Bei den meisten Metallen, die galvanisch abgeschieden werden, handelt es sich um gewöhnliche, um nicht zu sagen langweilige Anwendungen. Wenn man das hunderttausendste Werkzeug vernickelt und die einmillionste Schraube verzinkt hat, sorgt das bei den wenigsten Oberflächenbeschichtern für Luftsprünge. Die spannendsten Geschichten gibt es bei Edelmetallen.
Der goldene Finger

Zu meiner Berufsschulzeit begeisterte einer unserer Lehrer mit der Erzählung, dass ein ehemaliger Kollege von ihm einen seiner Finger galvanisch vergoldete, als der James Bond-Film „Goldfinger“ 1964 in die Kinos kam. Ob die Geschichte aus dem Reich der Galvanomystik stammt, lässt sich heute nicht mehr sagen, aber sie brachte unsere jungen Augen zum Leuchten und zeigte einen von vielen außergewöhnlichen Aspekten unseres Berufes. 2020 brachte der ehemalige Galvanotechnik-Chefredakteur Heinz Käsinger den Thriller „Die Helsinki-Verschwörung“ zu Papier [1]. Zentrales Thema war die galvanisch vergoldete Leiche eines Professors.
Edelmetalle begeistern Menschen, ganz besonders das ewig junge Gold. Als Galvaniker ist man lebenslänglich mit der Frage konfrontiert, was man eigentlich tut. Bereits in meiner Ausbildung bin ich dazu übergegangen, Vergolden und Versilbern als Beispiel zu nennen, auch wenn ich überwiegend vernickelt und verzinkt habe. Aber bei Gold und Silber hat jeder Schmuck und andere edle Gegenstände vor Augen. Sie wirken nicht nur aufgrund chemischer Eigenschaften zeitlos, sondern auch kulturell. Bereits die spezifische Dichte sorgt für das Gefühl, etwas ganz Besonderes in den Händen zu halten.
Das goldene Spinnennetz ist eine besondere Herausforderung für den Galvaniseur (Foto: Klaus Decker)
Gold auf Wolfram
Das brachte mich in den 2010er-Jahren auf die nie realisierte Idee, aus Wolfram Schmuck herzustellen, der anschließend vergoldet wird. Der Gedanke war, sich möglichst hochwertig anfühlenden Modeschmuck zu erzeugen, der zugleich bezahlbar war. Erst einige Jahre später stolperte ich darüber, dass die Vergoldung von Wolfram lange Zeit genutzt wurde, allerdings als Betrugsmasche. Bei der nahezu identischen Dichte zu Gold war ein zerstörungsfreier Nachweis lange kaum möglich, weshalb auf diese Weise einige vergoldete Wolframbarren in den Goldmarkt gelangten. Heute ist der Beleg dank tragbarer X-Rays zum Glück kein Problem mehr. Ein ähnliches Vorgehen wird auch bei der Bagdad-Batterie postuliert. So gibt es die Theorie, dass die rund 2000 Jahre alte Batterie womöglich zur Vergoldung von Silbermünzen eingesetzt wurde – aus denselben Gründen wie die Wolframbarren [8].
Schuhe, Obst und Leichen
Für wesentlich mehr Begeisterung als die Betrügereien sorgt die Kunst. Ein Klassiker ist die Galvanisierung von Erstlingsschuhen – eine Mode, die in den 1980er-Jahren aufkam und ein Jahrzehnt später wieder vorbei war [2]. Heute noch populär ist die galvanische Vergoldung und Versilberung von echten Pflanzen, vorwiegend Rosen [3, 4]. Wirklich außergewöhnlich ist die Galvanisierung von Spinnennetzen. Hierbei muss erst ein geeignetes Netz, am besten in der Ecke eines Raumes, gefunden werden. Anschließend wird es mit Klarlack so lange besprüht, bis das Netz stabil genug ist, damit es ohne Schaden entfernt werden kann. Der Rest folgt den bekannten Gesetzen der Galvanoplastik.
