Eine intakte Umwelt ist nicht alles, aber ohne intakte Umwelt ist alles nichts!

Um das Thema Umwelt- und Naturschutz kommt in der Industrie niemand mehr herum - (Foto: stock.adobe.com/supansa)
  • Titelbild: Um das Thema Umwelt- und Naturschutz kommt in der Industrie niemand mehr herum - (Foto: stock.adobe.com/supansa)

Umweltpolitik und Umwelttechnik sind Themen, um die heutzutage niemand mehr herumkommt, vor allen Dingen dann nicht, wenn es sich um die Industrie oder das produzierende Gewerbe handelt. Aber auch die Gesellschaft ist an dieser Stelle gefragt und gefordert. Umweltpolitik will steuern, Umwelttechnik will helfen, die gesteckten Ziele umzusetzen und zu erreichen. Schlagworte wie grüne Revolution, Compliance-Richtlinien, Dekarbonisierung, Verkehrswende, Nachhaltigkeit, Klimaneutralität und -schutz, Resilienz, Recycling, Ressourceneffizienz, Regionalität etc. machen die Runde und sind in aller Munde. Wie soll man aber damit umgehen?

Jeder muss sich bewusst machen: Wir alle leben von und mit der Umwelt, dieser einen Umwelt! Ohne oder gegen sie geht auf lange Sicht nichts. Diese Einsicht sollte dem Menschen des 21. Jahrhunderts ins Stammbuch geschrieben sein und ihn auch dazu anhalten, dementsprechend zu agieren. Wir alle, jeder Einzelne. Wir müssen uns von der Doktrin „Was dürfen wir, was dürfen wir nicht“ wieder verabschieden hin zu mehr „Was können wir, was können wir nicht, ohne irreparable Umweltschäden zu riskieren“. Wir müssen uns wieder mehr (zu)trauen, aber auch zumuten.

Umweltschutz und konsequenter Klimaschutz sind keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Umweltschutz ist mehr oder weniger ein Kind der frühen 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts, das seinerseits wiederum im Laufe der Zeit „Nachkommen“ namens Klimaneutralität, Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung – und wie sie sonst noch alle heißen mögen – bekommen hat. Eine Vielzahl unterschiedlicher, sich ergänzender, aber auch sich überschneidender Vorschriften, Gesetze und Übereinkommen auf internationaler Ebene, auf EU- und nationaler Ebene soll die Rahmenbedingungen und Anforderungen an die Industrie vorgeben. Dieser Wust an regulatorischen Vorschriften und Regelungen, die jedoch bei ihrer Umsetzung immer wieder die Kreativität und Innovation der Industrie bzw. Unternehmen im Keim zu ersticken drohen, ist überbordend. Lasst uns doch lieber ausprobieren, was geht und was nicht, ohne über das gesetzte Ziel hinauszuschießen.

Hilfreich für das Erreichen der Klimaneutralität ist die Realisierung einer umfänglichen Kreislaufwirtschaft. Auf Wikipedia lässt sich folgende Erläuterung finden: „Eine Kreislaufwirtschaft (englisch: circular economy) ist ein regeneratives System, in dem Ressourceneinsatz und Abfallproduktion, Emissionen und Energieverschwendung durch das Verlangsamen, Verringern und Schließen von Energie- und Materialkreisläufen minimiert werden; dies kann durch langlebige Konstruktion, Instandhaltung, Reparatur, Wiederverwendung, Remanufacturing, Refurbishing und Recycling erzielt werden. Das Konzept der Kreislaufwirtschaft spielt auch bei der Verbundproduktion eine zentrale Rolle.“ Grundlegende Prinzipien sind die Gestaltung von Produkten ohne Abfall, der Einsatz erneuerbarer Energien, die umweltschonende Kaskadennutzung von Materialien, d. h. die Mehrfachnutzung von Materialien in mehreren Stufen sowie die Verlängerung der Produktlebensdauer durch Wiederverwendung, Reparatur und Aufarbeitung. Generell soll dieses System durch die Vielfalt in der Nutzung verschiedener Ansätze und Lösungen widerstandfähiger gestaltet werden und außerdem durch ein Systemdenken, das Verständnis für die Zusammenhänge und Interdependenzen innerhalb des gesamten Systems, gestärkt werden, um optimale Lösungen zu finden. Ziel ist es, dass Materialien so lange wie möglich im Wirtschaftskreislauf gehalten werden, bevor sie recycelt oder entsorgt werden müssen.

