Haftfestigkeitsprobleme in Gestellanlage

Woher stammen die Haftfestigkeitsprobleme in meiner neuen Gestellanlage? Diese Frage stellen sich Galvaniker in dieser Folge der Praxiskolumne - (Foto: stock.adobe.com/Eileen Kumpf)
  • Titelbild: Woher stammen die Haftfestigkeitsprobleme in meiner neuen Gestellanlage? Diese Frage stellen sich Galvaniker in dieser Folge der Praxiskolumne - (Foto: stock.adobe.com/Eileen Kumpf)

Frage: Zu Beginn des Jahres nahmen wir unsere erste Gestellanlage in Betrieb. Zuvor haben wir Buntmetalle in der Handgalvanik vernickelt, verzinnt oder versilbert. Dort traten nur selten Probleme bei der Vorbehandlung beziehungsweise der Beschichtung auf, weshalb wir die gleichen Chemikalien mit identischen Parametern auch in der Gestellanlage einsetzen. Allerdings zeigen sich an der Anlage erhebliche Probleme, insbesondere hinsichtlich der Haftfestigkeit. Die Schichten lösen sich zum Teil vom Grundmaterial, teilweise von der vernickelten Oberfläche ab. Zudem haben wir den Eindruck, dass sich diese Schwierigkeiten bei sommerlicher Hitze verstärken. Um lieferfähig zu bleiben, beschichten wir derzeit den Großteil der Ware wieder in der Handgalvanik. Da der Automat jedoch keine Dekoration darstellen, sondern dauerhaft produktiv eingesetzt werden soll, möchten wir die Ursachen schnellstmöglich beheben und bitten dabei um Ihre Unterstützung.

Antwort: In der Praxis sind solche Probleme durchaus bekannt und erweisen sich fast immer als sehr komplex. Häufig beginnt es damit, dass bereits bei der Konzeption grundlegende Fehler gemacht werden – vor allem dann, wenn keine praktischen Erfahrungen vorhanden sind. Einer der klassischen Fehler besteht darin, Abläufe und Parameter der Handgalvanik 1:1 auf einen automatisierten Prozess zu übertragen.

Aufgrund dieser Komplexität können wir nachfolgend nur Gedanken und Anregungen formulieren, aus denen Sie selbst Versuche und Maßnahmen ableiten müssen.

Unterschiede zur Handgalvanik

Der zentrale Unterschied liegt in der Prozessgeschwindigkeit. Von Hand kann wesentlich schneller gespült werden, die Überhebzeiten sind deutlich kürzer, und oft entfallen nennenswerte Abtropfzeiten vollständig. Eine automatisierte Anlage hingegen arbeitet mit festen Taktzeiten – und selbst wenn man diese auf ein Minimum reduziert, stößt man an mechanische Grenzen.

Hinzu kommt die höhere Flexibilität der Handgalvanik, die ein klassischer Automat niemals erreicht. Erfahrene Mitarbeiter erkennen den Zustand der Oberfläche und reagieren unmittelbar: Wenn etwa nach der Vorbehandlung der Wasserfilm aufreißt, wird der Prozessschritt wiederholt – etwa durch Rückkehr in die Entfettung. Ein Automat hingegen führt stur die programmierten Abläufe aus.

Es ist anzunehmen, dass es zu denselben Problemen käme, wenn sich die Mitarbeiter in der Handgalvanik – bei identischen Parametern und Chemiekonzentrationen – genauso verhalten würden wie der Automat.

Wenn dem nicht so ist, kommen zwei weitere Einflussfaktoren infrage:

  1. Unterschiede bei der Wasserqualität
  2. Unterschiede bei Raumtemperatur und/oder Lufteigenschaften

Abweichende Wasserqualitäten lassen sich in der Regel durch verschiedene Quellen erklären, etwa durch unterschiedliche Ionenaustauscheranlagen. In diesem Zusammenhang sollten Leitfähigkeit, pH-Wert, Verunreinigungen sowie gegebenenfalls auch die verwendeten Leitungen geprüft werden.

Die Raumtemperatur kann entscheidend sein – etwa wenn sich die Gestellanlage auf der Sonnenseite des Gebäudes befindet und die Handgalvanik eher im Schatten liegt. Unterschiede in der Luft ergeben sich – neben der Temperatur – durch verschiedene Leistungen bei Zu- und Abluftsystemen [1]. Möglicherweise spielt es auch eine Rolle, ob die Produktion offen ist (z. B. durch Fenster, Tore oder geöffnete Dächer), sodass Luftzug an die Gestellteile gelangt, diese schneller trocknet und sich dadurch eine leichte Passivschicht bildet. Hier wirken sich Überheb- und Abtropfzeiten besonders negativ aus.

Mögliche Ursachen

Es ist ratsam, zumindest gedanklich alles auf den Kopf zu stellen. Möglicherweise ist auch der Prozess in der Handgalvanik nicht optimal, wird jedoch durch gut geschulte, mitdenkende Mitarbeiter kompensiert.

