Die Firma Hansgrohe hat in ihrem Werk in Offenburg eine Recyclinganlage für verchromte Kunststoffbrausen in Betrieb genommen. Die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe passt zur Entwicklung des Werks im Südwesten, denn die Fertigungsstätte ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig erweitert worden. Dabei spielte nachhaltige Produktion und erneuerbare Energieversorgung eine große Rolle.
Hansgrohe gehört wohl zu den bekanntesten und größten Kunstoffgalvaniseuren der Branche. Aktuell 5448 Mitarbeiter arbeiten in Werken in Frankreich, den USA, China und in Deutschland, wo knapp die Hälfte der Belegschaft tätig ist. Die Marke ist weltweit beliebt, was sich auch an den weltweiten Umsätzen von zuletzt knapp über 1,5 Mrd. Euro (2023) zeigt. Unter der Marke Axor werden zudem u. a. exklusive Armaturen für z. B. Nobelhotels und Luxusliner in einer speziellen Manufaktur hergestellt.
Standort ist ständig gewachsen
Der Löwenanteil des Umsatzes wird jedoch mit Produkten wie verchromten Kunststoffbrausen und Armaturen verdient, gefertigt in den beiden Werken am Hauptsitz in Schiltach im Schwarzwald sowie in Offenburg. Das Werk in Offenburg ist noch vergleichsweise jung. Der Baubeginn des ersten Abschnitts mit Logistik und Kunststoffspritzerei erfolgte erst 1990. In den vergangenen über 30 Jahren kamen zahlreiche Bereiche hinzu. Erst die Brausenmontage und der PVD-Bereich, dann ein Armaturenwerk, eine Logistikerweiterung sowie ein Technikum und zuletzt in den Jahren zwischen 2017 und 2019 die Kunststoffgalvanik. Die Gesamtfläche des Werks beträgt über 50.000 Quadratmeter und ist damit in etwa so groß wie fünf Fußballplätze.
Von Anfang an wurde in Offenburg Nachhaltigkeit mitgedacht, wie hier betont wird. Mittels Solarzellen und seit Kurzem auch Windkraft erzeugen die Offenburger erneuerbare Energie. Das Werk hat inzwischen eine Kapazität von 10 GW und produziert damit die Hälfte seines Strombedarfs selbst. Dazu trägt auch der sogenannte Solarturm bei, der beweglich ist und die Solarzellen nach der Son-neneinstrahlung ausrichtet. Er erzeugt 25 Prozent mehr Strom als festinstallierte Solarzellen.
Kunststoffsubstrate für Brausen und Armaturen
In der Kunststoffspritzerei entstehen zunächst in Spritzgießanlagen die Brausen aus ABS-Kunststoff. Granulat aus Kunststoffabfällen wird bei 160 Grad geschmolzen und im Spritzgießverfahren in die typische Brausenform gebracht. Auch das Grundmaterial von Armaturen besteht aus glasfaserverstärktem Kunststoff, wie Jörg Reiff erklärt. „Früher hat es noch leichtere Armaturen als heute gegeben, aber die kamen beim Verbraucher nach dem Motto ‚Was nichts wiegt, ist auch nichts' nicht gut an“, erinnert sich der Stv. Leiter des Schulungs- und Erlebniszentrums Hansgrohe Aquademie in Schiltach.
Beim Weg durch die verschiedenen Produktionsbereiche fallen die sogenannten Fahrbaren Transportsysteme (FTS) auf. Es sind Transportroboter, die über WLAN mit dem ERP-System verbunden sind und automatisiert Transportaufgaben im Werk übernehmen. Nach ihrer Einführung seien die Staplerunfälle deutlich zurückgegangen, hat Jörg Reiff beobachtet.
Moderne, hochautomatisierte Beschichtung
In der Kunststoffgalvanik tauchen die Kunststoffbrausen und andere Teile fein säuberlich an Gestellen aufgereiht wieder auf. Hier fahren große Transportwagen oberhalb der Gestelle in der weitläufigen Halle auf Schienen automatisch hin und her und holen im Schnitt alle 7 Minuten eines von ihnen zur Beschichtung ab. Dann dauert es über zwei Stunden inklusive manueller Qualitätskontrolle, bis die eigentliche Verchromung oder die Beschichtung per Physikalischer Gasphasenabscheidung (PVD) beginnen kann: Zunächst durchläuft eine Kunststoffbrause eine Beize. Hier wird die Oberfläche so zersetzt, dass diese aufgeraut wird. Dann folgt ein Aktivatorbad, in dem Palladium und Zinn absorbiert wird. Bei der sogenannten Neo Link-Behandlung wird im Anschluss Zinn abgelöst und eine elektrisch leitende Oberfläche erzeugt, um die eigentlichen Metallisierungsprozesse zu ermöglichen: Als Erstes wird eine Glanzkupferschicht auf der Oberfläche abgeschieden, dann eine Nickelschicht als Korrosionsschutz ergänzt, und zum Schluss folgt in einem voll automatisierten Bereich die Verchromung, überwiegend noch mit Chrom(VI). Zum Teil wird auch mit Chrom(III) beschichtet. Die Schichtdicke beträgt 0,2 bis 0,3 µm.
