Ende Juni fand in Pforzheim am ZFP Zentrum für Präzisionstechnik in direkter Nachbarschaft zur Pforzheimer Hochschule zum ersten Mal der Expertentreff Oberfläche 2025 statt. Veranstalter war das Netzwerk Hochform, das sich 2021 als Clusterinitiative aus 70 Unternehmen aus dem Bereich der Präzisionstechnik formiert hatte. Die Idee der Veranstalter war es, die im Südwesten der Republik ansässige, umfangreiche Kompetenz in Sachen Oberflächentechnologie zusammenzubringen, zu bündeln und in einen Dialog mit der Industrie und Interessierten einzusteigen.
In der Gold-, Schmuck- und Uhrenstadt Pforzheim waren das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) aus Stuttgart sowie die Unternehmen IMO Oberflächentechnik GmbH, Wieland Edelmetalle GmbH, Dr.-Ing. Max Schlötter GmbH & Co. KG, G.Rau GmbH & Co. KG, P3 – Plating Precision Pforzheim GmbH & Co. KG, OTEC Präzisionsfinish GmbH, Meusburger Georg GmbH & Co. KG, oelheld GmbH, Höckh Metall-Reinigungsanlagen GmbH, laserKRAFTwerk GmbH, ultraTec Innovation GmbH sowie die RST GmbH mit Vorträgen und/oder eigenen Ständen vor Ort.
Der Expertentreff Oberfläche zählte insgesamt rund 100 Teilnehmer, die interessiert und aufmerksam zwölf hochkarätigen Vorträgen lauschten. In diesen Präsentationen wurde das Thema Oberfläche in all seinen Facetten (wissenschaftlich, technisch, produktionsorganisatorisch, regulatorisch) beleuchtet. Die Vorträge wurden durch eine kleine, aber feine begleitende Unternehmensausstellung eingerahmt, in der Firmen ihre Dienstleistungen und Produkte präsentieren und mit den Besuchern der Veranstaltung Kontakte knüpfen und vertiefen sowie den persönlichen Austausch pflegen konnten. Denn die Oberflächentechnik als Branche ist in Deutschland relativ überschaubar. Man kennt sich eben – aber nicht immer unbedingt persönlich! Für jeden Geschmack und fast jedes Thema in der Oberflächentechnik war etwas geboten.
Den Reigen der Vorträge eröffnete ein Referent vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) zum Thema Industrie 4.0 mit Digitalisierung und zu KI-Anwendungen in der Oberflächen- und Galvanotechnik. Ein weiterer, sich anschließender Vortrag beschrieb den Einsatz von KI in der Bauteilereinigung. Das Fazit beider Referenten war jedoch sehr ernüchternd. Deutsche Unternehmen sind bzgl. Digitalisierung und Anwendung von KI und maschinellem Lernen eher zurückhaltend und haben noch jede Menge Nachholbedarf, um das Potenzial der KI vollständig auszuschöpfen. Denn es ist zu bedenken: „Die Digitalisierung ist gekommen, um zu bleiben.“
Nitinol, eine binäre Nickel-Titan-Legierung (50/50), eine sogenannte intermetallische Phase, die ausnahmsweise nicht spröde ist und aufgrund ihrer für medizinische Anwendungen prädestinierten Eigenschaften vor allem im Medizintechnikbereich zum Einsatz gelangt, war Gegenstand einer Präsentation. Durch Beeinflussen der oberflächlichen Oxidschicht durch chemisches Passivieren bzw. Polieren oder Elektropolieren können die Eigenschaften, wie z. B. die Migrationsquote von Nickel, gezielt beeinflusst werden. Deshalb wird dieser Schichttyp gerne u. a. für die Stent-Technologie verwendet. Auch die Verwendung von Nickel-Zinn, Silber-Zinn, Bismut und Indium für die Beschichtung von Bauteilen mit Einpresszonen wurde in einem Vortrag thematisiert. Für solche Bauteile wird trotz Vorliegens dieser alternativen modernen Schichten am häufigsten immer noch reines Zinn verwendet.
Zwölf Vorträge, hier von Klaus Schmidt vom Fraunhofer IPA, wurden den rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern geboten
Interessant und innovativ fanden die Besucher auch die Beschriftung von metallischen Oberflächen mittels Ultrakurzlaserpulsen im Femto- bis Pikosekundenbereich zwecks Markierung von Bauteilen zur einfacheren Rückverfolgbarkeit und zu Design- und Werbezwecken. Mit diesem Verfahren gelingt die Applikation haltbarer, gestochen scharfer Schriftzüge etc. auch in Farbe oder mit holografischem Effekt. An der Stelle, die mit einem Schriftzug versehen werden soll, wird das Material durch „Pulverisieren“ abgetragen. Auch thermisch empfindliche Oberflächen lassen sich ohne Weiteres beschriften oder kennzeichnen.
