Am Anfang aller Silber-Verbindungen steht das Silbernitrat, dieses farblose, gut kristallisierende und in großen Mengen lösliche Salz, das erstaunliche Eigenschaften aufweist, und in vielen Bereichen seinen Einsatz findet. Das Salz ist zwar im Labor recht einfach aus dem Metall zu gewinnen, bei der Herstellung größerer Mengen in hoher Qualität sind jedoch viele Hürden in der industriellen Herstellung zu überwinden.
Silbernitrat leistet gute Dienste bei der ...
- Nutzung galvanischer Bäder mit und ohne Strom
- Präparation anderer Silbersalze
- Herstellung bestimmter organischer Verbindungen
- Produktion von Foto-Emulsionen und fototropen Gläsern
- Trennung von Alkanen.
Die Eigenschaften des Silbernitrats (Abb. 1) sind umfangreich untersucht worden, sodass sie bei Bedarf für die vielfältigsten Einsätze zur Verfügung stehen.
Geschichte des Silbernitrats
Der Kirchenlehrer Albertus Magnus (um 1200-1280) dokumentierte bereits im 13. Jahrhundert die Fähigkeit von Salpetersäure, Gold und Silber durch Auflösen des Silbers zu trennen, denn Gold löst sich nicht in Salpetersäure. Magnus bemerkte ebenfalls, dass die resultierende Silbernitrat-Lösung die Haut schwärzen kann (Abb. 2). Das Verfärben der strahlend weißen Silberkristalle bei Verunreinigungen ins Schwarze trug ihnen schon früh den Namen „Höllenstein“ ein, was die Römer „lapis infernalis“ nannten.
Um die 1880er-Jahre setzte der Leipziger Gynäkologe Dr. Carl Siegmund Franz Credé (1819-1892) eine 1-prozentige Silbernitrat-Lösung bei Säuglingen gegen Augen-Entzündungen ein und reduzierte so signifikant die Quote an Augen-Erkrankungen bei Neugeborenen.
Aber bereits seit Jahrtausenden benutzen Menschen Silber in verschiedenen Formen, um Krankheiten zu behandeln und gegen Infektionen zu kämpfen. Zur Verwendung und Anwendung von Silber liegen sogar Aufzeichnungen aus dem alten Ägypten vor. Dass die antibiotischen, konservierenden und regenerierenden Eigenschaften des Silbers bekannt waren, dokumentieren auch Schriften des griechischen Arztes Hippokrates von Kos (um 460-370 v. Chr.) sowie des Mathematikers und Philosophen Pythagoras von Samos (570-510 v. Chr.). Schon vor der Erfindung von chemischen Medikamenten war bekannt, dass Bakterien und andere krankheitsverursachende Erreger in Gegenwart von Silber nicht überleben können. Im Mittelalter lagerten königliche und wohlhabende Familien Wasser, Wein und Lebensmittel in Silberbehältern, um das Verderben durch Mikroorganismen zu verhindern.
Chinesische Kaiser aßen mit Silberstäbchen, nicht nur aus Prestige. Wer es sich leisten konnte, verwendete silberne Teller und Besteck zum Essen und trank aus Silberbechern. Damals war es üblich – noch bevor Eistürme, Eiskeller und andere nicht elektrische Kühlmöglichkeiten erfunden wurden – eine Silbermünze in einen Milchbehälter zu werfen oder Silberstücke in Wassertanks aufzuhängen. Silberne Bestecke und silberne Servierplatten zieren auch heute noch elegante, festliche Tafeln [1].
Die Verwendung von Silber für medizinische Zwecke machte gezwungenermaßen der Entwicklung synthetischer Pharmazeutika Platz, insbesondere mit der Wiederentdeckung des Penicillins im Jahr 1928.
Aber noch heute enthalten textiles Gewebe und Pflaster Imprägnierungen, die Silberionen abgeben, um Schweißzersetzung und Wundauflagen nicht permanent wechseln zu müssen. Auch Masken während der Corona-Epidemie waren mit Silber gegen die Verbreitung der Viren versehen.
