Wie referierte kürzlich Ola Källenius, der CEO von Mercedes, bei einem Dinner-Speech im Schwarzwald: „Es gibt rund 100 chinesische E-Auto-Hersteller. Kaum einer verdient Geld und viele werden die nächsten Jahre nicht überleben.“
Damit stellt sich aber auch die Frage: Wie sieht die Zukunft der europäischen E-Auto-Hersteller in den nächsten zehn Jahren aus?
Auf dem weltweit größten Automarkt der Welt in China hat in den letzten fünf Jahren der Anteil europäischer Marken von 60 % auf 40 % Jahr für Jahr kontinuierlich abgenommen. Gleichzeitig haben die Europäer aber auch keinen Fuß in den boomenden chinesischen Markt für batterielektrische und Hybrid-Fahrzeuge bekommen.
Die Zahlen machen es deutlich: China produzierte 2024 insgesamt 26,7 Mio. Pkw und Deutschland 4,1 Mio. Einheiten. Davon waren in China 12,5 Mio. NEVs (BEV + Hybrid) und in Deutschland 1,4 Mio. Pkw.
„Die Deutschen sind oft zu langsam.“
Dies sagte BYD-Vizechefin Stella Li der Automobilwoche. Damit sind auch die Entwicklungszeiten für neue Modelle gemeint. Während in der Vergangenheit die Entwicklung eines wesentlich komplexeren Verbrenners etwa vier bis fünf Jahre dauerte, sind jetzt < 40 Monate das neue Ziel. Demgegenüber stehen die chinesischen Hersteller und auch Tesla mit einer Entwicklungszeit von 24-30 Monaten.
„Unser gemeinsamer Feind ist der Verbrenner.“ Mit dieser Aussage macht Europachefin Stella Li die Zielrichtung klar. 2024 verkaufte BYD 4,27 Mio. New Electric Vehicles (NEV= BEVs + Hybrid) und davon 1,76 Mio. E-Autos (BEVs). Ziel für 2025 sind 5-6 Mio. verkaufte Fahrzeuge, womit man die Kernmarke VW mit 4,8 Mio. ausgelieferten Fahrzeugen (Elektro + Verbrenner) überholen würde.
Mit geplanten Produktionswerken in Ungarn (Produktions Ramp-up Ende 2025) und der Türkei sowie möglicherweise in Deutschland will BYD mögliche Zollschranken und Handelshindernisse umgehen.
Fünf Einflussfaktoren, die chinesische E-Auto-Hersteller erfolgreich machen
1. Vertikale Integration (alles Inhouse)
Im Rahmen des globalen Sourcings sind bei uns immer mehr Bauteile und Dienstleistungen ‚outgesourct' wurden. Frei nach dem Motto ‚Jeder macht das, was er am besten kann' haben gerade Konzerne wie Volkswagen das Thema auf die Spitze getrieben. Preise verhandeln, organisieren, kontrollieren und verwalten war angesagt.
Ganz anders der zwischenzeitlich weltweit größte E-Autobauer BYD. 1995 vom Chemiker Wang Chuanfu als kleine Fabrik mit 20 Mitarbeitern in Buji Town, nahe der chinesischen Stadt Shenzhen gegründet, wurden dort zunächst nur wiederaufladbare Batterien produziert. Konkurrenz waren die damals marktbeherrschenden Unternehmen wie Sony und Sanyo. 2003 stieg das Unternehmen in den Bau von Automobilen ein, in dem es das angeschlagene Unternehmen Xian Qinhuan Automobile übernahm. Heute beschäftigt BYD ca. 900.000 Mitarbeiter und erzielt einen Umsatz von 100 Mrd. $.
Das Konzept lautet vertikale Integration, indem alle Teile, z. B. beim Volumenmodell BYD Seal mit Ausnahme der Scheiben und der Reifen, in der eigenen Produktion hergestellt werden (Abb. 1). Dazu gehört der Powertrain-Domain-Controller, die BYD Blade-LFP-Batterie, der On-Board-Charger und last but not least der PM-Synchron-Motor. Damit erreicht man ein durchgängiges Qualitätsniveau, eng aufeinander abgestimmte Komponenten und eine hohe logistische Verfügbarkeit sowie höchste Wertschöpfung und einen Verbleib der Gewinne im Haus.
Ganz anders die Volkswagen MEB-Powertrain-Plattform für den ID.4 (Abb. 2) Mehr als sechs Hersteller liefern die Komponenten, so Bosch den High-Voltage-DC/DC-Converter, die koreanische LG als Batteriehersteller die teure Li-Ionen-Technologie, Huber Automotive das Batteriemanagementsystem (BMS), Siemens und Valeo den Inverter, Kostal den On-Board-Charger und die Euro-Group den Synchronmotor.
