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Mittwoch, 06 März 2024 12:00

Aushärten und Funktionalisieren von Sol-Gel-Lacken mit Atmosphärendruckplasmen - Teil 1-

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Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten
REM-EDX-Analyse des Querschnitts einer Sol-Gel-Schicht mit eingestreuten Cu-Flakes     REM-EDX-Analyse des Querschnitts einer Sol-Gel-Schicht mit eingestreuten Cu-Flakes Grafik: Joanneum Research

– Teil 1 – Einleitung und Experimentelles

Sol-Gel-Beschichtungen sind typischerweise in der Schichtdicke beschränkt, um rissfrei aushärten zu können. Die Aushärtung mit Atmosphärendruckplasmen verschiebt den nutzbaren Schichtdickenbereich deutlich nach oben. Diese Studie verknüpft die Aushärtung mit Plasma-Jets mit gleichzeitiger Funktionalisierung der Schichten, um antimikrobielle Eigenschaften unter Verwendung eines thermisch und UV-härtenden Sol-Gel-Systems zu erzielen. Die Infektionslast kann mittels integrierter Kupfer-Partikel massiv reduziert werden.

Einleitung

Gegenüber anderen Lacksystemen bietet die Sol-Gel-Chemie durch Nutzbarkeit organischer und anorganischer Präkursoren, variable Reaktionsführung (z. B. pH-Wert, Temperatur, Reaktionszeiten, Katalysatoren usw.), Trocknung, Härtung und Verdichtung, große technologische Vorteile. Die Integration von sogenannten Organosilanen als funktionelle und nicht-funktionelle „Building-Blocks“ in das Sol-Gel als interpenetrierendes Netzwerk ermöglicht die Erhöhung der Elastizität und Schichtdicken im Bereich konventioneller Lacke. Die Integration von Füllstoffen (nano- und mikropartikulär) erweitert zusätzlich die Variationsbreite der Funktionalität der Beschichtungen. Derzeitige Anwendungen sind kratzfeste Automobil-Decklackierungen oder Kratzfestausrüstungen für optische Speichermedien, abriebfeste Fußbodenbeschichtungen, wasserabweisende, easy-to-clean-Oberflächen für sanitäre Einrichtungsgegenstände und Anti-Graffiti-Beschichtungen im öffentlichen Bereich.

Neben den vielen aussichtsreichen Möglichkeiten zur Herstellung funktioneller Beschichtungen mittels des Sol-Gel-Prozesses bestehen nach wie vor Problemstellungen. Sol-Gel-Systeme reagieren empfindlich auf geringe Schwankungen der Umgebungsbedingungen bei der Herstellung aber auch Verarbeitung. Bei Überschreitung der für diese Systeme typischen geringen Schichtdicke (< 1 µm) reagieren diese mit Rissbildung, verursacht durch die Schrumpfung beim Trocknen und Aushärten. Viele Sol-Gel-Systeme benötigen hohe Härtungstemperaturen (bis zu 180 °C) über mehrere Minuten bis Stunden, was die Anwendung auf temperaturempfindlichen Substraten empfindlich einschränkt und mit hohen Energiekosten verbunden ist [3, 15, 6, 10, 12, 2].

