Drahtbondbare Oberflächen in der Leistungselektronik

Schichtausriss eines Schichtsystemes

Dieser Artikel stellt die wichtigsten industriell etablierten Metallisierungen für das Drahtbonden vor, beleuchtet typische Fehlerquellen und deren Auswirkungen auf die Bondqualität und fasst Reinigungsverfahren zusammen.

Drahtbonden ist trotz fortschreitender Miniaturisierung und Leistungssteigerung in der Leistungselektronik derzeit noch nicht wegzudenken. Drahtbondbare Oberflächen müssen eine optimale Kombination aus elektrischer Leitfähigkeit, mechanischer Stabilität und Beständigkeit gegen Alterungs- und Korrosionsprozesse bieten.

1. Metallisierungen und Schichtaufbauten im Überblick

Beim Ultraschall-Drahtbonden werden metallische Verbindungen über Interdiffusion zwischen dem Drahtmaterial und der Metallisierung gebildet. Diese Verbindung erfolgt nicht über eine Schmelzphase, sondern während der Einwirkung des Ultraschalls durch die atomare Annäherung der Verbindungspartner, das Aufbrechen und Zerreiben von Oxidschichten und Oberflächenbelägen, die Deformation des Drahtmaterials und die Diffusion der beteiligten Metalle. Die Qualität und Zuverlässigkeit der Drahtbondverbindungen hängen maßgeblich von den verwendeten Materialpaarungen ab. Diese müssen nicht nur eine gute elektrische Leitfähigkeit aufweisen, sondern auch hohe Verbindungsfestigkeit untereinander sowie auf den verwendeten Substraten aufweisen. Darüber hinaus ist eine gute Beständigkeit gegen Alterungs- und Korrosionsprozesse zwingend erforderlich. In den folgenden Abschnitten werden die industriell gängigen drahtbondbaren Metallisierungen für leistungselektronische Systeme näher erläutert. In der Leistungselektronik sind Drahtdurchmesser >125 µm und die Drahtmaterialien Aluminium und Kupfer gängig – das sog. Dickdrahtbonden. Der Vollständigkeit halber sind bei den aufgeführten Schichtsystemen an einigen Stellen Hinweise zum Dünndrahtbonden mit Golddraht enthalten.

Chemisch Ni/Au (ENIG) besteht aus einer nasschemisch autokatalytischen, auf Kupfer selektiven NiP-Beschichtung, die durch dünne Sudvergoldung vor Oxidation geschützt wird (ENIG, siehe Abb. 1 und 2). Es handelt sich um ein äußerst temperatur- und langzeitstabiles Oberflächenfinish, welches neben allen Lötanwendungen auch mit Aluminiumdraht bondbar ist. Zum Golddrahtbonden wird diese Beschichtung nicht empfohlen. Vorsicht ist bei der Verwendung offener unverkapselter Al-Drähte auf ENIG-Schichten geboten. In Zuverlässigkeitsuntersuchungen bei 85 °C und 85 % rel. Feuchte sind nach 250-500 h zu einem sehr hohen Anteil Ablösungen der Bondkontakte zu beobachten. In diesem Fall lösen sich die intermetallischen Au/Al-Phasen von der darunterliegenden Nickelschicht ab. Durch Verguss der Bondkontakte z. B. mit Glob-Top-Material kann dieser Fehlermechanismus abgestellt werden.

Abb. 1: Querschliff in ein ENIG-Schichtsystem auf Leiterplatte (Cu- und Ni-Schicht erkennbar)

Abb. 2: REM-Aufnahme eines ENIG-Querschliffs (Au-Schicht anhand der dünnen hellen Linie oberhalb des Nickels erkennbar)Abb. 2: REM-Aufnahme eines ENIG-Querschliffs (Au-Schicht anhand der dünnen hellen Linie oberhalb des Nickels erkennbar)

Chemisch Ni/Pd/Au (ENEPIG, ENIPIG) ist vom Beschichtungsablauf vergleichbar zu Chemisch Ni/Au mit einem zusätzlichen Beschichtungsschritt, bei dem die Pd-Schicht auf der frischen Ni-Oberfläche aufgebracht wird. Die Beschichtung kann im Tauchverfahren oder autokatalytisch erfolgen. Das System ist für alle infrage kommenden Verbindungstechniken geeignet – Löten, Kleben, Drahtbonden, Sintern. Insbesondere bei den Bemühungen, teure Keramikschaltungsträger mit Au-Schichten durch Hoch-Tg-Leiterplatten zu ersetzen, ist die Ni/Pd/Au-Metallisierung von zentralem Interesse, da hier die prozesssichere Bondbarkeit mit Au-Draht im Ball/Wedge-Verfahren ein wesentliches Ziel ist. Die Erfahrung in industriellen Prozessen bestätigt, dass die Verwendung von ENEPIG einer Verwendung von ENIPIG (immersion Palladium) vorzuziehen ist. Vorsicht ist bei der Verwendung offener unverkapselter Al-Drähte auf ENEPIG/ENIPIG-Schichten geboten. In Zuverlässigkeitsuntersuchungen bei 85 °C und 85 % rel. Feuchte sind nach 500-1000 h zu einem hohen Anteil Ablösungen der Bondkontakte zu beobachten. Der genaue Ausfallort (Grenzfläche zur Palladiumschicht oder zur Nickelschicht) ist noch nicht vollständig geklärt. Durch Verguss der Bondkontakte z. B. mit Glob-Top-Material kann dieser Fehlermechanismus abgestellt werden.

