Product Carbon Footprint in der Oberflächentechnik

Das CO2-Berechnungstool FRED wurde inzwischen branchenspezifisch an die Galvano- und Oberflächentechnik angepasst. Es wird mittlerweile in vielen Branchen, z. B. der Gießereibranche, verwendet (Foto: erstellt mit KI)
  • Titelbild: Das CO2-Berechnungstool FRED wurde inzwischen branchenspezifisch an die Galvano- und Oberflächentechnik angepasst. Es wird mittlerweile in vielen Branchen, z. B. der Gießereibranche, verwendet (Foto: erstellt mit KI)

Die Dekarbonisierung der Lieferkette ist regulatorische Pflicht und wettbewerbliche Realität. Mit dem neuen Release des CO2-Berechnungstools FRED (Footprint REDuction) steht jetzt ein praxistaugliches Werkzeug für die Oberflächentechnik bereit – inklusive neuer Funktionen wie chargen-bezogener PCF-Berechnung und grafischer Ergebnisanalyse. Ziel ist es, Emissionen systematisch zu erfassen und belastbare Daten für Kunden, Behörden und die interne Optimierung bereitzustellen.

Product Carbon Footprint – was steckt dahinter?

Der Product Carbon Footprint (PCF) beschreibt die gesamten verursachten CO2-Emissionen eines Produkts, bezogen auf eine Funktionseinheit (z. B. „1 Stück beschichtetes Bauteil“) – von der Rohstoffgewinnung bis zur Auslieferung an den Kunden (Cradle-to-Gate). Optional lässt sich auch zusätzlich die Nutzungs- und Entsorgungsphase (Cradle-to-Grave) abbilden.

In der Oberflächentechnik ist die PCF-Berechnung besonders herausfordernd, da eine Vielzahl von Faktoren den Fußabdruck beeinflussen:

  • Chemikalieneinsatz: Art und Menge eingesetzter Beiz- und Beschichtungschemikalien variieren stark zwischen Verfahren (z. B. Eloxal vs. Zink-Nickel).
  • Energiebedarf: Elektrolytische Verfahren, Ofenprozesse und Trocknungsanlagen verursachen relevante Emissionen – je nach Energiequelle und verwendeten Materialien unterschiedlich stark.
  • Hilfsstoffe und Medien: Druckluft, Spülwässer, Prozess-abluft und deren Aufbereitung werden oft unterschätzt.
  • Chargengröße und Anlagenauslastung: Die Verteilung fixer Emissionen (z. B. Standzeiten, Reinigungsläufe) auf kleine Serien ist komplex.
  • Vormaterialien: Der CO2-Rucksack der beschichteten Bauteile (Stahl, Aluminium, Guss) ist ggfs. mitzubetrachten – inklusive der Vorbehandlungsschritte.

Das Problem: Ohne branchenspezifische Daten und Struktur bleibt die PCF-Berechnung oft ungenau, aufwendig oder gar intransparent. Eine pauschalisierte Verteilung der Gesamtemissionen des Unternehmens auf die Produkte reicht hier nicht – gefragt ist ein methodisch valides, ISO-konformes Vorgehen.

Oberflächentechnik-spezifische Kalkulation

Das Berechnungstool FRED wurde entwickelt, um genau dies zu gewährleisten. Der Zentralverband Oberflächentechnik (ZVO) kooperiert dafür mit der FRED GmbH, einem auf Softwarelösungen zur Berechnung des CO2-Fußabdrucks spezialisierten Unternehmen, und hat die Entwicklung eines Oberflächentechnik-spezifischen Moduls maßgeblich begleitet:

CorBeispielhafte CO₂-Hotspot- Analyse einer Oberflächenbeschichtung (ohne Berücksichtigung des Emissionsanteils des beschichteten Bauteils) (Quelle: FRED)CorBeispielhafte CO₂-Hotspot- Analyse einer Oberflächenbeschichtung (ohne Berücksichtigung des Emissionsanteils des beschichteten Bauteils) (Quelle: FRED)