Im Jahr 1843 richtete der Leiter der Frankfurter Münzprägeanstalt Friedrich Ernst Roessler (1813-1883) auf Wunsch der Stadt im Münzgebäude eine Edelmetallscheideanstalt ein. Darüber hinaus ließ Roessler unweit der Münze am Main ein chemisch-technisches Labor installieren, wo auch die Herstellung von Silbernitrat erfolgte. 1866 übAbb. 3: Struktur und Kristall-Habitus von Silbernitrat (Vorlage für ein Firmen-Prospekt der Degussa AG nach W. Hasenpusch, 1979)ernahmen seine beiden ältesten Söhne Hector und Heinrich Roessler, beide studierte Chemiker, den Scheidereibetrieb, der 1873 als börsennotierte Deutsche Gold- und Silberscheideanstalt (Degussa) in Frankfurt am Main auf dem Edelmetallmarkt erschien [2]
Nach dem Zweiten Weltkrieg baute das Unternehmen seine zerstörten Produktionskapazitäten wieder auf, musste jedoch aus Gründen des fehlenden Platzes die Silbernitratfertigung sowie die anderen Scheiderei-Betriebe nach Hanau auf das alte Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Wolfgang verlagern. Ende des 20. Jahrhunderts zählte Hanau mit dem Wettbewerber W. C. Heraeus zur größten Edelmetall-Scheidestadt der Welt. Die Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt (Degussa) stellte dem Markt rund 10 % des gesamten Edelmetallbedarfs zur Verfügung mit jährlich ca. 2000 Tonnen Silber, 200 Tonnen Gold und 20 Tonnen Platingruppen-Metallen.
Aus der alten Wannen-Kristallisation in den Frankfurter Produktions-Hallen entwickelten die Techniker der Degussa in Hanau eine moderne Silbernitrat-Fertigung, mit Kristallisations-Anlage und Wendelwucht-Trockner. Aus den relativ groben Kristallen mit noch geringen Salpetersäure-Spuren entstand ein feinkörniges, säurefreies AgNO3-Produkt, an das sich die Kunden erst gewöhnen mussten. Die Firma warb eigens für diese Verbindung mit einem ansprechenden Prospekt (Abb. 3).
Als Wettbewerber fungierten u. a. das Pariser Unternehmen Comptoir Lyon-Alemand, die britische Johnson Matthey-Gruppe sowie die US-amerikanische Engelhard Corporation.
Herstellung von Silbernitrat
Wer Silbernitrat heute in Deutschland beziehen will, muss vielfach auf Händler zurückgreifen, die das Präparat in der gewünschten Spezifikation von verschiedenen Herstellern beziehen. Die generelle Reinheitsanforderung (Tab. 1) berücksichtigt in der Regel nicht die zahlreichen Anforderungen, die ein Hersteller von Filmen benötigt. Da geht es vor allem um die Abwesenheit einer erhöhten Radioaktivität, die bei etlichen Silberminen nicht zu vernachlässigen ist, aber auch um Platingruppen-Metalle, die eine Sensibilität von Silber-Emulsionen erheblich beeinflussen können.
Element |
AgNO3-Spezifikation |
AgNO3 |
> 99,80 % |
Ag |
> 63,51 % |
Cu |
< 5 ppm |
Fe |
< 5 ppm |
Pb |
< 20 ppm |
NO2- |
< 1.000 ppm |
SO42- |
< 100 ppm |
Silber-Scheideanstalten können von relativ hoch fremdmetallhaltigem Silber ausgehen, während Kleinbetriebe oft auf galvanisch vorgereinigtes Silber zurückgreifen. In diesen Fällen läuft das Lösen des Silbers mit halbkonzentrierter Salpetersäure nach der folgenden Gleichung ab:
3 Ag + 4 HNO3 → 3 AgNO3 + NO + 2 H2O <1>
In Laboratorien sind auch Herstell-Methoden üblich, die von Silberoxid <2>, Silber mit Wasserstoffperoxid <3> oder Silbercarbonat <4> ausgehen:
Ag2O + 2 HNO3 → 2 AgNO3 + H2O <2>
2 Ag + H2O2 + 2 HNO3 → 2 AgNO3 + 2 H2O <3>
Ag2CO3 + 2 HNO3 → 2 AgNO3 + CO2 + H2O <4>
Der Vorteil dieser Labor-Methoden ist das Vermeiden von Stickoxid-Emissionen, die nur schwer und langwierig in einer Kaskade von Wäschern weitgehend zu eliminieren sind (Abb. 4). Denn während sich Stickstoffdioxid relativ gut mit Wasser umsetzt, ist das mit Stickstoffmonoxid nicht der Fall. NO2 disproportioniert aber immer wieder unter Freisetzung von NO zu Salpetersäure:
2 NO + O2 → 2 NO2 <5>
3 NO2 + H2O → 2 HNO3 + NO <6>
Der Vorteil der Stickoxid-Wäscher ist, dass die entweichenden Stickoxide weitgehend wieder als Salpetersäure nutzbar sind. Zur Unterstützung wird nach alten japanischen Patenten reiner Sauerstoff gleich in den Löse-Reaktor mit eingeblasen.
