Moderne Galvanik-Anlagen für Flugzeugbauer Pilatus

Zink-Nickel-Anlage - (Fotos: Galvabau)
  • Titelbild: Zink-Nickel-Anlage - (Fotos: Galvabau)

Für die Pilatus Flugzeugwerke AG in Stans/Schweiz hat der Schweizer Anlagenbauer Galvabau ein anspruchsvolles Projekt realisiert. Die Fertigungsprozesse Zink-Nickel und E-Coating erfolgen künftig auf zwei autarken Galvanik-Anlagen.

Das Projekt stellte insbesondere aus den folgenden Gründen sehr hohe Anforderungen an Pilatus und Galvabau:

  • Sehr enge Platzverhältnisse, was eine Aufstellung auf zwei Ebenen notwendig machte
  • Integration eines neuartigen E-Coating-Prozesses
  • Montage und Aufbau der beiden neuen Anlagen direkt neben der bestehenden Anodisieranlage, ohne dabei deren Produktion zu unterbrechen

Die beiden neuen Anlagen wurden parallel zur bestehenden Anodisieranlage installiert. Die Be- & Entladung der Bauteile erfolgt im Erdgeschoss. Von dort werden die Warenträger in die Prozessebene gehoben und durch die einzelnen Prozessbäder geführt. Aufgrund der benötigten, hohen Anzahl an Prozessbädern war es erforderlich, die Anlage oberhalb der Be- & Entladestation auf einem zusätzlichen Zwischenboden zu erweitern.

gt 2025 08 30Lösestation für Zinkanoden für das Zink-Nickel-Bad
gt 2025 08 31Gekapselter Speicher mit Frischluftzufuhr für Teileabkühlung (E-Coating-Anlage)

Anlage für E-Coating

Der E-Coating-Prozess, auch bekannt als anodische Tauchlackierung (ATL), ist ein elektrochemisches, industrielles Beschichtungsverfahren, mit zertifizierter Zulassung für die Luft- & Raumfahrt. Aufgrund der Zulassung wird das Verfahren zunehmend in dieser Industrie eingesetzt. Die Technologie ähnelt der Galvanisierung, mit dem Unterschied, dass die Schicht nicht metallisch, sondern organisch ist. Metallische Bauteile werden hierbei in ein wasserbasiertes Tauchbad (negativ geladene Lacklösung mit Harz, Pigmenten und Zusatzstoffen) eingetaucht. Beim Absetzen in das Tauchbad wird das Bauteil automatisch an den Pluspol eines Gleichrichters (Anode) angeschlossen. Mit dem Anlegen der Spannung und dem dadurch fließenden Strom wird das mit dem Bauteil in Kontakt stehende Harz saurer und koaguliert an dessen Oberfläche. Über die Gleichrichterspannung sowie der Verweildauer im Tauchbad kann die Schichtdicke gesteuert werden. Die Spannung wird während des Beschichtungsprozesses immer auf dem eingestellten Sollwert gehalten, dies wird durch den automatisch gesteuerten, sich ständig verändernden Stromfluss erreicht. Die Spannung kann bis auf maximal 400 V eingestellt werden.

Die anodische Tauchlackierung zeichnet sich aus durch:

  • Gleichmäßige Schichtbildung, selbst auf komplexen Geometrien und in Hohlräumen
  • Hervorragenden Korrosionsschutz
  • Hohe Reproduzierbarkeit des Prozesses

Dank eines geschlossenen Kreislaufsystems („Closed-Loop-System“) wird die Abwasserbelastung minimiert: Der Beschichtungs-Lack wird kontinuierlich vom Spül-Wasser getrennt und das aufbereitete Wasser (Permeat) wird in die nachfolgenden Spülstufen rückgeführt.

 Be- & Entladestation mit Dockwagen und HubeinrichtungBe- & Entladestation mit Dockwagen und Hubeinrichtung

Besondere Merkmale des E-Coating-Prozessbades:

  • Strömungsoptimiertes Bad zur Vermeidung strömungstechnischer Totzonen – Ablagerungen werden vermieden
  • Zwei autarke, externe Tauchpumpen (Fördervolumen je ca. das 10-Fache des Badvolumens) mit Rückleitungen ins Bad über ein Serduktoren-System. Die Rotationsgeschwindigkeit der Pumpenlaufräder ist entscheidend, um den Lack nicht zu zerstören.
  • 3D-Warenbewegung durch zwei autarke, regelbare und sich überlagernde Schwenkeinrichtungen
  • Ultrafiltrationsanlage zur Trennung vom Beschichtungslack und Spülwasser
  • Stapelbehälter für Reinigungs- & Wartungsarbeiten
  • Sicherheitseinrichtungen (Berührungsschutz) bei hohen Spannungen
  • Betrieb des Bades über eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) für maximale Sicherheit bei Stromausfällen – der Beschichtungs-Lack bleibt voll funktionsfähig.

