Kalkulation in unkalkulierbaren Zeiten

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? Frage: In den letzten Jahren sind wir vermehrt auf Probleme bei der Kalkulation gestoßen, die sowohl alte als auch neue Artikel betreffen. Die Hauptursache liegt in den stark schwankenden, überwiegend aber steigenden Preisen für Energie, Metalle und Chemikalien sowie den inflationsbedingten Lohnerhöhungen.

Gleichzeitig sind unsere Kunden nicht bereit, Preiserhöhungen zu akzeptieren und drohen, uns andernfalls sämtliche Aufträge zu entziehen. Zudem bestehen viele unserer alten Verträge mit Kunden, die entweder keine Preissteigerungen zulassen oder lediglich Erhöhungen vorsehen, die weit unter dem liegen, was erforderlich wäre, um Verluste zu vermeiden. Haben Sie Ratschläge oder Denkansätze, wie wir dieses Kalkulationsproblem lösen können?

! Antwort: Wir beobachten diese Entwicklung seit Längerem mit Sorge. Um das Kalkulationsproblem nachhaltig zu lösen, bedarf es eines umfassenden und strategischen Ansatzes. Zunächst sollten Sie eine detaillierte Analyse Ihrer Kostenstruktur und Preisgestaltung vornehmen. Identifizieren Sie die Hauptkostentreiber und prüfen Sie, wo Optimierungspotenzial besteht. Eine Möglichkeit könnte sein, langfristige Lieferverträge mit festen Preisen auszuhandeln, um die Volatilität der Rohstoffpreise abzumildern. Gleichzeitig könnten Sie in Erwägung ziehen, in Energieeffizienzmaßnahmen zu investieren, um steigenden Energiekosten entgegenzuwirken [1]. Dies ist zwar i. d. R. mit Investitionskosten verbunden, diese amortisieren sich aber relativ schnell.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Verbesserung interner Prozesse und die Erhöhung der Produktivität. Durch die Implementierung moderner Technologien und Automatisierung können Sie möglicherweise Kosten senken und effizienter arbeiten. Diese Einsparungen könnten dazu beitragen, steigende Lohnkosten abzufedern, auch wenn wir wissen, dass einige Galvaniken bereits an ihren Grenzen sind.

Die Beziehung zu Ihren Kunden spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle. Es ist wichtig, offen und transparent über die Herausforderungen zu kommunizieren, denen Sie gegenüberstehen. Entwickeln Sie gemeinsam Lösungen, die für beide Seiten tragbar sind. Das könnte beispielsweise durch die Einführung von Preisanpassungsklauseln in neuen Verträgen geschehen, die es Ihnen ermöglichen, auf Kostensteigerungen zu reagieren. In bestehenden Verträgen könnten Sie versuchen, Verhandlungen über eine moderate Erhöhung zu führen, indem Sie die aktuelle Marktsituation und Ihre eigenen Kostennöte darlegen.

Ein gangbarer Weg könnte eine Methode sein, die insbesondere bei Edelmetallbeschichtungen schon lange Anwendung findet. Hier werden die Metallpreise häufig aus der Kalkulation ausgeklammert und der Preis zyklisch angepasst. Hierfür orientiert man sich an Börsenpreisen, etwa dem Durchschnitt der letzten drei Monate, und legt den Metallpreis für das kommende Quartal entsprechend fest.

Langfristig kann eine diversifizierte Produktpalette ebenfalls hilfreich sein, um sich nicht von einem oder nur wenigen Verfahren und entsprechenden Kunden abhängig zu machen. Wenn Sie Produkte anbieten, die weniger von den Preisschwankungen der Rohstoffe abhängig sind oder bei denen aufgrund hoher Nachfrage der Preisdruck geringer ist, können Sie das Risiko besser verteilen.

Schließlich kann die Implementierung eines robusten Risikomanagementsystems helfen, zukünftige Schwankungen besser vorherzusehen und abzufedern. Dies umfasst nicht nur finanzielle Absicherungsstrategien wie Hedging, sondern auch kontinuierliches Monitoring der Marktentwicklungen und flexible Einkaufs- und Produktionsstrategien.

Es ist keine angenehme Situation, wenn Kunden mit dem Entzug ihrer Aufträge drohen, aber leider ist dies in der Branche nicht ungewöhnlich. Häufig drohen große Unternehmen zunächst mit dem Wechsel zu nahe gelegenen Konkurrenten und anschließend mit der Verlagerung ihrer Aufträge in Niedriglohnländer. Oft wird jedoch nur gedroht und nicht tatsächlich umgesetzt. Wenn Sie sicher sind, alles in Ihrer Macht Stehende getan zu haben, können Sie – besonders bei technisch anspruchsvolleren Verfahren – darauf bestehen, neue Preise durchzusetzen. Kunden wissen, dass ein Wechsel des Lieferanten erhebliche Schwierigkeiten und Kosten verursachen kann. Diese Herausforderungen nehmen zu, je weiter entfernt die neue Galvanik ist. Die jüngsten Krisen haben gezeigt, welche Probleme entstehen können, wenn der Lieferant am anderen Ende der Welt sitzt.

Ein solcher Schritt erfordert Mut und strategisches Denken. Die Risiken lassen sich jedoch mindern, wenn sich möglichst viele Galvaniken zusammenschließen und gegenseitig unterstützen. Eine enge Zusammenarbeit und der Austausch von Best Practice-Beispielen können dazu beitragen, die Verhandlungsposition gegenüber großen Kunden zu stärken. Zudem kann die Bildung von Partnerschaften und Netzwerken innerhalb der Branche dazu beitragen, die Abhängigkeit von einzelnen Kunden zu reduzieren und gemeinsam innovative Lösungen zu entwickeln, die den wirtschaftlichen Druck abfedern. Indem Sie den Wert Ihrer Dienstleistungen und verbundene Vorteile klar kommunizieren, können Sie die Loyalität Ihrer Kunden stärken und eine nachhaltige Geschäftsbeziehung pflegen.



  • Ausgabe: November
  • Jahr: 2024
  • Autoren: B. C.
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