Bei der PVD-Beschichtung sind 15 unterschiedliche Farben möglich. Sie ist wegen des zusätzlichen Kratzschutzes und der generellen Haltbarkeit beliebt. „Rotgold ist besonders in Asien gefragt“, verrät Reiff. Das PVD-Verfahren hat Konjunktur: Vier Anlagen stehen in Schiltach, vier hier in Offenburg.
Millioneninvestition für Kunststoffrecycling
Die Werksbesichtigung war jedoch nicht der Hauptanlass für den Pressetermin in Offenburg. Grund war die Einweihung einer neuen Recyclinganlage für verchromte Kunststoffe, die Hansgrohe zusammen mit dem Dresdner Anlagenhersteller ImpulsTec entwickelt hat. Die Reinheit des wiedergewonnenen Kunststoffrecyclats soll dabei 99,8 Prozent betragen. Hansgrohe legt Wert darauf, dass mit dieser umweltschonenden Alternative die Verwendung erdölbasierter Primärkunststoffe vermieden wird. Die neue Anlage ist zwar bislang erst für rund 100 Tonnen Recycling-Granulat pro Jahr ausgelegt. Die Menge soll aber im Verlaufe der Zeit noch steigen und einer Kreislaufwirtschaft den Weg ebnen, die den Begriff verdient. Hierzu soll das Recycling bei der künftigen Entwicklung von Bauteilen auch gleich mitgedacht werden. Bisher ist die Anlage allerdings nur für verchromte Kunststoffbrausen ausgelegt, Armaturen können nicht recycelt werden. Die Investitionssumme belief sich auf einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag.
Prozess trennt Metall und Kunststoff
Für das aktuelle Projekt, das seit Ende 2019 läuft und Mitte Juni der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, hat Projektpartner ImpulsTec die Schockwellentechnologie entwickelt. Dabei sind die verchromten Teile unter Wasser Schockwellen ausgesetzt, die zum Abplatzen der Metallschicht führen. Die Wiederwendung spare Kosten, Energie und Wasser und schone die Ökosysteme, so der Tenor der Reden zur Einweihung der Anlage. Inzwischen hat Hansgrohe mit der „Blended Edition“ bereits eine eigene Brausen-Serie aus Recycling-Kunststoff aus der Taufe gehoben.
Der Prozess erfolgt in mehreren Schritten: Das Material wird zunächst in einer Schneidmühle zerkleinert und dann unter Wasser einer elektrischen Ladung ausgesetzt, die Metall und Kunststoff voneinander trennt. Dann wird die Oberfläche entschichtet und die zurückbleibenden Materialien schließlich per Magnetseparation ausgeschleust. Zurück bleibt das recycelte Kunststoffgranulat sowie Metall, das in den Metallrecyclingprozess zurückfließt. „Wir sind mit vielen Herstellern in Kontakt, die ihre Produkte zurückführen wollen“, nimmt ImpulsTec-Geschäftsführer Stefan Eisert Bezug auf die Nachfrage nach solchen Anlagen.
Pohl: Schritt in eine nachhaltigere Zukunft
Abschließend wurde die Anlage an einem symbolischen Schaltknopf von Hansgrohe-Produktionsvorstand Frank Semling, Hansgrohe Surface-Technology-Spezialist David Zapf und ImpulsTec-Geschäftsführer Stefan Eisert in Betrieb genommen. „Der verantwortliche Umgang mit Ressourcen ist unerlässlich“, betont Frank Semling. In den Vorträgen war zudem davon die Rede, dass aktuell 1,7 Erden erforderlich wären, um den Bedarf der Menschen zu decken. Eine Anlage wie diese mag nur ein kleiner Schritt auf dem Weg sein, den Bedarf an die Realität anzupassen. Hansgrohe jedenfalls sieht sich in der Pflicht zu handeln und mit gutem Beispiel voranzugehen: „Wir hoffen auf Nachahmer, die sich derselben oder einer ähnlichen Technologie widmen und den Mut haben, Investitionen zu tätigen, auch wenn es vier oder fünf Jahre dauert. Das ist für uns einer der Schritte in eine nachhaltigere Zukunft“, fasst Thorsten Pohl, Vice President Surface Technology Hansgrohe SE, die Firmenphilosopie seines Unternehmens zusammen.