Stadt der Zukunft im Blick bei 3-Länder-Korrosionstagung

Matthias Sulzer von der Empa ist optimistisch, dass die Treibhausgas-Emissionen moderner Städte bis 2050 auf Netto-Null gesenkt und die CO2-Konzentration in der Atmosphäre bei 450 ppm stabilisiert werden können. Bei diesem Wert bleibt die Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit unter 2 Grad (Alle Fotos: Robert Piterek)
  • Titelbild: Matthias Sulzer von der Empa ist optimistisch, dass die Treibhausgas-Emissionen moderner Städte bis 2050 auf Netto-Null gesenkt und die CO2-Konzentration in der Atmosphäre bei 450 ppm stabilisiert werden können. Bei diesem Wert bleibt die Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit unter 2 Grad (Alle Fotos: Robert Piterek)

Die 3-Länder-Korrosionstagung in Dübendorf (Schweiz) am 31. März und 1. April richtete den Blick wie gewohnt in die Zukunft. Dieses Mal lag der Schwerpunkt jedoch nicht auf dem Thema Wasserstoff wie in den vergangenen beiden Jahren, sondern auf Korrosionsthemen in der Stadt der Zukunft. Es ging u. a. um Korrosion an Brücken, Korrosionsprobleme bei metallischen Befestigungen im Holzbau, neuartige Schmelzen als Wärmeträger in Solarkraftwerken und Korrosionsgefahren im urbanen Gebiet.

Die Tagung findet im jährlichen Wechsel in Deutschland, Österreich und der Schweiz statt. Korrosionsthemen mögen nicht immer mit Beschichtungen zu tun haben, korrosive Mechanismen sind jedoch immer Phänomene, die Erkenntnisse für die Galvanotechnik und andere Beschichtungstechnologien bereithalten. Die Veranstaltung gehört daher zum Pflichtprogramm der Galvanotechnik-Redaktion.

Die Tagung findet im jährlichen Wechsel in Deutschland, Österreich und der Schweiz statt.

Im vergangenen Jahr war Wien Treffpunkt des Expertentreffs, davor Frankfurt am Main. In diesem Jahr traf die hochspezialisierte Expertengemeinschaft in Dübendorf bei Zürich auf dem Gelände der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) zusammen. Ausrichter der Tagung waren die Empa, die Schweizerische Gesellschaft für Oberflächentechnik (SGO), die Schweizerische Gesellschaft für Korrosionsschutz (SGK), die Gesellschaft für Korrosionsschutz e. V. (GfKORR) aus Deutschland sowie die Austrian Society for Metallurgy and Materials aus Österreich.

Die Beteiligung war übersichtlich: Rund 30 Teilnehmer waren gekommen. Thema der Veranstaltung waren Korrosionsthemen in der Stadt der Zukunft. Die Stadt der Zukunft muss zur Reduktion der Treibhausgasemissionen beitragen. So hieß es schon im Vorwort des Tagungsprogramms. Aber: Die derzeitige Infrastruktur dürfte bestehen bleiben. Die Korrosionsthemen werden deshalb stark von der Instandhaltung der aktuellen Infrastruktur beeinflusst, so die Grundannahme der Tagung. Die Tagung war in die drei Themenblöcke Bauwerke der städtischen Infrastruktur, Energiespeicherung und -wandlung sowie nachhaltige Bauweisen unterteilt. Moderator des ersten Tages war Prof. Dr. Gregor Mori von der Montanuniversität in Leoben.

Bauwerke der städtischen Infrastruktur

Erster Redner war Empa-Departementsleiter Ingenieurwissenschaften Matthias Sulzer. Sein Thema: „Innovationen im Bereich Bau und Energie in der Stadt der Zukunft“. Sulzer betonte, dass die Treibhausgas-Emissionen moderner Städte bis 2050 auf Netto-0 reduziert und die CO2-Konzentra­tion in der Atmosphäre bei 450 ppm stabilisiert werden könnten. Seine Forschungsanstalt arbeitet deshalb an speziellem Beton und Asphalt. Darüber hinaus brachte er zur Senkung der hohen Treibhausgasemissionen bei Beton eine Einlagerung von Kohlenstoff ins Gespräch, mit dem mittels Methan-Pyrolyse Black Carbon erzeugt werden könnte – ein eigener Rohstoff für die rohstoffarme Schweiz. Zugleich könnte dieses quasi im Kreislauf gefahrene Black Carbon-Granulat in Beton eingebracht werden und ihn auf diese Weise CO2-frei machen.