Die Behandlung im Atmosphärendruckplasma (APP) ist ein überaus erfolgversprechender, patentierter Ansatz, Sol-Gel-Systeme rasch, ohne kritische Temperaturbelastung für die Substrate und speziell ohne Neigung zur Riss­bildung auch in hohen Schichtdicken (>10 µm) auszuhärten (Patent WO2019238347). Entscheidend ist dabei das von Inocon patentierte APP-System mit Heißgas-Plasmadüse, das aus der Plasmatron-Plasmaschweißtechnologie hervorgegangen ist. Bei diesen Plasmadüsen wird mittels eines Hochfrequenz-Zündimpulses (10 kV) ein Lichtbogen erzeugt und bei konstantem Strom spannungsgeregelt aufrecht erhalten. Durch diesen strömt das Prozessgas und wird ionisiert. Der Austritt erfolgt punktförmig durch einen Düsenkopf als thermisches Heißgasplasma, der auf Massepotential liegt und damit potentialführende Teile des Plasmastromes weitgehend zurückhält. Beim Atmosphärendruckplasma entspricht der Druck im Plasma dem umgebenden Atmosphärendruck, wodurch im Gegensatz zum Nieder-/Hochdruckplasma kein kostenintensives Reaktionsgefäß (z. B. Vakuumkammer) notwendig ist. Im Vergleich zu den weit verbreiteten thermischen Spritzköpfen arbeitet die Inocon-Plasmadüse bei wesentlich geringerer Leistung stabil (Patente EP0933982, EP0962277). Das ermöglicht geringere Temperaturbelastung für das Substrat und damit die Verwendung von z. B. Kunststoffen. Außerdem kann durch entsprechende Elektroden- und Düsenform und Gasflüsse ein gegenüber dem Stand-der-Technik sehr großer Arbeitsabstand (bis 120 vs. 30 mm) bei vergrößertem Plasmastrahldurchmesser (bis 55 vs. 20 mm) genutzt werden (Patent DE1021014100385). Bei der Aushärtung von Sol-Gel-Systemen („Plasma-Curing“) wird sowohl das breite Strahlungsspektrum des Plasmas als auch seine Temperatur genutzt , wobei sich die Strahlung des Argon-Plasmas vom fernen UV bis zum nahen IR erstreckt und mit der Stromstärke an Intensität gewinnt. Die Nutzung von Photoiniziatoren kann dabei die Aushärtung z. B. durch die hohe UV-Strahlung im Plasma weiter beschleunigen und ein größeres Volumen der Schicht aushärten [1]. Die vorliegende Arbeit kombiniert nun „Plasma-Curing“ mit der Abscheidung von Mikropartikeln als sogenannten Splats (Spritzern) in einem den Plasmaspritzprozessen ähnlichem Aufbau, allerdings durch Nutzung antimikrobiellen Kupfers, das in Kürze auch als genehmigter Wirkstoff in der Biozidprodukteliste enthalten sein wird.

Experimentelles

Das Dual-Cure-Hybrid-Sol-Gel wurde durch Kombination von 1,9 g 3-(Trimethoxysilyl)propylmethacrylat (Merck Ges.m.b.H, Wien), 2,2 g Ebecryl 8890 (Allnex, Werndorf)) und 0,8 g Methanol (Merck) hergestellt. (Harz). Die resultierende Mischung wurde 5 Minuten lang gerührt, bevor eine Photoinitiatormischung (Radikalstarter) aus 1-Hydroxycyclohexylphenylketon und Benzophenon (BASF, Eugendorf, Österreich) eingeführt wurde. Im dritten Schritt wurde 4,3 g (3-Aminopropyl)triethoxysilan, Aptes (Merck) zugegeben und die resultierende Mischung weitere 5 Minuten gerührt. Der Einfluss des pH-Wertes auf das Aushärtungsverhalten und die daraus resultierenden Schichteigenschaften wurde bei pH-Werten über 10 durch Zugabe von 1,8 g einer 1 M NaOH-Lösung zu 9 g Sol-Gel, bei pH-Werten unter 5 durch 1,8 g einer 1 M HCl-Lösung ermöglicht. Die aushärtbaren Hybrid-Sol-Gele waren dann zur Beschichtung und Verwendung bereit [6, 10, 17, 9, 7, 13, 4].

Nach Auftrag des Sol-Gels mittels manuellen Filmaufziehgerät (BYK-Chemie GmbH, Wesel) in 20 µm Nassschichtdicke auf Edelstahl (DIN 1.4301) und Holzfunier (F.LIST, Thomasberg) wurde Atmosphärendruck-Plasma-Jet InoCoat 3 (Inocon Technologie GmbH) verwendet, um die Aushärtung und Funktionalisierung von Sol-Gel-Schichten durch die Kombination von Wärme- und Strahlungsenergie, einschließlich UV-Strahlung, zu erreichen (Abbildung 1).gt 2024 02 002Abb. 1: (a) Schematische Darstellung des Schichtaufbaus und der Bearbeitungsschritte, (b) Plasmadüse InoCoat 3

