Die Holzapfel Group mit Hauptsitz im hessischen Sinn nahe Herborn ist seit mehr als 75 Jahren als innovativer Oberflächenveredler bekannt. Sie bietet korrosionsschützende, dekorative, organische und funktionelle Verfahrenslösungen zur Oberflächenbeschichtung für nahezu alle Branchen. Mit einem neuen dynamischen Dreh-Kippgestell sichert sich der Oberflächenspezialist die effiziente Ausschöpfung von zwei bedeutenden Reinigungs- und Fertigungsverfahren, erweitert mit der Entwicklung aber auch grundsätzlich die Möglichkeiten bei der Beschichtung komplexer Bauteilgeometrien. Erst im vergangenen Jahr hatte die Bestückungstechnologie den 1. Platz beim Wettbewerb „Die Oberfläche“ auf der SurfaceTechnology gewonnen.
Die Holzapfel Group, zu der vier Unternehmen mit insgesamt rund 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gehören, entwickelt Verfahrensinnovationen und individuelle Beschichtungslösungen. Neben den umfassenden Lohndienstleistungen rund um die Beschichtung der Bauteile gehören auch Projektierungs-, Entwicklungs- und Konstruktionsleistungen zum Leistungsspektrum. Zur Umsetzung dieses gesamtheitlichen Ansatzes setzt die Gruppe auf eine starke, partnerschaftliche und langjährige Zusammenarbeit mit ihren Kunden und ausgewählten Lieferanten.
Vernickelter Hochleistungskühlkörper im verbauten Zustand - Foto: stock.adobe.com/aicandy
Steigende Anforderungen an galvanische Beschichtungssysteme
Die rasant fortschreitende Entwicklung der Elektromobilität sowie die steigende Leistungsdichte zunehmend kompakter elektronischer Komponenten führen zu stetig wachsenden Anforderungen an die verbauten Bauteile. Ein unerwünschtes, aber unvermeidbares Nebenprodukt dieser hohen Leistungsfähigkeit stellt die entstehende Prozesswärme dar. Reichte es früher vielfach noch, diese mittels Luftkonvektion über Kühlrippen abzuführen, so ist es heute oftmals erforderlich, geschlossene flüssigkeitsführende Kühlsysteme zu verwenden. Zusätzlich wird an moderne Kühlkörper der Leistungselektronik eine Vielzahl an weiteren Anforderungen gestellt, welche in ihrer Gesamtheit deutlich über die einfache Ableitung der Prozesswärme hinausgehen.
Reichte es in der Vergangenheit vielfach noch aus, Bauteile einfach „nur zu galvanisieren“, damit diese glänzen, sich löten lassen oder vor Korrosion geschützt sind, haben sich die Aufgabenstellungen, welche an einen modernen Lohnbeschichter gestellt werden, in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verändert.
Die immer komplexer werdenden Anforderungen, welche an das Gesamtprodukt – galvanische Oberfläche – gestellt werden, sind umfassend. Hierbei sind beispielweise zu nennen:
- immer enger werdende Toleranzlagen bei den einzelnen Schichtsystemen
- eine stetig steigende Anzahl an Messpunkten auf einem einzelnen Bauteil und nur eine geringe zulässige Streuung über die Gesamtmenge an gleichzeitig gefertigten Bauteilen
- die Forderung nach statistischer Prozesslenkung (SPC) und einer damit einhergehenden engmaschigen Überwachung und Lenkung der Prozesse
- die Erfüllung auch komplexer technischer Mehrfachanforderungen bei gleichzeitig hohem Anspruch an eine makellose optische Erscheinung, auch bei rein technischen Bauteilen im Nicht-Sichtbereich
Die stetig steigenden Anforderungen an die abgeschiedenen Oberflächen entsprechen vielfach denen, welche mit dem Aufwand einer Manufakturfertigung durch entsprechend ausgebildete Fachkräfte in geringen Stückzahlen erreicht werden können. Hohe Bauteilstückzahlen, ein starker internationaler Wettbewerbsdruck sowie schnelle und flexible Reaktionszeiten erfordern jedoch wirtschaftlich attraktive sowie kontinuierlich reproduzierbare Lösungsansätze im großindustriellen Maßstab.