Als Zweites folgte Gino Ebell von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), der über die im September vergangenen Jahres in Dresden eingestürzte Carola-Brücke referierte. Die Galvanotechnik hat das Thema in einem Zweiteiler in den Ausgaben 5 und 6 veröffentlicht. Ebell nannte als Einsturzursache spröde gebrochene Spanndrähte. Allerdings ist ein solcher Bruch ohne Wasserstoffversprödung nicht denkbar, was die Frage nach der Herkunft des Wasserstoffs aufbringt. Ebell stellte magnetische Streufeldmessungen der BAM vor, die eine hohe Feuchtigkeit in dem Bauwerk ermittelt haben. Beim Bau der Brücke im Jahr 1969 sei zudem die Belastung durch Schwefeldioxid in Dresden mit 1050 µg pro Kubikmeter extrem hoch gewesen. Die DDR hatte ein erhebliches SO2-Umweltproblem, das durch die intensive Nutzung von Braunkohle in Kraftwerken und Industrieanlagen verursacht wurde. Kalkuliert man die Umweltbedingungen beim Bau ein, ergibt sich ein pH-Wert von 3,55, also eine sehr saure Umgebung.

Sein Fazit: Die Wasserstoffbeladung des Spannstahls ergab sich beim Bau durch Regenwasser und sauren Schwefel. Dies führte zu Wasserstoffversprödung, die zum allmählichen Versagen des Spannstahls führte. Signifikante Brüche seien auch ohne sichtbare Risse möglich, daher sei der bevorstehende Kollaps der Brücke nicht ohne Weiteres erkennbar gewesen. Ebell warnte davor, dass allein in Berlin 75 Brücken wegen ähnlicher Probleme gefährdet seien.

Florian Vogel vom Department Umwelt, Bau und Geomatik der ETH Zürich schlug mit seinem Thema „Spaltkorrosion an genieteten Stahlbrücken“ in eine ähnliche thematische Kerbe wie Ebell. Er Alexander Tomandl von Hilti sprach über Holzbau und welcher Korrosionsschutz sich für die metallischen Bauelemente eignetstellte das Projekt einer instandgesetzten Brücke im Kanton Thurgau vor, die wenige Jahre nach der Instandsetzung schon wieder Rost aufwies. Die Ursache sei nicht allein Spaltkorrosion, sondern eine Mischung aus galvanischer Korrosion und Korrosion des Wasserstofftyps gewesen, so Vogels Analyse. Um die Brücke angemessen zu schützen, sei sie komplett auseinandergebaut und später wieder vernietet worden, berichtete er. Das Metall der Brücke sei abschließend mit einer Spritzverzinkung, Primer, Eisenglimmer und Decklack behandelt worden.

Alexander Tomandl von Hilti aus Liechtenstein trat als Nächstes vor das Rednerpult. Sein Thema: Innovative Befestigungstechniken im Holzbau und Herausforderungen für den Korrosionsschutz. Er befasste sich zunächst mit der Frage, was der Holzbau in der Stadt der Zukunft leisten kann und nahm dabei Bezug auf ein 18-stöckiges Holzhaus in Wien. „Der Holzbau nimmt zu“, so seine Beobachtung, und dabei könnten 18 % CO2 einspart werden. Auch allseits unterstellte Brandgefahr bei dem im Holzbau eingesetzten Spezialholz sei gering, da es von außen verkohle, innen jedoch intakt bliebe. Metallelemente dieser Häuser seien nicht der Witterung ausgesetzt, da sie komplett von Holz umfasst seien. Dennoch gebe es langfristig ein Korrosionsrisiko: In Eichenholz könnten galvanische Zink-Überzüge zum Beispiel leicht rosten, Zinklamellenüber­züge ebenfalls. Um einen Korrosionsschutz für 50 Jahre zu gewährleisten, bräuchte man sehr dicke Zinküberzüge, was nicht machbar sei.

