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Donnerstag, 21 März 2024 12:00

100 Jahre galvanische Chromabscheidung

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Geschätzte Lesezeit: 7 - 13 Minuten
Abb. 1: Von den 1950ern bis in die 1980er-Jahre waren Automobile noch sehr stark von chrombeschichteten Bauteilen geprägt. Die Chromschichten erfüllten dabei sowohl dekorative als auch funktionelle Zwecke Abb. 1: Von den 1950ern bis in die 1980er-Jahre waren Automobile noch sehr stark von chrombeschichteten Bauteilen geprägt. Die Chromschichten erfüllten dabei sowohl dekorative als auch funktionelle Zwecke (Foto: stock.adobe.com/Jenar)

GESCHICHTE[N] DER Galvanik

Eine Beschichtung mit großer Auswirkung auf Galvanobranche und Gesellschaft

Folgt man den Angaben in der Literatur, so kann die Einführung der galvanischen Verchromung als kommerziellem Prozess etwa auf das Jahr 1924 datiert werden, das Jahr in dem das Patent von Lieb­reich [1] – ein Schlüsselpatent der galvanischen Verchromung – dieser galvanischen Abscheidung den entscheidenden Schub verlieh. Nahezu zur gleichen Zeit wurde in den USA von Fink [2] ein Patent eingereicht, das in seiner patentrechtlichen Auswirkung dem von Liebreich ähnlich war. Somit blicken wir in diesem Jahr auf eine 100-jährige Geschichte der galvanischen Chrombeschichtung zurück, die für die galvanotechnische Branche in mehrfacher Hinsicht geradezu revolutionierend war. Die Chromabscheidung zog die Galvanotechnik im Eiltempo in das zwanzigste Jahrhundert. Bis zu diesem Zeitpunkt war die galvanische Praxis eher eine Kunst als eine Wissenschaft, die sich über Jahrzehnte kaum verändert hatte und als kleines Gewerbe hauptsächlich mit der Silberbeschichtung von Bestecken, Goldbeschichtung von Schmuck und der Nickelabscheidung von kleinen Beschlägen beschäftigt war. Nun waren Galvanikbetriebe gezwungen, wissenschaftliche Methoden nicht nur für die galvanische Abscheidung, sondern genauso auch auf andere Aspekte der Technologie wie Reinigung, Stromversorgung, Gesundheit und Sicherheit, Abwassermanagement, Anlagenbau und einer Vielzahl anderer Fragen anzuwenden. All diese Probleme mussten gelöst werden, sobald die Galvanotechnik aus den kleinen Werkstätten in die Welt der Massenproduktion eintrat, insbesondere in die der aufstrebenden Automobilbranche [3].

Abb. 2: Verchromter Einhebelmischer in einem Badezimmer (Foto: stock.adobe.com/Iryna_I)Abb. 2: Verchromter Einhebelmischer in einem Badezimmer (Foto: stock.adobe.com/Iryna_I)Mit der Glanzverchromung, Schwarzverchromung und der sogenannten Hartverchromung half die Chromgalvanisierung der Galvanoindustrie weltweit große Märkte zu erobern.

Die dekorative Verchromung mit Schichtdicken von 0,2 – 0,8 μm hatte in vielen Bereichen eine Revolutionierung der visuellen Erscheinungsformen der Gegenstände des täglichen Lebens zur Folge. Bald konnte man keinen Blick in die Umgebung werfen, ohne auf verchromte Gegenstände zu blicken. Blitzende Chromflächen der Kraftfahrzeuge bestimmten das Straßenbild der Großstädte (Abb. 1), Chrom und Glas brachten Banken und Geschäfte erst richtig zur Geltung, kein Haushalt ohne Chrom in Küche, Bad (Abb 2.) und Wohnraum, verchromte Gegenstände in Büros, unzählige Instrumente des Wissenschaftlers, Technikers oder der Ärzte konnten ebenso wenig auf die Chrombeschichtungen verzichten.

