Riesmetall-Geschäftsführer Joachim Ramisch ist ein streitbarer Unternehmer, der auch für seine kritische Betrachtung neuer Technologien und Verfahren und sein Bekenntnis zum Umwelt- und Klimaschutz bekannt ist. Große Aufmerksamkeit erhielt er für seinen Vortrag auf den Oberflächentagen in Leipzig im September, als er seine Weltsicht und sein Geschäftskonzept verriet.
Wenn Riesmetall-Geschäftsführer Joachim Ramisch eine Veranstaltung besucht, sind kritische Fragen vorprogrammiert. Selten jedoch steht der Unternehmer aus Nördlingen mit den weißen Locken selbst im Mittelpunkt. Anders war das bei den Oberflächentagen in Leipzig, als es Ramisch mit dem sperrigen Vortragstitel „Ein Leben für die Galvanotechnik. Die Abenteuer eines Lohngalvanikers: Weniger ist mehr. Wie man von der 3-Schicht-Droge herunterkommt“ gelang, einen Vortragssaal zu füllen, was angesichts der rund 100 Vortragsthemen in Leipzig längst nicht jedem Referenten glückte. Der Erfolg des schlagfertigen Bayern auf dem Parkett der Vortragenden der Leipziger Oberflächentage ist zum einen seinem sarkastischen Witz und zum anderen seiner ungewöhnlichen Sicht auf Wirtschaft und Wertschöpfung geschuldet.
Joachim Ramisch bei seinem Vortrag am 13. September auf den Oberflächentagen in Leipzig - (Foto: Robert Piterek)
Aber eins nach dem anderen. Drei Thesen stellte Ramisch seinem Vortrag in Leipzig voran:
- Die verschwenderische, konsumorientierte Wegwerfgesellschaft zerstört die Lebensgrundlagen der Menschheit.
- Beständiger Wohlstandszuwachs durch unendliches Wirtschaftswachstum ist eine Illusion.
- Zirkuläre Wirtschaft wird nur in speziellen Fällen funktionieren und auch dabei fallen unverwertbare Reststoffe an.
Strukturwandel in Nördlingen
Dann beschrieb der Unternehmer den Weg seines eigenen Betriebs, der heute mit fünf Angestellten, Joachim Ramisch miteingerechnet, galvanisch verzinkt und mit dreiwertiger Blauchromatierung nachbehandelt. Dabei war das Unternehmen ursprünglich größer und beschäftigte im 3-Schicht-Betrieb deutlich mehr Mitarbeiter. Von 1973 bis 1993 ging das gut. Mit großen Trommelanlagen und zunehmender Technik zur Leistungssteigerung wurden bis zu 40 Tonnen Schrauben am Tag galvanisiert, blickt er zurück. Ein Geschäftssegment, das damals 80 Prozent des Umsatzes ausmachte.
Die Trommelanlage von Riesmetall, die nieder- energetisch mit langen Badzeiten betrieben wird - (Foto: Riesmetall)
Doch einige Jahre nach der Wiedervereinigung ging es mit der Schraubenindustrie bergab, viele Unternehmen verlagerten das Geschäft nach Osteuropa. Die Arbeit für die Automobilindustrie habe sich dabei ohnehin „nahe der Sklaverei“ bewegt, erinnerte sich der Unternehmer vor den anwesenden Wissenschaftlern und Branchengrößen.
Die Folge: Joachim Ramisch baute das Unternehmen für die Bedürfnisse eines kleinen Marktes um, sprich verkleinerte es. Zentrale Grundsätze waren dabei für ihn: Schuldenfreiheit, der Verzicht auf Neuanschaffungen, die Aufgabe des 3-Schicht-Betriebs, die Automatisierung seines Büros und Einsparungen bei Material- und Energiekosten. Er wollte weg vom sogenannten Wachstumsmantra und so stellte er Logistik, Produktion und auch die Abwasserbehandlung auf den geringstmöglichen Energie- und Kosteneinsatz um. Ein gutes Beispiel ist sein Mercedes-Lkw von 1983, der – mittlerweile mit H-Kennzeichen ausgestattet – seit über 40 Jahren Ware ausliefert. „Der Lkw wird gewartet, instand gesetzt und kontinuierlich genutzt“ betonte Ramisch und rechnete vor, dass er hierfür 30.000 Euro investieren musste, ein neuer Lkw ihn aber mindestens 50.000 Euro gekostet hätte. Auch seinen privaten Opel Ascona nutzt Ramisch weiter. 10.000 Euro hat er inzwischen in den Oldtimer gesteckt.
Die Instandhaltung von Fahrzeugen, wie diesem Lkw von 1983, spart Kosten und ist zugleich eine Leidenschaft von Joachim Ramisch - (Foto: Riesmetall)
Slow Plating statt High-Speed-Beschichtung
Die verbleibenden Aufträge im Orderbuch arbeiten Ramisch und sein kleines Team heute nur noch in einem Teil der ausgedehnten Galvanik ab. Eingesetzt wird eine extrem schonende niedrigenergetische Trommelanlage, die mit langen Badzeiten Kühlung und Energieeinsatz spart. Statt der Spülwasser-Kreislaufanlage wurden Spülkaskaden eingerichtet. Eine Kühlung ist heute nicht mehr erforderlich. Slow Plating nennt Ramisch seine Methode, die ihm zufolge verschleißarm arbeitet und von einer „hochwirksamen Qualitätssicherheit“ engagierter Mitarbeiter begleitet wird.
Heute sind die Kredite lange abgebaut und die für den abgespeckten Betrieb unnötigen Technologien demontiert. Krokodilstränen weint der Unternehmer deshalb nicht – für ihn stehen Produktqualität und Lebenszufriedenheit jetzt im Einklang!