Letzter Redner des ersten Tages war Jörg Vogelsang von der Sika Technology AG. Er beschäftigte sich mit der Frage, welchen Einfluss Ritzmarkierungen auf beschichteten Substraten auf den Korrosionsschutz haben. Diese Thematik sei immer wieder Quelle von Diskussionen, begründete er seine Themenwahl. Er stellte verschiedene Untersuchungen auch mit unterschiedlichen Ritzwerkzeugen vor, bei denen es sich u. a. um Fälle handelte, bei denen tiefe Schnitte durch die Beschichtung bis ins Substrat vorgenommen worden waren. Abschließende Empfehlungen konnte Vogelsang jedoch nicht geben, weil beim Ritzen die Vergleichbarkeit fehle, da die verschiedenen Ritzarten nicht standardisiert seien. Der leidenschaftliche Hobbykoch, der zum Zeitpunkt der Tagung kurz vor dem Ruhestand stand, erhielt zum Abschied eine Ausbildung zum Molekularkoch geschenkt.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten im Anschluss das sogenannte Nest besichtigen, ein Forschungs- und Innovationsgebäude der Empa, in dem neue Technologien, Materialien und Systeme unter realen Bedingungen getestet, erforscht und weiterentwickelt werden. Das Nest bietet eine faszinierende Mischung verschiedener Bauweisen, u. a. eine 3D-gedruckte Wendeltreppe. Die modul­artig konstruierten Wohnungen sind u. a. energetisch optimiert und nutzen Möglichkeiten der natürlichen Kühlung im Sommer und der natürlichen Heizung im Winter.

Das sogenannte Nest der Empa zeigt unterschiedlich konstruierte und konzipierte modulare Wohneinheiten. Hier wird das energie- und ressourceneffiziente Wohnen der Zukunft erforschtDas sogenannte Nest der Empa zeigt unterschiedlich konstruierte und konzipierte modulare Wohneinheiten. Hier wird das energie- und ressourceneffiziente Wohnen der Zukunft erforscht

Energiespeicherung und -wandlung

Der Themenblock Energiespeicherung und -wandlung startete am kommenden Tag mit dem ersten Redner Ceyhun Oskay vom Dechema-Forschungsinstitut in Frankfurt am Main. Moderator war SGO-Chef und Empa-Gruppenleiter Patrik Schmutz. Oskay sprach über Weiter­entwicklungen in Solarturmtechnologien und nahm hierbei Bezug auf das große Solarkraftwerk in Ouarzazate in Marokko. Es ist das zweitgrößte Solarkraftwerk der Welt und hat neun Mrd. US-Dollar gekostet. Eine technisch ähnliche Pilotanlage steht auch in Jülich. In Marokko gab es allerdings kürzlich einen Ausfall der Anlage wegen eines Versagens der eingesetzten Salzschmelze. Oskay beschäftigte sich anschließend mit der Frage, wie Solarkraftwerke wie diese wettbewerbsfähig werden können, eventuell auch mit anderen Schmelzen. Eine Möglichkeit sind Nitratschmelzen als Wärmespeichermedium, in denen auch Metalle als Wärmeträgermedien zum Einsatz kommen, etwa Chrom, Nickel oder Eisen. Nach Abwägung der Vor- und Nachteile in Bezug auf Korrosion präsentierte Oskay Kupferchromit als geeignetes Medium.

Gastgeber und SGO-Chef Patrik Schmutz (r.) verabschiedete Jörg Vogelsang mit einem Gutschein für eine Ausbildung zum Molekularkoch in den RuhestandGastgeber und SGO-Chef Patrik Schmutz (r.) verabschiedete Jörg Vogelsang mit einem Gutschein für eine Ausbildung zum Molekularkoch in den Ruhestand

Prof. Gregor Mori von der Montanuniversität Leoben zeigte auch beim Vortrag in Dübendorf sein Talent, Fachinhalte unterhaltsam und verständlich zu kommunizierenProf. Gregor Mori von der Montanuniversität Leoben zeigte auch beim Vortrag in Dübendorf sein Talent, Fachinhalte unterhaltsam und verständlich zu kommunizieren

Der Moderator des ersten Tages, Gregor Mori, hielt einen Fachvortrag über das Thema „Wasserstoffspeicherung in hochfesten Stahlbehältern aus plattierten Blechen“. Hinter dem Thema steht die naheliegende Aussicht, dass angesichts der Energiewende und der Umstellung auf erneuerbare Energien Erdgasspeicher zu Wasserstoffspeichern umfunktioniert werden müssen.

Das Problem: Wasserstoff könnte in den Werkstoff eindiffundieren, was über kurz oder lang zu Wasserstoffversprödung und damit zur Beschädigung der Speicher führt. Eine Lösung sieht Mori in austenitischen Stählen als Werkstoff, weil durch sie die Wasserstoffdiffusion erheblich verzögert wird. Anhand der Berechnung des kritischen Wasserstoffgehalts und der Diffusionsprofile verschiedener Plattierungen zog Mori den Schluss, dass austenitische Stähle durchaus als Werkstoff für H2-Tanks genutzt werden können. Eine Absage erteilte er dagegen Nickelbasislegierungen.

