Eugen Georg Leuze und der Aufstieg der „Galvanotechnik“

Porträt von Eugen Georg Leuze. Der Verlagsbuchhändler legte 1902 den Grundstein für die Galvanotechnik- Fachzeitschrift und den Leuze Verlag (Bild: Privat)
  • Titelbild: Porträt von Eugen Georg Leuze. Der Verlagsbuchhändler legte 1902 den Grundstein für die Galvanotechnik- Fachzeitschrift und den Leuze Verlag (Bild: Privat)

Eugen G. Leuze wäre in diesem August 150 Jahre alt geworden. Wer war der Mann, der 1902 den Grundstein für das publizistische Branchenschwergewicht Galvanotechnik und den Leuze Verlag gelegt hat? Die Rückschau gibt den Blick frei auf einen Mann, der sich als Verlagsbuchhändler einen Traum erfüllte: Er rief ein eigenes galvanotechnisches Medium ins Leben. Es hat die deutsche Industrieentwicklung im Berich Galvanotechnik nun weit über 100 Jahre lang auf dem jeweils aktuellen Stand der Technik begleitet

1874 war Reutlingen eine pulsierende, industriell geprägte Stadt in Württemberg. Die Textilindustrie dominierte das Stadtbild, das gewerbliche Treiben war von Webstühlen und frühen Maschinen geprägt. Auf den Straßen herrschte geschäftiger Trubel: Arbeiter strömten zu den Fabriken, Händler boten ihre Waren feil und Pferdekutschen klapperten über das Kopfsteinpflaster. Die Stadt in den frühen Jahren des Kaiserreichs erlebte einen wirtschaftlichen Aufschwung.

In diese Welt wurde Eugen Georg Leuze am 8. August 1874 hineingeboren. Seine Eltern besaßen ein Kaufhaus, doch schon früh wurde Eugen Vollwaise. Unbeirrt verfolgte er jedoch seinen Traum, einen eigenen Verlag zu gründen. Um dieses Ziel zu erreichen, zog er nach Leip­zig, das schon zu jener Zeit als „Verlagsstadt“ und Zentrum des deutschen Buchhandels galt. Der Umzug bedeutete eine große sprachliche und kulturelle Umstellung, denn während Reutlingen im Jahr 1900 nur etwa 21.000 Einwohner zählte, hatte Leipzig über 450.000. Die Stadt war geprägt von lebhaften Messeaktivitäten, kulturellem Reichtum und einem dynamischen wirtschaftlichen Aufschwung, was sie zu einem idealen Ort für einen Neuanfang machte. In jenem Jahr wurde in Leipzig auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gegründet. Es war Gründerzeit.

Metallhandwerke bündeln sich zur Galvanotechnik

1902 war es soweit. Mit knapp 28 Jahren veröffentlichte Eugen Georg Leuze seine erste Zeitschrift: „Gürtler-, Bijouterie- und Broncewaren-Industrie“. „Bijouterie“ stammt aus dem Französischen und bezeichnet die Kunst der Schmuckherstellung; der Gürtler, heute als Metallbildner bekannt, formt und bearbeitet Metall. Der etwas sperrige Titel spiegelt die Vielfalt der metallverarbeitenden Handwerke wider, die sowohl funktionale als auch dekorative Produkte hervorbrachten. Diese Branchen waren um die Jahrhundertwende in industriellen und handwerk­lichen Kreisen hoch angesehen und relevant. Die Fachzeitschrift diente als Plattform, um Wissen und Neuigkeiten über Techniken, Materialien und Markttrends in diesen Bereichen zu verbreiten.