Allerdings sollte diese Erfolgsgeschichte der dekorativen Oberflächenschichten mit ihren bläulich glänzenden, harten, korrosionsbeständigen und nicht anlaufenden Chromschichten – anfangs als „Metallkosmetik“ bezeichnet – nicht auf Dauer erhalten bleiben, worauf noch zurückzukommen ist.

Das metallische Chrom wurde 1798 von Louis-Nicolas Vauquelin entdeckt, ohne dass dies damals eine praktische Bedeutung erlangte. Die allerersten Anfänge der Verchromung reichen weit in das 19. Jahrhundert zurück, allerdings war eine richtige Verchromung damals schon mangels geeigneter Stromquellen gar nicht denkbar. Interessanterweise wurden die ersten Versuche zur Chromabscheidung in den 1840er Jahren unter Verwendung von dreiwertigen Chromlösungen unternommen, wenngleich auch mit wenig Erfolg [3]. Erst mit den bereits erwähnten patentierten Ergebnissen von Liebreich und Fink war die Grundlage für die dekorative Verchromung gelegt. Pfanhauser wies in seinem 1926 erschienenen Buch „Das Verchromungsverfahren“ [4] nachdrücklich auf die hohe Härte der Verchromungsschichten hin und zählte eine Reihe von Anwendungsgebieten auf, wo diese Härte nutzbar zu machen wäre. Genannt wurden die Verchromung von Werkzeugen verschiedener Art, Turbinenschaufeln für Wasser- und Dampfturbinen, Pressformen, Stanzen usw. Die erste praktische Ausnützung der Härte der Chromüberzüge zu rein technischen Zwecken war die Glanzverchromung von Kupfer-Tiefdruckzylindern, die dadurch eine mehrfache Lebensdauer erhielten (Abb. 3). Die Härte der Chromüberzüge kommt naturgemäß nur dann zur Auswirkung, wenn die Überzüge genügend dick sind. Erst 1938 erkannte man die Bedingungen der Hartverchromung richtig und konnte diese praktisch verwerten [5]. Dann allerdings setzte auch auf diesem Gebiet ein ungeheurer Aufschwung ein und die technische Hartverchromung, oder besser gesagt die Stark- oder Dickverchromung, erschloss der Galvanotechnik zu den bisherigen Anwendungsgebieten der Verschönerung und des Korrosionsschutzes ein völlig neues Anwendungsfeld von ungeheurem Umfang auf dem Gebiet des Maschinen- und Apparatebaus.

Chrom war für die Galvanotechniker in jeder Hinsicht ein neuartiges Metall. Im Fall des Chroms liegt das Metall beispielweise als komplexes Anion in seiner höchsten Wertigkeitsstufe vor. Noch aus heutiger Sicht muss man sagen, dass die Verchromung in ihrer Handhabung nur Nachteile im Vergleich zu anderen galvanischen Verfahren besitzt, wie beispielsweise die sechswertige Form, das niedrige Äquivalentgewicht, die außerordentlich niedrige Stromausbeute. Bereits diese drei Faktoren bedingen, dass der Energieverbrauch der Verchromung um Größenordnungen über dem anderer galvanischer Metallabscheidungen liegt. Die Verchromung arbeitet mit hohen Stromdichten, verlangt daher sehr leistungsfähige Stromquellen und große Leitungsquerschnitte. Die Chrom(VI)-Elektrolyte sind aggressiv und wirken stark ätzend. Da, bedingt durch die geringe Stromausbeute, eine starke Wasserstoffentwicklung zu einer Badvernebelung während der Elektrolyse führt, mussten unbedingt Vorkehrungen dagegen ergriffen werden. Die Verwendung des Chroms in dünnen Schichten und die dadurch bedingte kurze Galvanisierungsdauer bringen es mit sich, dass Spülverluste unverhältnismäßig hoch und entsprechende Wasseraufbereitung vonnöten sind [5].