Silbern galvanisierte Kinderschuhe, hier aus der Familie Leuze-Reichert, sind ein beliebtes Andenken an die Kindheit des Nachwuchses
Die Galvanisierung organischer Objekte ist nicht neu. Im Technischen Museum in Wien befinden sich zwei äußerst interessante Ausstellungsstücke, beide aus dem Jahr 1850. Dabei handelt es sich um eine Birne und einen Apfel, die von der Firma Christofle (Paris) versilbert wurden. Untersuchungen ergaben, dass die Früchte unter der Metallschicht selbst heute noch aussehen, als hätte man sie gerade erst galvanisiert [5].
Das 19. Jahrhundert war diesbezüglich ohnehin eine sehr experimentelle Zeit. Als Ersatz für die Einbalsamierung schlug ein Franzose schon 1856 vor, Tote zu galvanisieren [6]. 1887 berichtete der „Ann Arbor Courier“ aus Michigan/USA über einen Geschäftsmann, der metallene Toten-Statuen herstellen wollte, um Vorfahren über Jahrhunderte zu konservieren [7]. Die Idee hielt sich bis in die 1930er-Jahre hinein, konnte sich aber dauerhaft weniger durchsetzen als die galvanisierten Erstlingsschuhe.
Eine kuriose Galvanoplastik, die der Leuze Verlag anlässlich seines 100. Jubiläums im Jahre 2002 erhalten hat (Foto: Klaus Decker)
Das goldene Auto
DeLorean, Modell DMC 12, mit einer 24-Karat-Karosserievergoldung, die 1979 von der damaligen Degussa (heute Umicore) durchgeführt wurdeAuch im anorganischen Bereich gibt es stetig faszinierende Projekte auf dem Gebiet der Edelmetalle. Ebenfalls in meiner Ausbildung sprach man wiederholt vom vergoldeten DeLorean (Modell DMC 12) [8]. 1979 beauftragte American Express die DeLorean Motor Cars Ltd., eine Serie von Fahrzeugen mit einer 24-Karat-Goldbeschichtung für ihre Goldcard-Werbekampagne zu produzieren. Die Vergoldung wurde von Umicore (damals Degussa) in Zusammenarbeit mit der Firma Karl Holder (heute Holder GmbH Oberflächentechnik) durchgeführt. 1981 wurden zwei goldene DeLoreans hergestellt und im Weihnachtskatalog von American Express angeboten. Heute befinden sich diese Fahrzeuge in der Snyder National Bank in Texas und im National Automobile Museum in Reno, Nevada. Ein drittes Gefährt wurde später aus Ersatzteilen nach dem Konkurs der DeLorean Motor Company zusammengesetzt. Damals faszinierte mich die Geschichte vor allem, da ich ein großer Fan der „Zurück in die Zukunft“-Filme war, heute eher wegen der Technologie.
Und so hat auch mein persönliches Highlight mit einem Edelmetall zu tun, nämlich mit Silber und einer darunterliegenden Vorvergoldung. Es handelte sich um einen Prototyp für einen Dichtungsring aus Edelstahl, der einen Durchmesser von 1,2 Metern hatte und ausschließlich auf der äußersten Kante versilbert werden durfte. Die Beschichtung musste höchsten Ansprüchen genügen und wir hatten nur einen Versuch. Meine Aufgabe bestand darin, eine geeignete Verfahrenstechnik zu entwickeln und den Ring anschließend mit einem kleinen Team im Tamponverfahren zu versilbern. Dabei bestand der Reiz nicht einmal in der anspruchsvollen Beschichtung, sondern im Verwendungszweck: Der Dichtungsring war für ITER, den Versuchs-Kernfusionsreaktor in Saint-Paul-lez-Durance, Frankreich, gedacht. Zum ersten Mal durfte ich erahnen, was es für ein Gefühl ist, ein kleiner Teil eines gigantischen Projekts zu sein.