Abb. 3: FIB-Schnitte in ein ENEPIG- und ENIPIG-SchichtsystemAbb. 3: FIB-Schnitte in ein ENEPIG- und ENIPIG-Schichtsystem

Die Abscheidung metallischer Oberflächen in Dünnschichttechnik erfolgt durch Sputterprozesse mit Wechselmasken. Dabei werden Hoch-Vakuum-Prozesse genutzt und das jeweils abgeschiedene Metallsystem wird durch das Sputtertarget bestimmt. Zudem ist es möglich, definierte Schichtsysteme (z. B. bestehend aus Haftvermittler und Bondoberfläche) oder Legierungen, (z. B. AlSiCu-Schichten) in einer Prozesskammer abzuscheiden. Zur Erzeugung bondfähiger Schichten werden in der Regel zusätzlich Haftvermittlerschichten (z. B. Ti, TiW oder Cr) benötigt. Ohne diese Haftvermittler treten mit großer Wahrscheinlichkeit Schichtausrisse, d. h. Ablösungen der Schicht im Bereich der Bondstelle, auf. Dünnschichtsysteme werden zumeist dann eingesetzt, wenn sehr fein strukturierte Geometrien oder funktionale Schichten erzeugt werden sollen. Eine nachträgliche Erhöhung der Schichtdicke erfolgt zumeist durch elektrolytische Metallisierungsprozesse.

Bei der Dickschichttechnik werden sieb- oder schablonendruckfähige Pasten mit metallischem Anteil (ca. 70-80 %) eingesetzt. Die Leiterbahnstruktur wird dabei durch den Druckprozess vorgegeben. Die Erzeugung leitfähiger, metallischer Strukturen erfolgt in einem Sinterprozess bei ca. 700–900 °C, je nach verwendetem Pastensystem, auf hochtemperaturtauglichen Substraten – i. d. R. Keramiken. Typische Pastensysteme sind Ag-, AgPd-, AgPt- und Au-Pasten mit Dicken im Bereich von 5-20 µm. Ag-basierte Pasten sind deutlich preiswerter als Au-Pasten und zudem in Lötprozessen verarbeitbar. Die Bondbarkeit mit Au- und Al-Drähten ist für Ag-haltige Pasten meist gegeben, wobei, je nach Zusammensetzung der Pasten-Prozessführung beim Sintern, deutlich unterschiedliche Prozessfenster auftreten können. Die Verbindung aus Al-Bonddraht und Ag-Paste ist anfällig für Korrosion in Anwesenheit von kondensierender Feuchte. Daher ist dieses Al/Ag-Kontaktsystem vor Feuchteangriff zu schützen, was bei elektronischen Aufbauten meist durch einen silikonbasierten Weichverguss realisiert wird, der bekanntermaßen aber nur eine begrenzte Schutzfunktion erfüllt, da Silikon leicht von Wassermolekülen durchdrungen werden kann. Au-Pasten werden bevorzugt verwendet, wenn Au-Dünndraht-Bondverfahren zum Einsatz kommen und zeichnen sich hier i. d. R. durch eine sehr gute Bondbarkeit aus.

DCB-Oberflächen (Direct Copper Bonding) sind eine bewährte Technologie für Leistungselektronikmodule, bei der Kupfer direkt auf ein Keramiksubstrat aufgebracht wird. Der Herstellprozess basiert auf einer Hochtemperatur-Diffusionsreaktion, bei der das Kupfer durch eine Zwischenschicht aus Oxid an die Keramik gebunden wird. Diese Technologie ermöglicht es, die hervorragende thermische und elektrische Leitfähigkeit von Kupfer mit der hohen Isolationsfähigkeit der Keramik zu kombinieren. Die resultierende Oberfläche weist eine hohe mechanische Stabilität und eine gute Drahtbondbarkeit auf, insbesondere für Al-Drahtbonden, während sie gleichzeitig eine exzellente Wärmeableitung bietet. Die Oxidschicht auf dem Kupfer kann jedoch die Bondbarkeit beeinflussen und erfordert in der Regel eine gezielte Oberflächenvorbehandlung bzw. Sicherstellung der Oxidfreiheit zur Erzeugung einer stabilen Verbindung.

