BAMFIT (Bondtec Accelerated Mechanical Fatigue Interconnection Test) ermöglicht eine schnelle Bewertung der Zuverlässigkeit von Dickdraht-Bonds für die Produktionsüberwachung und Prozessentwicklung. Die Methode nutzt Ultraschall und eine spezielle Greifeinheit, um mechanische Belastungen direkt auf Drähte auszuüben. Die Weiterentwicklung des Systems bietet Einblicke in Bondprozesse und Materialeigenschaften und unterstützt die Wiederaufbereitung von Batteriemodulen, Steuergeräten und Leistungselektronik.
BAMFIT (Bondtec Accelerated Mechanical Fatigue Interconnection Test) enables a rapid assessment of the reliability of thick-wire bonds for production monitoring and process development. The method uses ultrasound and a special gripping unit to apply mechanical loads directly on wires. The further development of the system provides insights into bonding processes and material properties and supports the reconditioning of battery modules, control units and power electronics.
BAMFIT (Bondtec Accelerated Mechanical Fatigue Interconnection Test) wurde in den letzten zehn Jahren entwickelt, um die Zuverlässigkeit von Dickdraht-Bonds zeitnah, idealerweise noch am Tag der Produktion der Baugruppen, zu beurteilen [1,2]. Das ist wichtig für eine schnelle und kosteneffiziente Produktionsüberwachung und Entwicklung der Bondprozesse. Es handelt sich dabei um eine alternative bzw. ergänzende Methode zum Active Power Cycling (APC) Test, bei der der Draht anders als beim APC direkt mechanisch bewegt wird. Die unidirektionale, zyklisch-induzierte Beanspruchung wird durch eine bei Drahtbondern übliche Ultraschallvorrichtung und über eine spezielle Greifeinheit bewerkstelligt [3]. Der schematische Testablauf ist in Abbildung 1 dargestellt. Die Dickdrahtbondverbindung wird demnach an einer vordefinierten Höhe mit der Greifeinheit geklemmt und anschließend mit Ultraschall (US) in Drahtrichtung und unter geringer Zuglast beaufschlagt.
Abb. 1: BAMFIT Funktionsprinzip
Evaluierung quantitativ
End-Of-Life (EOL) Test
Der Lebensdauer- oder End-Of-Life (EOL) Test sieht vor, die Drahtverbindung so lange zu testen, bis es zum Abheben (pull-off) der Bondverbindung kommt. Als Resultat folgt die Testzeit bzw. bei der bekannten Anregungsfrequenz (z. B. 57 kHz) die errechnete Anzahl der Belastungszyklen bis zum Bruch (Nf). Typische EOL-Testzeiten liegen zwischen 0.1-10 s pro Drahtverbindung.
Czerny et al. untersuchten den Einfluss der Ultraschallleistung mittels Schertest, BAMFIT und Power-Cycling(PC)-Test und verglichen die Daten miteinander [3]. Im Wesentlichen wurde hier eine starke Abweichung zwischen dem statischen Schertest und den beiden EOL-Testmethoden festgestellt, während es zwischen BAMFIT und dem PC-Test zu einer guten Übereinstimmung gekommen ist.
In Abbildung 2 sind die Ergebnisse des Lebensdauertests von jeweils ~50 Al-Drahtverbindungen von 500 µm Drahtstärke für unterschiedliche Bondzeiten und Kraftrampen dargestellt. In Übereinstimmung mit vergleichbaren Schertests steigt mit zunehmender Bondzeit (200 ms → 400 ms) auch Nf aufgrund der erhöhten Anbindungsfläche an. Bei weiterer Zunahme der Bondzeit (400 ms → 1000 ms) fällt Nf. Vermutlich wird hier bei längerer Einwirkzeit des Ultraschalls die Gefügestruktur verändert, was sich auf die Mikrostruktur und folglich auf die mechanischen Eigenschaften und das Rissverhalten innerhalb der Bondverbindung auswirken kann. Die Höhen der Fehlerbalken lassen erkennen, dass die ursprüngliche Idee, eine klare Aussage über die Zuverlässigkeit der Drahtverbindung zu erhalten, speziell bei Stichprobenentnahme mit einer geringen Anzahl, problematisch ist. Diese hohe Streuung der Messdaten basiert auf der komplexen Wechselwirkung zwischen Mikrostruktur und Rissfortschritt. Im nächsten Kapitel wird eine Methode beschrieben, bei der eine schadensabhängige Restfestigkeit der Verbindung bei gleichzeitig geringerer Messwertstreuung ermittelt werden kann.
