Die neueste Folge des Galvano-Talk Podcasts widmet sich einem der wichtigsten Zukunftsthemen der Oberflächentechnik: der Digitalisierung galvanotechnischer Prozesse. Als Gäste konnten Dr.-Ing. Martin Metzner, Forschungsbereichsleiter Oberflächen und Materialien, sowie Klaus Schmid, Leiter Forschungsteam Galvanische Verfahren und Anlagen, gewonnen werden.
Lerngalvanik als Digitalisierungsplattform
Ein Schwerpunkt des Gesprächs lag auf der sogenannten "Lerngalvanik" des Fraunhofer IPA - einer 60-Liter-Galvanikanlage, die als Forschungsplattform für Digitalisierungsprojekte dient. "Wir haben alles eingebaut, was uns an Messtechnik in einer Galvanik schön wäre", erklärt Schmid. Besonders innovative Features wie geteilte Anodenschienen ermöglichen präzise Strommessungen an vier Positionen und decken damit Unregelmäßigkeiten auf, die mit herkömmlicher Messtechnik verborgen bleiben.
Soft-Sensoren: Die nächste Evolutionsstufe
Ein zentrales Thema war die Entwicklung von Soft-Sensor-Technologien. Diese ermöglichen es, durch intelligente Verknüpfung von Produktionsdaten, Laborwerten und Anlagendaten Elektrolytkonzentrationen in Echtzeit zu berechnen. "Das ist ein Riesenschritt", betont Schmid. "Sie können Dinge, wo Sie vielleicht zwei Wochen auf eine Analyse gewartet haben, online bekommen."
DigiChrom: KI trifft auf komplexe Elektrochemie
Das vom BMBF geförderte DigiChrom-Projekt zeigt exemplarisch, wie Künstliche Intelligenz in der Galvanotechnik eingesetzt werden kann. Das interdisziplinäre Konsortium arbeitet daran, die komplexen Chrom-III-Prozesse durch Digitalisierung besser beherrschbar zu machen. "Wir wollen eben in der Materialwissenschaft vom Trial and Error wegkommen", erläutert Metzner.
Praxisrelevanz im Fokus
Beide Experten betonten die enge Verzahnung von Forschung und industrieller Anwendung. Aktuelle Projekte reichen von der Beschichtung von Carbon-Rohren für die Luftfahrt bis hin zur Entwicklung komplett neuer Inhouse-Galvaniken für Maschinenbauer. "Wir schließen die Lücke zwischen hervorragender Grundlagenforschung und industrieller Anwendung", so Metzner.
Nachwuchskrise als zentrale Herausforderung
Alarmierende Zahlen prägten die Diskussion um den Fachkräftemangel: Die Absolventenzahlen in der Oberflächentechnik sind von 288 (2010) auf nur noch 83 (2024) gesunken. "Das ist nicht einmal ein Drittel", warnt Schmid und sieht dies als eine der größten Herausforderungen der Branche.
Ausblick: Automation ja, aber mit Augenmaß
Bezüglich der Zukunft der Galvanotechnik zeigten sich beide Experten optimistisch, aber realistisch. Während Automatisierung und KI wichtige Hilfsmittel darstellen, betonen sie die unverzichtbare Rolle des Menschen: "Selbst da brauche ich dann noch jemand, der das Ganze überwacht", so Schmid.