Infolge milliardenschwerer Transaktionen auf dem Leiterplattenmarkt verliert Japan Marktanteile an regionale Rivalen, bleibt jedoch bei High-End-Substraten technologisch an der Spitze.
Dr. Hayao Nakahara bewertet in seiner Kolumne ökonomische Folgen dieser Verschiebung und stellt bohrende Fragen zur strategischen Abhängigkeit bei Laminaten und Kupferfolien, die sich durch die Produktionsverlagerung in südostasiatische Länder ergeben.
Im Jahr 2016 wurde der japanische IC-Gehäusesubstrathersteller Eastern von dem südkoreanischen Leiterplattenhersteller Simmtech übernommen, der auf Modul- und Substratprodukte spezialisiert ist. Zum Wechselkurs von 2024 wird der Umsatz von Eastern auf etwa 150 Mio. $ geschätzt, die Südkorea verloren gingen.
Im Jahr 2018 erwarb der taiwanesische Leiterplattenhersteller Global Brands Manufacture (GBM) die Leiterplattenabteilung von Elna, einem Hersteller von Kondensatoren und Leiterplatten. Zum Zeitpunkt des Kaufs belief sich der Umsatz von Elna im Leiterplattenbereich auf etwa 100 Mio. $. GBM erweiterte das ursprüngliche Werk von Elna in Penang, Malaysia, und errichtete neben dem ursprünglichen Elna-Werk ein neues siebenstöckiges Gebäude. Die Produktion wird im Jahr 2025 voraussichtlich auf 150 bis 160 Mio. $ steigen und ab 2026 etwa 200 Mio. $ betragen (bisherige Elna Japan und Malaysia zusammen).
ELNAPCB in Penang, Malaysia, vor der Übernahme durch GBM
Die Struktur von GBM ist komplex. 41,33 % der Anteile gehören seiner ‚Schwesterabteilung' HannStar Board, die ein Teil der PSA (Passive System Alliance) ist, die wiederum zu dem taiwanesischen Mischkonzern Walsin gehört. Aus diesem Grund trägt das neue Gebäude den Schriftzug ‚PSA'.
Im Dezember 2024 gab GBM den Kauf eines weiteren japanischen Leiterplattenherstellers bekannt: Lincstech. Lincstech stammt aus der Leiterplattenabteilung von Hitachi Chemical. Kurz nachdem Hitachi Chemical von dem japanischen Chemieunternehmen Showa Denko übernommen wurde, wurde diese Leiterplattenabteilung 2021 an die japanische Gesellschaft Polaris Private Equity Fund V verkauft, die von der Polaris Capital Group betrieben wird. Lincstech verfügt über mehrere Leiterplattenwerke in Japan und eines in Singapur. Der Jahresumsatz belief sich 2021 auf etwa 350 Mio. $. Für 2024 wird ein Umsatz von etwa 400 Mio. $ erwartet. Der Betrieb in Singapur scheint gut zu laufen. Hitachi Chemical wurde nach der Übernahme durch Showa Denko in Showa Denko Materials umbenannt. Der Kaufpreis von GBM soll 28,15 Mrd. ¥ oder etwa 195 Mio. $ zum heutigen Wechselkurs betragen haben. Ein halber Dollar pro Dollar Kaufpreis … es scheint, als ob Polaris Lincstech loswerden wollte.
Am 1. Januar 2024 fusionierten Showa Denko und Showa Denko Materials zu einem neuen Unternehmen namens ‚Resonac Holdings'. Resonac entwickelt sich zu einem der größten Halbleiterlieferanten der Welt. Seine kupferkaschierten Laminate und Trockenfilme sind für die Herstellung von hochwertigen IC-Gehäusesubstraten unverzichtbar.
Neues Gebäude von GBM als Teil der PSA (Passive System Alliance)
FICT (ursprünglich Fujitsu Interconnect Technology) verkaufte sein Leiterplattenwerk in Vietnam für einen symbolischen Dollar an das taiwanesische Unternehmen Tripod Technology. Der Umsatz von FICT Vietnam belief sich auf etwa 80 Mio. $. Anschließend verkaufte Fujitsu FICT an die japanische Fondsgesellschaft Advantage Partners, die auch Via Mechanics, einen der weltweit führenden Hersteller von mechanischen und Laserbohrautomaten, besaß. Advantage Partners verkaufte FICT an die südkoreanische Fondsgesellschaft MBK Partners. Der Verkaufspreis soll 100 Mrd. ¥ oder etwa 720 Mio. $ betragen haben. Nach dem Verkauf von FICT Vietnam an Tripod wird der Umsatz von FICT auf etwa 320 Mio. $ pro Jahr geschätzt. Formfactor erwarb 20 % der Anteile an dieser Transaktion. Damit hält MBK Partners 80 % von FICT.
Advantage Partners verkaufte Via Mechanics im April dieses Jahres an den japanischen Maschinenbauhersteller AMADA. Der Kaufpreis betrug 51 Mrd. ¥, etwa 350 Mio. $. Im Geschäftsjahr 2023 belief sich der Umsatz von Via Mechanics auf etwa 300 Millionen Mio. $.