Walzplattiertes AlSi ist eine etablierte und zuverlässige Bondoberfläche. Das Walzplattieren erfolgt bei erhöhter Temperatur und unter Druck sowie anschließend das Tempern des Bimetallverbundes zur besseren Ausprägung der Haftfestigkeit (Verbindungsqualität) zwischen Al und Cu durch Ausbildung ausgeprägter intermetallischer Phasen. Danach wird das Band vermessen, evtl. noch auf das Endmaß präzisionsgewalzt und dann geschützt durch eine Zwischenlage wieder aufgerollt. Die anschließende Verarbeitung erfolgt durch Stanzen und Kunststoffumspritzen in Gehäuserahmen, die anschließend mit elektronischen Komponenten bestückt und durch Drahtbonden zu den Gehäusepins verbunden werden. Im Fall lötbarer Bondpads und bestückbarer Pins erfolgt nur ein Stanz- und Biegeprozess mit anschließender Sortierung der Teile z. B. in Gurte für Bestückautomaten.

Galvanisch erzeugte Nickelschichten von ca. 2 µm Dicke werden für Drahtbondanwendungen mit Al-Draht in der Regel mit ca. 0,2 µm NiP (Nickel mit einem Phosphoranteil von 6-10 %) überzogen. Das erhöht die Lagerfähigkeit und die prozesssichere Verarbeitbarkeit dieser Schicht mittels Drahtbonden. Frische Nickelschichten sind sehr sicher mit Al-Draht verarbeitbar. Steigt die Dicke des Nickeloxids durch z. B. sehr lange und unkontrollierte Lagerung, verschlechtert sich die Bondqualität z. T. erheblich. Eine Verarbeitung von Nickeloberflächen mit Kupferdraht ist ebenfalls möglich. In diesem Fall ist mit einem erhöhten Risiko für eine Rissbildung innerhalb der Nickelschicht zu rechnen.

Neben Schichtsystemen auf Substraten können auch massive Metallkörper (z. B. Fräs- und Drehteile, Druckgussteile, Bleche oder Stromschienen) aus Aluminium und Kupfer drahtgebondet werden. Je reiner das Material, desto besser ist dessen Bondbarkeit. Aluminium mit mindestens 99,7 % Reinheit (z. B. EN-AW 1070A) oder Kupfer mit 99,95 % Reinheit (z. B. OF-Kupfer) stellt für viele Fälle einen sehr guten Verbindungspartner dar. Wenn neben der Drahtbondbarkeit z. B. auch Biege- und Stanzverhalten für die Auswahl der Materiallegierung eine Rolle spielen, muss durch Bondtests die Eignung für einen Drahtbondprozess ermittelt werden.

2. Welche Schicht für welchen Substrattyp?

 Tab. 1: Schichtsysteme für Aluminium-Dickdrähte

Substrattyp

Basismaterial unter dem Schichtsystem

Schichtsystem

DCB Keramik

Kupfer

Direktbonden auf Kupfer

DCB Keramik

Kupfer

ENIG (4-6 µm Nickel / 0,04-0,08 µm Gold)

ENEPIG (4-6 µm Nickel / 0,2 - 0,4 µm Palladium / 0,04-0,08 µm Gold)

Leiterplatte

Kupfer

Flexleiterplatte

Kupfer

Keramik

Keramik

AgPd, AgPt (6-15 µm) Dickschichtpaste

Silicium

Haftvermittler

Al, AlSi, AlSiCu (0,5 - 8 µm) Dünnschicht

Silicium

Haftvermittler

ENIG (4-6 µm Nickel / 0,04-0,08 µm Gold)

ENEPIG (4-6 µm Nickel / 0,2 - 0,4 µm Palladium / 0,04-0,08 µm Gold)

Stanzgitter (Gehäuserahmen)

Kupfer

10-30 µm AlSi1 Walzplattierung

Stanzgitter (Gehäuserahmen)

Kupfer

galvanisch Ni (2-3 µm), galvanisch Gold (0,05 µm)

Al-Vollmetall

Aluminium

min. 99 % Reinheit

Cu-Vollmetall

Kupfer

OF-Cu, Cu-ETP, CuSn6 (Tests notwendig)

Blech, Bandmaterial

Kupfer, Edelstahl

Ni (2-4 µm), NiP (0,2 µm)

Batterien

Edelstahl

2-4 µm Nickel (Hilumin-Blech)

