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Donnerstag, 24 August 2023 12:59

Altes Handwerk – neu gedacht

von
Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten
Meisterstück: Die Kopie eines Bilderrahmens aus der Renaissance war Benjamin Francks Meisterstück (oben) Meisterstück: Die Kopie eines Bilderrahmens aus der Renaissance war Benjamin Francks Meisterstück (oben) Fotos: Heinz Käsinger/Vergolderei Franck

 Mit einem Netzwerk von insgesamt 13 Mitarbeitern sprengt ein Vergoldermeister aus der Pfalz die Grenzen seines Fachgebiets: Benjamin Franck (45) bietet mit seinem Unternehmen Leistungen an, die nicht unbedingt typisch für dieses Handwerk sind. Die aber eine reiche Bandbreite von Oberflächengestaltungen auf vielerlei Materialien abbilden.

Handwerk, so sagt es der Volksmund, habe goldenen Boden. Und wenn dies geflügelte Wort auf Schreiner und Glaser zutrifft, so müsste es noch mehr auf jene Handwerker zutreffen, die mit dem begehrten Edelmetall direkt in Verbindung kommen – wie eben die Vergolder. „Leider ist das heute nicht mehr unbedingt so“, korrigiert Benjamin Franck. „Heute muss man sich schon mehr einfallen lassen.“ Dabei entwickelt sich die Konkurrenzsituation durchaus komfortabel. Denn immer weniger junge Menschen haben das Berufsbild des Vergolders auf dem Schirm – sorry dem Display. Franck: „Als ich in den 1990er Jahren meine Ausbildung gemacht habe, waren wir noch 20 Schüler in meiner Berufsschulklasse. In der Klasse meiner drei Azubis sind es heute gerade noch sechs Schüler.“ Was im übrigen dazu führe, dass man die Klassen auf normale Stärke durch gemeinsamen Unterricht mit Wachsziehern und Kirchenmalern bringt.Gestaltung von Stein: Links auf dem Muster der graue, unbehandelte Stein. Mittig sichtbar die Zwischenschicht aus Leim und Kreide, auf die wird schließlich ein Holzmuster aufgemalt

Ein Renaissancerahmen als Meisterstück

Es ist also eher der Markt, der sich ändert. Ob öffentliche Hand, Kirchen oder Privatpersonen, man ist heute eben gezwungen, aufs Geld zu schauen. Dass Francks Betrieb trotzdem erfolgreich arbeitet, liegt also vor allem an zwei Dingen: Er ist gut und er ist kreativ. Diese ihm angeborene Kreativität hat ihn, wie er sich ausdrückt, dazu bewogen, „die vier Ecken eines vergoldeten Bilderrahmens“ (O-Ton) zu verlassen und sich auch anderen Möglichkeiten zuzuwenden.

So absolvierte Franck seine dreijährige Ausbildung in der Vergolderei Lauth in Ludwigshafen. Aufgrund seiner Leistungen wurden jedoch zwei Persönlichkeiten auf ihn aufmerksam, die aus ganz anderen Fachgebieten kamen: Der aus seinem Heimatort stammende Kalligraph Helmut Hirmer und der französische (aber in Speyer lebende) Kunststuckateur Marcel Chaudot. Hirmer öffnete Franck die Welt der Bücher und Schriften, Chaudot die des Gipses und des Steins. Beide Fachmänner zusammen jedoch ließen Franck erkennen: „Jenseits der Möglichkeiten des Vergoldens, wartete ein noch viel größeres und spannenderes Betätigungsfeld auf mich. Nämlich die Denkmalpflege.“

Die musste nach der Ausbildung aber zuerst einmal warten. Franck zog es durch die Welt, er war in Spanien, Island und Dänemark unterwegs und erst durch seine Tätigkeit in einer Kopenhagener Galerie fand er zu seinem Handwerk zurück. 2005 machte er sich in Neuhofen (Pfalz) selbständig. Möglich war das dem Gesellen durch die damals neue gesetzliche Bestimmung, dass dafür in handwerksähnlichen Berufen seit 2004 kein Meisterbrief mehr notwendig ist. Jenen erarbeitete er sich aber trotzdem. Im Jahr 2013 legte er vor der Hamburger Innung die Meisterprüfung ab.

 

Golden Gate: Die Tür zu seinem Atelier stammt aus dem frühen 20. Jahr- hundert. Sie war der Eingang zu einem Weingut

gt 2023 08 009Beliebte Bestandteile früher Bilderrahmen waren sogenannte Eck- Grotesken. Diese hier ist aus Modelliermasse geformt

 

Franck löst auch Aufgaben jenseits des Vergoldens

Als Meisterstück präsentierte Franck der Prüfungskommission die perfekte Kopie eines Bilderrahmens aus der Renaissance. Das Original umfasst das Portrait eines Medicisprösslings und hängt im Ashmolean-Museum in Oxford. Das Museum nahm ganz unbürokratisch das Bild für zwei Tage aus der Ausstellung, so dass der angehende Meister den Rahmen in aller Ruhe vermessen und in all seinen Facetten erfassen und dokumentieren konnte.

In diesem Zusammenhang erklärt Franck, dass es zwei Methoden gibt, einen Bilderrahmen aus Holz zu restaurieren – eine teure und eine günstigere. Die teure Methode ersetzt die beschädigten Teile durch Mikromillimetergenau geschnitzte Holzteile, die günstigere Methode bildet die Beschädigungen mit sogenannter Drückmasse nach. Dabei handelt es sich um eine pastöse Substanz aus tierischem Leim, Zellulose und Kreide. Ob Holz oder Drückmasse: Die ersetzten Teile werden dann mit Blattgold belegt und mit einem Griffel aus Achat geglättet.