  • Prozessspezifische Datenstrukturen: Der Kalkulator enthält exemplarische Referenzdaten zu Prozessen wie „Beizen“, „Waschen“, „Phosphatieren“ oder „Galvanisieren“, jeweils hinterlegt mit realitätsnahen Branchenwerten. Typische, in der Oberflächentechnik verwendete Einheiten (Fläche, Volumen) wurden im Algorithmus integriert.
  • Material- und Medienintegration: Die Auswahl umfasst Emissionswerte für unterschiedliche Grundchemikalien (z. B. Nickel, Zink, Silber oder Phosphat). Auch Energiequellen (z. B. Strommix, Gas, Wasserstoff) sind differenzierbar. Materialien können an allen Stufen des Prozesses hinzugefügt werden.
  • Chargenbezogene Berechnung: Das Tool ermöglicht variierende Stückzahlen, Reinigungszyklen oder Rüstvorgänge – wichtig bei der Bewertung kleiner Serien oder unterschiedlicher Auslastungszustände.
  • Leichte Simulation: Der Einfluss von Prozessänderungen (z. B. Badtemperatur, Spülwassermanagement) auf den PCF kann direkt sichtbar gemacht werden – Grundlage für wirksame Optimierungsmaßnahmen.
  • Validierungsfähigkeit: FRED ist konform mit DIN EN ISO 14067 (für PCF), GHG Protokoll sowie DIN EN ISO 14064-1 (für den Corporate Carbon Footprint – CCF) und daher auch als Grundlage für CSRD/ VSME (Corporate Sustainability Reporting Directive/ Voluntary Standard for Micro-Enterprises and SMEs)-konformes Reporting geeignet.

Die Datenbank basiert auf Erhebungen aus Verbandsnetz­werken und Praxisprojekten mit derzeit über 165 Unternehmen. Sie ist bewusst nicht „fix“, sondern offen für individuelle Ergänzungen – etwa von firmenspezifischen Prozessen, Spezialchemikalien oder Anlagenkonfigurationen.

Auf alle Anfragen vorbereitet – nachvollziehbare Ergebnisse

Für Unternehmen der Oberflächentechnik wird die Lieferung valider CO2-Daten zunehmend zur Kundenvorgabe – sei es im Rahmen von OEM- oder Tier-1-Anfragen, Berichtspflichten oder beim Zugang zu Fördermitteln. FRED bietet dafür ein valide aufgebautes Werkzeug, das die wesentlichen Prozessbesonderheiten der Branche abbildet und nachvollziehbare Ergebnisse liefert.

Ausblick: Catena-X und digitale Lieferkette

Als nächster Entwicklungsschritt steht die Catena-X-Akkreditierung an. FRED ist bereits seit 2023 Mitglied im Catena-X Verband und regelmäßig im Austausch mit dem PCF-Rulebook-Team des Netzwerks. Künftig soll FRED als akkreditiertes Tool in der vernetzten Lieferkette genutzt werden können. Damit lassen sich PCF-Daten auch strukturiert an Kunden oder Plattformen übermitteln – ein zentraler Schritt in Richtung digitaler CO2-Nachweisführung.

Die Berechnung des Product Carbon Footprints in der Oberflächentechnik ist anspruchsvoll, aber im Sinne der Zukunftsfähigkeit für die Unternehmen der Fertigungsindustrie unvermeidlich. Mit der Erweiterung von FRED steht der Branche jetzt ein spezialisiertes, normkonformes Werkzeug zur Verfügung, das diese Komplexität handhabbar macht. Der Fokus liegt auf Praxisnähe, Nachvollziehbarkeit und Weiterentwicklung. Wer belastbare Daten liefern muss, findet hier eine funktionale Lösung.

Dieses Thema ist Teil des Vortragsprogramms auf den Oberflächentagen in Berlin vom 24. bis 26. September 2025

 

  • Ausgabe: September
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Tobias Hain
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