Beim Einsatz von Wasserstoffperoxid ist zu bedenken, dass die wässrigen Lösungen mit 400 bis 800 ppm Phosphat zur Stabilisierung versetzt sind, sodass es zu gelblichen Silberphosphat-Trübungen kommen kann.
Silber-Scheidereien nutzen den Silbernitrat-Prozess auch zur Abtrennung von Gold und Platingruppen-Metallen, ohne über eine Elektrolyse gehen zu müssen. Wird die Silberschmelze nicht zu Barren, sondern in Wasser zu oberflächenreichen „Spratzgranalien“ ausgegossen, vermag die Salpetersäure das Gold, wie bei der analytischen Dokimasie und im 15. Jahrhundert schon in Venedig [3], vollständig vom Silber zu trennen.
Das Filtrat des Roh-Silbernitrats wird bis zur Schmelze bei 210 °C eingedampft und weiter bis auf etwa 320 °C erhitzt. Dabei zersetzen sich alle Nitrate der Buntmetalle sowie die Nitro-Komplexe der Platingruppen-Metalle, die sich nach dem Einleiten der Schmelze in Wasser quantitativ als Hydrolysat absetzen. Nur das Blei(IV)nitrat mit einer Zersetzungstemperatur um 440 °C beteiligt sich unvollkommen an dieser Operation. Vor allem deshalb ist noch eine weitere Reinigungs-Stufe der Silbernitrat-Lösung notwendig.
Von den in der Analytik bekannten Spurenfällungen hat sich zur Reinigung von Silbernitrat-Lösungen vor allem die „Braunstein-Methode“ bewährt [3]. Braunstein, MnO2, und Blei(IV)oxid, PbO2, bilden das gleiche tetragonale Gitter vom Rutil-Typ (TiO2) (Abb. 5) und sind in wässrigen Lösungen mit weniger als 0,1 mg/L praktisch unlöslich. Spuren von Blei(IV)-oxid werden vom Braunstein quantitativ eingebaut. Die Bildung von Braunstein kann aus den gelösten Stickoxiden geschehen oder durch Zugabe eines Reduktionsmittels, das die Silbernitrat-Qualität nicht in Mitleidenschaft zieht, wie z. B. Wasserstoffperoxid.
Der gesamte Prozess der Silbernitrat-Herstellung muss in der Kostenträgerrechnung auch die Abtrennung von Gold und Platingruppen-Metallen berücksichtigen, was die Silbernitrat-Gewinnung in einem deutlich günstigeren Licht erscheinen lässt.
Das Endprodukt zeichnet sich bei den verschiedenen Firmen auch oft durch einen unterschiedlichen Kristall-Habitus aus (Abb. 6, 7 sowie Bild auf S. 309). Die getrockneten Silbernitrat-Kristallisate oder Schmelzgranalien sind am Markt in unterschiedlichen Spezifikationen erhältlich.
Wichtige Silbernitrat-Lieferanten in Deutschland:
- Sigma-Aldrich Chemie GmbH, Taufkirchen
- alquera, Madrid/Spanien
- Penta, Prag/Tschechische Republik
- PanReac AppliChem, Darmstadt
- S3 Handel UG, Bad Oeynhausen
- Cfm Oskar Tropitzsch GmbH, Marktredwitz
- AnalytiChem GmbH, Duisburg
- Tropag Oscar H. Ritter Nachf. GmbH, Hamburg
- A.M.P.E.R.E. Deutschland GmbH, Dietzenbach
- Todini Deutschland GmbH, Essen
- C. Roth GmbH + Co. KG, Karlsruhe
Eigenschaften des Silbernitrats und seiner analogen Verbindungen
Silbernitrat löst sich mit 2.160 g/L bei 20 °C sehr gut in Wasser (Abb. 8), aber ebenfalls hinreichend gut in organischen Lösungsmitteln, wie Pyridin, Dimethylsulfoxid (DMSO), Acetonitril, Anilin und Benzonitril, weniger gut in Ethanol, Ethylacetat, Aceton oder Essigsäure und ganz schlecht in Benzol.