 

 Tab. 2: Schichtsysteme für Kupfer-Dickdrähte

Substrattyp

Basismaterial unter dem Schichtsystem

Schichtsystem

DCB Keramik

Kupfer

Direktbonden auf Kupfer

DCB Keramik

Kupfer

ENIG (4-6 µm Nickel / 0,04-0,08 µm Gold)

ENEPIG (4-6 µm Nickel / 0,2 - 0,4 µm Palladium / 0,04-0,08 µm Gold)

Rissbildung im Schichtsystem sehr wahrscheinlich

Leiterplatte

Kupfer

Flexleiterplatte

Kupfer

Silicium

Sinterschicht

Die-Top-Metallisierung aus Kupfer,
min. 10 µm Dicke

Stanzgitter (Gehäuserahmen)

Kupfer

Direktbonden auf Kupfer

Cu-Vollmetall

Kupfer

OF-Cu, Cu-ETP, CuSn6 (Tests notwendig)

Blech, Bandmaterial

Kupfer, Edelstahl

Ni (2-4 µm), NiP (0,2 µm)

Batterien

Edelstahl

2-4 µm Nickel (Hilumin-Blech)

 

3. Diese Fehler sollten Sie unbedingt vermeiden!

Ein häufiger Fehler beim Drahtbonden ist die Annahme, dass Schichten beim Bondprozess durchgerieben werden. Für Aluminium-Dickdrähte (99,9 % und 99,99 % Reinheit) kann dies bei allen gängigen Schichtsystemen ausgeschlossen werden. Selbst nur 60 nm dicke Goldschichten werden von einem 400 µm dicken Bonddraht nicht weggerieben, sondern sind Teil des Kontaktsystems. Daher spielt die Beschichtungsqualität und die damit einhergehende Schichthaftung eine zentrale Rolle für robuste Drahtbondkontakte. Haften die Schichten nur unzureichend, ist kein stabiler Bondprozess möglich. Unabhängig von der Wahl der Bondparameter wird sich der Kontakt mitsamt der Beschichtung ablösen. In diesem Fall besteht Handlungsbedarf beim Schichthersteller. Der Anwender kann dieses Fehlerbild durch die Auswahl seiner Bondparameter nicht abstellen.

Anders ist die Situation bei den (derzeit noch) deutlich seltener verwendeten Kupfer-Dickdrähten. Hier werden durch das harte Drahtmaterial und die sehr hohen Bondkräfte und Ultraschallenergien auch wenige Mikrometer dicke Schichten beiseitegedrückt und es können zudem Risse in darunter liegenden Schichtstrukturen erzeugt werden – je nach Härte und Stabilität der Metallschichten, auf denen gebondet wird.

Die im Folgenden aufgeführten Schichtsysteme sind auf elektronischen Baugruppen gängig, aber für Drahtbondanwendungen nicht geeignet oder zum Teil sehr kritisch zu betrachten.

  • Heißluftverzinnung (HASL, HAL) ist eine bei ausreichender Dicke zuverlässige und dabei kostengünstige Oberfläche aus flüssig aufgetragenem Lot. Diese Oberfläche ist nicht für Drahtbondprozesse geeignet.
  • Massivlotdepots wurden entwickelt, um Unebenheiten der Anschlusspads zu vermeiden und eine (ausschließlich) lötbare Oberfläche für SMD-Bestückung inklusive des hierfür nötigen Lotdepots (Lotpastendruck beim Anwender entfällt!) zu erhalten. Diese Oberfläche ist nicht für Drahtbondprozesse geeignet.
  • Organische Oberflächenpassivierung auf Kupfer (OSP) ist ein sehr einfaches und kostengünstiges Verfahren zum Schutz der Kupferoberfläche vor Oxidation durch Tauchbeschichtung. Die Schichtdicken reichen je nach System vom Monolagenbereich bis zu 0,5 μm. Die Verfahren sind für Löttechnik bis in den Ultrafinepitchbereich geeignet. Die Oberfläche gilt als nicht prozesssicher drahtbondbar (insb. mit Au-Draht), was aber in vereinzelten, nicht veröffentlichten Untersuchungen aus der Industrie auch widerlegt wurde. Eine mögliche Verarbeitbarkeit mit Al-Dickdraht (≥ 125 µm) ist nicht bestätigt und muss, in Abhängigkeit der verwendeten OSP-Variante, geprüft werden.
  • Chemisch Zinn (ISn) selbst ist ebenfalls eine hochplanare, auf nasschemischer Sudmetallisierung beruhende Oberfläche, welche für fine pitch und SMD-Montage und ebenso für Einpresstechnik, nicht jedoch Drahtbondanwendungen geeignet ist.
  • Hartgold kann, entgegen häufig geäußerter Vorbehalte, sehr gut mit Aluminiumdraht verarbeitet werden. Die Bondqualität erfüllt alle Kriterien, die an Drahtbondkontakte gestellt werden. Vom Einsatz wird trotzdem eher abgeraten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Kombination aus Hartgold und Aluminiumdraht bei Temperaturauslagerung degradiert und es spätestens nach wenigen 100 Stunden zu Ausfällen durch sich abhebende Bondkontakte kommt. Durch Anpassungen der Schichtdicken (genaue Daten sind nicht publiziert und müssten jeweils ermittelt werden) wurde dieses Fehlerbild bereits erfolgreich abgestellt – für eine allgemeine Entwarnung wäre es aber zu früh. [*]