Abb. 2: Bondzeitabhängige End-of-Life (EOL) Testergebnisse:
● unzureichende Bondzeit,
● Referenzbond und
● überbondet
Crack Robustness Verification (CRV)
Eine Verbesserung des EOL-Tests stellt die CRV dar. Hier misst man nach einer Vorschädigung mittels BAMFIT die verbleibende Scherfestigkeit τ (Scherkraft Fτ) der Verbindung. Dabei basiert das BAMFIT Abbruchkriterium nicht auf einer fixen Zyklenzahl, sondern auf einer definierbaren Abnahme des elektrischen Stroms im Ultraschalltransducer IUS, der repräsentativ für den tatsächlichen Rissfortschritt ist. Dadurch werden Drahtverbindungen mit möglichst gleicher Vorschädigung getestet, was zu einer Reduktion der Standardabweichung führt. Diesen Vorteil sieht man anhand der deutlich kleineren Fehlerbalken in Abbildung 3. Es sind hier die Scherkräfte in Abhängigkeit von der BAMFIT Vorschädigung für den ersten und zweiten Bond eines 500-µm-Al-Drahtes dargestellt. Der jeweils erste Datenpunkt stellt den Referenzwert von nicht vorgeschädigten Drähten dar – es handelt sich hierbei ausschließlich um Messwerte aus einem Schertest.
Abb. 3: Testresultate zu Crack Robustness Verification (CRV) vom ● 1. Bond und ● 2. Bond
Evaluierung qualitativ
Neben der quantitativen Beurteilung der Bondung durch Nf oder der schadensabhängigen Scherfestigkeit τ (IUS) ermöglicht BAMFIT zudem auch eine qualitative Beurteilung der Anbindungsfläche, sowie des Rissfortschritts, und trägt so maßgeblich zum besseren Verständnis des Bondprozesses und der belastungsabhängigen Rissausbreitung bei.
Anbindungsfläche
Im Gegensatz zum Schertest, bei dem Material im Bereich der Verbindungszone verschmiert wird, erfolgt das Freilegen des Bondinterfaces mittels BAMFIT ohne Verschmieren durch senkrechten Zug weg vom Interface. In den Regionen, in denen keine Verbindungsbildung stattgefunden hat, sind Farbe und Struktur der Bondoberfläche nahezu unverändert erkennbar. Bei guten Bondverbindungen handelt es sich dabei meist um kleine isolierte Flächen mit einer Größe von <5 % der Gesamtfläche (vgl. Abb. 4, Aufnahme bei ca. 1000-facher Vergrößerung am Lichtmikroskop). Liegt eine schlechte Bondverbindung vor (z. B. aufgrund einer lokalen Verschmutzung oder eines Partikels), lässt sich dies eindeutig anhand des Erscheinungsbildes der Grenzfläche belegen. Nicht verbundene Regionen sind dann deutlich großflächiger und lassen sich so optisch leicht quantifizieren. Diese Erfassung kann durch Anwendung optischer 3D-Messmethoden noch weiter erleichtert und ihre Aussagekraft verbessert werden [4]. Die Rissebene innerhalb eines Dickdrahts, der mittels BAMFIT abgelöst wurde, verläuft ca. 20-30 µm oberhalb des Bondinterfaces (siehe dazu nächstes Kapitel). Durch einen Höhenschnitt innerhalb der 3D-Aufnahme einer BAMFIT-Bruchfläche können ungebondete von gebondeten Bereichen (Verbindungsgebiete mit anhaftenden Al-Rückständen) eindeutig unterschieden werden. Mithilfe solch fortgeschrittener Methoden zur Interfacebewertung lassen sich Bondparameterstudien durch Informationen zur tatsächlich verbundenen Fläche und der Form des Bondinterfaces ergänzen – wichtige Daten, mit denen die Robustheit eines Drahtbondprozesses noch weiter verbessert werden kann.
