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Mittwoch, 03 April 2024 11:59

Die Modernisierung der Lieferkette

von Michael Gasch
Geschätzte Lesezeit: 2 - 4 Minuten
Yantian-Hafen bei Shenzen, Provinz Guangdong, China Yantian-Hafen bei Shenzen, Provinz Guangdong, China Bild: AdobeStock

Viel ist in den letzten Jahren über brüchige Lieferketten – auch, aber nicht nur in der Elektronik – gesagt und geschrieben worden. Die Gründe sind vielfältig. Doch dass sie auch eine Folge der Produktionsverlagerungen nach China sind, wird kaum jemand bezweifeln. Zeit für ein nüchternes Resümee.

Vor etwa 50 Jahren hatten Unternehmen üblicherweise für ihre Schlüsselprodukte zwei oder mehr Lieferanten. Jede dieser Firmen hatte einen bestimmten Prozentsatz am Gesamtbedarf; meist kannten sie sich und tauschten sich gegenseitig aus. Dieses System war eine Art ‚Versicherung', denn wenn bei einem Zulieferer Probleme auftraten, konnten die anderen einspringen.

Dann öffnete China für ausländische Produzenten seine Grenzen. Damit setzte sich der Gedanke zur Profitmaximierung, dass Nationen nur das fertigen, was sie am besten konnten und den Rest importieren sollten, durch. Hinzu kam eine kluge Industriepolitik Chinas (Produktion gegen Know-how bei gleichzeitiger Beteiligung inländischer Firmen), die dem Land zudem zu Wachstum verhalf.

Das Ergebnis war eine netzförmige Struktur und China befand sich in dessen Zentrum. In den ersten beiden Dekaden ihres Bestehens wurde diese Struktur auf- und ausgebaut, für jedes Produkt und dessen Einzelteile gab es eine passgenaue Lieferkette.

Später, Anfang der 1990er Jahre, trugen mehrere Ereignisse zum weiteren Erfolg dieses Modells bei: geopolitisch herrschte Frieden, der Zusammenbruch des Ostblocks öffnete einen komplett neuen Markt, und das Internet erlaubte einen sofortigen Daten- und Wissenstransfer. Außerdem wurde zur zusätzlichen Gewinnsteigerung die Begrenzung auf nur noch einen Lieferanten (‚single sourcing') eingeführt, weil durch größere Liefermengen niedrigere Preise erzwungen werden konnten. Da sich die Konsumenten mehr leisten konnten stieg auch der Tourismus. Im Frachtraum der Flugzeuge wurden Waren aller Art kurzfristig um die halbe Welt transportiert.

Für China bedeutete das einen erheblichen Aufschwung: zur Öffnung des Landes lag das Bruttosozialprodukt pro Kopf unter 200 $ – vierzig Jahre später hatte es sich auf über 12.000 $ vervielfacht …

Abb.1: Bruttosozialprodukt China in $ pro KopfAbb.1: Bruttosozialprodukt China in $ pro Kopf

Zusammenbruch der Lieferketten

Mit dem wachsenden Erfolg erhob aber die Politik Ansprüche. Zunächst mit strengeren Gesetzen, die sich an internationalen Standards orientierten und deren Fehlen über Jahre einen Teil des Kostenvorteils ausmachten, und in den letzten Jahren kamen deutliche Einmischungen in Geschäftsentscheidungen hinzu.

Wie brüchig die Lieferketten tatsächlich sind, wurde in den letzten drei Jahren deutlich. In der Logistik standen plötzlich bewährte Routen nicht mehr zur Verfügung. Die Unterbrechung des Seeweges durch den Suezkanal, die Sperrung des Luftraums über Russland und der Ukraine oder der klimatische Wandel, der die Passage durch den Panamakanal erschwert, sind nur einige Beispiele, in welch kritische Lage die Weltwirtschaft in kürzester Zeit kommen kann. Die über Jahrzehnte praktizierten Beschaffungsstrategien (‚just-in-time' – oder noch schlimmer: ‚just in sequence') führten zum Zusammenbruch der Lieferketten.

Mit dem Ausbruch der Pandemie 2020 fielen weite Teile der Produktion, der Binnenlogistik sowie von internationalen Frachtflügen und Seetransporten aus. Zudem wurde mit dem rauer werdenden Ton zwischen den USA und China ein Prozess in Gang gesetzt, der zu einem Umdenken und der Überprüfung von Beziehungen führte.

Erst relativ langsam setzt in den Einkaufsabteilungen und Vorstandsetagen ein Wandel der Überlegungen ein.

Die Suche nach anderen Lieferländern unter der Prämisse „China +1“ zielt immer wieder auf nur wenige Alternativen: Vietnam, Thailand, Indien. Doch diese sind nur bedingt geeignet und auch die Philippinen, Indonesien oder Malaysia können kein Ersatz sein und selbst das wiederholt vorgebrachte ‚re-shoring' oder ‚near-shoring' ist nur bedingt eine Alternative.

Halbleiter ohne Leiterplatten?

Bei der Halbleiterproduktion strebt die Politik einen höheren Selbstversorgungsanteil an – doch leider sind die angepeilten Ziele zu kurz gedacht, denn es fehlt die nötige Infrastruktur. Eine Halbleiterindustrie ohne Leiterplattenindustrie, eine Leiterplattenindustrie ohne Laminatindustrie etc. sind zum Scheitern verurteilt.

Die neuen Standorte in Asien oder Europa sind auf Vormaterialien aus China angewiesen, weil die Beschaffungspolitik früherer Jahre die in vielen Ländern ehemals vorhanden Industrien zwang, zu schließen. Aber es sollte jetzt darüber nachgedacht werden, verlorene Produktionszweige in den kommenden Jahren wiederaufzubauen.

Allerdings muss man sich dabei von den bisherigen Denkmustern trennen: Megafabriken sind für die Versorgungssicherheit gar nicht erforderlich. Damit verändert sich auch die Logistik: kleinere Transportmittel können z. B. Halbfertigwaren zur Endfertigung bringen und Hafen- und Lageranlagen können dadurch kleiner dimensioniert werden. Dazu gehört auch, dass man nicht mehr auf ‚single sourcing' setzt (obwohl man damit in der Vergangenheit die betreffenden Zulieferer erfolgreich unter Druck setzen konnte).

Die Krisen der letzten paar Jahre haben gezeigt, dass Lieferketten in der heutigen Form das Ende ihrer Belastbarkeit erreicht haben und neue Konzepte nötig werden.

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