4. Oberflächeneigenschaften drahtbondbarer Metallisierungen

Drei zentrale Eigenschaften von Bondoberflächen werden in diesem Artikel herausgestellt:

  • Sauberkeit
  • Schichthaftung
  • Oberflächentopografie, Rauheit

Neben den drei genannten Themen gibt es weitere, mehr oder weniger offensichtliche Eigenschaften, wie z. B. Schichtdicke, Schichtabfolge, Legierung, Zusammensetzung, Oxidationszustand, Härte, Homogenität und Mikrostruktur. Diese sind allerdings entweder von geringerer Relevanz für die typischen Prozessfehler oder sprengen schlicht den Rahmen dieses Artikels.

Aufgabe Nr. 1 – Sauberkeit sicherstellen

Sauberkeit ist mit Abstand die Hauptursache für Bondprobleme. Etwa 80 % der Bondfehler, die dem Autor in über 20 Jahren Drahtbonden bekannt geworden sind, lassen sich auf (meist optisch erkennbare) Verunreinigungen zurückführen. Auch wenn erfahrene Prozessverantwortliche bestätigen werden, dass bereits hauchdünne „und kaum sichtbare“ Fremdschichten zu Problemen führen können, zeigt die Praxis und der Blick hinter die Kulissen, dass die meisten dieser Problemursachen erkennbar gewesen wären – unter dem Lichtmikroskop. Und genau hier fangen die Probleme meist an, denn es ist oft nicht das richtige Equipment verfügbar.

Ein geeignetes Lichtmikroskop zur sicheren Beurteilung von verunreinigten Oberflächen findet sich allgemein unter dem Begriff „Metallografie- und Materialmikroskop“. Dieses ist in der Regel mit Objektivrevolvern ausgestattet, die den Wechsel der Vergrößerung durch Schwenken der Optik ermöglichen. Die optischen Vergrößerungen (per Definition zwischen Objekt und Abbildung im Auge beim Blick durch das Okular) reichen in typischen Geräten bis zum Faktor 1000. Auf die Frage, welche Mindestvergrößerung bei solchen Geräten denn notwendig wäre, gibt es eine klare Antwort: Mindestens 200-fache Vergrößerung (ein sog. 20er-Objektiv) und dazu noch ein Objektiv mit 500-facher Vergrößerung (50er) und hoher optischer Güte. Darüber hinaus müssen sich Prozessverantwortliche darüber Gedanken machen, welche Arbeitsabstände zum Objektiv mindestens zwingend eingehalten werden müssen und welche kleineren Vergrößerungen zur Orientierung auf der Probe sinnvoll sind.

Ein so zusammengestelltes Equipment vereint folgende Vorteile:

  • Einfache Bedienbarkeit (im Vergleich zu komplexeren Oberflächenanalysegeräten)
  • Schnelles und in der Regel eindeutiges Ergebnis
  • Der höchste Return-on-Investment aller Prüfgeräte in Ihrer Fertigung –diese niedrige bis mittlere fünfstellige Anschaffung verhindert ab der ersten Nutzung teure Fehler.

Augen auf und genau hinsehen! – Schichthaftungsprobleme entdecken

Ein Drahtbondkontakt, der sich von seinem Bondpad ablöst – ein sog. Lift-Off – ist bei Dickdrahtbondverbindungen nicht zulässig. Schnell ist die Ursache vermutet – „Vielleicht ein bissl Dreck.“, „Womöglich zu lange gelegen und oxidiert.“, „Bestimmt die Schichtdicke zu dünn oder die Rauheit zu hoch.“. Schnell ist auch ein Lösungsweg gefunden – Ultraschallleistung erhöhen. Doch hier gilt: Augen auf!

Tritt ein Lift-Off auf, gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. Der Bond haftet mangels ausreichender Verbindung nicht auf der Metallisierung.
  2. Der Bond hat eine sehr gute Verbindung zur obersten Metallschicht, aber diese wiederum haftet nicht auf der darunter liegenden Schicht.

