ZVO Oberflächentage 2024 - Teil 4 -

Die Female (Sur)Faces stellten sich erstmals auf den Oberflächentagen vor. Bei der Industrieausstellung warben sie auch mit einem Stand für Smoothies für sich - (Fotos: Sven Hobbiesiefken)
  • Titelbild: Die Female (Sur)Faces stellten sich erstmals auf den Oberflächentagen vor. Bei der Industrieausstellung warben sie auch mit einem Stand für Smoothies für sich - (Fotos: Sven Hobbiesiefken)

Bei den Oberflächentagen im vergangenen September versammelten sich insgesamt elf Vortragende in drei Vortragsblöcken unter dem Titel „Junge Kollegen“. Die Vortragsreihe gibt dem wissenschaftlichen Nachwuchs in der Galvanotechnik eine Bühne zur Präsentation. Die Vorträge waren sowohl von den jungen Kollegen der Referenten als auch von gestandenen Profis gut besucht. In diesem letzten Teil der Berichterstattung spielen weitere zwei Highlights der dreitägigen Oberflächentage eine Rolle: die Sprechstunde Regulative Entwicklungen in der Umwelt- und Chemikalienpolitik sowie die Vorstellung des ZVO-Frauennetzwerks Female (Sur)Faces

Obwohl es bei den „Jungen Kollegen“ keine vorgegebenen Themengebiete für die Beiträge gibt, konnte man im September einen starken Fokus auf Batterietechnik und andere nachhaltige Technologien erkennen. Es gab aber erfreulicherweise auch Arbeiten zu grundlegenden Themen der Galvanotechnik, die potenziell auch dem gegenwärtigen Mainstream der Beschichter-Branche zugutekommen. Der diesjährige Nachwuchsförderpreis wurde an Philipp Scherzl für seine Arbeit auf dem Gebiet Galvanoformung für Batterieelektroden an der HS Aalen verliehen. Zu diesem Thema hat Philipp Scherzl im letzten Jahr auf den Oberflächentagen in Berlin vorgetragen.

Die Vorträge im Einzelnen

Christoph Kiesl vom fem in Schwäbisch Gmünd widmete sich dem Thema „Post-Lithium-Batterien“. Wenn bei der Defossilisierung einseitig auf die Elektrisierung durch Lithium-Ionen-Technologie gesetzt wird, dann birgt das bekanntermaßen strategische Risiken durch die begrenzte Verfügbarkeit von Lithium-Mineralien. Unter dem Schlagwort „Post-Lithium“ sammeln sich alternative Ansätze wie beispielsweise Kalziumanoden. Christoph Kiesl stellte in seinem Vortrag vor allem seine Arbeit zur Abscheidung von Kalzium aus nicht-wässrigen Elektrolyten vor. Der Prozess dient der Herstellung von Anoden.

Dr. Mathias Weiser (Fraunhofer IKTS, Dresden) berichtete von Ergebnissen, die im Rahmen des IGF-Projekts „Elektro-SnOx“ erarbeitet wurden. Dabei geht es um poröses Zinnoxid als Elektrodenmaterial für hocheffiziente Lithium-Ionen-Batterien. Der Herstellungsprozess besteht aus der Zinnabscheidung aus einem handelsüblichen Zinn-Elektrolyten und der anodischen Oxidation des Zinns zur Erzeugung des porösen Oxids.

Abgerundet wurde die erste Session der „Jungen Kollegen“ durch einen weiteren Vortrag aus dem generellen Bereich „Erneuerbare Energien“, namentlich der Wasserstofftechnologie. Dr. Johannes Näther von der Hochschule Mittweida zeigte, dass für die Herstellung von Elektroden für die saure Wasserspaltung gleich zweimal elektrochemisches Know-How gefragt ist: zum einen bei der Fragestellung, welche Elektrodenmaterialien besonders geeignet für die effiziente Wasserspaltung sind, und zum anderen, wie Edelmetallkatalysator-Partikel (hier IrRu) besonders materialsparend abgeschieden werden können, um die Elektroden herzustellen.

Der erste Vortrag der zweiten Session der „Jungen Kollegen“ wurde von Lukas Esper von der TU Ilmenau präsentiert. Es ging dabei generell um die elektrochemische Politur von Werkstücken, die im Lasersinterverfahren hergestellt wurden und bekanntlich eine hohe Oberflächenrauheit aufweisen. Als konkretes Beispiel diente ein medizinisches Implantat (ein „Stent“) aus Edelstahl 316L. Diese Art von Implantaten wird auch bei klassischen Fertigungsverfahren teilweise durch Elektropolieren bearbeitet, um die Oberfläche zu glätten. Die momentan geforderte Oberflächengüte kann bei lasergesinterten Teilen noch nicht erreicht werden.