Um diese hohen Anforderungen im industriellen Maßstab bei Großserien zu erfüllen und gleichzeitig eine wirtschaftliche Fertigung sicherstellen zu können, ist es daher erforderlich, als Oberflächenbeschichter die eigenen Prozesse kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Neben den vorgenannten Problemstellungen müssen auszugsweise ebenfalls berücksichtigt werden:
- steigende Energiepreise
- steigende Kosten für Prozesschemie
- steigende Kosten für die Abwasseraufbereitung
- stetig steigende behördliche Anforderungen und Auflagen
- Umweltschutz
- CO2-Footprint
- Fachkräftemangel
- steigende Personalkosten
Primärfläche mit 8µ Nickel, Sekundärfläche mit 2µ Nickel
Gegenüberstellung Energiebedarf je Warenträger am Beispiel einer Nickelabscheidung mit Eta 98 %, 5,5 V Badspannung und einem Wirkungsgrad des Gleichrichters von 86 %Mehr als Galvanisieren: Innovationsdruck in der Prozessentwicklung
Um heutzutage ein moderner, zukunftsweisender und erfolgreicher Betrieb der Oberflächenveredelung zu sein, ist es erforderlich, mehr zu beherrschen als nur die ursprünglich primär handwerkliche Tätigkeit des Galvanisierens. Industrie 4.0, hohe Stückzahlen und internationaler Wettbewerb erfordern wirtschaftlich skalierbare Prozesse, die den Qualitätsanspruch dennoch nicht aus den Augen verlieren.
Die Gewinnung und Ausbildung von Fachkräften, die (Weiter-) Entwicklung neuer Verfahren und Prozesse, der Ausbau der Digitalisierung sowie das Etablieren und Erweitern von Automatisierungslösungen sind wichtige Bausteine hierfür.
Es ist notwendig, umfangreiche Projekte zu initiieren, zu begleiten und als kompetenter Partner die Kunden mit dem eigenen Know-how bei der Entwicklung ihrer Produkte zu unterstützen. Von der Idee bis zum fertigen Produkt. Denn letztlich sorgen oftmals nur wenige Mikrometer Oberfläche dafür, dass die beschichteten Produkte für viele Jahre fehlerfrei funktionieren!
Technologische Lösung: Die Variable-Rack-Technology
Ein konkretes Beispiel für eine komplexe Aufgabenstellung sind Kühlkörper aus Kupfer mit anspruchsvollen Geometrien. Ihre Rückseite verfügt über eine flüssigkeitsführende Struktur, die allseitig von einer mehrere Millimeter hohen Umrandung umschlossen ist, während die Vorderseite, auf der die Leistungselektronik aufgelötet wird, vollkommen glatt und eben ist.
Diese Geometrie bringt neben dem schöpfenden Aspekt die Problematik mit sich, dass sich je nach Bauteilstellung Luftblasen bilden können – mit ungereinigten und unbeschichteten Bereichen entlang der gesamten Prozesskette. Um wirtschaftlich fertigen zu können, war zudem eine beidseitige Gestellbestückung unverzichtbar.
Erschwerend kam hinzu, dass die Kühlkörper innerhalb einer Serie sowohl im Kalt- als auch im Warmfließpressverfahren hergestellt werden. Eine mechanische Endbearbeitung erfolgt lediglich an Teilflächen. Für die Bauteiloberflächen bedeutet das herstellungsbedingt nicht nur ein optisch differenzierbares Erscheinungsbild, sondern auch Unterschiede in Textur und Oxidschicht.
Bereits bei der Vorbehandlung mussten daher Lösungen entwickelt werden, um die Oberflächen allseitig, materialschonend, effizient und wirtschaftlich zu reinigen und vorzubereiten – mit dem Ziel, eine einheitliche Erscheinung und gleichmäßige Qualität für den nachfolgenden Beschichtungsprozess zu erlangen.
In Zusammenarbeit mit einem leistungsfähigen Lieferantennetzwerk entwickelte die Holzapfel Group die passenden Lösungen. Im Rahmen eines gemeinsamen Entwicklungsprojekts mit dem Heilbronner Gestellbauspezialisten GS-Gestelltechnik entstand ein bislang einzigartiges SPS-gesteuertes Dreh-Kippgestell – das Herzstück der HG-VRT (Variable-Rack-Technology).
Diese innovative Technologie wurde bei der Surface Technology 2024 mit dem 1. Platz des Stuttgarter Oberflächentechnik-Preises „Die Oberfläche“ des Fraunhofer IPA ausgezeichnet.
Die HG-VRT ermöglicht es, je nach Prozess und Position, individuelle Bewegungsabläufe zu realisieren. Erst durch diese Schlüsseltechnologie lassen sich auch die von der Holzapfel Group entwickelten Verfahren HG-USC (Ultra-Surface-Cleaning) und HG-PPT (Partial-Plating-Technology) vollständig ausschöpfen.