Abb. 4: Freigelegtes Bondinterface eines 300-μm-Al-Drahts auf einer mit Electroless Nickel Immersion Gold (ENIG) metallisierten Direct Copper Bonded (DCB)-Oberfläche
Rissverlauf
Die mittels CRV ermittelte Scherkraftverringerung (siehe vorhergehende Kapitel) korreliert mit einer Verringerung der Anbindungsfläche durch Rissbildung und -fortschritt. Die genaue Quantifizierung der Risslänge ist in der Draufsicht nach Durchführung des Tests aber nur sehr aufwendig möglich (z. B. durch 3D-Topographieanalysen [4]) und ermöglicht keine genauen Einblicke in die Rissstruktur. Deutlich besser ist ein Querschliff für diese Form der Analyse geeignet. Abbildung 5 zeigt einen solchen Rissverlauf im Querschliff eines Al-Dickdrahtwedges auf einer Cu-Oberfläche. Der Riss verläuft innerhalb des Drahtmaterials, oberhalb der Draht-Metallisierungsgrenzfläche. Der Riss in Abbildung 5 ist nur gering verzweigt, verläuft teilweise in Richtung des Bondinterfaces und setzt dann seinen Weg nah am Interface fort. In der zentralen Region ist noch keine durch Risse geschädigte Struktur erkennbar. Je nach gewähltem Bondparameter und der durch den Bondvorgang veränderten Gefügestruktur im Bondkontakt verändert sich der Rissverlauf. Sehr feinkörnige und stark durch den Bondvorgang veränderte Gefügestrukturen erzeugen einen stärker verzweigten Rissverlauf, während sich der Riss in ungebondeten Regionen über sehr weite Bereiche grenzflächennah ausbreitet. Nach einer vordefinierten Belastung mittels BAMFIT kann anhand der gesamten Risslänge (von beiden Seiten) ein Schädigungsgrad ermittelt werden. Dieser erlaubt vergleichende Aussagen z. B. zwischen verschiedenen Drahttypen sehr ähnlicher Materialzusammensetzung oder unterschiedlichen Bondparametern. Dabei ist zu beachten, dass ein Querschliff nur eine Ebene im Bondkontakt zeigt. Es muss daher sichergestellt sein, dass die untersuchten Ebenen auf vergleichbare Weise präpariert werden. Zudem sind für eine statistisch relevante Aussage z. B. ≥10 Rissstrukturen pro Zustand erforderlich.
Abb. 5: Rissverlauf innerhalb eines Al-Dickdrahtbonds nach BAMFIT-Vorschädigung
Remanufacturing
Das offensichtliche Resultat eines EOL-BAMFIT Versuchs ist die Zerstörung der Bondverbindung(en) bzw. die Entfernung eines Bonddrahtes. Dieser bisherige Sekundäreffekt kann jedoch auch ganz gezielt zur Wiederaufbereitung verwendet werden. Dazu wird nach der Drahtentfernung mit BAMFIT ein neuer Draht ultraschallgebondet. Diese zusätzlichen Schritte sind in Abbildung 6 (f-h) nochmals schematisch dargestellt.
Abb. 6: Remanufacturing Prozessfluss bestehend aus dem BAMFIT-Prozess (a-e) und dem Rebondprozess (f-h)
Remanufacturing von Batterien
Mit dem zunehmenden Bedarf an Batterien – speziell für die Automobilindustrie – stellt sich die Frage, ob defekte Batteriemodule entsorgt oder weiterverarbeitet werden sollen. Es hat sich gezeigt, dass ein defektes Batteriemodul noch immer aus ~89 % funktionsfähigen Batteriezellen bestehen kann (siehe Abb. 7), was eine Wiederaufbereitung nicht nur aus ökologischen, sondern auch ökonomischen Aspekten nahelegt [5]. Im Vergleich zu widerstandsgeschweißten oder lasergebondeten Bändchen können drahtgebondete Verbindungen wesentlich einfacher entfernt und erneut gebondet werden. Die Entfernung des Drahtes mit einem Schertool birgt das Risiko eines unbeabsichtigten Kurzschlusses zwischen Anode und Kathode – insbesondere wenn sich Partikel oder ganze Drähte ablösen. Dies kann mit BAMFIT verhindert werden, indem zunächst die beiden Drahtverbindungen in <100 ms aufgetrennt werden und anschließend die (jederzeit in der Klammer fixierte) Drahtbrücke kontrolliert entfernt wird. Die oberflächennahe Ablösung und die saubere Oberfläche sorgen für eine gute Bondbarkeit. Somit können Drähte zum Rebonden nicht nur neben, sondern auch direkt auf die ursprünglichen Positionen platziert werden.
Abb. 7: Drahtgebondetes Batteriemodul bestehend aus 16 × 21700 Batteriezellen, einem Battery Management System (BMS) und dem mechanischen Aufbau. Die rote Markierung symbolisiert eine für das Remanufacturing relevante defekte Zelle. In (a) wird die entfernte Drahtbrücke gezielt entsorgt
Remanufacturing von Steuergeräten
Das gleiche Prinzip – Drahtentfernung mittels BAMFIT, gefolgt von Drahtbonden – kann auch für elektronische Baugruppen verwendet werden. Die Wiederaufbereitung von Dickdrähten in Steuergeräten, wie sie zum Beispiel in Abbildung 8 dargestellt ist, soll exemplarisch das Dickdraht-Remanufacturing in der Leistungselektronik repräsentieren. Hier wurden die ursprünglichen Drähte (a) mit BAMFIT entfernt (b) und neu gebondet (c).