Lars Jeurgens von der Empa diskutierte am Ende des zweiten Themenblocks die Frage, welche Wechselwirkungen es zwischen atomarem Wasserstoff und passivierenden Oxidschichten gibt. Schließlich sei ein selbstheilender Oxidfilm am besten, etwa wenn es um Pipelines oder ähnliche Leitungen geht. Denkbar wären auch rostfreier Stahl, auf dem sich eine schützende Passivschicht aus Chromoxid bildet. Mittels X-Ray Photoelectron Spectroscopy (XPS) kann beobachtet werden, was an den Grenzflächen passiert. XPS-Anlagen sind jedoch selten, in der Schweiz gibt es nur ein einziges Exemplar. Aktuell wird unter Laborbedingungen in einer Glove Box mit Argonatmosphäre untersucht, wie atomarer Wasserstoff mit passivierenden Oberflächen interagiert. Die Argon-Atmosphäre ist deshalb wichtig, weil sich die Oxide an der Luft sofort verändern, erklärte ­Jeurgens.

Nachhaltige Bauweisen in urbaner Umgebung

Wie Rohre vor Korrosion geschützt werden wissen Max Kloger, Tiroler Rohre, und Anika Stelzl von der TU GrazWie Rohre vor Korrosion geschützt werden wissen Max Kloger, Tiroler Rohre, und Anika Stelzl von der TU GrazDie beiden Referenten Max Kloger, Tiroler Rohre, und Anika Stelzl, TU Graz, sprachen über Modelle zur Zustandsprognose unterschiedlicher Duktilrohrgenerationen. Diese werden üblicherweise mit verschiedenen Beschichtungen geschützt, entweder nur mit Teer, mit einem Schichtsystem aus Zink und Bitumen oder nur mit Zink. Wenn Rohre in den Boden eingebracht werden, spielt zum einen die Bodenbeschaffenheit für Schädigungen durch Korrosion eine Rolle – lehmige Böden sind z. B. nicht gut –, zum anderen die Beschichtung. Teer liefert Schutz für ca. 50 Jahre, Bitumen für ca. 80 Jahre und Zink für mehr als 80 Jahre.

Dennis Joos von der Schweizerischen Gesellschaft für Korrosionsschutz SGK widmete sich im Anschluss dem Thema „Korrosionsprobleme in urbanem Gebiet“. Er machte deutlich, dass auch auf dem eng bebauten Raum einer Stadt ständig Stromflüsse korrosive Prozesse fördern. Er machte dies an einem Beispiel deutlich. Die im Boden liegenden Wasserleitungen können als Anode mit darüber liegenden Eisenbahngleisen als Kathode zu Streustrombeeinflussung und korrosiven Prozessen führen. Um dies zu verhindern, müssten Städte die Wasserleitungen mit Isolierflanschen ausstatten bzw. isolierende Schutzrohre oder kathodischen Korrosionsschutz durch Fremdanoden verwenden.

Die Tagung wurde von Rebecca Achenbach von der RWTH Aachen abgeschlossen. Sie referierte über Bindemittelarten der Zukunft und den Einfluss auf den Korrosionsschutz der Bewehrung im Stahlbeton. Sie stellte einige Baustoffe und Bindemittel sowie deren Einfluss auf die Bewehrung vor und warnte, dass die Passivität der Bewehrung nicht für jedes neuartige Bindemittel vorauszusetzen ist, auch wenn der pH-Wert es vermuten lässt.

Die Schlussworte sprach Prof. Dr.-Ing. Ralf Feser, Professor für Korrosionsschutz an der FH Südwestfalen und Mitglied im Fachbeirat des GfKorr. Er betonte, dass die Notwendigkeit der CO2-Einsparung unsere Bauweise in den Städten der Zukunft verändern werde, lobte das „Nest“ der Empa als Hightlight mit hohem Erkenntnispotenzial und machte auf die nächste 3-Länder-Korrosionstagung in Deutschland im kommenden Jahr aufmerksam. Auf der kleinen angeschlossenen Fachausstellung präsentierten sich die Firmen Metrohm Schweiz, Keyence und Comsol.

Alle Fotos: Robert Piterek

  • Ausgabe: Juli
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Robert Piterek
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