Meilenstein für die Zukunft der Oberflächentechnik

Die Oberflächenbeschichter von morgen im neuen Galvanotechnikum in Solingen (Fotos: Robert Piterek)
  • Titelbild: Die Oberflächenbeschichter von morgen im neuen Galvanotechnikum in Solingen (Fotos: Robert Piterek)

Bei der Ausbildung von Oberflächenbeschichtern in Deutschland ist Ende September in Solingen ein neues Kapitel aufgeschlagen worden: Das Galvanik-Zentrum, das modernste seiner Art in Deutschland, öffnete feierlich seine Tore. Trotz herbstlichem, windigem Wetter kamen zahlreiche Galvanikunternehmer, Politiker und Verbandsvertreter zum neuen Standort des Zentrums an der Blumenstraße. Die Eröffnung markierte den Höhepunkt eines sieben Jahre andauernden Projekts mit Investitionen von 5,6 Millionen Euro, das immer wieder durch Herausforderungen wie die Corona-Pandemie auf die Probe gestellt wurde.

Umfassende Möglichkeiten

Das neue Galvanik-Zentrum verfügt über ein hochmodernes Technikum, neue Klassenräume, das renovierte Wohnheim sowie das modernisierte Analytiklabor. Herzstück ist das Technikum, das durch seine umfangreiche technische Ausstattung glänzt. Schüler, angehende Meister und Techniker haben die Möglichkeit, eine Vielzahl an Beschichtungen durchzuführen, darunter Verkupfern, Vernickeln, Verchromen, Versilbern und Verzinken sowie das Abscheiden von Legierungen wie Zink-Nickel, Messing und Bronze. Auch die Vielfalt an Elektrolyten, die zur Verfügung stehen, ist bemerkenswert. Von Halbglanznickel und Hochglanznickel über Chemisch Nickel und NickelStrike bis hin zu sauren und cyanidischen Kupferelektrolyten sowie saurem und alkalischem Zink-Nickel – alle gängigen Varianten sind mehrfach vorhanden. Lediglich auf die mechanische Vorbehandlung müssen die Schülerinnen und Schüler aktuell noch verzichten. Diese ist aber im Aufbau.

Moderne Ausrüstung und moderne Anlagen für eine zeitgemäße Ausbildung mit starkem praktischen Bezug Rechts: Die Galvanisierung von Werkstücken war bei der Besichtigung des Technikums für die Besucher allgegenwärtigModerne Ausrüstung und moderne Anlagen für eine zeitgemäße Ausbildung mit starkem praktischen Bezug Rechts: Die Galvanisierung von Werkstücken war bei der Besichtigung des Technikums für die Besucher allgegenwärtig

Das Technikum, das von der Oberflächen- & Elektrotechnik Scheigenpflug GmbH aus Leipzig gebaut wurde, ist ein Meisterwerk moderner Technik. Trotz der umfassenden Ausstattung mussten jedoch einige Kompromisse gemacht werden, um sowohl Platz als auch Kosten zu sparen. So teilen sich beispielsweise Stahl und Buntmetalle die Entfettungseinheiten, und die cyanidischen Elektrolyte sind in einer Linie untergebracht, um die Verrohrung zur Abwasseranlage zu optimieren. Dennoch beeindruckte das Technikum die zahlreichen Besucher, darunter viele Vertreter der Industrie, mit seiner zukunftsweisenden Ausrichtung. Neben Stahl und Buntmetallen werden auch Aluminium, Zinkdruckguss und natürlich Kunststoffe in der Vorbehandlung berücksichtigt, was die Vielseitigkeit des Zentrums noch einmal unterstreicht.

Ausbildung und Digitalisierung im Fokus

Ein besonderes Highlight der Veranstaltung war die Möglichkeit, den Auszubildenden bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. In Live-Demonstrationen zeigten sie den Besuchern, wie verschiedene Teile galvanisiert werden. Unter ihnen war auch Dennis Hoch von der Firma Grohe, der den Gästen bereitwillig sein Können und Fachwissen über die unterschiedlichen Beschichtungen näherbrachte.