Abb. 3: Verchromter Tiefdruckzylinder mit Gravur (Foto: Hochschule der Medien in Stuttgart)Abb. 3: Verchromter Tiefdruckzylinder mit Gravur (Foto: Hochschule der Medien in Stuttgart)

Angesichts dieses gerüttelten Maßes an Unzulänglichkeiten der galvanischen Verchromung hätte jedes andere Verfahren scheitern müssen. Wenn sich die Verchromung trotzdem in solchem Maße durchsetzen konnte, dann liegt das eben daran, dass die Nachteile dieses Verfahrens durch die Vorteile des Produktes offensichtlich mehr als aufgewogen wurden [5].

In den USA begann um das Jahr 1925 die Anwendung der galvanischen Chromüberzüge nahezu zeitgleich mit dem Beginn des industriellen Automobilbaus durch Firmen wie General Motors und Ford [6]. Zur Weiterentwicklung der Hartverchromung trug in Deutschland auch die Mangelwirtschaft in den Jahren des zweiten Weltkrieges bei, da es durch die Hartverchromung möglich war, nicht nur die Lebensdauer sehr vieler Geräte entscheidend zu verlängern, sondern in vielen Fällen auch die schwer erhältlichen Sonderstähle durch das Hartverchromen von normalem Werkzeugstahl zu ersetzen. Sehr oft stellte sich heraus, dass solch ein „Ersatz“ durchaus vollwertige Ergebnisse lieferte, so dass sich die Hartverchromung auch nach dem Krieg nicht nur behaupten konnte, sondern auch weiter ausbreitete. Sehr häufig war die Ausführung von Hartchrom auf normalem Stahl nicht nur billiger, sondern auch in technischer Hinsicht vorteilhafter als die vollständige Ausführung in Sonderstählen [5].

Die durch die Automobilindustrie und deren Qualitätssicherheitsprüfungen beständig steigenden Anforderungen an die dekorativen und korrosionsschützenden Nickel-Chrom- bzw. Kupfer-Nickel-Chrom-Überzüge lösten eine Fülle an Forschungs- und Entwicklungsvorhaben bei der Chromgalvanisierung aus. Ziel der Innovationen bei der Glanzvernickelung, Verchromung, automatisierenden Anlagentechnik u.v.a.m. war, das dekorative Aussehen ständig zu verbessern, sie gleichzeitig vor Korrosion in dem durch die wachsende Industrialisierung immer aggressiveren Industrieklima zu schützen und schließlich die Ansprüche der sich laufend weiterentwickelnden industriellen Serienproduktion zu erfüllen. Die dekorativen korrosions­schützenden Mehrfachschichten Ni-Cr und Cu-Ni-Cr wurden mit all ihren Problemen für lange Zeit beherrschendes Thema der Galvanotechnik in Forschung, Entwicklung und Produktion. Die Übernahme und Anwendung der Doppelvernickelung und der mikrorissigen Verchromung von amerikanischen Fachfirmen führte auch in Deutschland nicht nur zu einer regen Diskussion über den Korrosionsschutz von Ni-Cr und Cu-Ni-Cr, sondern auch über den Korrosionsschutz durch galvanische Schichten allgemein. Da die galvanisch abgeschiedenen dünnen Schichten nicht poren- und rissfrei sind, konnte der Schutz nur zum Teil auf einer Barrierewirkung beruhen. Man erkannte schnell, dass zwischen den einzelnen Schichten Korrosionsreaktionen ablaufen, so dass Schichtsysteme entwickelt werden mussten, die das Grundmaterial optimal gegen die jeweiligen atmosphärischen Belastungen schützten. Zu den wichtigsten Erkenntnissen, beschleunigt durch die inzwischen eingesetzten Kurzzeitkorrosionstests (z. B. dem sogen. Kesternich-Test), gehörte, dass Chromschichten auf mechanisch polierten Mattnickelschichten einen besseren Schutz vor Korrosion ergaben, als solche, die auf Glanznickel abgeschieden waren. Von besonderer Bedeutung erwies sich der Schwefelgehalt, der im Glanznickel im Bereich von 0,04 bis 0,08 Gew.-% und höher lag, während das Mattnickel in der Regel nur 0,01 Gew.-% enthielt (6). Die höhere Potentialdifferenz zwischen dem unedleren Glanznickel und dem edleren Chrom verursachte stärkere Korrosionsströme und eine beschleunigte Korrosion der Nickelschicht, die sich bis zum Grundmaterial durchfressen konnte. Diese Erkenntnis führte zur Entwicklung des „Doppelnickel“-Verfahrens, bei dem die erste Nickelschicht aus Matt- oder Halbglanznickel mit wenig Schwefelgehalt besteht, auf welcher dann eine Glanznickelschicht und schließlich das Chrom mikrorissig abgeschieden wird. Die im Vergleich zum makrorissigen Chrom verbesserte Korrosionsschutzwirkung des mikrorissigen Chroms beruht darauf, dass eine viel größere Nickelfläche und damit eine viel größere anodische Fläche freiliegt. Zusätzlich führt die mikrorissige Chromschicht zu einer besseren Benetzbarkeit z. B. für Öl, was für den Einsatz mit Schmiermitteln von Vorteil war.

