Vor allem Klima- und Umweltschutz verändern die Spielregeln für Unternehmen grundsätzlich. Für galvanische Betriebe bieten sich dadurch Chancen und Herausforderungen.
Klimaziele, steuerliche Rahmenbedingungen und der EU Green Deal verändern die Spielregeln für Unternehmen grundlegend. Insbesondere die Galvano- und Oberflächentechnik steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Während etwa CO2-Abgaben und steigende Energiepreise Kosten erhöhen, eröffnen steuerliche Anreize und Förderprogramme Gestaltungsspielräume. Ihre strategische Nutzung kann nicht nur die Abgabenlast senken, sondern die Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern.
Steuerpolitik als Hebel der Transformation
Vor sechs Jahren rief die EU-Kommission den Green Deal ins Leben – ein milliardenschweres Investitionsprogramm, das Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen soll. Zentrales Element? Das sogenannte Fit-for-55-Paket, das unter anderem eine tiefgreifende Reform der Energiesteuerrichtlinie vorsieht, um durch steuerliche Anreize einen stärkeren Lenkungseffekt zugunsten klimafreundlicher Energieträger zu erzielen. Anstatt Energiesteuern wie bislang volumenbasiert zu erheben – etwa auf Basis des Liters bei Kraftstoffen –, sollen künftig der tatsächliche Energiegehalt und der ökologische Fußabdruck des jeweiligen Energieträgers als Bemessungsgrundlage dienen. Diese Neuausrichtung ist Teil einer umfassenden Umstrukturierung der Mindeststeuersätze auf europäischer Ebene. Als zentrales Instrument gilt dabei das angedachte Energiesteuer-Tax-Ranking: Produkte mit hohem klimaschädlichen Potenzial werden stärker belastet, emissionsarme Alternativen hingegen steuerlich entlastet. Gleichzeitig sollen bestehende Steuervergünstigungen für fossile Energieträger in ihrer bisherigen Form entfallen.
Klima im Koalitionsvertrag
Parallel zu solchen europäischen Entwicklungen schreiten auch nationale Maßnahmen voran. In Sachen Transformation setzte Deutschland bislang auf einen kombinierten Ansatz aus regulatorischen Maßnahmen und Investitionsanreizen. Mit Blick auf den aktuellen Koalitionsvertrag setzten CDU, CSU und SPD hier auf Kontinuität mit Augenmaß: Erklärtes Ziel bleibt die Klimaneutralität bis 2045, auch wenn die politischen Instrumente sich stärker an wirtschaftlichen Realitäten, Flexibilität und Technologieoffenheit ausrichten sollen. So will Schwarz-Rot beim Ausbau der Photovoltaik und Windkraft an Tempo zulegen, jedoch mit stärkerem Blick auf Systemintegration und Wirtschaftlichkeit. Angesichts der rapiden Zunahme von PV-Anlagen steigt die Belastung der Stromnetze, entsprechend sollen Investitionen in Netzinfrastruktur – mit geschätzten Kosten von über 500 Milliarden Euro – gezielter geprüft werden.
Zur Netzstabilisierung setzt die künftige Regierung auf neue Gaskraftwerke, die auch mit Wasserstoff betrieben werden können – auch wenn hierzu bislang konkrete Fahrpläne zur Umrüstung fehlen. Die Union konnte durchsetzen, dass neben Wasserstoff auch die CO2-Abscheidung (Carbon Capture) als Technikoption berücksichtigt wird – eine Strategie, die den Spielraum für emissionsmindernde Investitionen erweitert, jedoch auch Kritik von Umweltverbänden auf sich zieht.
Für Branchen mit hohem Energieeinsatz – etwa Metallverarbeitung, Chemie oder Zementindustrie – sollen bestehende Klimaschutzverträge fortgeführt werden. Das ermöglicht es Unternehmen, Investitionen in emissionsarme Prozesse mit staatlicher Unterstützung abzusichern.
Zentrale Steuerungsinstrumente bleiben der europäische Emissionshandel (EU-ETS) und die nationale CO2-Bepreisung – seit Januar 2025 zahlen Unternehmen, aber auch Verbraucher 55 Euro pro Tonne. Dieses Vorgehen soll weiter verschärft werden, um langfristig einen marktgerechten Transformationspfad zu sichern.
Praktische Herausforderungen
Für galvanotechnische Betriebe eröffnen sich dadurch neue Spielräume – etwa bei Investitionen in CO2-arme Prozesse, Nutzung erneuerbarer Energien oder durch staatliche Förderprogramme. Gleichzeitig erfordert die Neuordnung ein wachsames Auge auf die Umsetzungsebene, da Unternehmen dieser Branche aufgrund ihres hohen Energie- und Ressourcenbedarfs besonders von Klimavorgaben betroffen sind. Als größte Herausforderungen gelten dabei die Beheizung von Badlösungen, der Antrieb von Pumpen und die Lüftung großer Hallen. Sie machen bis zu 60 Prozent der Prozesskosten aus und gehen häufig noch zu einem großen Teil auf fossile Energieträger zurück. Gleichzeitig steht die Branche unter Druck, ihren Wasserverbrauch und die Belastung der Kläranlagen zu reduzieren. Täglich anfallende Bad- und Spülwässer müssen aufwendig vorbehandelt werden, um Grenzwertverletzungen zu vermeiden. Trotz moderner Filter- und Abscheidesysteme entweichen immer noch Spuren von Chrom, Nickel oder Cyaniden in die Umwelt, was neben der direkten Schadstoffemission potenziell auch hohe Entsorgungskosten verursacht. Unzureichend gedämmte Rohrleitungen und veraltete Abluftanlagen verschärfen zusätzlich den Energieverlust und mindern den Wirkungsgrad vorhandener Anlagen. Hinzu kommt, dass Zielvorgaben wie der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) die „graue Energie“ importierter Halbzeuge in den Blick rücken und bei Verstößen gegen CO2-Grenzwerte nicht nur Preisnachteile, sondern auch straf- und haftungsrechtliche Risiken nach sich ziehen. Solche und andere Anforderungen machen es für Unternehmen unerlässlich, technische Modernisierungen, Wasser und Abwasserrecycling sowie erneuerbare Energiekonzepte in Steuer und Investitionsplanungen konsequent zu verankern, um langfristig wettbewerbsfähig und klimakonform zu bleiben.