Der zweite Fall beschreibt den sogenannten Schichtausriss. Dieses Fehlerbild kann mit hoher Sicherheit nur durch den Blick durch ein Mikroskop gefunden werden, wie es im vorhergehenden Kapitel beschrieben ist. Wird dieses Fehlerbild übersehen, erfolgt die Fehlersuche an der falschen Stelle und mit falsch eingesetzten Ressourcen. Die Ursache für Schichtausrisse liegt in der Regel im Prozess zur Schichtherstellung. Der Lieferant muss in einem solchen Fall also zwingend einbezogen werden. Darüber hinaus ist die Rolle des Lieferanten in der Behebung dieses Fehlers nicht unwesentlich. Es gilt also, diesen mit den richtigen Informationen zu versorgen. Mikroskopbilder und REM-Aufnahmen (ggf. EDX-Analysen) sind notwendig, um herauszufinden, an welchen Stellen in der Schicht und im Prozess die genaue Ursache liegt.

Abb. 4: Flecken nach unzureichender Reinigung auf LeiterplattenpadAbb. 4: Flecken nach unzureichender Reinigung auf Leiterplattenpad

Abb. 5: Rote, fein verteilte Verfärbungen auf einer Leiterplatte nach zu langer Lagerung (> 2 Jahre)Abb. 5: Rote, fein verteilte Verfärbungen auf einer Leiterplatte nach zu langer Lagerung (> 2 Jahre)

Abb. 6: Bräunliche Verfärbungen eines Aluminiumpads auf Siliziumchip, Hinweis auf ungenügende Lagerung der OberflächeAbb. 6: Bräunliche Verfärbungen eines Aluminiumpads auf Siliziumchip, Hinweis auf ungenügende Lagerung der Oberfläche

Abb. 7: Schichtausrisse auf unterschiedlichen Schichtsystemen – ein weiterer ist eingangs dieses Artikels zu sehen
Abb. 7: Schichtausrisse auf unterschiedlichen Schichtsystemen – ein weiterer ist eingangs dieses Artikels zu sehen
Abb. 7: Schichtausrisse auf unterschiedlichen Schichtsystemen – ein weiterer ist eingangs dieses Artikels zu sehen

Abb. 7: Schichtausrisse auf unterschiedlichen Schichtsystemen – ein weiterer ist eingangs dieses Artikels zu sehen

Abb. 8: Zerkratzte ENIG Oberfläche aufgrund fehlender Papierzwischenlagen bei der Verpackung der LeiterplattenAbb. 8: Zerkratzte ENIG Oberfläche aufgrund fehlender Papierzwischenlagen bei der Verpackung der Leiterplatten

Abb. 9: Riefen in einer Leiterplattenoberfläche aufgrund der mechanischen Vorbehandlung des KupfersAbb. 9: Riefen in einer Leiterplattenoberfläche aufgrund der mechanischen Vorbehandlung des Kupfers

Messung möglich, Grenzwerte (noch) nicht in Sicht – Rauheit prüfen

Während des Drahtbondprozesses laufen Reibvorgänge und Wechselwirkungen zwischen Oberflächen ab. Die Vermutung, dass die Topografie (Rauheit) der Drahtoberfläche und der Metallisierung hierbei eine zentrale Rolle spielen, liegt auf der Hand. Die Praxis zeigt allerdings, dass der Einfluss der Rauheit zwar im Prozess beobachtet werden kann, sich gleichzeitig aber deutlich weniger stark auf das Prozessergebnis auswirkt als andere Faktoren. Trotzdem ist die Überwachung der Rauheit aus einem Grund für die Fertigung interessant – anders als die Sauberkeit, die Legierung, die Härte oder der Oxidationszustand einer Oberfläche lässt sich die Rauheit sehr einfach überwachen und messen. Die Herausforderung besteht an einer anderen Stelle. Innerhalb der letzten zehn Jahre wurden mit den Normen DIN EN ISO 25178 und DIN EN ISO 21920 wichtige Weichen für optische Messungen gestellt und eine zeitgemäße Aktualisierung der tastenden Prüfmethoden vorgenommen. Nun steht die Aufgabe im Raum, die für stabile Drahtbondprozesse relevanten Oberflächenmerkmale als Kennwerte aus solchen Messungen abzuleiten und für diese Kennwerte Spezifikationsgrenzen zu ermitteln. Soviel ist bekannt und kann derzeit als Empfehlung gegeben werden:

