210 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, 42 gebuchte Stände auf der Fachausstellung: Das Leipziger Fachseminar, bedeutendste Tagesveranstaltung der Galvano- und Oberflächentechnik, hat am 13. März 2025 zum 30. Mal mit einer etwas geringeren Beteiligung als in den vergangenen beiden Jahren stattgefunden. Die 1994 für regionale Galvaniken ins Leben gerufene Veranstaltung hat sich inzwischen als erfolgreiches überregionales Branchen-event etabliert. Kamen 1997 noch rund 100 Teilnehmer, verfolgen inzwischen regelmäßig mehr als doppelt so viele Branchenmitglieder die Vorträge in Leipzig.
Anlässlich des runden Jubiläums waren mehr Verbandsvertreter als üblich in Leipzig. Neben dem neuen Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Galvano- und Oberflächentechnik e. V. (DGO), Dr. Daniel Meyer, war auch der Geschäftsführer des Zentralverbands Oberflächentechnik e. V. (ZVO), Christoph Matheis, gekommen.Christoph Matheis verlieh der Mitbegründerin des Leipziger Fachseminars, Marion Regal, die DGO-Ehrenmitgliedschaft
Seine Rede schloss sich an die Begrüßungsworte von Prof. Thomas Lampke, TU Chemnitz, Anja Hähle-Posselt, Stadt Leipzig, und Messe Leipzig-Geschäftsführer Markus Geisenberger an. Tenor ihrer Reden: Die Lage ist besser als die Stimmung. Prof. Lampke setzte dem aktuell vorherrschenden sorgenvollen Blick in die Zukunft ein Zitat des Lyrikers und Dramatikers Robert Frost entgegen: „In drei Worten kann ich alles zusammenfassen, was ich über das Leben gelernt habe – es geht weiter!“ Matheis erinnerte in seiner Rede u. a. an den Beginn der Corona-Pandemie 2020, der zeitgleich mit dem Leipziger Fachseminar erfolgte. „Eine skurrile Veranstaltung“, blickte er zurück. Die Branche sei erstmals mit der Maskenpflicht, Ellbogenbegrüßungen und Abstandsregeln konfrontiert gewesen. Matheis, der die Geschäftsführung der DGO Anfang des Jahres an Dr. Daniel Meyer abgegeben hat, verlieh im Rahmen seines Auftritts die DGO-Ehrenmitgliedschaft an die DGO-Bezirksgruppenleiterin Sachsen, Marion Regal, die 1994 gemeinsam mit Karlheinz Spielvogel und Ulrich Viehweger das Leipziger Fachseminar ins Leben gerufen hatte und seither organisiert. Die Auszeichnung kam für Marion Regal überraschend. Sie sei immer noch „geflasht“, sagte sie gegenüber der Galvanotechnik.
Das Comeback der Schallplatte
Den Anfang bei den Fachvorträgen machte Gunnar Heuschkel von der R.A.N.D. Muzik GbR in Leipzig. R.A.N.D. produziert Schallplatten, deren Fertigungsprozess auf Galvanotechnik angewiesen ist. Er beschrieb zunächst die Entwicklung der Schallplatte, die auf Edisons „Sprechmaschine“ von 1877 zurückgeht. Hierbei sprach man in ein Rohr, die Maschine gravierte die Töne dann auf eine Wachsschicht. Abgespielt wurde die Aufnahme über eine Kurbel. Zunächst setzte sich die sogenannte Schellackplatte durch, beschichtet mit einem Lack, den die Schildlaus ausscheidet, was eine sehr glatte rillendurchsetzte Oberfläche ermöglichte. Die erste Vinylschallplatte – bei Vinyl handelt es sich um PVC (Polyvinylchlorid) – gab es 1939. Die Platte galt als „unzerbrechlich“, eine wichtige Eigenschaft in diesen Zeiten, denn die Schellackplatte zerbrach schnell, wenn sie herunterfiel. Die Vinylplatte bot pro Seite erst mal 30 Minuten Abspielzeit. Die sogenannte Stereorillenplatte kam 1960 auf. Entwickelt hatte sie Mercury Records. Den Höhepunkt erlebte die Schallplatte in den 1980er-Jahren, als pro Jahr eine Milliarde Platten gepresst wurden. Allein Michael Jacksons Platte „Thriller“ wurde 120 Millionen Mal produziert. In der Folge verschwand die Platte durch das Aufkommen der CD fast vollständig. 