Über die unterschiedliche Löslichkeit lassen sich auch viele wasserfreie Silberverbindungen nach dem Prinzip „reziproker Salzpaare“ herstellen.
Aus einer Acetonitril-Lösung, die bei 25 °C 1.118 g Silbernitrat zu lösen vermag, fallen aus Mercapto-Verbindungen zunächst Silbersulfid-Komplexe vom Typ [R-S-Ag-S-R]-, die dann aber in das extrem schwerlösliche, schwarze Silbersulfid, Ag2S, übergehen. Auch eine Möglichkeit für viele organische Synthesen!
Da von reinem Silbernitrat sowohl die Dichte als auch der Brechungsindex sehr genau ermittelt wurden, sind das auch sehr gute Parameter zur Konzentrationsbestimmung von Lösungen, was vor allem im Betriebsgeschehen seine Vorteile hat, um verlustfrei und schnell die Kontrolle zu behalten.
Zwar harmonieren Schmelzpunkte vom Typ Ag[Element(V)]O3 weitgehend mit den Daten des Silbernitrats, aber das Silbermetaphosphat weicht deutlich ab (Abb. 9). Gleiches gilt für die Dichten, die bis zum Silberbismutat mit der Dichte 7,8 g/cm3 bei Raumtemperatur reichen. Zusätzlich zum Metaphosphat weicht auch das Silberiodat von der weitgehend linearen Beziehung zwischen Dichte und Molekulargewicht ab (Abb. 10). Bei Einbeziehung des Silberruthenats(V) ergäbe sich aus der Grafik eine Dichte von 6,0 g/cm3 für diese Verbindung. Gleiches gilt für Silbermetavanadat(V), für das sich eine Dichte von 5,0 g/cm3 abschätzen lässt.
In der Abhängigkeit der M(I)nitrate vom Typ MNO3 mit ihren Molekulargewichten weichen Schmelzpunkt und Dichte von denen des Silbernitrats deutlich ab (Abb. 11).
Im Vergleich zum Natriumnitrat nimmt der Aktivitäts-Koeffizient des Silbernitrats mit der Konzentration schneller und weitgehender ab (Abb. 12).
Das Redoxpotenzial von Silbersalzen steigt nahezu linear mit dem Logarithmus ihrer Löslichkeiten (Abb. 13) und erreicht beim Silbernitrat seinen höchsten Wert von 0,8 Volt. Silbernitrat wurde auch einst zur Bestimmung der Strommenge in Coulomb herangezogen: Die Strommenge, die zur Abscheidung von einem Mol Silber, 108 g, benötigt wird, ist 1 Coulomb, abgekürzt C (früher Cb).
Verwendung von Silbernitrat
Aufgrund des relativ niedrigen Edelmetall-Preises von Silber erreichte es eine breite Anwendung: angefangen von der Foto-Industrie über die Galvanik, Spiegel-Herstellung, Batterien bis zu den Anwendungen in der Industrie, in der Hygiene und in der Medizin, um nur einige zu nennen. Kleinere Mengen an Silbernitrat von bis zu 6 kg steigen linear mit dem aktuellen Silbermetall-Preis an. Im Januar 2024 lag der Silberpreis bei 700 Euro/kg, der Preis für das Silbernitrat, das selbst nur 63,5 % Silber enthält, liegt bei 2.000 Euro/kg (Abb. 14).
Foto-Materialien
Ein Großteil des Silbernitrats geht mit hohen Reinheits-Anforderungen in die Herstellung von „Fotoemulsionen“, einem Gelatine-Gel, in dem das Silbernitrat in die Halogen-Verbindungen, mehrheitlich Silberbromid, umgesetzt wird. Dabei nimmt die Lichtempfindlichkeit vom Silberiodid zum -chlorid ab. Diese Kristall-Suspension kommt auf beschichteten Trägermaterialien, wie Glas oder Folien aus Acetylzellulose, Polyethylenterephthalsäure-Ester, PET u. a., in den Handel. Da als Haftvermittler zwischen Emulsion und Folie noch chlorierte Polyalkane zum Einsatz kommen, ist das hochwertige Folien-Recycling, beispielsweise von PET, deutlich erschwert.