Dennis Hoch von Grohe ist einer der Azubis, die im Mai ihre Ausbildung abschließen. Hier ist er mit seinem Gesellenstück zu sehenDennis Hoch von Grohe ist einer der Azubis, die im Mai ihre Ausbildung abschließen. Hier ist er mit seinem Gesellenstück zu sehen

Andreas Buchner lehrt Chemie im neu eingerichteten AnalytiklaborAndreas Buchner lehrt Chemie im neu eingerichteten Analytiklabor

Dank einer Vielzahl technischer Hilfsmittel, darunter OneNote-Dokumentation, WLAN auf dem gesamten Gelände und einer Stundenplan-App, sowie virtuellen Besprechungsräumen wird der Unterricht auf einem modernen Niveau gehalten. Die Auszubildenden nutzen Tools wie Teams, Moodle und Office 365 und können ihre eigenen Geräte in die Schulstunden einbringen. Zudem erstellt Dr. Markus Richert weitere Lernvideos, um den digitalen Unterricht zu unterstützen. Mit viermal drei Zeitstunden im Galvanik-Technikum erhalten die Azubis viel Raum für das Erlernen der praktischen Fertigkeiten des Berufs, die sie in den Abschlussprüfungen am 13. Mai unter Beweis stellen können.

Bedeutung des Galvanik-Zentrums

Im Vorfeld der umfangreichen Besichtigung des Technikums, Chemielabors sowie der Klassenräume wurde bei den Eröffnungsreden die Bedeutung des Ausbildungszentrums hervorgehoben. In ihren Grußworten hoben Tim Kurzbach, Oberbürgermeister der Stadt Solingen, und Jörg Püttbach, Vorsitzender des Zentralverbandes Oberflächentechnik e.V. (ZVO) und CEO der BIA Gruppe, die immense Bedeutung des neuen Zentrums für die Region sowie die gesamte Branche hervor. Frank Tischlinger ergänzte die feierlichen Reden mit einer Präsentation über die moderne Ausbildung an der Schule, sprach aber auch Probleme an: Aktuell werden nur drei Techniker in Solingen ausgebildet. Bundesweit sind es aktuell nur 13. Ein Tiefpunkt in der Ausbildung dieser wertvollen Fachkräfte. Tischlinger rief dazu auf, die Ausbildung in den Betrieben zu intensivieren und die Azubis nach Solingen zu schicken.

TBK-Schulleiter Michael Becker begrüßte die zahlreichen Gäste in SolingenTBK-Schulleiter Michael Becker begrüßte die zahlreichen Gäste in Solingen

Ebenfalls wichtig: die Ausbildung mit Ausrüstung und Werkstücken aus den Betrieben, um den industriellen Realitäten möglichst nahe zu kommen. Hier sind regelmäßige Spenden aus den Galvaniken erforderlich. Tischlinger zeigte eine Auswahl an Blechbauteilen, Ersatzgestellen, Gurtschlössern und POP-Musterplatten, mit denen die Azubis aktuell arbeiten können. Der Leiter Fachschule und Oberflächentechnik hob in seiner Rede auch die starke Unterstützung des Fördervereins hervor, der von mehr als 20 Galvanikunternehmen und Zulieferern gesponsert wird und eine wesentliche Rolle bei der Finanzierung der Dozententätigkeit spielt.

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Einer der Klassenräume des Galvanikzentrum. Der Deckenprojektor projiziert per Microcast die Displays der Azubi-Geräte auf die vordere LeinwandEiner der Klassenräume des Galvanikzentrum. Der Deckenprojektor projiziert per Microcast die Displays der Azubi-Geräte auf die vordere Leinwand

Bernhard Gaida prägte Ausbildung

Die Geschichte der Galvanotechnik am Technischen Berufskolleg (TBK) Solingen reicht bis ins Jahr 1957 zurück, als die Ausbildung in Haus 1 begann. Später prägte Bernhard Gaida – auch bekannt durch zahlreiche Lehrbücher im Leuze Verlag – die Ausbildungsstätte maßgeblich. 1975 wurde das erste Galvaniklehrzentrum eingeweiht. Im Jahr 1987 folgte ein neues Lehrzentrum mit eigener Abwasseranlage, das jedoch den späteren Anforderungen nicht mehr gerecht wurde. Der Planungsprozess für das neue Galvanik-Zentrum begann im Jahr 2017, und durch die maßgebliche Finanzierung mittels Fördergeldern konnte das Projekt 2024 erfolgreich abgeschlossen werden. Zu den umfangreichen Modernisierungen gehören die Digitalisierung des Unterrichts, zeitgemäße Gefahrstoffschränke sowie modernste Abwasser- und Abluftanlagen. Eine besondere Neuerung ist die Möglichkeit, im neuen Zentrum auch Kunststoffe zu metallisieren.

