Dieser umfassende Ansatz hat es BYD ermöglicht, die niedrigsten Produktionskosten für LFP-Batterien zu erzielen und sogar den Batterie-Weltmarktführer CATL zu übertreffen.
- Optimierung der Baukomponenten: BYD integriert Teile wie seine 8-in-1-E-Achse, die den Motor, den Wechselrichter und das BMS umfasst, um die Kosten zu senken. Insidern zufolge hat BYD gerade in den Bau eines ‚integrierten Karosserie'-Druckgussprojekts, auch Gigacasting genannt, für die zukünftige Plattform seiner Fahrzeuge investiert.
- Innovation: BYD beschäftigt weltweit 900.000 Mitarbeiter. 100.000 Beschäftigte arbeiten in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Damit ist BYD in der Lage, ein hohes Entwicklungstempo beizubehalten und neue Technologien schnell auf den Markt zu bringen.
- Staatliche Unterstützung in China: Nicht verschweigen darf man, dass der Aufstieg von BYD durch die starke Unterstützung der chinesischen Regierung begünstigt wurde. Dazu gehören Subventionen, Anreize und vorteilhafte Steuerregelungen für Hersteller von Elektrofahrzeugen.
Russland ist Chinas Hauptabnehmer
Auch im Autogeschäft machen sich die Ost-West Konflikte bemerkbar. Russland ist mit 176.000 Einheiten von Jan. – April 2024 der Hauptimporteur für chinesische PKW. Dagegen kommt Deutschland derzeit mit 31.500 Primär-E-Autos im gleichen Zeitraum nicht einmal unter die TOP 10 Importeure (Abb. 6).
Abb. 6: TOP 10-Länder PKW-Export aus China Jan. – April 2024 (Daten: CAAM)
Auf den Punkt gebracht
- Mit dem strategischen Ausbau der Automobilindustrie in China werden ausländische Hersteller sukzessive aus dem Markt gedrängt, von 62% vor 5 Jahren auf derzeit 44 %. Dies betrifft primär deutsche, japanische und koreanische Hersteller.
- Mit einer derzeitigen Kapazität von 46 Mio. PKW p. a. verfügt China über mehr als die Hälfte der weltweit produzierten rund 80 Mio. PKW.
- Mit 6,9 Mio. verkauften E-Autos (BEV) und 2,8 Mio. Plug-in-Hybriden (PHEV) hat man auch in diesem Zukunftssegment 2023 die Weltspitze erreicht.
- Der Autoexport aus China steigt steil an. Waren es 2020 noch 1 Mio. PKW und 2023 bereits 5 Mio. Einheiten, wird der Export in diesem Jahr auf 6 Mio. PKW geschätzt. Während Russland ca. 700.000 Fahrzeuge aus China importiert, lag Deutschland 2023 bei 135.000 Primär-BEVs.
China treibt seine langfristigen strategischen Ziele mit großer Dynamik voran: 2025 major manufacturing power, 2035 global manufacturing power und 2049 zum 100-jährigen Jubiläum der Volksrepublik China leading manufacturing superpower. Für die deutsche Automobilindustrie gibt es nur noch Schadensbegrenzung, wenn man mit einem Rest überleben will. Versäumnisse bei der Rohstoffsicherung und zu langes Ausruhen auf früheren Erfolgen sowie der politische Zickzackkurs der EU und der letzten zwei Bundesregierungen lassen sich kaum noch beheben. Der AUDI-Slogan ‚Vorsprung durch Technik' hatte nur noch bis Anfang der 2000er-Jahre Bedeutung.
Bleiben Sie trotz schwieriger Zeiten zuversichtlich. Allerdings brauchen wir dazu flächendeckend die Einsicht, dass ‚anstrengungsloser Wohlstand' nur bei Märchenerzählern funktioniert, denn von nix kommt nix! Bleibt, im neuen Jahr die Ärmel hochzukrempeln und unser Land wieder auf Wachstumskurs zu bringen.
Zum Jahresende danke ich allen Lesern, die meiner Kolumne seit 22 Jahren folgen; aber auch für alle Anregungen, Lob und Kritik. Mein Dank ist verbunden mit den besten Wünschen für eine besinnliche Advents- und Weihnachtszeit. Bleiben Sie uns auch im Jahr 2025 gewogen.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Joachim Friedrichkeit