Aufmachung der Zeitschrift im Januar 1936. Damals hieß die Zeischrift MSV - Metall- und Schmuckwaren-Fabrikation sowie VerchromungAufmachung der Zeitschrift im Januar 1936. Damals hieß die Zeischrift MSV - Metall- und Schmuckwaren-Fabrikation sowie Verchromung

Nach der Neugründung im Westen 1952 wandeln sich die sperrigen Titel der ersten knapp 50 Jahre zum heute bekannten Titel GalvanotechnikNach der Neugründung im Westen 1952 wandeln sich die sperrigen Titel der ersten knapp 50 Jahre zum heute bekannten Titel Galvanotechnik

Im Leuze Verlag wurde die Corona-Zeit für einen „Relaunch“ genutzt. Seit September 2020 hat die Zeitschrift eine neue Aufmachung und erscheint im „GEO“-FormatIm Leuze Verlag wurde die Corona-Zeit für einen „Relaunch“ genutzt. Seit September 2020 hat die Zeitschrift eine neue Aufmachung und erscheint im „GEO“-Format

Die frühe Geschichte der Zeitschrift zeigt Leuzes Weitsicht und seinen unternehmerischen Mut. Schon vier Jahre nach der Gründung änderte sich der redaktionelle Fokus deutlich, was sich auch im Untertitel widerspiegelte: „Zeitschrift für die gesamte galvanische, chemische und mechanische Metall-Behandlung und Verarbeitung“. Trotz des frühen Verkaufs der Zeitschrift an den VerlagF. Ernst Steiger 1912 gründete Leuze 1920 eine weitere Publikation namens „Zeitschrift für Metall- und Schmuckwaren-Fabrikation sowie Verchromung“, kurz „MSV“. Diese beiden Magazine wurden aufgrund ihrer unterschiedlichen Umschlagfarben als „rote“ und „blaue“ Zeitschrift bekannt.

Zeitschrift wird zum Forum der Unternehmer

Ein Blick in das Leuze Online-Archiv verdeutlicht den zeitlosen Charakter der MSV aus den 1930er- und 1940er- Jahren. Sie war voller Berichte über technische Neuentwicklungen, Erfahrungsberichte, Patente und sogar Diskussionen, wie man sie heute nur noch aus dem Internet kennt. Während heutzutage anonym Halbwissen verbreitet wird, beteiligte sich damals u. a. Dr.-Ing. Max Schlötter persönlich am fachlichen Diskurs. Die bis heute sehr beliebte Rubrik „Aus der Praxis – für die Praxis“ fand in jenen Tagen, nämlich im Mai 1935, ihren Anfang. Die ersten beiden Artikel dieser Ausgabe trugen die Titel „Löslichkeit der Anoden“ und „Kleine Winke für die Verchromung“. Bemerkenswert ist auch, dass die ansonsten sehr textlastige Zeitung durch vereinzelte Karikaturen aufgehübscht wurde. Im Jahr 1939 wurde das erste MSV-Jahrbuch der Galvanotechnik veröffentlicht (das heutige Jahrbuch Oberflächentechnik). Ursprünglich im DIN-A6-Format, bot es unter anderem eine Übersicht über Fehlerquellen beim Galvanisieren und deren Behebung sowie Informationen zu neuen Verfahren, wie beispiels­weise die Hartverchromung. Nicht nur beruflich fand Eugen Georg Leuze sein Glück, sondern auch privat. Er heiratete die aus dem späteren Westberlin stammende Gertrud. Aus der Ehe gingen Sohn Heinz und Tochter Senta hervor.

Bayerische Straße 61 in Leipzig: Hier stand das Verlagsgebäude des Leuze Verlags ursprünglichBayerische Straße 61 in Leipzig: Hier stand das Verlagsgebäude des Leuze Verlags ursprünglich

Ein Geburtstagsgruß zum 70. Geburtstag von Eugen G. Leuze im Jahr 1944. Kurz zuvor war das Verlagsgebäude ausgebombt wordenEin Geburtstagsgruß zum 70. Geburtstag von Eugen G. Leuze im Jahr 1944. Kurz zuvor war das Verlagsgebäude ausgebombt worden

Krieg und Niederlage beenden Leipziger Zeiten

Während des Zweiten Weltkriegs ordnete die Reichspresse­kammer an, dass in jedem Fachbereich nur noch eine Fachzeitschrift erscheinen durfte. Dies führte zur Fusion der „roten“ und „blauen“ Zeitschrift unter dem Titel „Metallwaren-Industrie und Galvanotechnik MSV“ am 10. April 1943. Trotz der Zerstörung des Leipziger Verlagsgebäudes durch Bombenangriffe am 4. Dezember 1943 erschien die Zeitschrift bis Kriegsende regelmäßig. Die Verlagsräume wurden zunächst von der Bayrischen Straße 61 in die Dufourstraße 36 und ab September 1944 in die Menckestraße 14 verlegt.