Nurul Amanina Binti Omar von der HS Mittweida hat bereits im 2023 eine spannende Methode vorgestellt, NiPB-Schichten herzustellen, bei der Bor-Partikel zunächst in chemisch NiP co-abgeschieden werden und dann durch Wärmebehandlung die ternäre Phase mit vielversprechenden Eigenschaften entsteht. Im diesjährigen Beitrag hat sich Omar mit der Korrosionsbeständigkeit der einzigartigen Legierung beschäftigt und sich dabei auf das Gebiet der Vergleichbarkeit von Salzsprühnebeltest und elektrochemischen Polarisations- bzw. Impedanzmessungen gewagt. Die Ergebnisse wurden erwartungsgemäß kontrovers diskutiert.

Die „junge Kollegin“ Nurul Amanina Binti Omar von der HS Mittweida sprach über die Korrosionsbeständigkeit von NiPB-SchichtenDie „junge Kollegin“ Nurul Amanina Binti Omar von der HS Mittweida sprach über die Korrosionsbeständigkeit von NiPB-Schichten

Klassische Oberflächentechnik und erneuerbare Energien trafen im Beitrag von Lea Breu von der Robert Bosch Manufacturing Solutions GmbH aufeinander. Parameter wie Stromstärke und Prozesszeit beeinflussen die Struktur der Oxidschicht bei der anodischen Oxidation von Aluminium. Lea Breu hat untersucht, wie diese Parameter die Wasserstoffpermeation beeinflussen, sodass die Aluminiumbauteile in Anwendungen im Bereich Wasserstofftech-nologie eingesetzt werden können.

Thematisch sehr passend folgte anschließend Lukas Böttgers Vortrag über die Eigenschaften von Anodisierschichten. Dem Studenten der TU Chemnitz ging es darum, mit den porösen Oxidschichten die Haftung von Polymilchsäuren(PLA)-Kunststoff in Aluminium-Kunststoff-Kompositbauteilen zu verbessern. Der PLA-Kunststoff wird hier im Schmelzauftragverfahren appliziert, und die Parameter in diesem Schritt haben erwartungsgemäß einen großen Einfluss auf das Ergebnis. Böttger hat bei der Planung seiner Experimente und der Aufbereitung und Präsentation der Ergebnisse eine beeindruckende wissenschaftliche Sorgfalt gezeigt. Die Studie wurde im Rahmen einer Projektarbeit durchgeführt.

Einflussgrößen bei der elektrochemischen Abscheidung verschiedenster Legierungen gehören seit jeher zum Wissens- und Erfahrungsschatz der Galvanotechnik. Dass es auch auf diesem Wissensgebiet noch Neuland zu entdecken gibt, bewies Scott Dombrowe von der Hochschule Mittweida eindrucksvoll. Dombrowe hat Forschungs- und Entwicklungsarbeit im Bereich der Nickel-Rhenium-Legierungsabscheidung geleistet und dabei teils drastische Einflüsse der Abscheidebedingungen auf Wirkungsgrad und Legierungszusammensetzung herausgearbeitet.

Stephan Daniel Schwöbel, der in der Arbeitsgruppe von Prof. Lampke an der TU Chemnitz tätig ist, berichtete über Fortschritte bei der Modellierung und Simulation elektrochemischer Abscheidungsprozesse. Er wählte dabei zunächst das einfache Modellsystem einer additiv-freien (oder „-armen“) sauren Kupferabscheidung. Schon hier sind teilweise stundenlange Berechnungen auf leistungsfähigen Rechnern notwendig, sobald man die Betrachtung von der primären zur sekundären Stromdichte erweitert. Schwöbel kann dabei als Mathematiker auf der Ebene der Optimierungsalgorithmen arbeiten und ist nicht auf kommerzielle Programme angewiesen, was einer zukünftigen Anwendung auf komplexere Systeme zugutekommen wird.

Mit dem Beitrag von Jonas Rehbein (TU Ilmenau) erfolgte eine Rückkehr zur klassischen Galvanotechnik mit einem konkreten, praktischen Anwendungsfall: Der Zusatz von Schwefel in löslichen Nickelanoden führt zu einer Depolarisation und damit einer effizienteren und gleichmäßigeren Auflösung. Werden reine Nickelanoden verwendet, so hat das potenziell einen Einfluss auf die Schichteigenschaften der abgeschiedenen Nickelschichten, beispielsweise auf die innere Spannung. Ein topaktueller Aspekt ist die Beeinflussung der Schichteigenschaften durch PFAS-freie gegenüber PFAS-haltigen Netzmitteln.