Verbrauchtes, überlagertes sowie auch archiviertes Fotomaterial enthält noch 0,5 bis zu 3,0 Gew.-% an Silber, sodass sich ein Recycling über Verbrennung, Kalzinierung oder eine enzymatische Wäsche und weitere metallurgische Prozesse zurück zum Silbernitrat lohnt.
Noch etwa 24 % der weltweiten Silberproduktion gehen als Silbernitrat in die Foto-Industrie [5]. Bei den 26.000 t an weltweiter Silberproduktion im Jahr 2023 [6] wären das 6.240 t Silber. In den 1980er-Jahren belief sich der Silberanteil, der in die Foto-Industrie ging, noch auf 40 Gew.-%.
Galvanik
Bei der Galvanotechnik handelt es sich um die elektrochemische Abscheidung von metallischen Überzügen auf Gegenständen.
Das Beschichtungsmaterial, wie z. B. Zinn, Nickel, Gold oder Silber sowie mit Leitlack versehene Kunststoffe, und das Substrat werden in ein elektrolytisches Bad eingehängt, bei dem das Beschichtungsmaterial an den Pluspol und das Substrat an den Minuspol eines elektrischen Gleichstromkreises angelegt werden. Besonders Schmuck und Bestecke sind Basis-Materialien für galvanische Versilberungen. Eine galvanische Beschichtung mit Silber erhöht die Lötfähigkeit von Drähten. Wichtig ist dies ganz besonders bei automatisierten Verfahren. Die Vermeidung von Kontaktkorrosion oder einer Bildung von Lokalelementen erhöht zusätzlich die Dauerfestigkeit bei Crimp-Verbindungen [7].
Silberplattierung ist ein galvanisches Verfahren, um auf elektrochemischem Wege unedle Metalle mit einer mehr oder weniger dünnen Silberschicht so zu überziehen, dass beide Teile ein untrennbares Ganzes bilden. Das Plattieren kann auf einer oder beiden Seiten geschehen. Man spricht
dann von einfacher bzw. doppelter Plattierung. Am häufigsten wird Kupfer oder Nickelsilber mit Silber plattiert. Oft findet man auf Tafelbestecken oder Teeservices die geprägte Abkürzung EPNS, die für elektroplattiertes Nickelsilber steht.
Die Elektroplattierung wird meist bei der Herstellung von Billigversionen von Bestecken, Tee- und Kaffeeservices, Tafeldekorationen und allen möglichen Flach- und Hohlwaren für den Haushalt anstelle von Feinsilber verwendet. Die ersten silberplattierten Produkte kamen Mitte des 19. Jh. aus Manufakturen im englischen Sheffield [5].
Sowohl Silbercyanid, AgCN, als auch Kaliumsilbercyanid, K[Ag(CN)2], werden hauptsächlich zum Ansetzen und Nachschärfen galvanischer Silberbäder oder von Vorbehandlungs-Elektrolyten in Galvaniken verwendet.
Diese Silbercyanide, direkte Folgeprodukte des Silbernitrats, zeichnen sich durch eine sehr hohe Reinheit und gute Rieselfähigkeit aus. Das 80,5%ige Silbercyanid ist ein weißes, puderartiges Produkt, welches nicht klumpt. In ausreichender Menge mit Kaliumcyanid versetzt, ist es gut löslich in Wasser,
AgCN + KCN → K[Ag(CN)2] <7>
während das reine Silbercyanid mit einer Löslichkeit von 0,22 mg/L Wasser bei 20 °C extrem schwerlöslich ist. Das 54,2%ige Kaliumsilbercyanid bildet farblose Kristalle, die sich auch ohne zusätzliche Kaliumcyanid-Zugabe mit 143 g/L bei 20 °C gut in Wasser lösen [8].
Die Silberbeschichtung eignet sich für verschiedenste Schmuckwaren wie Uhren, Ketten oder Ringe. Mattsilberbäder scheiden weiße Feinsilberschichten ab, die sich aufgrund ihrer außergewöhnlichen Tiefenstreuung für technische und dekorative Versilberungen eignen.