Zwischen Trägermaterial und Blattgold wird aber eine Zwischenschicht aufgebracht und das Material dieser Zwischenschicht benennt die jeweilige Methode: Bei der Polimentvergoldung besteht die Schicht aus Tonerde und Hautleim. Die Ölvergoldung verlangt nach einer Zwischenschicht aus verkochtem Leinöl. Und die Mordentvergoldung wird auf einer Schicht auf Wachsbasis aufgebracht. Diese letztere Art hat kaum mehr Bedeutung im täglichen Geschäft, sie wird heute ausschließlich im Kirchenbereich angewendet. Und bei allen drei Zwischenschichten handelt es sich im Grunde um Klebemittel, die das Blattgold schließlich auf dem Substrat fixieren. Welche diese Methoden auch immer angewendet wird, wichtig ist es, den richtigen Zeitpunkt der Blattgoldauflage zu erwischen. Franck: „Die Klebeschicht darf weder noch zu weich noch schon zu hart sein. Beide Zustände führen zu unbefriedigenden Ergebnissen.“

Weitere Materialien, denen sich Franck vor allem im denkmalpflegerischen Bereich gegenüber sieht, sind Gips und Stein. So manches Oberhaupt aus der Zeit, als Deutschland noch ein Flickenteppich aus selbständigen Fürstentümern, Markgrafschaften, Minikönigreichen und Herzogtümern war, konnte sich keinen echten Marmor leisten. Die Lösung lautete: Gips! So wurden Wände und Säulen aus Stein erbaut und mit einer Gipsschicht versehen, auf die ein begabter Maler dann, ganz banal mit Farbe und Pinsel, den edel aussehenden „Marmorlook“ aufbringen konnte.

gt 2023 08 010Restaurierungsarbeiten an einem Barockrahmen

Der Vergolder verbindet den akademischen mit dem handwerklichen Bereichgt 2023 08 008Freilegung von Stuckoberflächen. Nach entfernen der Kalkfarbe kommt die ursprüngliche Gestaltung zum Vorschein

Diese Elemente heute zu restaurieren gehört genau so zum Aufgabenspektrum von Benjamin Franck, wie das aufpolieren verblichener Schriftzüge in öffentlichen Gebäuden oder Kirchen. Hier ist Franck dann auf dem Gebiet der Kalligraphie tätig. Da es ziemlich aus der Mode gekommen ist, die Menschheit mit Sinnsprüchen, Verheißungen oder auch Drohungen zu traktieren, werden allerdings kaum Neufassungen verlangt. Franck schätzt, dass 75 % seiner Arbeit auf die Restaurierung bestehender Schriftzüge entfallen und nur 25 % neue entstehen.

Immer, wo heute etwas restauriert wird, sei es aus Holz, Stein oder Metall, spielen zwei, nennen wir es Welten, hinein: Die akademische Welt und die Welt des Handwerks. Die akademische Seite befasst sich so unter anderem mit Deutung und Interpretation von Gegenständen, mit ihrem geschichtlichen Umfeld und der Einordnung. Darüber hinaus zählen Laboruntersuchungen, aufwendige Kartierungen und Dokumentationen zum akademischen Aufgabengebiet. Die handwerklichen Aspekte beschäftigen sich mit der direkten Umsetzung: Material, Farbgebung, Herstellungstechnik. Heute würde man vielleicht sagen, dass der akademische Aspekt der Software und der handwerkliche Aspekt der Hardware eines (Kunst-) Gegenstandes entspricht. Benjamin Franck ist es sehr wichtig, dass bei all seinen Arbeiten beide Aspekte Beachtung finden. In seinem engsten beruflichen Netzwerk befinden sich deshalb Fachleute aus beiden Welten, wobei Francks Mitarbeiterstab dem akademischen Zweig viele dieser Arbeiten abnehmen. So profitieren beide Welten voneinander.

Den Schritt in die Moderne hat Franck dem bereits erwähnten Kunststuckateur Marcel Chaudot abgeschaut. In seinen frühen Jahren gestaltete Chaudot zusammen mit Franck den Wintergarten des Kreuzfahrtschiffes „MS Deutschland“ – auch dort, auf diesem modernen Feld, findet alte Handwerkskunst wie Stuckieren oder Vergolden noch heute Anwendung.

Touchup: Schritt in die Moderne

Franck nennt diesen Tätigkeitsbereich Touchup: Die Aufarbeitung von modernen Oberflächen im VIP-Bereich. Unter anderem ist Franck hier auf Yachten, in Flugzeugen oder auch in Lounges tätig, wo sich Superreiche eben so treffen. Mehr verrät er dazu aber nicht. Hier steht, neben handwerklichem Können, vor allem eines im Mittelpunkt: Diskretion.

Nach den Zukunftsaussichten für seinen Berufszweig gefragt, überlegt Franck nicht lange. Angesichts der Ungewissheit in vielen Wirtschaftsbereichen würden die großen Restaurierungsaufträge wahrscheinlich seltener werden. Selbst die beiden nicht gerade Not leidenden Kirchen sparten an allen Ecken und Enden. „Junge Kollegen, die sich in ein paar Jahren selbständig machen wollen, werden sich wohl wieder verstärkt auf die vier goldenen Ecken eines Bilderrahmens konzentrieren müssen.“

 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 8
  • Jahr: 2023
  • Autoren: Heinz Käsinger

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