Paradoxerweise begann der Rückgang des dekorativen Chromeinsatzes zu der Zeit, als sich der Prozess der dekorativen Ni-Cr-Abscheidung eines beispiellosen Wachstums erfreute. Dieses Wachstum fiel überein mit der Entwicklung der zuverlässigen Glanznickelelektrolyte mit ihren organischen Glanzzusatzsystemen, die eine großtechnische, automatisierte Ni-Cr-Abscheidung ermöglichten. Die Automobilindustrie, insbesondere in den USA, schloss die Chrombeschichtung in ihr Herz und großflächige Verchromung an Autos kam in Mode. Aber bereits zur gleichen Zeit waren neuere Autos mit stark korrodierten Beschichtungen ein häufiger Anblick, und es wurden Stimmen darüber laut, dass dies in den alten Tagen der polierten, matten Nickelbeschichtungen nicht vorkam. Um von den gravierenden Korrosionsproblemen abzulenken, argumentierten die Lieferanten der außerordentlich hochpreisigen organischen Glanznickeladditive, dass sich nur die Korrosionsbedingungen verschärft hätten, dass Mattnickel reine Nostalgie sei und mit dem Glanznickel die Polierarbeit der Mattnickelschichten im Übrigen entfalle. Es war praktisch 5 Minuten vor Zwölf, als man die Ursachen für die verstärkte Korrosion durch Glanznickel erkannte. Doch da hatten die Designer in der Automobilindustrie bereits begonnen nach Alternativen zu suchen, wie z. B. mit der Verwendung von anodisiertem Aluminium oder rostfreiem Stahl. Die lange Zeit, die für die Erforschung der Korrosionsursachen vergangen war, hatte inzwischen zu einem großen Imageschaden für die galvanische Industrie geführt, obgleich man jetzt eine Erklärung sowie technische Lösungen anbieten konnte [5].

Ab der zweiten Hälfte der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts begann die dekorative Cu-Ni-Cr-Beschichtung, insbesondere in der Automobilindustrie, an Bedeutung zu verlieren. Dort hieß die Parole „Treibstoff/km“ einsparen, d. h. Gewichtseinsparung war angesagt. Diesem Trend fielen die Metallstoßstangen und Radkappen zum Opfer. Hier konnte Stahl eingespart werden, dessen Korrosionsschutz nur mit galvanotechnischen Verfahren der Verkupferung, Vernickelung und Verchromung gewährleistet werden konnte [6]. Bei verschiedenen Wagentypen wurden diese umsatzintensiven Teile durch Hartgummi oder Kunststoffe verdrängt. Die Gründe mögen modischer Art gewesen sein oder an einem erhöhten Sicherheitsdenken und einer Senkung der Fertigungs- und Reparaturkosten gelegen haben [7]. Beim gründlichen Rationalisieren wurde auch der Innenraum der Fahrzeuge nicht verschont. Sicherlich spielte auch eine Rolle, dass das Automobil für die Gesellschaft immer mehr vom Luxus- zu einem Gebrauchsgegenstand geworden war, so dass Designer die verchromten Bauteile durch billigeren lackierten Kunststoff ersetzten [8].