Nach dem Durchlauf durch den E-Coating-Prozess und die anschließenden Spülstufen besitzt die Beschichtung auf den Bauteilen eine Grund-Druckfestigkeit und ist somit bereits handfest. Ihre endgültige Enddruckfestigkeit erreicht sie im Umluft-Trockner bei 120 °C mit integriertem Spezialfilter, womit sichergestellt wird, dass während des Trocknungsprozesses keine Fremdpartikel auf die Bauteiloberfläche gelangen.

Vor der Entnahme auf der Be- & Entladestation werden die Bauteile in einem gekapselten Speicher mit frischer, gefilterter Zuluft gekühlt.

gt 2025 08 33E-Coating-Anlage
gt 2025 08 34Ultrafiltrations- & Filtereinheiten mit autarken Tauchpumpen für das E-Coating-Bad

Anlage für Zink-Nickel & Passivieren

Die galvanische Zink-Nickel-Beschichtung ist in der Automobilindustrie weit verbreitet. In den letzten Jahren hat sie auch in der Luft- & Raumfahrt an Bedeutung gewonnen, da sie eine umweltfreundliche und leistungsstarke Alternative zum traditionellen Cadmiumverfahren darstellt.

Für das Zink-Nickel-Bad wurde eine speziell entwickelte Lösestation für Zinkanoden integriert, die die folgenden Merkmale aufweist:

  • Ausgeklügeltes und ergonomisches Handling der Zink­anoden
  • Regelung des Zinkgehalts über eine variable Eintauchtiefe der Zinkanoden, dies wird durch Ober- & Unterbehälter mittels Niveauregelung und Notablassfunktion erreicht.
  • Gute Durchmischung in den beiden Behältern mit filtrierter Rückführung ins Prozessbad
  • Auch für kleine Aktivbadvolumen und Warendurchsätze

In der Anlage können Bauteile aus Edelstahl, niedrig legierten oder unlegierten Stählen sowie Buntmetallen nach der Zink-Nickel-Beschichtung passiviert oder – falls erforderlich – auch ausschließlich passiviert werden. Die Verarbeitung erfolgt als Gestell- oder Trommelware.

Ausstattungsmerkmale beider Anlagen

Beide Anlagen verfügen über ein Baddeckel-System sowie Transportwagenabsaugung für eine massive Reduzierung der Gesamtabluftmenge. Weiter sind die Transportwagen mit Tropfschalen sowie einem innovativen Personenschutz-System ausgerüstet.

Die Anlagen werden gesteuert und geregelt über eine innovative und benutzerfreundliche High-Tech-Steuerung. Über die Software wird dem Anlagenbetreiber jede erdenkliche Möglichkeit geboten, alle Prozessparameter individuell einzustellen und zu überprüfen. Mit der Erfassung und Protokollierung aller Parameter sowie deren Auswertungsmöglichkeiten wird den hohen QR-Ansprüchen der Luft- & Raumfahrtindustrie Rechnung getragen.

gt 2025 08 35E-Coating-Bad mit Sicherheitseinrichtungen (Berührungsschutz)

gt 2025 08 36E-Coating-Bad mit Warenbewegung bei offenen Baddeckeln

Schweizer Qualität und präzise Planung

Die erfolgreiche Realisierung solch komplexer Projekte beginnt mit einer klaren Strategie: Galvabau setzt auf die aktive Einbindung aller Stakeholder von Beginn an. Offene Kommunikation und partnerschaftliche Zusammenarbeit stellen sicher, dass alle Interessen berücksichtigt werden.

Im Fokus steht dabei die konsequente Ausrichtung auf Schweizer Qualität – mit Produkten und Komponenten, wann immer möglich, aus der Schweiz oder Europa. Dank präziser Planung und einem ganzheitlichen Projektansatz konnten die beiden Anlagen mit hoher Verfügbarkeit und niedrigen Betriebskosten realisiert werden. Somit wurde nicht nur ein technisch überzeugendes Ergebnis erreicht, sondern es wird auch ein wirtschaftlich nachhaltiger Betrieb auf Jahre hinaus gesichert.

Die Anlagen wurden termingerecht an die Pilatus Flugzeugwerke übergeben, sodass die Qualifizierung der Prozesse direkt eingeleitet werden konnte. „Der E-Coating-Prozess ist für uns Neuland, doch die technischen Lösungen, die dabei zum Einsatz kommen, haben uns voll überzeugt. Besonders schätzen wir, dass wir in die Entscheidungsprozesse aktiv eingebunden wurden. Die Wahl des Lieferanten hat sich als richtig herausgestellt“, kommentierte Yaşar Kütükçü, Team Leader Plating & Inspection, die Projektdurchführung.

  • Ausgabe: August
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Redaktion
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