Steuerliche Erleichterung durch Sonderabschreibungen
Um den Mehraufwand abzufedern, stellt der Staat eine ganze Reihe von steuerlichen Erleichterungen und Förderinstrumenten zur Verfügung. Ein bewährtes Mittel sind Sonderabschreibungen im Sinne des § 7g Absatz 5 Einkommensteuergesetz (EStG). Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) können unter anderem Investitionen in klimaschonende Technologien schneller steuerlich abschreiben – bis zu 40 Prozent der Anschaffungskosten zusätzlich zur regulären linearen oder degressiven AfA innerhalb von fünf Jahren. Die Voraussetzungen: Das Wirtschaftsgut muss beweglich sein sowie nachweislich dem Betriebsvermögen dienen, überwiegend betrieblich genutzt werden und der Gewinn des Unternehmens darf 200.000 Euro pro Jahr nicht überschreiten. Diese Regelung ist insbesondere für galvanotechnische Unternehmen relevant, die in moderne Filteranlagen, Abwärmenutzung, Prozesswärmeoptimierung oder emissionsarme Antriebstechnologien investieren. Auch elektrisch betriebene Transportfahrzeuge und Ladeinfrastrukturen können hierunter fallen, sofern sie beweglich sind und dem Produktionsprozess dienen.
Investitionsabzugsbetrag: Steuervorteile vor der Investition
Noch bevor eine Investition getätigt wird, können KMU über den sogenannten Investitionsabzugsbetrag (IAB) im Sinne des § 7g Absatz 1 EStG bis zu 50 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungskosten steuerlich geltend machen – begrenzt auf insgesamt 200.000 Euro. Beachtet werden sollte aber die dreijährige Investitionsfrist. Dies verschafft Planungssicherheit und Liquiditätsvorteile. Allerdings darf der Gewinn des Unternehmens 200.000 Euro pro Jahr nicht überschreiten, und die Gewinnermittlung muss nach § 4 Abs. 3 oder § 5 EStG erfolgen. Damit richtet sich auch dieses Instrument primär an kleinere galvanotechnische Betriebe, etwa spezialisierte Lohnbeschichter oder Zulieferer in der Medizintechnik oder Mikroelektronik.
Degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter
Ergänzend erlaubt das EStG derzeit wieder die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Das ermöglicht es, in den ersten Jahren nach Anschaffung höhere Abschreibungsbeträge geltend zu machen – ein klarer Vorteil bei der steuerlichen Gestaltung größerer Investitionen. Insbesondere in Zeiten hoher Energiekosten und strenger Umweltauflagen können galvanotechnische Unternehmen so ihre Abgabenlast gezielt senken, etwa bei der Anschaffung neuer Galvanikanlagen, Wärmetauscher oder energieeffizienter Prozessleitsysteme.
Fördermittel für Energieeffizienz und Nachhaltigkeit
Neben steuerlichen Entlastungen bieten Bund und Länder bisher auch umfangreiche Förderprogramme. Das BAFA fördert beispielsweise im Rahmen des Programms „Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft“ Maßnahmen wie Druckluftoptimierung, Wärmerückgewinnung oder die Umstellung auf elektrisch betriebene Prozesswärme. Zuschüsse von 20 bis 40 Prozent der förderfähigen Investitionskosten sind möglich. Auch das KfW-Programm „Energieeffizienz in der Produktion“ unterstützt Investitionen in moderne Anlagentechnik mit zinsgünstigen Darlehen. Wer größere Projekte plant – etwa den Einstieg in die Wasserstofftechnologie –, kann auch europäische Förderinstrumente wie Horizon Europe, LIFE oder die Darlehensangebote der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Anspruch nehmen. Voraussetzung ist meist ein detailliertes Konzept zur CO2-Reduktion oder eine ESG-konforme Unternehmensstrategie.
Strategische Planung als A und O
In der Praxis gilt: Unternehmen, die Förderungen und steuerliche Anreize nutzen wollen, müssen frühzeitig planen. Und das nicht nur, weil Anträge vor Beginn der Maßnahme zu stellen sind. Ein gut durchdachtes Investitionskonzept mit belastbaren Zahlen etwa zur CO₂-Einsparung bildet die Grundlage – ebenso wie eine enge Abstimmung mit dem steuerlichen Berater. Insbesondere für kleine und mittlere Betriebe der Galvano- und Oberflächentechnik ist eine strategische Vorgehensweise wirtschaftlich geboten. Denn steigende Kosten für Energie, Emissionen und regulatorische Nachweise lassen sich hier oft nur durch Effizienzgewinne und Fördermittel kompensieren. Wer diese Herausforderung aktiv annimmt, sichert sich aber neben steuerlichen Vorteilen auch eine Position als nachhaltiger Partner in einer zunehmend klimabewussten Wertschöpfungskette.
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