1989 wurde die letzte Plattenpresse ausgeliefert. Solche Pressen von der Größe eines Kleiderschranks standen ursprünglich zu Hunderten in Produktionsstätten von Bertelsmann und Warner. Die Wiedergeburt der Schallplatte erfolgte ab den 2010er-Jahren u. a. mit Platten von Adele und Kraftwerk. Die Rückgewinnung des Know-hows war anfangs schwierig, doch heute prägen erneut viele Startups das Bild und die Produktionsmenge ist wieder auf 160 Millionen jährlich gestiegen. Die Herstellung umfasst die drei Fertigungsschritte Masterherstellung, Galvanik und Pressung. Von der ersten Positivkopie (Mutter) gefertigte Negativkopien (Söhne) dienen als Pressmatrizen. Eine solche, mittels Galvanotechnik gefertigte Matrize reicht für das Pressen von rund 1000 Schallplatten. Die Matrizenfertigung erfolgt im Nickelsulfat-Elektrolyten und ist energieintensiv, wie die galvanische Fertigung im Allgemeinen. Interessierten an der galvanotechnischen Fertigung der Schallplatte wurde die Folge „Die Schallplatte“ der Kinder-TV-Sendung „Sendung mit der Maus“ ans Herz gelegt.
Nachhaltigkeit bei Versiegelungen
Als nächster trat Robert Lassak, Vertriebsleiter von MacDermid Enthone, ausgebildeter Galvaniseur und Metallschleifer, ans Rednerpult. Er vertrat Dr. Michael Schem, der aufgrund einer Grippe nicht nach Leipzig kommen konnte. Der Vortrag hatte das Thema „Nachhaltigkeitsaspekte bei Versiegelungen“ und wurde von Lassak mit einem Zitat von Hans Carl von Carlowitz, dem Vater der nachhaltigen Forstwirtschaft, eingeleitet. Er schrieb im 17. Jahrhundert, dass dem Wald nicht mehr Holz entnommen werden sollte, als nachwachsen kann. Nachhaltiges Holz ist heute ein wichtiges Thema, Möbelhersteller wie IKEA werben damit. Bei Kunststoffen ist es anders mit der Nachhaltigkeit, da sie aus petrochemischen Prozessen stammen – wollte man Kunststoffe aus Pflanzen herstellen, würde das 5 % der landwirtschaftlichen Fläche in Anspruch nehmen, rechnete Lassak vor. 100-prozentige Nachhaltigkeit sei jedoch nicht möglich, bekräftigte er, eine Mischlösung aus petrochemischer und nachhaltiger Produktion werde angestrebt. Bei den Versiegelungen bezog er sich auf Passivierungen, durch die der Korrosionsschutz erst seine volle Schutzwirkung entfalten kann. Er stellte eine mögliche neue Versiegelung mit bis zu 60 % Bioanteil, guter Optik, einem Reibwert µ von 0,1-0,15, Kostenvergleichbarkeit mit fossil-basierten Produkten und einer Ansatzkonzentration von 20-30 % mit einem guten Korrosionsschutz vor.
Optimierung von Stromschienenverbindungen
Dennis Stritter von Atotech sprach im Anschluss über die „Elektrische und mechanische Optimierung von verschraubten Stromschienenverbindungen“. Für Kontaktflächen wie diese wurden in der Vergangenheit Zinn-Zink-Beschichtungen eingesetzt. Er präsentierte Überlegungen, die im Vorfeld einer Optimierung erforderlich sind, etwa die Frage, welche Bauteile sich im Fahrzeug nach der Änderung des Antriebsstrangs hin zur Elektromobilität verändern und welche Oberflächen die jeweiligen Stromschienen überhaupt haben. Grundsätzlich hielt er fest, dass bei der Elektrifizierung mehr elektrische Bauteile anfallen und richtete den Fokus seines Vortrags dann auf die Frage, welchen Einfluss Oberflächen auf die Leitfähigkeit haben. Hier sind die Faktoren Elektrolyt, Passivierung, Versiegelung/Topcoat, Härte und Sauberkeit zu berücksichtigen.