Silber, Quecksilber und Gold
Vergoldeter Schnuller – der Fantasie in Sachen Andenken sind bei der Galvanisierung mit Edelmetallen keine Grenzen gesetzt (Foto: Klaus Decker)Doch auch abseits der Galvanotechnik lassen sich Kuriositäten der Beschichtungstechniken finden, etwa im Buch „Neues einfachstes und vorteilhaftestes Verfahren der Vergoldung, Versilberung, Verplatinierung, Verkupferung und Verzinnung, ohne Galvanismus und Apparate, durch blosses Eintauchen des zu vergoldenden Gegenstandes in eine Flüssigkeit“ aus dem Jahr 1845. Der griffige Titel sagt bereits ganz gut, worum es im rund neunzigseitigen Buch geht. Fans von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz werden daran eine besondere Freude haben. Das Buch ist nicht nur verfahrenstechnisch interessant, sondern stellt zugleich eine Fundgrube voller Negativbeispiele für Mitarbeiterschulungen dar. Ein Beispiel auf Seite 59: „Man löst Silber in Salpetersäure, tränkt damit alte Läppchen, trocknet diese und verbrennt sie in einer Schüssel, wobei man dafür sorgt, dass nichts durch Luftzug oder auf sonstige Weise zerstreut wird. Das Silber befindet sich in metallischen Partikelchen in der Asche und wird mittels eines in Salzwasser getauchten Korks auf den zu versilbernden Gegenstand aufgerieben.“
Heute können wir darüber nur müde lächeln und ggf. diskutieren, ob dies nach derzeitigen Standards überhaupt als „Beschichtung“ gilt. Ein ebenfalls im Buch beschriebenes, sehr altes Verfahren ist die Feuervergoldung. Dabei wird zunächst Gold mit Quecksilber vermischt, wodurch sich ein Goldamalgam bildet. Dieses wird auf die Oberfläche – meistens Bronze, etwa durch einen Pinsel – aufgetragen. Nach der Trocknung wird in einem Ofen oder mit einem Gasbrenner das Quecksilber verdampft. Aufgrund der schweren Gesundheitsschäden ist dieses Verfahren bei uns schon lange verboten – in Frankreich z. B. seit etwa 1830. Dennoch finden sich auf YouTube immer noch zahlreiche Videos, die belegen, dass dieses Verfahren selbst heute noch in manchen Teilen der Welt angewandt wird.
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Veredelte Kuriositäten
Edelmetalle faszinieren uns auf vielfältige Weise – sei es durch ihren historischen Kontext, ihre vielseitigen Anwendungsgebiete oder innovativen Beschichtungsverfahren. In der Redaktion sind wir überzeugt, dass unsere Leser noch zahlreiche weitere spannende Beispiele bereithalten. Teilen Sie uns Ihre Vorschläge mit, und wir verwandeln diese in einen weiteren interessanten Artikel.
Literatur
[1] Die Helsinki-Verschwörung; Heinz Käsinger; Eugen G. Leuze Verlag; ISBN 978-3-87480-366-3
[2] Aus der Praxis – für die Praxis 12/1985; Verkupfern von Erstlingsschuhen
[3] Rosen vergolden - So kannst du Rosen vergolden; https://www.blumeideal.de/blog/rosen-vergolden
[4] UNSER 60-SCHRITTE-PROZESS; https://www.rosederewigkeit.de/60-schrittverfahren
[5] Geschichte[n] aus der Galvanik; Galvanotechnik 01/2013; Eugen G. Leuze Verlag
[6] Geschichte der Galvanotechnik; Auflage 1959; Eugen G. Leuze Verlag; ISBN 3-87480-077-6
[7] Leichen in Metall; https://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/tueftler-des-19-jahrhunderts-planten-galvanisierung-von-leichen-a-858401.html
[8] Die Batterie der Parther; Eugen G. Leuze Verlag; ISBN 3-87480-206-X