Forscherinnen und Forscher des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) haben nachgewiesen, dass Spuren der allgegenwärtigen PFAS-Chemikalien im menschlichen Blut mit ungünstigen Fettprofilen und daher mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergehen.
Researchers at the German Center for Neurodegenerative Diseases (DZNE - Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen) have shown that traces of the ubiquitous PFAS chemicals in human blood are associated with unfavorable lipid profiles and therefore with an increased risk of cardiovascular disease.
Seit ihrer Erfindung in den 1950er-Jahren sind Schätzungen zufolge mehr als 10.000 verschiedene Substanzen aus der Kategorie der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) – sprich: ‚P-Fass' – entwickelt worden. Wegen ihrer wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften kommen sie in Tausenden Produkten wie Kosmetik, in Zahnseide, in Pfannenbeschichtungen und in Löschschaum zum Einsatz und sind bisher auch in der Elektroniktechnologie allgegenwärtig. Neben ihrer chemischen Grundkonstruktion haben die PFAS eine weitere Gemeinsamkeit: Sie sind so gut wie nicht abbaubar – deshalb ihre Bezeichnung als ‚Ewigkeitschemikalien'. Insbesondere über das Grundwasser gelangen sie in die menschliche Nahrungskette. Belegt ist auch, dass sie sich in der Leber anreichern und sie schädigen können. PFAS erhöhen das Krebsrisiko, sie können Schilddrüsenprobleme und eine verminderte Immunantwort auf Impfungen auslösen.
Der Befund der im Februar 2024 veröffentlichten Studie beruht auf Daten von mehr als 2.500 Erwachsenen aus Bonn und der holländischen Gemeinde Leiderdorp. PFAS waren im Blut nahezu aller Studienteilnehmer nachweisbar. Die Studienergebnisse sind im renommierten Wissenschafts-Journal ‚Exposure and Health' unter der Open-Access-Lizenz CC BY 4.0 veröffentlicht.[1]
PFAS |
Studie |
Modell † |
LDL-C |
HDL-C | ||||
β [95 % CI] |
p-Wert |
β [95 % CI] |
p-Wert | |||||
PFOA |
NEO |
Insges. |
0.019 [ 0.001; 0.036] |
0.0413 |
0.016 [ 0.004; 0.029] |
0.0112 |
||
Rheinland-Studie |
Insges. |
0.005 [-0.006; 0.016] |
0.388 |
0.007 [-0.001; 0.016] |
0.0690 |
|||
PFOS |
NEO |
Insges. |
0.023 [0.004; 0.041] |
0,0153 |
0.007 [-0.006; 0.021] |
0.2675 |
||
Rheinland-Studie |
Insges. |
0.007 [-0.003; 0.017] |
0.1726 |
0.005 [-0.002; 0.013] |
0.1575 |
|||
PFHxS |
Rheinland-Studie |
Insges. |
0.013 [0.003; 0.023] |
0.0128 |
0.012 [0.004; 0.019] |
0.0024 |
Die Debatte um PFAS hält an
Die Studie wird in die aktuelle gesellschaftliche Debatte um Beschränkung oder sogar Verbot vonPFAS eingreifen. Die Vorstellungen von Gesundheits- und Umweltvertretern einerseits und der Industrie andererseits liegen dabei noch weit auseinander. Dies ist auch darin begründet, dass die Gefahren für unsere Gesundheit immer augenscheinlicher werden, aber bislang in der PFAS-einsetzenden Industrie nur in begrenztem Maße Alternativen zur Verfügung stehen. So wollen Umweltvertreter den Einsatz von PFAS auf EU-Ebene beschränken. Dazu gibt es seit geraumer Zeit einen Beschränkungsvorschlag, welcher der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) vorliegt.[2] Eine Verabschiedung könnte den Einsatz dieser Chemikalien langfristig verbieten.