Elektronische Pillen für eine bessere medizinische Behandlung
Den letzten Vortrag des Vormittags bestritt Dr. Andreas Ostmann vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM). Er referierte über „Elektronische Pillen für Diagnose und Therapie“, die die medizinische Behandlung deutlich verbessern könnten. Derartige Pillen enthalten Semi-Flex-Leiterplatten. Mithilfe eines Roboterarms werden die Pillen für die Ärzte aufspür- und sichtbar, zudem kann die präzise Wirkstoff-Dosierung einer elektronischen Pille die Gesundheit des Patienten verbessern und die Medikamentenmenge reduzieren. Dr. Ostmann wies darauf hin, dass ein mechanisches Objekt umwelttechnisch deutlich leichter zu handhaben ist als chemische Stoffe, die schlussendlich in die Kanalisation gelangen. Allerdings sei für den Einsatz in der Medizin noch viel Entwicklungsarbeit erforderlich. Zudem sei die Gefahr groß, dass sich das Projekt als unwirtschaftlich erweise. Hintergrund sind hier überwiegend immense bürokratische Hürden, erläuterte Dr. Ostmann.
Dr. Andreas Ostmann vom Fraunhofer IZM in Berlin präsentierte eine elektrische Pille mit integrierter Leiterplatte
Leipziger Galvanopreis
Nach der Pause folgte die Verleihung des Leipziger Galvanopreises, der in diesem Jahr nicht für eine Innovation verliehen wurde, sondern an das Team rund um Thilo von Vopelius für die Gründung und den Aufbau des Museums für Galvanotechnik ging. Das Museum in Leipzig – wegen der Gründung der Langbein-Pfannhauser-Werke im Jahr 1881 wird die Stadt als Wiege der Galvanotechnik bezeichnet, wie von Vopelius betonte – ist das bislang einzige in Deutschland. Den Verein Deutsches Museum für Galvanotechnik e. V. gibt es seit 2010. Neben den zahlreichen Exponaten, die die Geschichte der Technologie nachzeichnen, wird Schulkindern hier auch die Gelegenheit gegeben, vor Ort Münzen zu vergolden. Von Vopelius dankte der Fa. Max Schlötter, die den Goldelektrolyten bereitstellt, und verriet, dass es Anfragen gebe, die Vergoldung von Münzen, die bislang nur in Leipzig möglich ist, zu virtualisieren, also digital möglichst echt nachzubilden. Die Vergoldung könne so ortsunabhängig Schulklassen im ganzen Bundesgebiet veranschaulicht werden. Er informierte die Tagungsteilnehmerinnen und Teilnehmer zudem, dass auf der Hauptversammlung des Vereins am Vortag ein neuer Vereinsvorsitz gewählt worden sei: Neuer 1. Vorsitzender ist Dr. Thomas Krümmling, Geschäftsführer des Technologiezentrums für Oberflächentechnik und Umweltschutz Leipzig GmbH (TZO), der 2. Vorsitzende ist Michael Stoffers von Vopelius Chemie, ebenfalls in Leipzig.
Stefan Kaßner von der Preisfindungskommission, Leipziger Galvanopreisträger Thilo von Vopelius und DGO-Geschäftsführer Dr. Daniel Meyer (v.l.n.r.)