Cyanidfreie Silberbäder bieten signifikante Umwelt- und Sicherheitsvorteile. Dennoch liegt die Reinheit der Silberabscheidungen bei nahezu 100 %. Die beschichteten Oberflächen haben einen sehr weißen Silberton und eignen sich sowohl für dekorative als auch für technische Zwecke.
Durch anodische Oxidation lässt sich das Silbernitrat bis zum Ag7NO11 zu oktaedrischen Kristallen aufoxidieren. Durch thermische Zersetzung entsteht Silber(II)-Oxid.
Silber lässt sich auch aus nichtwässrigen Lösungen abscheiden, beispielsweise aus Acetonitril, in dem sich Silbersalze gut als Komplex vom Typ [Ag(NC-CH3)2]+ lösen.
Stromlose Versilberungen sind von der Spiegel-Beschichtung oder von den Christbaumkugeln her bekannt. Sie basieren auf dem Einsatz milder Reduktionsmittel, wie Traubenzucker u. ä.
Andere Silbernitrat-Folgeprodukte
Silbernitrat lässt sich mit Kalium-Peroxodisulfat in Silber(II)-Verbindungen, oder genauer gesagt: in Silber(I,III)-Kationen aufoxidieren:
2 Ag(I)NO3 + K2S2O8 → Ag(II)(NO3)2 +
Ag(II)SO4 + K2SO4 <8>
Mit einem Zusatz von Kalilauge entsteht Silber(II)-oxid, das in der organischen Chemie zur Umsetzung von Benzylhalogeniden direkt in Dibenzylether Verwendung findet.
Ag(II)O dient auch als Oberflächen-Katalysator bei der Epoxidierung von Alkenen [9]. Ebenso in Akkumulatoren und Knopfzellen kommt das zweiwertige Silberoxid zum Einsatz.
Schon im 19. Jahrhundert erkannte der in Frankfurt/Main geborene Chemiker Eduard Linnemann (1841-1886), dass mit Alkyliodiden und Silberacetat Alkylessigsäure-Ester zugängig sind [10]:
R-I + AgOAc → R-OAc + AgI<9>
Vorwiegend zur Desinfektion und Entkeimung ist das „Kolloidale Silber“ in Gebrauch. Es wird durch mechanisches Zermahlen in Kolloidmühlen, elektrolytisch über verschiedene Verfahren sowie über chemische Reduktion aus verdünnten Silbersalz-Lösungen in Gegenwart von Schutzkolloiden gefällt, wobei auch Ultraschall-Unterstützung von Vorteil ist [11].
Weitere Verwendung von Silbernitrat
Bekannt ist Silbernitrat als Nachweis-Reagenz für Halogenide (Chlorid Bromid und Iodid) sowie die Pseudo-Halogenide durch schwerlösliche Niederschläge. Zu den Pseudo-Halogeniden zählen:
- Blausäure, HCN
- Isocyansäure, HNCO
- Knallsäure, HCNO
- Isothiocyansäure, HNCS
- Thiocyansäure, HSCN
- Selencyansäure, HSeCN
- Stickstoffwasserstoffsäure, HN3
- sowie ihre Salze.
Silbernitrat dient aber auch zur Bestimmung von Aldehyden und Proteinen. Nachweisbar sind z. B. die Aldehydgruppen von reduzierenden Zuckern wie Glucose und Lactose, beispielsweise in der „Tollensprobe“ der sich niederschlagenden Silberspiegel.
In der Protein-Biochemie wird Silbernitrat im Zuge einer Färbung zum Erkennen von Proteinen verwendet, die z. B. in einem Polyacrylamid-Gel aufgetrennt wurden.
In der Histologie kommt Silbernitrat zur Färbung von Gewebeschnitten, beispielsweise bei der Golgi-Cox-Methode, zum Einsatz.
In der kriminaltechnischen Daktyloskopie wird eine Silbernitrat-Methanol-Lösung zur Sichtbarmachung von Fingerabdrücken benutzt. Bei einem eingeschränkten Täterkreis lassen sich so mit präparierten Schlössern, Geldscheinen und anderen Gegenständen die Täter auch an ihren schwarzen Fingern entlarven.