  • Ra-Werte stellen kein gutes Maß für die Bewertung einer Bondoberfläche dar. Die sehr unterschiedlichen Eigenschaften abgerundeter und fein strukturierter, spitzer Oberflächen werden durch den Ra-Wert nicht abgebildet.
  • Rz-Werte sind geeignet, das Risiko für das Aufsetzen des Bondtools auf sehr hohen Rauheitsspitzen auf der Oberfläche quantifizierbar zu machen. Noch besser eignen sich S10z-Werte aus Flächenmessungen.
  • Der Sdr-Wert (Verhältnis gestreckte Oberfläche zur projizierten Messfläche) enthält die Information über die tatsächliche Größe der Oberfläche, die in Kontakt mit dem Draht kommt. Dieser Wert ist ein aussichtsreicher Kandidat für einen für das Drahtbondergebnis relevanten Kennwert.
  • Aus der Abbott-Kurve einer Oberflächenmessung lassen sich Sk-Parameter (Sk, Spk, Svk) ableiten, die Informationen zur Ausbildung von Kontaktflächen sich berührender Materialien enthalten. Zukünftig dürften diese durch Volumenparameter (Vmp, Vmc, Vvv) aus Flächenmessungen ersetzt werden.

Abweichungen in der Rauheit, für die es keine fortgeschrittenen Messmethoden benötigt, sind Kratzer und Riefen. Die folgenden Abbildungen zeigen Mikroskopaufnahmen solcher Oberflächenfehler, die sich am Lichtmikroskop leicht identifizieren lassen.

Beim Rückblick auf dieses Kapitel kann eine Erkenntnis nicht deutlich genug hervorgehoben werden: Das Lichtmikroskop hat den höchsten Return-on-Investment aller Prüfgeräte in Ihrer Fertigung. Investieren Sie und nutzen Sie es!

Reinigungsverfahren für drahtgebondete Leiterplatten

Beim Drahtbonden ist Sauberkeit ein extrem wichtiges Gebot. Daher gehört die Reinigung von Leiterplatten vor dem Drahtbondprozess zu (fast) jeder Drahtbondfertigung. Dabei muss die Reinigung nicht zwangsläufig im Prozess erfolgen, sondern kann auch vorab beim Zulieferer durchgeführt werden. Je nach Art der Verunreinigung, Empfindlichkeit der Bauteile und den Anforderungen an die Reinheit kommen verschiedene Verfahren zum Einsatz.

Nasschemische Reinigung

Die nasschemische Reinigung umfasst verschiedene Verfahren, die mit wässrigen, lösemittelbasierten oder pH-neutralen Reinigungsmitteln arbeiten. Sie kommt zum Einsatz, wenn organische oder anorganische Rückstände entfernt werden müssen. Dabei werden je nach Anwendungsfall die Sprühreinigung, die Ultraschall- bzw. Megaschallreinigung oder die Tauchreinigung angewendet.

Bei der Sprühreinigung wird das Reinigungsmittel mit hohem Druck auf die bestückten Leiterplatten aufgebracht. Durch die physikalische Einwirkung des Sprühstrahls und die chemische Wirkung der Reinigungsflüssigkeit lösen sich Verunreinigungen. Diese Methode ist besonders für großflächige Reinigungsanwendungen geeignet, bei denen eine intensive Durchspülung erforderlich ist.

Die Ultraschallreinigung erfolgt in einem Bad mit einer Reinigungsflüssigkeit, das von Ultraschallwellen im Frequenzbereich von etwa 25 bis 130 kHz durchsetzt wird. Diese erzeugen Kavitationsblasen, die beim Kollabieren Schmutzpartikel von der Oberfläche lösen. Die Megaschallreinigung basiert auf dem gleichen Prinzip, arbeitet jedoch mit höheren Frequenzen zwischen 250 und 1000 kHz. Sie ist besonders für empfindliche Bauteile vorteilhaft, da die mechanische Belastung der Komponenten reduziert wird.

Bei der Tauchreinigung werden die Leiterplatten vollständig in ein Reinigungsbad eingetaucht. Um die Reinigungswirkung zu verbessern, können mechanische Hilfen wie Rührbewegungen oder Luftblasen eingesetzt werden.

Vakuumplasma-Reinigung

Die Vakuumplasma-Reinigung erfolgt in einer geschlossenen Kammer unter reduziertem Druck. Durch die gezielte Steuerung der Plasmaparameter können unterschiedlichste Verunreinigungen entfernt werden. Die Wahl der Frequenz hängt von der Art der Verschmutzung ab. Mikrowellenplasma mit einer Frequenz von 2,45 GHz weist eine hohe Plasmadichte auf und erzielt maximale Reinigungsraten, birgt jedoch das Risiko, empfindliche Bauteile zu beschädigen. Hochfrequenzplasma mit 13,56 MHz sorgt für einen gleichmäßigen Abtrag von Verunreinigungen und eignet sich daher besonders für komplexe Geometrien und Bauteile mit engen Spalten. Zusätzlich trägt es zur Aktivierung der Oberfläche bei, wodurch nachfolgende Schichten, beispielsweise Klebstoffe oder Beschichtungen, besser haften. Niederfrequenzplasma im Bereich von 40 kHz wird eingesetzt, wenn dünne organische Verunreinigungen entfernt werden sollen, ohne das Grundmaterial zu beeinflussen. Diese Methode ist weniger aggressiv und daher besonders für empfindliche Oberflächen geeignet.