Technologische Synergien
Die Möglichkeit der prozessindividuellen Bauteilbewegung beschränkt sich dabei nicht nur auf den jeweiligen Aktivprozess. Auch die Hebe- und Senkvorgänge sind dabei prozessindividuell steuerbar.
Die Steuerung und Überwachung sämtlicher Abläufe von den Bewegungszyklen bis zum Kippwinkel erfolgt dabei mit einer eignen SPS in Echtzeit und wird vollumfänglich digital protokolliert und archiviert. Ein materialschonendes Bauteilhandling sowie die Reproduzierbarkeit der Prozesse werden dabei stets sichergestellt.
Gegenüberstellung erzeugte CO2-Emissionen für die elektrolytische Abscheidung von Nickel bei 10.000 WT p.a. (380 Gramm CO2/kWh, Umwelt Bundesamt, Stand 5.7.2024 für den Energiemix in Deutschland)
Gegenüberstellung Einsparung Ausschleppungsverluste in kg/p.a. am Beispiel eines Nickelelektrolyten durch variable Bauteilstellung beim AushebeprozessAnwendungsvielfalt der Variable-Rack-Technology
Die Einsatzmöglichkeiten, welche sich durch die technologischen Innovationen der Dreh- und Kippgestelltechnik, der Variable-Rack-Technology, ergeben, eröffnet bei einer Vielzahl von Bauteilen bis dato vollständig neue Optionen der Veredelung. Nahezu jeder Betrieb der Oberflächenveredelung steht regelmäßig vor der Herausforderung, praktikable und rentable Lösungen zu finden für geometrisch immer komplexer werdende Bauteile und Anforderungen an die Beschichtungssysteme.
Die heutige Vielzahl an Herstellungs- und Bearbeitungsmöglichkeiten ermöglicht es der Industrie, immer komplexere geometrischen Bauformen mit mehrseitigen Bohrungen, insbesondere auch Sackbohrungen, allseitig schöpfenden Flächen sowie engsten Toleranzlagen herzustellen bei gleichzeitig steigenden Anforderungen an die Funktionalität, Optik und Haptik der Oberflächenbeschichtung.
Die Oberflächenveredler sind in großen Teilen jedoch an physikalische und chemische Gegebenheiten gebunden. Die Variable-Rack-Technology löst dabei viele der vorgenannten Problemstellungen. Durch die variablen Bauteilstellungen in allen Prozessen ist es möglich, zielgerichtet die zu beschichtenden Flächen zur Anode auszurichten. Ob dies statisch erfolgen soll, in einer kontinuierlichen Bewegungsfolge oder mit unterschiedlichen, zeitgesteuerten Bewegungsmustern, richtet sich dabei ausschließlich nach der Geometrie des zu beschichtenden Bauteils, seinen geometrischen Besonderheiten und den Anforderungen an das zu erzeugende Schichtsystem.
Praxisbeispiel: Hochleistungskühlkörper aus Kupfer
Flüssigkeitsführende Hochleistungskühlkörper aus Kupfer, die mit Leistungselektronik bestückt werden, stellen hohe Anforderungen an die Beschichtung: Sie muss bereits bei geringen Schichtstärken absolut porendicht sein, um eine Freisetzung von Kupferionen und kontaktkorrosive Reaktionen im meist aluminiumhaltigen Kühlkreislauf zu verhindern. Gleichzeitig ist eine gleichmäßige Schichtverteilung essenziell, um Strömungsverhalten und Wärmeübertragung nicht zu beeinträchtigen – bei gleichzeitiger Lötfähigkeit der gegenüberliegenden Seite.
Klassische statische Gestelle stoßen hier an ihre Grenzen, insbesondere bei Serien mit mehreren Millionen Bauteilen pro Jahr. Auch stark schöpfende Geometrien führen zu Luftblasen, unbeschichteten Stellen und erhöhtem Austrag von Prozessflüssigkeiten – mit erheblichen Auswirkungen auf Qualität, Umwelt und Kosten.
Zusätzliche Herausforderungen ergeben sich bei Mehrfachschichtsystemen, da unterschiedliche Elektrolyttypen eine reduzierte Bestückungsdichte oder erweiterte Toleranzen erforderlich machen. Beidseitige Bestückung wird wirtschaftlich kaum realisierbar.
Die Variable-Rack-Technology geht diese Problemstellungen gezielt an: Sie ermöglicht eine prozesssichere, gleichmäßige Beschichtung selbst komplexer Geometrien, steigert die Wirtschaftlichkeit, reduziert Umweltbelastungen und verbessert den CO2-Footprint deutlich.