Aus Schutz vor Umwelteinflüssen und zur mechanischen Stabilität werden elektronische Baugruppen in Gel eingebettet. Dies erschwert den Remanufacturingprozess, ist aber dennoch kein Showstopper. Die Verknüpfung aus Abscheren und anschließendem Rebonding ist eine durchaus übliche Methode, um das zu bewerkstelligen. In dieser Untersuchung werden die Drähte jedoch wieder mit BAMFIT entfernt. Dazu wird, so wie in Abbildung 9 gezeigt, das Gel mechanisch entfernt (a → b) um die betroffenen Drähte freizulegen (c). Die optische Inspektion zeigt, dass dennoch Gelrückstände vorhanden sind. Eine für das Bonden bevorzugte rückstandsfreie chemische Entfernung wurde in dieser Machbarkeitsuntersuchung nicht berücksichtigt. Die beiden Drähte wurden mit BAMFIT entfernt und konnten anschließend trotzdem erneut gebondet werden. In (d) sieht man den mit BAMFIT entfernten Draht (vorne) und den wieder gebondeten Draht (hinten).
Zusammenfassung
Mit der Entwicklung von BAMFIT, einem Evaluierungssystem zur zeitnahen Vorhersage der Lebensdauer von Dickdrähten, hat alles begonnen. Die stetige Evolution des BAMFIT-Systems erlaubt es, vielseitige Einblicke in die Verbindungsbildung von Drahtbondprozessen sowie belastungsabhängige Materialeigenschaften der Bondverbindung zu gewinnen. Ein nachhaltiger Gewinn ist es, diese Plattform auch für die Wiederaufbereitung – sei es für Batteriemodule, Steuergeräte oder allgemein in der Leistungselektronik – zu nutzen. In Tabelle 1 sind die wesentlichen Möglichkeiten und Kombinationen mit BAMFIT zusammengefasst.
Zuordnung | Methode | Resultat / Ziel |
Evaluierung quantitativ | BAMFIT (EOL) | Vorhersage der Lebensdauer einer Bondverbindung Nf |
BAMFIT (CRV) + Schertest | Schadensabhängige Scherfestigkeit τ (IUS) | |
Evaluierung qualitativ | BAMFIT (EOL) + Mikroskopie | Inspektion der Anbindungsfläche |
BAMFIT (CRV) + Querschliff | Belastungsabhängige Rissausbreitung der Bondverbindung | |
Remanufacturing | BAMFIT (EOL) + Drahtbonden | Wiederaufbereitung von Dickdrähten in Batteriemodulen und in der Leistungselektronik |
Referenzen
[1] Czerny, B., Mazloum-Nejadari, A., Khatibi, G., & Zehetbauer, M. (2016). Fatigue testing method for fine bond wires in an LQFP package. Microelectronics Reliability, 64, 270-275. https://doi.org/10.1016/j.microrel.2016.07.068 (Abruf: 25.03.2025).
[2] Czerny, B., & Khatibi, G. (2017). Accelerated mechanical fatigue interconnect testing method for electrical wire bonds. TEME - Technics, Technologies, Education, 10(3), 121-131. https://doi.org/10.1515/teme-2017-0131 (Abruf: 25.03.2025).
[3] Czerny, B., & Khatibi, G., Highly Accelerated Lifetime Testing in Power Electronics. In Proceedings of the 54th Int Symposium Microelectron (IMAPS 2021), 390-396. San Diego, CA, USA, October 11-14, 2021. https://doi.org/10.4071/1085-8024-2021.1.000390 (Abruf: 25.03.2025).
[4] Schmitz, S. et al. Advanced bonding interface inspection technique for process optimization in heavy wire bonding. Int Symposium Microelectron 2021, 332–338 (2021). https://doi.org/10.4071/1085-8024-2021.1.000332 (Abruf: 25.03.2025).
[5] Kampker, A., Wessel, S., Fiedler, F., & Maltoni, F., Battery pack remanufacturing process up to cell level with sorting and repurposing of battery cells.J Remanufactur11, 1–23 (2021). https://doi.org/10.1007/s13243-020-00088-6 (Abruf: 25.03.2025).