Die Interaktion des Sol-Gels mit dem Plasma führt zu dessen Härtung (Vernetzung), wobei nach der Studie zum Einfluss des pH-Werts auf die Aushärtung zusätzlich auch eine Funktionalisierung mit dem Plasma zugegebenen Partikel realisiert wurde (ähnlich zu einem Plasma-Spray-Prozess, Nutzung der Ausgangsvariante des „leicht saures“ Sol-Gel mit pH~5 ohne Zugabe von Säure in der Formulierung) [8, 16, 5, 11]. Aufgrund der hohen thermischen Energie des Plasmas schmilzt das Pulver ausgehend von der Oberfläche im Plasma. Die Partikel erreichen mit hoher Geschwindigkeit die noch flüssige Sol-Gel-Beschichtung und werden in diese eingebaut. Zur Anwendung gelangten Kupfer-Partikel (plasmECK Cu 1001, ECKART GmbH, Hartenstein) mit 10 µm Durchmesser sowie Kupfer-Flakes (VP72166/G, ECKART) mit 34 µm Durchmesser, wobei erstere im Plasma bei kombiniertem Partikelauftrag auch teilweise aufgeschmolzen (Plasma-Spray), letztere aber nur in die noch nicht getrocknete Sol-Gel-Schicht „eingestreut“ wurden und die Plasmaaushärtung separat im Anschluss ohne Partikelstrom erfolgte.

Die Charakterisierung der Schichten erfolgte mittels Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie (FTIR) verwendet, um den Aushärtungsprozess und die Auswirkungen seiner Parameter auf das Sol-Gel zu bewerten (Shimadzu IR-Spirit FTIR im ATR-Modus). Strukturelle Untersuchungen erfolgten mittels Rasterelektronenmikroskopie (TESCAN VEGA3-Mikroskop), ausgestattet mit einem EDX-Detektor von Oxford Analytica Ltd. zur chemischen Elementanalyse. Kontaktwinkelmessung (nach ISO 19403) wurde zur Beurteilung des Benetzungsverhaltens mit Wasser und Diiodmethan als Testflüssigkeiten benutzt (Krüss Drop-Shape-Analyzer DSA30). Die antibakteriellen Eigenschaften wurden gemäß den Richtlinien der ISO 22196 getestet. Bakterienlösungen mit einer Dichte von 1×108 koloniebildenden Einheiten (KBE)/ml wurden durch den Einsatz eines VITEK DensiCHEK-Instruments (Biomerièux, Wien) erreicht. Um präzise und zuverlässige Ergebnisse zu gewährleisten, wurde eine Zielkonzentration von 2,5–10 × 105 Zellen/ml auf die Testoberflächen pipettiert. Eine 4×4 cm große sterile Polyethylenterephthalat (PET)-Folie (VWR International, Wien) diente zur gleichmäßigen Verteilung der Suspension und Abdeckung. Die beimpften Testproben wurden in einer Nasskammer bei 36 °C ± 2 °C und etwa 96 % relativer Luftfeuchtigkeit (RH) für 0,5 h und 3 h inkubiert. Die Anzahl der Bakterienzellen unmittelbar nach der Inokulation (0 Stunden) wurde sowohl auf unbehandelten als auch auf behandelten Proben bestimmt, um eine angemessene Anfangskonzentration auf jeder getesteten Oberfläche sicherzustellen. Die überlebenden Bakterienzellen wurden unter Verwendung eines Neutralisators gesammelt und die Suspensionen wurden mit 1× phosphatgepufferter Kochsalzlösung (Carl Roth GmbH & Co. KG, Karlsruhe) verdünnt. Die verdünnten Suspensionen wurden in zweifacher Ausfertigung auf Trypsin-Soja-Agar (TSA, VWR International Ltd.) aufgetragen und die KBE nach 24-stündiger Inkubation bei 36 °C ± 2 °C gezählt. Eine Nachweisgrenze von 10 KBE wurde festgelegt, wenn auf den Platten keine Kolonien beobachtet werden konnten, da 10 ml des Neutralisationsmediums verwendet wurden. Diese präzisen Verfahren ermöglichten eine sichere Beurteilung der antibakteriellen Aktivität der Oberflächen und führten zu genauen und zuverlässigen Ergebnissen.

Literatur:

Im zweiten Teil

Der zweite Teil in Galvanotechnik 3/2024 enthält Ergebnisse, Diskussion und die Zusammenfassung

 

 

 

 

 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 2
  • Jahr: 2024
  • Autoren: Jürgen M. Lackner; Simon Chwatal; Andreas Hinterer; Sabine Pölzl; Clemens Kittinger

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