Eine aktuelle Untersuchung von Raiden Speelman, Ezra J. Marker und Franz M. Geiger von der Northwestern University in Evanston, Illinois, USA, bringt Licht in ein langjährig bestehendes Rätsel der Elektrolyse: Warum müssen bei der Sauerstoffentwicklung höhere Spannungen aufgebracht werden, als es die Theorie bislang vermuten ließ. Mittels hochpräziser optischer Second-Harmonic-Generation (SHG) Messungen an Nickel-Elektroden in alkalischen Medien konnten die Forscher erstmals direkt den kritischen Reorientierungsprozess der Wassermoleküle in der unmittelbar an der Elektrodenoberfläche liegenden Sternschicht beobachten.
Bisher blieb unklar, warum die Sauerstoffentwicklung (OER) trotz theoretisch ausreichender Potentiale ineffizient verlief. Die neue Studie zeigt, dass vor dem Auftreten des Faradayschen Stroms bereits ein signifikanter Umbau in der Sternschicht stattfindet: Unter steigendem angelegtem Potential ordnen sich nahezu eine vollständige Monolage (ca. 1,1 × 10¹⁵ Moleküle/cm²) von Wassermolekülen so neu, dass ihre elektronenreichen Sauerstoffatome zur Elektrode zeigen. Dieser „Wasserflippen“-Prozess erfordert einen Energieaufwand von etwa 80 kJ/mol – ein Mehraufwand, der den zusätzlichen Spannungsbedarf erklärt.
Die experimentellen Ergebnisse, untermauert durch ein zweidimensionales Ising-Modell, liefern damit einen entscheidenden Baustein für das Verständnis der molekularen Mechanismen an Elektrodenoberflächen. Sie liefern nicht nur wichtige Benchmarks für theoretische Modelle der elektrischen Doppelschicht, sondern eröffnen auch neue Perspektiven zur Optimierung von Elektrodenmaterialien und zur Effizienzsteigerung bei der Wasseraufspaltung.