CO2-Schneestrahlreinigung

Die CO2-Schneestrahlreinigung nutzt flüssiges Kohlendioxid, das unter hohem Druck durch eine Düse expandiert und feste CO2-Partikel bildet. Diese Partikel treffen mit hoher Geschwindigkeit auf die Oberfläche und lösen Verschmutzungen durch verschiedene physikalische Mechanismen. Ein entscheidender Vorteil der CO2-Schneestrahlreinigung ist, dass keine Rückstände zurückbleiben, da CO2 bei Raumtemperatur und Normaldruck gasförmig ist. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit der punktgenauen Anwendung, wodurch auch komplexe, dicht bestückte Leiterplatten gezielt gereinigt werden können.

Allerdings können mit der CO2-Schneestrahlreinigung keine Oxidschichten entfernt werden. Zudem kann es je nach Materialkombination der zu reinigenden Bauteile zu elektrischen Aufladungen kommen, was bei unzureichender Ableitung zu ESD-Effekten führen kann.

Wenn Sie bis hierhin diesen Artikel aufmerksam gelesen haben, dann ahnen Sie bereits, was jetzt kommt: Jede Reinigung für das Drahtbonden ist nur so gut wie die visuelle Inspektion der Oberflächen am Lichtmikroskop und das Vorher-/Nachher-Ergebnis. In den folgenden Bildern sind Aufnahmen von Oberflächen vor und nach Reinigungsvorgängen dargestellt – jeweils nicht immer erfolgreich gereinigt.

Abb. 10: Drei Zustände einer mittels CO2-Schneestrahlen (Dauer ca. 5s) gereinigten Oberfläche v.l.n.r.: verschmutzt mit Fett, ungenügend gereinigt, gut gereinigt
Abb. 10: Drei Zustände einer mittels CO2-Schneestrahlen (Dauer ca. 5s) gereinigten Oberfläche v.l.n.r.: verschmutzt mit Fett, ungenügend gereinigt, gut gereinigt
Abb. 10: Drei Zustände einer mittels CO2-Schneestrahlen (Dauer ca. 5s) gereinigten Oberfläche v.l.n.r.: verschmutzt mit Fett, ungenügend gereinigt, gut gereinigt

Abb. 10: Drei Zustände einer mittels CO2-Schneestrahlen (Dauer ca. 5s) gereinigten Oberfläche v.l.n.r.: verschmutzt mit Fett, ungenügend gereinigt, gut gereinigt

 

Sonderfall GaN

Drahtgebondete GaN-Halbleiter haben in einigen Fällen mit dickem Gold metallisierte Oberflächen. In diesem Fall wird empfohlen, Golddrahtbonden im Ball/Wedge-Verfahren einzusetzen. Eine komplette Betrachtung der Besonderheiten dieses Bondverfahrens und Materialsystems würden den Rahmen dieses Artikels sprengen. Kontaktieren Sie uns daher bitte bei Bedarf unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..

Zur Person

Stefan SchmitzStefan Schmitz ist Spezialist der Aufbau- und Verbindungstechnik durch Chip- und Drahtbonden. Sein Unternehmen BOND-IQ in Berlin unterstützt Onboarding-Prozesse neuer Mitarbeiter:innen und die Ausbildung von Technologieverantwortlichen in Unternehmen durch Seminare, Inhouse-Veranstaltungen, Prozessanalytik und -unterstützung für Drahtbondanwendungen. Sein Online-Stammtisch zum Drahtbonden bietet Gelegenheit für fachlichen Austausch.
www.drahtbond-stammtisch.de

 

Referenzen

[*] Siehe auch: Schmitz S., Brenscheidt O.: Drahtbonden mit Aluminium auf Goldschichten – Mythen vs. Fakten, www.wotech-technical-media.de/womag/ausgabe/2022/10/17_brenscheidt_bonden_10j2022/17_brenscheidt_bonden_10j2022.php (Abruf: 23.03.2025).

  • Titelbild: Schichtausriss eines Schichtsystemes
  • Ausgabe: April
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Stefan Schmitz
  • Link: https://www.bond-iq.de/
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