Suvetha Logeswaran von der Hochschule Aalen hat sich der Herausforderung gestellt, das Verständnis für die Partikel-Co-Abscheidung durch eine energetische Betrachtung zu verbessern. Das gewählte Modellsystem war dabei eine Nickelmatrix mit SiO2-Partikeln. Um die Grenzflächenenergie SiO2(Glas)/Nickel zu bestimmen, wurden Glassubstrate mithilfe PVD metallisiert und dann einem Abzugstest („PosiTest“) unterzogen. In der nachfolgenden Diskussion gab es wertvolle Hinweise, bestehende praktische Hürden bei diesem Ansatz zu überwinden.

Sprechstunde Regulation

Teil des Vortragsprogramms war außerdem eine Sprechstunde des ZVO-Ressorts Umwelt- und Chemikalienpolitik. Sie war wie schon 2023 in Berlin als Fragerunde ausgelegt: Experten des Ressorts standen für Auskünfte und Diskussionen zur Verfügung: für juristische Fragen Dr. Georg Hünnekens, für allgemeine Regulierung, Automobil Kirsten Plessow, für Regulierung in kleinen und mittleren Unternehmen, Autorisierung und BREF Christian Röhrig und für alle übrigen Fragen zur Regulierung Dr. Malte Zimmer.

Sprechstunde für Regulation: Dr. Georg Hünnekens, Kirsten Plessow, Christian Röhrig und Dr. Malte Zimmer vom ZVO-Umwelt- und ChemikalienressortSprechstunde für Regulation: Dr. Georg Hünnekens, Kirsten Plessow, Christian Röhrig und Dr. Malte Zimmer vom ZVO-Umwelt- und Chemikalienressort

Nach Vorstellung des Ressorts ging Leiter Dr. Malte Zimmer auf einige wesentliche Themen ein, die für die Branche bedeutsam und mehr als fordernd werden können. Dazu gehörten die Thematik Chromtrioxid unter REACH, der PFAS-Beschränkungsentwurf und die aktuelle Überarbeitung des STM-BREF auf der Basis der überarbeiteten Industrieemissionrichtlinie 2.0. Bei Letzterer geht es künftig nicht nur um die Behandlung und Regulierung der Emissionen, sondern auch um die Vorgabe der Mengen von zulässigen Einsatzstoffen (sogenannte BAT-AEPLs, was für Best Available Technique-Associated Environmental Performance Level steht), darunter Wasser und Energie. Diese Vorgabe stellt die freie Wahl von Produkten und Produktionsprozessen sowie Weiterentwicklungen infrage. Ausweg aus diesem Eingriff in die unternehmerische Freiheit sollen Gutachten bieten, die nachweisen, dass ein Prozess nicht mit weniger Einsatzstoffen betrieben werden kann. Während durch die Richtlinie Kosten und Zeit für Genehmigungen erhöht werden, nimmt zugleich auch die Bürokratie weiter zu und die Planungsunsicherheit wächst. Einziger Nutznießer werden Berater sein, die Unternehmen bei der Ausarbeitung behördengerechter Unterlagen unterstützen müssen, hieß es.

Das Thema BREF bestimmte die Sprechstunde, für viele waren diese massiven Regulierungen weitestgehend neu. Es kam zu der Frage, wie weit die Regulierung gehen soll, wo doch schon jetzt der Anteil nicht wertschöpfender Tätigkeiten ein ungesundes Maß angenommen hat – zumindest für KMU. Ebenso wurde die Frage aufgeworfen, wie und mit welchem Wording reagiert werden sollte.

Bedauert wurde, dass von den zahlreichen Teilnehmern der Oberflächentage nur etwa 30 den Weg in diese Sprechstunde gefunden hatten. Die Sprechstunde endete mit der Einladung, aktiv im Ressort mitzuarbeiten, was einerseits der eigenen Informationslage dient, andererseits den Verband stärkt.

Female (Sur)Faces

Erstmals stellte sich das im November 2023 gegründete Frauennetzwerk des ZVO vor. Zunächst skizzierte Female (Sur)Faces-Leiterin Dr. Elke Moosbach die Entstehung und Entwicklung sowie Ziele und Projekte des Netzwerks, das für die Erhöhung des Frauenanteils in der Galvano- und Oberflächentechnik steht und zugleich dem Fachkräftemangel durch mehr weibliche Fachkräfte entgegentreten will. Die Relevanz dieser Aspekte zeigte sich schon bei Betrachtung des Frauenanteils bei den ZVO-Oberflächentagen: 2023 waren nur 10 Prozent der Teilnehmer weiblich, 2024 immerhin schon 15 Prozent, wie Dr. Elke Moosbach vorbrachten.