So stellt sich die Frage, ob die Vorbehandlung hinsichtlich Chemie, Konzentration, Temperatur und Zeiten wirklich optimal auf das Kundenmaterial abgestimmt ist. Zahlreiche Anregungen dazu finden Sie hier [2, 3]. Bei Problemen mit der Haftfestigkeit neigen Praktiker häufig dazu, die Intensität der Vorbehandlung immer weiter zu erhöhen, was jedoch zu weiteren Fehlern – etwa dem Angriff der Oberfläche – führen kann. Der alte Leitspruch „Viel hilft viel“ ist daher mit Vorsicht zu genießen. Je nach Zusammensetzung der Entfettung kann einem zu starken chemischen Angriff auch inhibierend entgegengewirkt werden, etwa durch den Zusatz von Natriumwasserglas. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass anhaftende Siliciumverbindungen anschließend restlos von der Oberfläche entfernt werden.

Neben der bereits erwähnten Spülwasserqualität spielen auch Dekapierungen und mögliche Querumsetzer eine wichtige Rolle. Bei den beschriebenen Beschichtungsprozessen sind zweistraßige Anlagen üblich, wobei eine Trennung entweder direkt nach der Vorbehandlung oder nach der Vernickelung erfolgt. In beiden Fällen sollte das Wasser im Querumsetzer leicht angesäuert werden. Ist dies nicht möglich, etwa weil es sich um Kreislaufwasser handelt, ist eine Aktivierung vor einer weiteren Beschichtung zwingend erforderlich.

Als Säuren kommen Salzsäure, Schwefelsäure oder eine fluoridhaltige Trockensäure – meist ein Gemisch aus Natriumfluorid und Natriumhydrogensulfat – zum Einsatz. Fluoridhaltige Dekapierungen helfen auch dabei, schwerlösliche Oberflächenfilme wie Silicate, Borate und Bleiverbindungen zu entfernen. Die Effektivität kann durch kathodische oder auch anodische Polung deutlich gesteigert werden. Diese eignet sich ebenfalls zur Aktivierung passiver Nickelschichten. Als Gegenelektrode wird vorzugsweise Graphit verwendet. Je nach Buntmetall liegt die Behandlungszeit zwischen 30 und 120 Sekunden. Sollten die Teile kathodisch aktiviert werden, liegt die Stromdichte bei etwa 2,5 A/dm2.

Einfluss der Gestelle und Temperatur

Einen weiteren Einfluss können die verwendeten Gestelle haben – sowohl hinsichtlich der Art der Aufhängung als auch ihrer Verarbeitung und des Materials. In der Handgalvanik sind Gestelle in der Regel deutlich kleiner. Materialmängel und ungünstige Kontaktstellen wirken sich dort weniger stark aus als in einer Anlage, bei der pro Gestell ein Vielfaches an Teilen durchgefahren wird. Dies kann sich bereits bei der elektrolytischen Entfettung, aber auch bei der eigentlichen Beschichtung negativ bemerkbar machen. Es empfiehlt sich, die elektrischen Kontakte durchzumessen und die Schichtdickenverteilung auf dem Gestell systematisch zu überprüfen.

Leider sind Probleme durch zu hohe Raumtemperaturen unter den beschriebenen Bedingungen nicht unüblich, ihre Behebung jedoch aufwendig und kostenintensiv. Sollten alle anderen Ursachen ausgeschlossen werden können, müssen zwangsläufig Versuche in diese Richtung unternommen werden. Oft bleibt nur, auf kühlere Tage zu warten. Nächtliche Testläufe scheitern häufig daran, dass sich die Produktionshalle nicht ausreichend abkühlt, um signifikante Unterschiede feststellen zu können. Das liegt u. a. daran, dass nicht nur die Luft, sondern auch unbeheizte bzw. ungekühlte Wannen – insbesondere Spülen – deutlich langsamer abkühlen als die Umgebung. Das wärmere Wasser kann, in Kombination mit weiteren nicht optimalen Parametern (etwa unzureichender Wasserqualität), zu Problemen führen – etwa einem schnelleren Trocknen der Werkstücke mit folgender Passivschichtbildung. Ein Abkühlen des Spülwassers, etwa des Kreislaufwassers, könnte hier einen positiven Effekt bedeuten.

Fazit

Wer automatisieren will, muss mehr tun, als nur Chemikalien und Parameter zu kopieren. Ein Prozess, der in der Handgalvanik scheinbar problemlos läuft, kann im Automaten scheitern – nicht, weil die Anlage schlecht ist, sondern weil die Bedingungen grundlegend anders sind. Statt also einzelne Symptome zu behandeln, ist es sinnvoller, das System als Ganzes zu hinterfragen.

WeiterführendeInformationen
[1] Umwelttechnik Teil 2 – Energie- und Recyclingtechnik; https://www.galvanotechnik-for-you.de/uebersicht-kurse/umwelttechnik-teil-2-energie-und-recyclingtechnik/
[2] Vorbehandlung von Buntmetallen; Galvanotechnik 112 (2020), Nr. 9, Seite 1335
[3] Buch „Aus der Praxis – für die Praxis“; Eugen G. Leuze Verlag GmbH & Co. KG; ISBN 978-3-87480-390-8

  • Ausgabe: August
  • Jahr: 2025
  • Autoren: B. C.
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