Eine weitere Folge der „chromlosen“ Zeit in der Automobilindustrie war, dass die in Deutschland und in den meisten europäischen Industriestaaten von den Automobilherstellern betriebenen großen Galvanobetriebe ganz oder teilweise aufgegeben und deren Aufträge zu Lohngalvanik­betrieben verlagert wurden, die zusammen mit den Galvanofachfirmen die Weiterentwicklung vorantrieben [8]. Nach Ende der „chromlosen“ Zeit, die ihren Höhepunkt zwischen 1988 und 1990 erreichte [8], begann man bei neuen Modellen wieder vermehrt Chromteile einzubauen, um die optische Attraktivität zu erhöhen. Mit der Verfügbarkeit verschiedener Alternativen wollten allerdings Hersteller von hochwertigeren Produkten die allgegenwärtigen und preiswerten Chrombeschichtungen nicht mehr auf ihren Produkten sehen.

Anders als bei der dekorativen Verchromung wuchs die Bedeutung der Hartverchromung mit ihren höheren Schichtdicken von 25 – 50 μm und ihren hervorragenden Eigenschaften wie hoher Härte (800 – 1000 HV), hohem Korrosionsschutz, hoher Verschleißfestigkeit, Antihaft-Eigenschaften sowie einer hohen Temperaturbeständigkeit bis 800 °C kontinuierlich weiter (Abb. 4). Die Hartchromanwendungen sind zu zahlreich, als dass an dieser Stelle eine auch nur annähernd vollständige Aufzählung möglich wäre. Stellvertretend seien Anwendungsbeispiele wie der Wiederaufbau abgenutzter Bauteile, Hydraulikzylinder, Zylinderbuchsen, Auslassventile für Verbrennungsmotoren, Kunststoffspritzwerkzeuge, Schneidwerkzeuge und Chrombeschichtungen auf Räumwerkzeugen zur Freisetzung von Spänen aufgeführt. Mit dem Aufkommen von PVD- und CVD-Verfahren zur Hartstoffbeschichtung sind der Hartverchromung in etlichen Anwendungsbereichen allerdings starke Wettbewerbsverfahren erwachsen.

Abb 4: Hartverchromte rotoationssymmetrische Teile für Kräne und Bagger sowie die Hydraulik- und Walzenindustrie bei Thoma Metallveredlung in Heimertingen (Foto: Thoma Metallveredlung)Abb 4: Hartverchromte rotoationssymmetrische Teile für Kräne und Bagger sowie die Hydraulik- und Walzenindustrie bei Thoma Metallveredlung in Heimertingen (Foto: Thoma Metallveredlung)

Seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sind Chrom(III)-Elektrolyte auf dem Markt. Diese Verfahren konnten in Europa über lange Zeit im Bereich der Automobilindustrie keine bedeutenden Marktanteile gewinnen [9]. Angetrieben durch die europäische Chemikaliengesetzgebung REACh, die von Chemie- und Verfahrenslieferanten sowie den Beschichtern einen Ersatz für Verfahren auf Chrom(VI)-Basis fordert, ist die Entwicklung der Chromabscheidung aus Elektrolyten mit dreiwertigem Chrom inzwischen ein Schwerpunkt der wissenschaftlich-technischen Galvanochromabscheidung geworden. Wesentliche Gründe für das zunehmende Interesse der Industrie an derdreiwertigen Chromabscheidung sind, neben der REACh-Forderung, das generelle Interesse an umweltfreundlichen Verfahren und der Wunsch der OEMs nach Individualisierung (Farbe) und verbesserten Korrosionseigenschaften [9]. Die Anforderungen der OEMs an Schichtsysteme, die in den global sehr unterschiedlichen Klimazonen korrosionstechnisch bestehen, sind gewachsen und können durch Chrom (III)-Überzüge die Korrosionsbeständigkeit klassischer Schichtsysteme für bestimmte Belastungen (z. B. die sogen. Russland-Korrosion) signifikant verbessern.