Die Verordnung (EU) 2023/1115 (EUDR), besser bekannt unter der Bezeichnung EU-Entwaldungsverordnung, versucht, sich der weltweiten Entwaldung entgegenzustemmen und zum Reduzieren von Waldschäden beizutragen. Betroffen von dieser Regulierung sind Warengruppen wie Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Kautschuk, Soja und Holz. Die Europäische Union hält sich vor, das Spektrum der Warengruppen jederzeit ausdehnen zu können. Auf den ersten Blick erschließt sich hier vielleicht nicht die Auswirkung auf Bereiche wie die industrielle Rohstoffgewinnung aus natürlichen Quellen, Rohstoffe, die auch in der chemischen Industrie und der Galvanotechnik eingesetzt werden. Doch diese Auswirkungen sind tatsächlich vorhanden.

Das Maß aller Dinge bzgl. Umweltstandards ist zurzeit die Industrieemissionsrichtlinie (IED) aus dem Jahr 2024, welche die Zulassung und den Betrieb von Industrieanlagen – darunter fallen auch Galvaniken – europaweit ab Juli 2026 regeln soll. Sie soll helfen, Umweltstandards in Europa anzugleichen und gerechtere Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Im Zusammenhang mit dieser Richtlinie ist auch das „Konstrukt“ BREF (Best Available Techniques Reference) zu berücksichtigen, das im Kern besagt, dass die besten verfügbaren Techniken der Industrie von allen Unternehmen gleichermaßen anzuwenden und bestimmte Emissionsgrenzen für alle verbindlich festzulegen sind. Über die Auswüchse dieser Richtlinie muss allerdings aus Sicht der Industrie und Verbände in Zukunft noch intensiv diskutiert werden.

Mit dem hehren Green Deal, der den „Überbau“ zu allen europäischen Anstrengungen (Klima-, Energie-, Verkehrs- und Steuerpolitik), vor allem das Klima zu retten, bildet, will Europa bis 2050 der erste Kontinent werden, der klimaneutral ist. Damit soll unter Aufwendung von gut einem Drittel der 1,8 Billionen Euro schweren Investitionen aus dem Aufbauplan NextGenerationEU und dem 7-jährigen Haushalt der Europäischen Union eine moderne, ressourceneffiziente und wettbewerbsfähige Wirtschaft geschaffen werden. Ziel ist ein Nettoausstoß der Treibhausgase von null Prozent und eine Abkopplung des Wachstums von der Ressourcennutzung, und bei all diesen Maßnahmen soll kein Mensch, keine Region auf der Strecke bleiben.

Weitere Maßnahmen in dieser Richtung sind das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das die Einhaltung ethischer, sozialer und umweltrechtlicher Standards zum Schutz der Umwelt, der Menschen- und Kinderrechte entlang der gesamten Lieferkette aufwendig zu regulieren versucht. Nicht vergessen werden sollte ebenfalls die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die sich aus der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD, Richtlinie (EU) 2022/2464) und der EU-Lieferkettenrichtlinie, besser bekannt unter Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD, Richtlinie (EU) 2024/1760), ergibt, die sich mit den Nachhaltigkeitsaspekten von Lieferketten beschäftigen.

Nicht die vielfältigen Pflichten allein verunsichern und fordern die Industrie, sondern vor allem die Ungewissheit, was wie lange Bestand haben wird und wohin die Reise des Gesetzgebers gehen soll. Die Ermittlung des CO2-Fußabdrucks von Produkten (Product Carbon Footprint (PCF)) und Fertigungsprozessen für ein Unternehmen an sich wie auch innerhalb der Lieferkette ist Pflicht und wird immense Ressourcen binden.