In der Medizin wird Silbernitrat als Antiseptikum und Adstringens als 0,5%ige Lösung zur lokalen Behandlung sowie als Ätzmittel in Form eines „Höllenstein-Ätzstiftes“ gegen Hautwucherungen, Geschwüre und Warzen benutzt.
Seit 1881 wurde Neugeborenen eine 1%ige Silbernitrat-Lösung in die Augen getropft, um eine gonorrhoische Augeninfektion (Gonokokken-Infektionen) zu verhindern. Diese „Credé-Prophylaxe“ konnte durch weniger schmerzhafte, reizende und toxische Substanzen ersetzt werden [12]. In Deutschland war diese Prophylaxe bis 1986 als Teil der Vorsorgeuntersuchung gesetzlich vorgeschrieben, danach nur noch empfohlen.
Bei der komplexen Analytik der Triglyceride wird Silbernitrat zur Trennung der Triglyceride im Rahmen der „Argentations-Chromatographie“ eingesetzt [13].
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe, n- und iso-Paraffine lassen sich mithilfe von Silbernitrat-Kieselgel-Säulenchromatographie auftrennen [14].
Eine weitere Anwendung liegt in der Homöopathie. Globuli in sehr hoher Verdünnung von Silbernitrat kommen bei Reizdarm oder bei Angst-Zuständen zum Einsatz.
Gefahren im Umgang mit Silbernitrat
Schließlich muss auf die speziellen und gefährlichen Nebenreaktionen im Umgang mit Silbernitrat immer wieder hingewiesen werden:
Wie auch Gold- und Quecksilber-Lösungen reagiert Ammoniak als Gas oder in Lösungen mit dem Silbernitrat bei hohen pH-Werten, wie sie auch beim „Tollens-Reagenz“ in der analytischen Chemie Vorschrift sind, mit der Zeit bis zum Silbernitrid, Ag3N. Das Silbernitrid ist hinreichend technisch beschrieben (kubische Kristallstruktur; M = 337,61 g/mol; D = 8,91g/cm3). Jedoch fehlen sicherheitstechnische Kennzahlen und Einstufungen. Die Verbindung detoniert bei Blitzlicht-Einwirkung und noch unvermindert bei -190 °C [15].
Die beiden Vorstufen, das Silberamid, AgNH2 (M = 123,89 g/mol) und das Silberimid, Ag2NH (M = 230,75 g/mol), sind in Bezug auf ihre Gefährlichkeit noch nicht eingestuft worden.
Ammoniakalische Lösungen sollten schnell verarbeitet und unmittelbar nach ihrem Einsatz entsorgt werden, d. h. zu Silber reduziert werden. Mit Traubenzucker oder Ascorbinsäure reduziertes Silber kann wieder eingeschmolzen werden und erneut als Silbernitrat dienen.
Laborflaschen mit verdünnten Silbernitrat-Lösungen dürfen nicht mit Ammonium-Gas in Kontakt kommen, die leicht aus den entsprechenden Gefäßen oder bei Versuchen entweichen können, da sich sonst an den Verschlüssen der Silbernitrat-Flaschen explosive Silber-Verbindungen bilden.
Literatur
[1] https://vitalpfoten.de/silber
[2] https://history.evonik.com/de/gesellschaften/degussa
[3] Fester, G.: „Die Entwickling der Chemischen Technik“ (1923), Nachdruck, BoD-Books on Demand (2020)
[4] Koch, O. G. und G. A. Koch-Dedic: „Handbuch der Spurenanalyse“, Springer-Verl., 1600 S., 2. Ausg. (2013) 360
[5] https://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Mineralienportrait/Silber
[6] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37059/umfrage/produktion-von-silber-weltweit-nach-laendern
[7] https://www.leoni-wire-products-solutions.com/de/materialien/materialien-fuer-die-galvanisierung/silber/silbergalvanik/
[8] https://www.silbercyanid.de/Silbercyanid
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Silber(I,III)-oxid
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Silberacetat
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Kolloidales_Silber
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Crede-Prophylaxe
[13] Beyer, E. M.: “Potent inhibitor of ethylene action in plants”; Plant Physiology. 58/3 (1976) 268-271
[14] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/lipi.19760780702
[15] https://de.wikipedia.org/wiki/Silberazid