Dr. Elke Moosbach startete die Vorstellung der Female (Sur)Faces auf den OberflächentagenDr. Elke Moosbach startete die Vorstellung der Female (Sur)Faces auf den Oberflächentagen

Um dem Netzwerk ein Gesicht zu geben, wurden vier Role­ Models vorgestellt, die jeweils einen kurzen Vortrag hielten:

Hannah Betz von Betz Chrom begann. Sie sprach über die Firmenhistorie ihres Unternehmens, die von Anfang an von starken Führungsfrauen bestimmt wurde. In den 1950er-Jahren leitete ihre Großmutter Ilse Betz das Unternehmen, die anfangs als vorbildliche Hausfrau galt und sogar im TV in der Sendung „Die optimale Frau“ auftrat. Später wurde sie zur „toughen“ Geschäftsfrau. „Es ist ein Prozess, sein Leben in den Griff zu bekommen“, beurteilt Hannah Betz den Wandel heute.

Es folgte Sally Kulemann, die seit 17 Jahren bei der Barth Galvanik in Oberursel arbeitet. Sie nahm an einem Führungskräfteentwicklungsprogramm teil und leitet heute ein Team von 50-60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Lisa Büker von Kiesow Oberflächentechnik in Detmold beschrieb ihren Werdegang von der Ausbildung zur Chemielaborantin bis zur Promotion im Jahr 2017. Die designierte Laborleiterin bei Kiesow Oberflächentechnik rät Frauen in der Oberflächentechnik zum Networking, um Unterstützung zu erhalten.

Eine bereits sehr erfolgreiche Frau in der Galvano- und Oberflächentechnik ist SurTec-Mitgründerin Patricia Preikschat, die als letztes Role Model in Leipzig „in den Ring ging“. Sie nannte drei Dinge in ihrem Leben, die die Weichen für ihre Karriere gestellt haben: Ihre Eltern trauten ihr alles zu; während ihrer Jugend in den 1970er-Jahren fiel ihr „der Nachteil, ein Mädchen zu sein“ erst spät auf; außerdem führte ein wundersamer Zufall sie zur Galvanotechnik: So konnte sie schon zwei Jahre nach ihrem Berufsstart die Vertretung einer Laborleitung übernehmen und diese Position dann später ganz übernehmen.

An die Schilderungen der Role Models schloss sich ein Impulsvortrag von Tanja Gebel, WHW Hillebrand, an. Es ging um Mentoring als Instrument der Personalentwicklung. Tenor des Vortrags: Die Oberflächenbranche kann durch den Einsatz von Mentoring profitieren, insbesondere Frauen, die mit diesem Instrument in der noch männerdominierten Branche dabei unterstützt werden können, sich erfolgreich und effizient weiterzuentwickeln.

Katja Feige vom Fraunhofer IPA in Stuttgart präsentierte mit ihrem Vortrag über Arbeitszeitmodelle ebenfalls ein ganz wichtiges Thema. Bedeutendster Inhalt: Eine Umfrage der Female (Sur)Faces, die von Mitte Juli bis Ende August 2024 lief und das Ziel verfolgte, persönliche Erfahrungen, Wünsche und Anregungen zu Arbeits- und Arbeitszeitmodellen, Homeoffice-Optionen, Kinderbetreuung und der generellen Förderung von Frauen zu erfassen. Der Fragebogen war zum einen an Frauen gerichtet (29 Beantwortungen), zum anderen an Unternehmen (54 Beantwortungen).

gt 2025 01 094Role Models waren Hannah Betz, Betz Chrom...

gt 2025 01 095Sally Kulemann, Barth Galvanik...

gt 2025 01 097Lisa Büker, Kiesow Oberflächentechnik....

gt 2025 01 096 Kopieund Patricia Preikschat, SurTec- Mitgründerin und heute Geschäftsführerin von presch matters

Ergebnis: Flexible Arbeitszeitmodelle werden von Arbeitnehmerinnen und Unternehmen geschätzt und sind weit verbreitet. Aber es zeigten sich auch Unterschiede in der Wahrnehmung und Umsetzung bestimmter Aspekte wie Homeoffice, Kinderbetreuung und Frauenförderung. Unternehmen sollten ihr Angebot noch besser auf weibliche Mitarbeiter abstimmen, und Frauen intensiver über bestehende Angebote reden, um Unsicherheiten zu beseitigen, so Feiges Fazit. Mit einer lebhaften Diskussion unter Leitung der Moderatorin Judith Klups ging die Veranstaltung zu Ende.

Die ZVO-Oberflächentage 2025 finden vom 24. bis 26. September 2025 in Berlin statt. Stichtag für die Anmeldung von Vorträgen ist der 31. Januar 2025.

  • Ausgabe: Januar
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Dr. Klaus Wojczykowski, Robert Piterek
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