Die Besprechung der eigentlichen Beschichtungsmethoden wie Tauch-, Streifen-, Brush-, Klebe- und Spottechnik in der Galvanotechnik kam ebenfalls nicht zu kurz. Alternative Schichten aus Silber-Antimon, Nickel-Phosphor mit Gold-Flash, Nickel-Phosphor-Silber anstatt Edelmetallen wurden zusätzlich betrachtet. PVD-Beschichtungen (Physical Vapor Deposition) zur Abscheidung dünner Metallauflagen weisen ebenfalls ein nicht zu unterschätzendes Potenzial in der Oberflächentechnik auf. Dieses Beschichtungsverfahren zeichnet sich dadurch aus, dass die Schichtdicke relativ einfach beeinflusst und eingestellt werden kann. Da keine Chemikalien zum Einsatz kommen, kann dieses Beschichtungsverfahren als äußerst nachhaltig betrachtet werden. Als limitierender Faktor dieser Beschichtungsmethode müssen allerdings die begrenzten Ausmaße der zu beschichtenden Bauteile und der sogenannte „Taschenlampen-Effekt“ angeführt werden. Unter Letzterem versteht man das Phänomen, dass bei komplexen Geometrien und scharfkantigen Substraten an schwer zugänglichen Bereichen verfahrensbedingt weniger Schicht abgeschieden wird. Um diesen Effekt abzumildern, kann es hilfreich sein, die zu beschichtenden Teile einer Rotation in der Beschichtungskammer zu unterziehen.
Erstaunlich war die Bandbreite der vorgestellten Verfahren zum Polieren (chemisch, elektrisch, mechanisch). Wie immer hat jedes dieser Verfahren seine besonderen Eigenschaften, gewisse Vor- und Nachteile, die zu bedenken sind, möchte man diese Methoden einsetzen. Ferner wurde über die Entwicklung eines Sensors zur Erkennung des Reinigungszustandes eines Bauteiles ausführlich berichtet, der auch bestimmte Verunreinigungen erkennen kann, die bisher bei der Kontrolle des Reinigungsergebnisses nicht aufgefallen wären. Modernste, intelligente, auf Wunsch auch biologisch abbaubare, flüssige und feste Hochleistungsschmierstoffe und deren Anwendungen wurden vorgestellt.
Außergewöhnlich war der Auftritt eines erst 23-jährigen Kollegen, der 2019 im Bundeswettbewerb „Jugend forscht“ den ersten Preis entgegennehmen durfte für seine Arbeiten zur gleichzeitigen Entgratung und Reinigung komplexer und schwer zugänglicher Bauteile, wie z. B. Knochenschrauben und Kanülen für den Medizintechniksektor unter Zuhilfenahme einer Ultraschall-Sonotrode. Knapp zwei Jahre später hat er sich mit seiner Idee selbstständig gemacht. Sein Unternehmen, die ultraTec Innovation GmbH aus Laupheim baut Reinigungsmaschinen in unterschiedlichen Ausführungen und Ausstattungen und gehört inzwischen einer größeren Unternehmensgruppe an.
Der abschließende Vortrag beschäftigte sich mit der REACH-Verordnung und erläuterte anhand verschiedenster Beispiele den Unterschied zwischen Stoff und Gemisch einerseits und Erzeugnis andererseits, die damit verbundenen unterschiedlichen Anforderungen und Verpflichtungen der Hersteller, Importeure, Händler und Anwender im Zusammenhang mit Registrierung und Weitergabe von Informationen zu SVHC an Kunden und Behörden sowie die Fallstricke, die es dabei zu beachten gilt.
Der Expertentreff soll aufgrund der positiven Resonanz spätestens in zwei Jahren eine Wiederholung erfahren. Die Veranstaltung fand ihren krönenden Abschluss mit einem üppigen Barbecue untermalt von Jazz-Livemusik bei hochsommerlichen Temperaturen. Bemerkenswert an diesem Expertentreff war außerdem, dass die Teilnahme an dieser Veranstaltung für Teilnehmer bis auf Anreise und eventuell benötigte Unterkunft kostenfrei war. Die Veranstaltung wurde von einer Reihe von Unternehmen gesponsert, darunter IMO Oberflächentechnik, Wieland, Oelheld, RST Oberflächentechnik, Höckh Parts Cleaning, KF Industrieanlagen und ZPT Zentrum für Präzisionstechnik.