Vertreter aus der Wissenschaft weisen darauf hin, dass die fluorchemische Industrie sich bereits verstärkt auf fluorierte Gase und Fluorpolymere ausrichtet und andere Verwendungen von PFAS nicht mehr beibehalten wolle. Die weitere Entwicklung wird auch davon abhängen, wie schnell z. B. fluorfreie Substanzen für wichtige Komponenten in elektrischen und elektronischen Geräten für die Energiewende – wie Brennstoffzellen, Batterien oder Halbleiter – zur Verfügung stehen. Vertreter des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) warnen hingegen vor einer zu engen Beschränkung, da für viele PFAS-Verwendungen auf absehbare Zeit keine zufriedenstellenden Alternativen verfügbar sein werden. Dies betrifft u. a. die Herstellung von Windkraftanlagen und Photovoltaik-Paneelen und die Halbleiterherstellung. Bei der Herstellung von Halbleitern findet man PFAS in fast allen Teilprozessen, z. B. beim Ätzen, in der Fotolithografie, beim Spülen oder bei der Produktion der einkristallinen Halbleiterstäbe.
Daher fordert die Industrie für gesellschaftlich wichtige Anwendungen Ausnahmen vom Verbot. An diesen nur beispielhaft erwähnten Einschätzungen ist zu sehen, wie gegensätzlich die Auffassungen der beteiligten Akteure sind. Als aktuellen Teil der Debatte stellt die PLUS in diesem Beitrag die Ergebnisse der oben genannten Forschungsarbeit über die Wirkung von PFAS auf die Gesundheit des Menschen vor.
Gesamtcholesterin |
Triglyceride |
||
β [95 % CI] | p-Wert | β [95 % CI] | p-Wert |
0.020 [ 0.007; 0.034] |
0.0025 |
0.013 [-0.010; 0.036] |
0.2787 |
0.008 [-0.001; 0.016] |
0.0665 |
-0.001 [-0.015; 0.014] |
0.9362 |
0.020 [ 0.007; 0.034] |
0.0037 |
0.016 [-0.009; 0.040] |
0.2031 |
0.007 [-0.001; 0.014] |
0.0837 |
-0.005 [-0.018; 0.008] |
0.4502 |
0.012 [0.004; 0.020] |
0.0023 |
-0.006 [-0.019; 0.007] |
0.3969 |
Jüngere besonders betroffen
Die Forscherinnen und Forscher sehen deutliche Anzeichen für eine gesundheitsbedenkliche Wirkung von PFAS. Sie haben in den Untersuchungen festgestellt, dass bei gleicher PFAS-Konzentration im Blut die negativen Effekte bei jüngeren Probanden stärker ausgeprägt sind als bei älteren.
Die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung legten außerdem nahe, dass schon relativ niedrige PFAS-Konzentrationen im Blut mit ungünstigen Blutfett-Profilen verbunden sind. Die Daten zeigen einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen PFAS im Blut und schädlichen Blutfetten, die mit einem kardiovaskulären Risiko einhergehen. Je höher der PFAS-Spiegel, desto höher ist die Konzentration dieser Fettstoffe. Laut Aussage des Forschungsteams ist das streng genommen noch kein Beweis dafür, dass die PFAS-Chemikalien Verursacher der ungünstigen Blutfett-Profile sind. Doch die enge Korrelation stützt diesen Verdacht. Sie sei ein starkes Argument für eine strengere Regulierung von PFAS, um die Gesundheit zu schützen. Auffällig sei zudem, dass bei nahezu allen Probanden PFAS im Blut nachgewiesen werden konnten. Man könne diesen Chemikalien also nicht entgehen. Die Forscher sind überzeugt, dass sich auf lange Sicht das erhöhte Risiko sehr wohl auf Herz und Kreislauf negativ auswirkt.