Abb. 1: BYD Typ Seal – e-Plattform 3.0 8-in-1 Powertrain
Abb. 2: Powertrain-MEB-Plattform für den Volkswagen ID.4 mit mindestens 7 Fremdherstellern
2. Smart Design
Schon Tesla zeigte, wie eine Konstruktion mit z. B. weniger Karosserieteilen aussieht und wie diese durch Mega-Casting produziert werden können. Gleiches gilt für den electric Drive, die Fahrzeug-Plattform mit z. T. einer 12-in-1-Konstruktion mit Motor, Steuerung, BMS, Charger, Inverter etc.
3. Skalierbarkeit
Standardisierung auf 100 % e-Auto-Plattform, die als Basis für verschiedene Modellreihen eingesetzt werden kann. Diese Erkenntnis hat sich zwischenzeitlich auch bei europäischen Auto-Herstellern durchgesetzt. Die europäischen Oberklassen-Hersteller wie Mercedes, Porsche und AUDI schmerzt aber der chinesische Weg, zunächst erfolgreiche Elektroautos in Massenproduktion zu bauen und darauf aufbauend jetzt in den Luxusbereich vorzudringen.
4. Batterie-Innovation
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Weltmarktführung in der Batterietechnologie. CATL mit einem Weltmarktanteil von 38 % wird gefolgt von BYD mit 17 %. Die Blade-Technologie ebenso wie der Siegeszug der Lithium-Eisen-Phosphat-Batterie (LFP) in fast allen neu konstruierten chinesischen E-Autos sind ebenso ein weiterer Faktor wie die dritte Generation der Cell-to-pack-Technologie (CTP) von CATL. CATL betreibt weltweit 13 Produktionswerke, baut zurzeit in Ungarn eine 100-GWh-Produktion auf und plant in Spanien eine 50-GWh-pro-Jahr-Produktion 2026.
Abb. 3: Die BYD-Blade-Batterie in Lithiumeisenphosphat-Technologie (LFP) bietet gegenüber Rundbatterien eine verbesserte Kühl- und die Vorwärmeffizienz, einen langsameren Wärmeaufbau, geringe Wärmeabstrahlung und keine Sauerstoffabgabe. Die Blade-Batterie besteht den Nagelpenetrationstest
5. Wirtschaftsförderung der chinesischen Regierung
Durch eine gezielte Förderung von Innovation und Kooperation der einzelnen Hersteller bis zur strategischen Sicherung von Rohmaterialien in afrikanischen Ländern reicht die Unterstützung. Dazu kamen zwischen 2009 und 2022 Kredite und Steuersubventionen im Wert von 29 Mrd. $.
Auf den Punkt gebracht
- China produzierte 2024 insgesamt 26,7 Mio. Pkw und Deutschland 4,1 Mio. Einheiten. Davon waren in China 12,5 Mio. NEVs (BEV + Hybrid) und in Deutschland 1,4 Mio. Pkw.
- Vertikale Integration, um möglichst viel Wertschöpfung im Haus zu generieren, ist der Trend chinesischer E-Auto Hersteller wie BYD. Dagegen ist Outsourcing in Europa Trumpf mit einer immer schwieriger zu steuernden Supply Chain.
- Smart Design und Skalierbarkeit als Konstruktionsprinzip hat bereits Tesla vorgemacht und wird von den chinesischen Autobauern konsequent verfolgt.
- Batterie Innovation, denn das ist das Herz der Elektromobilität. Bei Weltmarktführer CATL arbeiten mehr als 20.000 Mitarbeiter in der Entwicklung.
Mit einer zielgerichteten Wirtschaftsförderung hat sich China an die Weltspitze der Elektromobilität gesetzt. Sie ist ein Zwischenschritt und Teil der chinesischen Vision 2049:
- ‚Made in China 2025': hochwertige qualifizierte Produktionsfähigkeit in China
- Zwischenziel 2035: global führende Produktionsfähigkeiten in definierten Zielbranchen
- Ziel 2049 (100 Jahre Volksrepublik China) weltweit führende Wirtschaftsmacht für die Elektromobilität u. andere Zielbranchen
Die chinesische Regierung weiß, was sie will. Und wir?
Ich wünsche Ihnen einen kreativen Start in das 2. Quartal.
Bleiben wir einander gewogen.
Herzlichst grüßt Sie
Ihr
Hans-Joachim Friedrichkeit