Bei der neuen Gestelltechnik ist der technologische Spagat gelungen, Manufakturanforderungen auf industrielle Maßstäbe zu skalieren bei gleichzeitig hoher Flexibilität. Die Variable-Rack-Technology kann schnell und individuell an die bauteilspezifischen Geometrien und Kundenanforderungen angepasst werden.
Ganzheitlicher Innovationsansatz
Innovative Lösungen wie die Variable-Rack-Technology stellen eine wichtige und unabdingbare Weiterentwicklung für die Aufgabenstellungen von morgen dar. Die Entwicklung immer kompakterer und technologisch komplexerer Produkte sowie deren einzelner Bauteile in Kombination mit den immer umfangreicheren Anforderungen an die Oberflächenveredelung macht es erforderlich, in gleichem Maße die Weiterentwicklung von Prozessen, Verfahren und Technologien voranzutreiben. Die Holzapfel Group begegnet diesen Herausforderungen mit ihren Future Solutions. Der Geschäftsbereich der Future Solutions umfasst dabei das Prototypenmanagement für Einzelteile bis zur Entwicklung von innovativen Anlagenbeschichtungstechnologien für die Großserienfertigung. Zudem entwickelt die Holzapfel Group maßgeschneiderte bauteilbezogene Automatisierungskonzepte und industrialisiert Entwicklungsprojekte. Hinzu kommen je nach Wunsch CO2-optimierte Lösungen. Mit dem umfangreichen Know-how ihrer Fachexperten bietet die Holzapfel Group im Rahmen ihrer Future Solutions zudem einen ganzheitlichen Galvanosupport.
Mehr als nur Gestelltechnik
Lösungen wie die Variable-Rack-Technology bieten wesentlich mehr als nur die Lösung eines einzelnen Problems. Sie kombinieren die Lösung einer Vielzahl an technischen Problemstellungen und für eine Vielzahl an Bauteilen. Die Variable-Rack-Technology ermöglicht es zudem, Ressourcen zu schonen und trägt durch verringerte Verschleppung von Prozessflüssigkeiten und einen verbesserten CO2-Footprint aktiv zum Umweltschutz bei.
ZUR INFO
Vorteile der Technologie auf einen Blick
Die Vorteile dieser Technologie sind jeweils autark als wie kombiniert nutzbar und erzeugen, je nach Artikelspektrum, unterschiedliche synergetische Effekte:
- Die Variable-Rack-Technology ermöglicht es, dabei die Ausbringungsmenge je Warenträger zu verdoppeln durch beidseitige Gestellbestückung ohne störende Abblendeffekte der Bauteile auf der Gestellvorder- und Gestellrückseite.
- Robuste und chemisch beständige Komponenten sowie durchdachte mechanische Funktionen reduzieren den Wartungs- und Instandhaltungsaufwand auf ein Minimum.
- Wechseletagen sorgen für eine schnelle und kostengünstige Variabilität bei der Mehrfachnutzung der Variable-Rack-Technology.
- Berührungskontaktierungen mit 3-facher Redundanz je Beschichtungsetage sorgen für höchste Zuverlässigkeit und Prozesssicherheit bei der Stromübertragung auf die zu beschichtenden Bauteile.
- Soft-drive für vollständig ruckfreie Bewegungsabläufe verhindert Beschädigungen, auch an empfindlichsten Bauteilen aus weichen Grundsubstraten.
- Die Variable-Rack-Technology ermöglicht es, die Ausschleppungsverluste von Prozesschemikalien um bis 78 % reduzieren im Vergleich zu einem konventionellen statischen Gestell. Dies schont die Umwelt durch einen geringeren Verbrauch von Chemikalien, geringere Salzfrachten im Abwasser und eine deutlich reduzierte Menge an Prozesswasser, welches aufbereitet werden muss.
- Abhängig von Bauteilgeometrie und galvanischer Beschichtung, ermöglicht die Partial-Plating-Technology eine Reduzierung der aktiven Oberfläche um bis zu 52 %* ohne vor-, zwischen oder nachgelagerte mechanische Maskierungen und Demaskierungen der Bauteile. Hierdurch ist eine Einsparung des abgeschiedenen Metalls von bis zu 65 %** sowie eine damit einhergehende proportionale Einsparung von Energie*** für die elektrolytische Abscheidung möglich.
(* Prozentuale Reduzierung der Bauteiloberfläche abhängig von der Artikelgeometrie, **Prozentuale Metalleinsparung abhängig von Artikelgeometrie, Schichtanforderungen und Prozess ***Energetische Einsparung abhängig von *, ** sowie kathodischem Wirkungsgrad des Elektrolyten)