Schicksalstag 4. Dezember 1943: Der Leuze Verlag wird ausgebombtSchicksalstag 4. Dezember 1943: Der Leuze Verlag wird ausgebombt

Heinz Leuze übernahm bereits in den 1930er-Jahren die Schriftleitung der Zeitschrift. Nach seiner Einberufung und Abkommandierung nach Russland übernahm sein Vater interimistisch wieder diese Position. Eugen Georg Leuze verstarb am 3. April 1946 in Leipzig im Alter von 71 Jahren, während sein Sohn Heinz erst 1947 aus der russischen Gefangenschaft zurückkehrte.

Neustart im Westen

Er stand vor der Herausforderung, den Verlag in der Nachkriegszeit neu zu etablieren. Da in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands keine Verlagslizenz erteilt wurde, entschloss sich Heinz Leuze, den Verlag in den Westen zu verlegen. Im Frühjahr 1952 fand er in Saulgau, Württemberg, eine neue Heimat für den Leuze Verlag, den er gemeinsam mit seiner Frau Steffi komplett neu aufbaute. Dass der neue Standort nur eine Autostunde von Reutlingen entfernt lag, war purer Zufall. Die Entscheidung für Saulgau fiel, weil ihm vom Haug-Verlag – einem medizinischen Verlag – eine Stelle angeboten wurde.

Heutiger Sitz des Leuze Verlags im württembergischen Bad Saulgau. Das Gebäude an der Karlstraße wurde im Jahr 1988 bezogenHeutiger Sitz des Leuze Verlags im württembergischen Bad Saulgau. Das Gebäude an der Karlstraße wurde im Jahr 1988 bezogen

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Mit großem Engagement und unter schwierigen Bedingungen gelang es Heinz Leuze, die Zeitschrift „Galvanotechnik“ wiederzubeleben. Im Dezember 1952 erschien das erste Heft nach dem Krieg, wodurch die Zeitschrift erneut ihren festen Platz in der Fachwelt einnahm. Zunächst trug sie weiterhin den alten Titel „Metallwaren-Industrie und Galvanotechnik“, der jedoch 1959 in den noch heute verwendeten Titel „Galvanotechnik“ geändert wurde. Unter Heinz Leuzes Leitung entwickelte sich der Verlag zu einem bedeutenden Anbieter technischer Fachliteratur, insbesondere im Bereich der galvanischen und chemischen Oberflächenbehandlung von Metallen.

Eugen G. Leuze hinterlässt nachhaltiges Erbe

Eugen Georg Leuzes visionäre Arbeit und sein Beitrag zur Fachverlagswelt hinterließen ein nachhaltiges Erbe. Die „Galvanotechnik“ blieb ein unverzichtbares Medium für Fachleute weltweit und spiegelte den kontinuierlichen Fortschritt und die Innovationen in der Metallbearbeitung wider. Trotz persönlicher und beruflicher Herausforderungen konnte der Leuze Verlag über Generationen hinweg bestehen und sich als führende Adresse für galvanotechnische Publikationen etablieren.

Danksagung

Einige Bilder und Zusatzinformationen stammen aus dem Museum für Galvanotechnik in Leipzig und wurden von Ulrich Viehweger und Thilo von Vopelius bereitgestellt.

Bilder im Artikel: Archiv, Museum für Galvanotechnik

  • Ausgabe: August
  • Jahr: 2024
  • Autoren: Sven Gramatke
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Eugen G. Leuze Verlag GmbH & Co. KG
Karlstraße 4
88348 Bad Saulgau

Tel.: 07581 4801-0
Fax: 07581 4801-10
E-Mail: info@leuze-verlag.de

 

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