Titration und Analytik
Um das Thema Titration „Easy to handle and applicable for everyone – Routineanalytik in Galvano- und Oberflächenbetrieben?“ ging es im Folgenden. Referenten waren Dr. Elke Spahn, Gravitech GmbH, und Dr. Markus Guttmann vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Beide Wissenschaftler sind Chemiker. Markus Guttmann hat in Leipzig studiert und promoviert, Elke Spahn hat in Mainz promoviert. Sie beschrieb die Entwicklung ihres Unternehmens, das sechs Mitarbeiter hat und 2021 gegründet wurde. Titration, das sei eine definierte Reaktion und ein definierter Endpunkt, erklärte sie, beklagte aber, dass Analytik in der Galvanik ein Schimpfwort sei. Wenn Analytik verlorengehe, gehe wichtiges Know-how verloren. Auch Nachhaltigkeit und Digitalisierung seien nur mit Analytik möglich. Eine gelungene Einbindung von Titrationsverfahren in den Unterricht sei an der Berufsschule Zwickau zu beobachten. Dort hätten die Berufsschüler auf klassische Art und Weise die Bestandteile Zink und Nickel im Elektolyten ermittelt. Sie rief dazu auf, gravimetrische Analytik als Standard in die Berufsausbildung einzubinden.
Dr. Elke Spahn und Dr. Markus Guttmann teilten sich den Vortrag über Titration und Analytik
Brandschutz und Versicherbarkeit von Galvaniken
Brandschutz ist ein zentrales Thema in der Galvanotechnik, brennen doch regelmäßig galvanotechnische Betriebe in Deutschland ab. Jörg Zimmermann von der Gazima Galvanische Veredelung Zimmermann GmbH aus Grünhain-Beierfeld hielt deshalb den Vortrag „Effektiver Brandschutz in der Galvanotechnik und Zusammenarbeit mit der Feuerwehr“. Anfangs erwähnte er Brände bei der Saxonia Galvanik in Halsbrücke sowie den Brand bei Diehl in Berlin im Mai 2024. Folgen der Brände seien neben der Zerstörung durch Feuer Schäume, Fischsterben durch kontaminiertes Löschwasser und in der Folge Gerichtsprozesse. Es sei ratsam, das Feuer in manchen Fällen auch ausbrennen zu lassen, um die Kontamination von Flüssen zu verhindern. Er warnte davor, die Medien nicht genau zu informieren, da die Folge Falschmeldungen seien. Zimmermann fragte zudem, ob die elektrische Badheizung noch zeitgemäß sei, da es immer wieder dazu kommt, dass Badheizungen überhitzen oder Wannen durchschmelzen. Zwar würden Polypropylen-Wannen nicht schnell in Brand geraten, passiere das aber dennoch, sei ihr Heizwert „unglaublich hoch“, so Zimmermann. Er empfahl automatische Löschanlagen sowie Rauchmelder auch in Schaltschränken. Inzwischen seien Galvanikanlagen Spielball der Versicherungen. Betrachte man etwa, dass Solaranlagen auf dem Dach für einige Versicherungen „unerwünscht“ seien, gebe es keine klaren Erkenntnisse darüber, was die Versicherungen eigentlich von Galvaniken fordern. Nach dem Vortrag entwickelte sich eine rege Diskussion darüber, wie die Versicherbarkeit von Galvaniken gewährleistet werden könnte und was etwa der DGO diesbezüglich tun könnte. Vorgeschlagen wurde ein Gremium mit Einbindung der Politik, das sich an die Versicherer wendet. Das Beispiel eines Unternehmens mit 25 Millionen Euro Selbstbeteiligung verdeutlichte die Absurdität mancher Versicherungsverträge.
Energieeffizienzgesetz und Wärmerückgewinnung
Für das letzte Thema der Tagung trat Johannes Flore von Calorplast Wärmetechnik in Krefeld ans Rednerpult. Sein anhand des Vortrags ausgearbeiteter Artikel ist zeitgleich zum Leipziger Fachseminar in der Märzausgabe erschienen. Er sprach über die Maximierung der Energieeffizienz durch Wärmerückgewinnung. Es ging um das Energieeffizienzgesetz sowie die darin enthaltenen Anforderungen für Unternehmen, Maßnahmen zur Reduzierung ihres Energieverbrauchs zu implementieren. Calorplast bietet hier mit der Wärmerückgewinnung die Möglichkeit, den Anforderungen gerecht zu werden. Flore nannte die Abluftwärmerückgewinnung sowie die Wärmepumpenintegration als technische Lösungen und ging u. a. auf die Investitionskosten und die Notwendigkeit der Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein.
Mehr hierzu in Galvanotechnik 3/2025, S. 318 ff.