Chromschichten, abgeschieden aus Chrom(III)-Elektrolyten, unterscheiden sich farblich von Schichten klassischer Chrom(VI)-Verfahren. Spezielle Elektrolyte auf Sulfat-Basis kommen allerdings bereits der Farbe der klassischen Chromschichten sehr nahe. Durch spezifische mineralische Verbindungen auf Basis von Nickel(II), Zinn(II), Mangan(II) sowie insbesondere von organischen, meist schwefelhaltigen, Elektrolytadditiven wie Carbamate, Methionin, Thiodiethanol, können verschiedene Faktoren wie Schichtdicke, Schichtverteilung, Farbe, Glanz, Härte, Porendichte und Benetzbarkeit beeinflusst werden. Die Implementierung von Chrom(III)-Verfahren in bestehende Anlagentechnik ist aufwendig. Elektrolyte auf Chrom (III)-Basis sind deutlich komplexer aufgebaut als Chrom(VI)-Elektrolyte, die sich durch einen vergleichsweise einfachen Aufbau auszeichnen, und die auch heute noch die galvanische Verchromung dominieren.

» Angetrieben durch REACh ist die Verchromung mit Chrom(III) zum Schwerpunkt der Gal­vanochromabscheidung geworden «

Dass regulatorische Prozesse auf galvanotechnische Fertigungen starke Auswirkungen haben, ist keine neue Erfahrung. Allerdings sehen sich Chemikalienlieferanten und Beschichtungsbetriebe, die sich der Chromgalvanisierung aus klassischen Elektrolytsystemen verschrieben haben, seit etlichen Jahren besonders verschärften Vorgaben ausgesetzt.

Fast pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum der Chromgalvanisierung sorgte eine richterliche Annulierung der 2020 erteilten Chromtrioxid-Autorisierung erneut für großes Ungemach, da dadurch alle Anstrengungen der Branche zu Review-Reports genauso wie Messungen, Mitteilungen, Investitionen etc. schlagartig hinfällig geworden sind [10]. So müssen selbst Unternehmen, die zu Substitutionen oder Einzelautorisierungen bereit waren, zumindest übergangsweise den Verlust der Betriebsgenehmigung befürchten, ein einmaliger Vorgang in der langen Geschichte der Chromgalvanisierung. Die derzeit belastende Regulatorik wird letztendlich aber nur eine weitere Seite im großen Galvanochrom-Geschichtsbuch sein.

Demnächst erscheint eine weitere Geschichte der Galvanik über Galvanische Verchromung und Patente.

Literatur

[1] Liebreich, E. : DRP 448526, (1924)
[2] Fink, C.G. : USAP 1581 188, (1925)
[3] Silman, H. : Chromium Plating – Past, Present and Future, Interfinish (1984), 140-146
[4] Pfanhauser,W. : Das Verchromungsverfahren, Leipzig-Wien, Eigen-Verlag, (1926)
[5] Krämer, O.P, Weiner, R., Fett, M. : Die Geschichte der Galvanotechnik, Egon Leuze Verlag, (1959)
[6] Heymann, K. : Galvanotechnik im Strukturwandel, Metall 41 (1987), 282-283
[7] Jelinek, T.W., Lausmann, G.A. : Die Geschichte der Galvanotechnik, Egon Leuze Verlag, (2014)
[8] Bogenschütz, A.F. : Galvanotechnik - Eine Branche mit Zukunft?, Galvanotechnik 74 (1983), 4, 387-392
[9] Pofalla, R. : Chrom III-Anwendungen, ZVOreport (2014) 4, 44-45
[10] Zimmer, M.M. : Sind wir noch zu retten?, ZVOreport (2023) 4, 3

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 3
  • Jahr: 2024
  • Autoren: Prof. Uwe Landau

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