Blutproben aus Bonn und Leiderdorp
Grundlage für die aktuelle Untersuchung war die sogenannte ‚Rheinland Studie' des DZNE – eine bevölkerungsbasierte Gesundheitsstudie im Bonner Stadtgebiet – und die sogenannte NEO-Studie aus den Niederlanden (Netherlands Epidemiology of Obesity study). Das Forschungsteam des DZNE arbeitete dafür mit Fachleuten des niederländischenLeiden University Medical Centerzusammen. Die Blutproben von insgesamt mehr als 2.500 Frauen und Männern im Alter zwischen 30 und 89 Jahren flossen in die Analysen ein. Dabei kam modernste Technik zum Einsatz. Seit wenigen Jahren gibt es eine Technologie, um Blutproben mit der Genauigkeit zu untersuchen, die für die Fragestellung der Studie notwendig ist.
Bislang detaillierteste Studie
Die Blutproben wurden mit der Massenspektrometrie detailliert untersucht. Die Forscher fokussierten sich in ihrer Analyse auf drei der am weitesten verbreiteten PFAS-Arten – PFOA, PFOS und PFHxS – und ermittelten zusätzlich die Konzentration von 224 Blutfetten, Metaboliten (Substanzen, die als Zwischenstufe oder Abbauprodukt von Stoffwechselvorgängen im Organismus entstehen) und Aminosäuren.
Die PFAS wurden mit der Metabolon HD4-Plattform gemessen, Lipoprotein- und Metabolitenprofile mit der Nightingale-Kernspinresonanz-Spektroskopie. Mit diesem bewusst breit angelegten Ansatz ohne vorgefasste Zielrichtung konnten die Forscher den Zusammenhang zwischen der PFAS-Konzentration und einem nachteiligen Profil an Fettstoffen, sogenannten Lipiden, nachweisen. Dazu gehören das allgemein bekannte Cholesterin und diverse andere Blutfette, die als Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bekannt sind. Wesentliche Unterschiede zwischen den Proben aus Bonn und Leiderdorp gab es nicht. Nach Überzeugung der Forscher ist diese Untersuchung die bislang detaillierteste zu diesem Thema und diejenige mit der größten Datenbasis. Bisherige Studien hatten eine Korrelation zwischen PFAS und gesundheitsbedenklichen Blutfetten bereits nahegelegt, aber so deutlich wie in dieser Studie hätte sich dieser Zusammenhang bislang nicht gezeigt.
Ausblick und Schlussfolgerungen
Künftige Studien könnten nach Ansicht des Bonner Forschungsteams auf spezifische Bereiche des Körpers eingehen. Nach der Untersuchung des Blutbildes wäre es in einem nächsten Schritt z. B. sinnvoll, das Vorkommen von PFAS in einzelnen Organen zu untersuchen. Die Forscher weisen in ihrer Studie unter Angabe verschiedener Quellen darauf hin, dass sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden die Belastung der Umwelt mit PFAS weit verbreitet ist. In Deutschland gelten u. a. Gebiete entlang des Rheins als stark belastet. Vor allem im Grundwasser der meisten Bundesländer und in Bodenproben aller Bundesländer sind PFAS-Gehalte nachweisbar. Deshalb und aufgrund der Studienergebnisse formulieren die Forscherinnen und Forscher, dass strengere Vorschriften für alle PFAS-Stoffe erforderlich sein könnten. Darüber hinaus bestünde aufgrund der Dauerhaftigkeit von PFAS in der Umwelt die Notwendigkeit, diese Chemikalien aktiv aus der Umwelt zu entfernen.
Referenzen
[1] Faquih, T.O., Landstra, E.N., van Hylckama Vlieg, A. et al. Per- and Polyfluoroalkyl Substances Concentrations are Associated with an Unfavorable Cardio-Metabolic Risk Profile: Findings from Two Population-Based Cohort Studies, Expo Health (2024), https://doi.org/10.1007/s12403-023-00622-4 (Abruf: 03.09.2024).
[2] www.echa.europa.eu/de/hot-topics/perfluoroalkyl-chemicals-pfas (Abruf: 03.09.2024).