Mit einem Gesamtbudget von 5,6 Millionen Euro, welches durch Spenden aus der Industrie und staatliche Fördermittel finanziert wurde, ist das Galvanik-Zentrum in Solingen der modernste Ausbildungsstandort für die Oberflächentechnik in Deutschland. Auf 235 Quadratmetern Hauptfläche und zusätzlichen 94 Quadratmetern im Untergeschoss bietet das Zentrum optimale Bedingungen für die nächste Generation von Oberflächenbeschichtern.

Der Blick nach vorne

Solingen setzt auf die eigenen Unternehmen und Talente. Oberbürgermeister Tim Kurzbach betonte in seiner Ansprache: „Lassen Sie sich nicht vom Fatalismus in der Gesellschaft anstecken.“ Die Stadt glaubt weiterhin an junge Menschen, die den Weg in die Ausbildung einschlagen möchten.

Das neue Galvanik-Zentrum ist Teil eines umfassenden Förderprojekts, das sowohl vom Land Nordrhein-Westfalen als auch vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unterstützt wurde. In den modernen Ausbildungs- und Schulungsräumen werden die angehenden Fachkräfte bereits seit Anfang des Jahres unterrichtet. Besonders das duale Ausbildungssystem, das in Deutschland für seine Praxisnähe bekannt ist, stand während der Veranstaltung im Mittelpunkt. Aktuell werden an der TBK Solingen 143 Auszubildende aus zehn Bundesländern unterrichtet.

„Uns fehlen heute die Azubis, die wir früher nicht ausgebildet haben“, mahnte BIA-Chef und ZVO-Vorstandsvorsitzender Jörg Püttbach in seiner Rede„Uns fehlen heute die Azubis, die wir früher nicht ausgebildet haben“, mahnte BIA-Chef und ZVO-Vorstandsvorsitzender Jörg Püttbach in seiner Rede

Frank Tischlinger ist Leiter Fachschule und Oberflächentechnik an der TBK-Solingen. Er stellte stolz das neue Galvanozentrum vor und rief zu verstärkter Ausbildung aufFrank Tischlinger ist Leiter Fachschule und Oberflächentechnik an der TBK-Solingen. Er stellte stolz das neue Galvanozentrum vor und rief zu verstärkter Ausbildung auf

Jörg Püttbach betonte in seiner Rede die Bedeutung einer frühzeitigen Fachkräfteausbildung: „Heute fehlen die Leute, die wir früher nicht ausgebildet haben!“ Er hob hervor, dass die Branche langfristig ausbilden müsse, um nicht auf Fachkräftemangel reagieren zu müssen. Auch die fortschreitende Digitalisierung spielt eine Schlüsselrolle in der Ausbildung: Der Unterricht wird digital organisiert, und den Lernenden steht ein Videoarchiv mit über 80 Lehrvideos zu den Grundlagen der Oberflächentechnik zur Verfügung. Zusätzlich wurden virtuelle Lehrräume eingerichtet, die genutzt werden, falls Schüler krankheitsbedingt nicht am Präsenzunterricht teilnehmen können.

Meilenstein für die Branche

Die Eröffnung des neuen Galvanik-Zentrums stellt einen Meilenstein für die Zukunft der Oberflächentechnik in Deutschland dar. Solingen bietet nun nicht nur modernste technische Ausstattung, sondern auch eine erstklassige Ausbildungsumgebung, die den Anforderungen der Industrie gerecht wird. Die Veranstaltung selbst war geprägt von einer fast familiären Atmosphäre, da sie mit dem jährlichen „Galvanotag“ zusammenfiel. Dies bot eine willkommene Gelegenheit, alte Weggefährten zu treffen, in Erinnerungen zu schwelgen und gemeinsam auf die zukünftigen Herausforderungen der Branche, an denen es nicht mangeln dürfte, anzustoßen.

  • Ausgabe: Oktober
  • Jahr: 2024
  • Autoren: Redaktion
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