Das HDI-Werk von Ibiden Beijing wurde 2020 für 17,7 Mrd. ¥ oder 135 Mio. $. (umgerechnet zum durchschnittlichen Wechselkurs von 2023) an den chinesischen Hersteller Shenzhen Fast Print verkauft. Ibiden Beijing nahm 2001 seinen Betrieb auf, etwa zur gleichen Zeit, als viele Leiterplattenhersteller in China ihre Produktion aufnahmen, darunter AT&S Shanghai, CMK Wuxi und mehr als 40 taiwanesische Hersteller. Ibiden Beijing verfügte über eine der weltweit fortschrittlichsten HDI-Technologien (mSAP). Der Umsatz von Ibiden Beijing belief sich im Jahr 2022 auf etwa 130 Mio. $.
Lange bevor diese japanischen Leiterplattenhersteller an ausländische Kapitalgeber verkauft wurden, verkaufte Sumitomo Electric Industry, in Japan allgemein bekannt als ‚Sumiden', sein riesiges FPC-Werk in Shenzhen an einen chinesischen Hersteller – der Name des chinesischen Unternehmens ist dem Autor entfallen.
In den Jahren 2023-2024 stellte Fujikura, ein weiterer großer FPC-Hersteller in Japan, seine Werke in Thailand zum Verkauf. Viele Interessenten prüften das Angebot, entschieden sich jedoch gegen einen Kauf. Der letzte Bieter war Zhen Ding Technology aus Taiwan, der weltweit größte Hersteller von Leiterplatten mit einem Umsatz von 5.483 Mio. $ im Jahr 2024 (5,5 % der weltweiten Gesamtproduktion). Zhen Ding zog sich jedoch ebenfalls zurück und baut nun mit einer Anfangsinvestition von 300 Mio. $ ein neues Werk in Thailand. Fujikura beschloss, seine Werke in Thailand mit einigen Investitionen zu stärken.
Shinko Electric Industry, einer der weltweit führenden Hersteller von IC-Gehäusesubstraten, wurde von einem Konsortium aus JIC (Japan Investment Company, eine japanische Regierungsorganisation), DNP (Dainippon Printing) und Mitsui Chemical im Rahmen eines öffentlichen Übernahmeangebots übernommen. Der Kaufpreis soll sich auf etwa 5 Mrd. $ belaufen. JIC hält 80 %, DNP 15 % und Mitsui Chemical 5 %. Der tatsächliche Tagesbetrieb wird von DNP übernommen. DNP gilt als einer der wichtigten Entwickler von IC-Gehäusesubstraten auf Glasbasis, die seit der Ankündigung des Glas-Substrat-Projekts von Intel vor anderthalb Jahren ein heißes Thema sind. Der CEO von DNP erwähnt die Synergien zwischen DNP (Glassubstrate) und Shinko (organische Substrate).
Lincstech Singapur, zuvor Hitachi Chemical
Kyoden heißt seit dem 1. Januar 2025 ‚Craft Co. Ltd'. Craft gehört zur Carlyle Group. Ist die Carlyle Group Eigentümerin von SOMACS? Der Umsatz von Kyodens Leiterplatten belief sich 2023 auf 404 Mio. $.
Wie aus den vorstehenden Präsentationen hervorgeht, belief sich der Verkauf dieser japanischen Leiterplattenhersteller an ausländische Kapitalgeber auf 1,5 Mrd. $, was einem Verlust für die japanische Leiterplattenproduktion entspricht. Glücklicherweise bleibt Shinko Electric als japanischer Hersteller bestehen.
CO2-Laserbohrmaschine LC-4NL212 von Via Mechanics für die Herstellung von IC-GehäusesubstratenDie ICAPE-Gruppe erwarb im September 2024 100 % der Anteile des japanischen Leiterplattenhändlers NTW Group und steigerte damit den Umsatz von ICAPE um etwa 20 Mio $. Im Jahr 2000 teilte sich Japan mit den USA den Spitzenplatz als weltweit größter Leiterplattenhersteller mit einem Gesamtumsatz von etwa 12 Mrd. $, der damals überwiegend in Japan erzielt wurde. Ein Vierteljahrhundert später liegt die japanische Leiterplattenproduktion immer noch bei etwa 13 bis 14 Mrd. $, im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, deren ‚weltweite Produktion' auf weniger als 5 Mrd. $ geschätzt wird. Allerdings werden etwa 65 % der Produktion im Wert von 13 bis 14 Mrd. $ in den Übersee-Fabriken mehrerer großer Hersteller wie Nippon Mektron (international auch als Mektec bekannt), Meiko Electronics, CMK usw. hergestellt. Nur IC-Gehäusesubstrathersteller wie Ibiden, Toppan und Shinko Electric tätigen in Japan große Investitionen in Leiterplatten.
Panasonic hat sein Laminatwerk in Österreich geschlossen. Damit gibt es in Europa nur noch ein Laminatwerk, Isola in Düren, Deutschland. Einst gab es in Europa 23 Laminatwerke. Nippon Denkai, der einzige Hersteller von Kupferfolie für die Leiterplattenindustrie in den USA, hat sein Werk in South Carolina geschlossen. Nun müssen die USA alle Leiterplattenlaminate für Laminathersteller und MLB-Produzenten importieren.
Es gibt Gerüchte, dass Panasonic sein Laminatgeschäft verkaufen möchte. Diese Gerüchte sind jedoch unbestätigt. Die Schließung des Werks in Österreich könnte zu diesen Spekulationen geführt haben. Im Interesse der japanischen Leiterplattenindustrie ist zu hoffen, dass diese Gerüchte nicht der Wahrheit entsprechen.
Übersetzung: Markolf Hoffmann