Frage: Seit Jahrzehnten versilbern wir für wenige Großkunden, meist selektiv, oft Kleinserien oder Einzelteile mit hohem händischem Aufwand. Bisher haben wir den Edelmetallpreis separat behandelt und jeweils am Abrechnungstag den aktuellen Börsenpreis in Rechnung gestellt. Seit einiger Zeit wünscht ein Kunde eine andere Vorgehensweise. Er gibt an, ein Problem damit zu haben, dass identische Artikel an verschiedenen Tagen unterschiedliche Preise aufweisen. Sein Vorschlag ist, den durchschnittlichen Börsenpreis des Vorquartals anzusetzen, da sich die täglichen Schwankungen so ausgleichen würden.
Wir befürchten jedoch, durch dieses Verfahren benachteiligt zu werden. Der Konflikt besteht nun seit mehr als zwei Jahren, ohne dass eine Einigung erzielt werden konnte.
Wie schätzen Sie die Situation ein? Kennen Sie bessere Methoden, um mit schwankenden Edelmetallpreisen umzugehen?
Antwort: Der Wunsch des Kunden ist nachvollziehbar und in vielen Branchen gängige Praxis. Es handelt sich zwar nicht um eine perfekte Lösung, aber um eine, die Abläufe und Berechnungen auf verschiedenen Ebenen vereinfacht.
Zwar existieren theoretisch auch andere Modelle – etwa Tagespreise mit Rückstelloptionen, gleitende Durchschnittspreise, Preisabsicherungen oder Mischmodelle –, doch alle diese Varianten bringen eigene Nachteile mit sich und verkomplizieren die Abrechnung unnötig. Ein Restrisiko bleibt bei jeder Methode bestehen.
In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Kurs mehr als verdoppelt.
Ein weiterer Aspekt, der in die Überlegungen einfließen sollte, ist die langfristige Entwicklung des Silberpreises. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Kurs mehr als verdoppelt. Laut einer aktuellen Analyse von WisdomTree wird für den Zeitraum von Ende 2024 bis Ende 2025 ein weiterer Anstieg um bis zu 17 % prognostiziert [1]. Auch wenn Prognosen stets mit Unsicherheiten behaftet sind, spiegeln sie die grundlegenden Markterwartungen wider. Wenn man mit durchschnittlichen Börsenpreisen arbeitet, wäre es daher unter Umständen sinnvoll, solche Trends zu berücksichtigen – beispielsweise durch eine modellhafte Anpassung, die künftige Entwicklungen anteilig einbezieht. So ließe sich das Verfahren realitätsnäher gestalten, sowohl bei fallenden als auch bei steigenden Preisen.
Klarer wird die Situation, wenn man den Blick auf die tägliche Praxis der Versilberung lenkt: Faktisch geben Sie bislang den Tageskurs weiter, kaufen das Silber aber nicht täglich zum jeweils gleichen Kurs ein. Sie versuchen, im Einkauf günstige Zeitpunkte zu nutzen, und geben im Verkauf auch höhere Tagespreise weiter. Verluste entstehen vor allem dann, wenn Sie einkaufen und der Preis danach fällt. Das heißt: Sie haben bereits mit dem aktuellen Modell ein gewisses Risiko – und das wurde bisher akzeptiert.
Viel entscheidender ist jedoch, dass der Silberanteil bei selektiver, händischer Beschichtung in der Regel nur einen geringen Teil der Gesamtkosten ausmacht – meist zwischen 5 % und 15 %, selten darüber. Der Anteil, durch den Sie durch das vorgeschlagene Modell potenziell benachteiligt wären, dürfte sich auf 10 % bis 20 % des Silberpreises belaufen. Damit diskutieren Sie seit über zwei Jahren über rechnerische Unterschiede, die im Gesamtpreis vermutlich nur 0,5 % bis maximal 3 % ausmachen – und auch das nur theoretisch. Wenn Sie beide Abrechnungsmodelle rückwirkend auf das vergangene Jahr anwenden, dürfte sich zeigen, dass die reale Differenz vernachlässigbar ist.
Solche Diskussionen sind betriebswirtschaftlich kaum lohnend. Wenn Sie dennoch das Gefühl haben, benachteiligt zu werden, können Sie bei zukünftigen Kalkulationen an anderer Stelle dezente Anpassungen vornehmen, etwa bei Zuschlägen oder Abdeckkosten – weniger transparent, aber betriebswirtschaftlich wirksam.
Gedanke zur Kundenbindung
Wenn ein langjähriger Kunde einen Wunsch äußert, der sich für Sie nur in homöopathischen Margen niederschlägt, für ihn jedoch kaufmännisch bedeutsam ist, sollte man überlegen, ob man nicht lieber mit Entgegenkommen Vertrauen stärkt, statt auf einem Prinzip zu beharren. Eine stabile Kundenbeziehung ist oft mehr wert als eine rechnerisch kaum messbare Marge.
Weiterführende Informationen:
[1] Silberausblick bis Q3/2025: Silber auf dem Weg zu 14-Jahres-Hoch; Market Insight; https://www.wisdomtree.eu/-/media/eu-media-files/other-documents/research/market-outlook/wisdomtree-silver-outlook-q3-2025.pdf