In Zukunft wird die derzeit noch geltende Ökodesign-Richtlinie (Richtlinie 2009/125/EG) durch die Ökodesign-Verordnung (Verordnung (EU) 2024/1781, Ecodesign for Sustainable Products Regulation; kurz: ESPR) ersetzt werden, die dazu dienen soll, die Nachhaltigkeit des Designs und der Fertigung von nahezu allen physischen Produkten in der EU sicherzustellen. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, ist sie als Rahmenverordnung konzipiert und kann von der Europäischen Kommission durch delegierte Rechtsakte und Leitlinien fortlaufend konkretisiert werden. Beispiele hierfür sind die Delegierten Verordnungen (EU) 2021/340 und 2021/341, die solche Rechtsakte für in diesem Falle elektronische und elektrische Geräte auch für den Haushalt darstellen. Andere Rechtsakte, wie z. B. die Richtlinie 2024/1799 zur Förderung der Reparatur von Waren, regeln die Rechte nach dem Kauf eines Produkts und sollen die Ökodesign-Verordnung unterstützen.

Leider ist eine sinnvoll erscheinende Vorschrift meist mit ausufernder Bürokratie bei deren Umsetzung verbunden. Man denke nur an die vielfältigen Notifikations-, Informations-, Erklärungs-, Dokumentations- und Veröffentlichungspflichten von Unternehmen, die unter Umständen auch Kleinstbetriebe ereilen können. Erschwerend kommt hinzu, dass es ständig zu Änderungen und Ergänzungen an geltenden Vorschriften kommt. Eine Omnibusverordnung als europäischer Rechtsakt steht aktuell in den Startlöchern, die bereits bestehende Vorschriften gleichzeitig ändern oder aktualisieren soll. Das einzig Beständige ist eben der Wandel.

Auch betriebliche Maßnahmen, die auf die Belegschaft abzielen, können behilflich sein, den Umwelt- und Klimaschutz voranzutreiben. Zu nennen wäre hier: Etablierung eines Klimateams, das sich um interne umweltbezogene Belange kümmert, Gründung eines unternehmensinternen Klimafonds zur Finanzierung von Umweltprojekten, Durchführung konkreter Klimaprojekte und ausgewählter Klimawettbewerbe zum schonenden Umgang und zur Einsparung von Ressourcen und vieles mehr. Aber auch die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter von heute und morgen sind ein nicht zu vernachlässigender Faktor (Prinzip des lebenslangen Lernens). Für Unternehmen sollte ökonomische Nachhaltigkeit durch organisches Wachstum die Maxime der Stunde sein. Es muss Verantwortung in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit ökonomisch, ökologisch und sozial auch über die Grenzen des eigenen Unternehmens hinaus übernommen werden.

Durch ein geeignetes und zeitgemäßes Umwelt-, Abwasser-, Abfall- und Risikomanagement als Instrumente des Umweltschutzes, aber auch ein ausgefeiltes Qualitätsmanagement kann lenkender Einfluss auf die Auswirkungen industrieller Produktion und Lebensweisen genommen werden. Die Industrie muss immer bestrebt sein, gefährliche Substanzen und Fertigungsprozesse durch weniger gefährliche zu ersetzen (Substitutionsprinzip unter REACH).

Die Umwelttechnik hat mittlerweile einen hohen technischen Stellenwert erhalten und ist in vielen Bereichen bereits sehr ausgereift, serientauglich, aber eben relativ teuer. Technologien für umweltschonende Fertigung sind verfügbar und sollten überall dort, wo sie sinnvoll, technisch adäquat und wirtschaftlich vertretbar eingesetzt werden können, auch zur Anwendung kommen. In der Produktion sind kreative und ressourceneffiziente Verfahren und Prozesse gefragt, die durch ausgeklügelte Anlagenkonzepte und geeignete moderne Verfahrens- und Prozesstechnik realisiert werden können. All das ist eigentlich bereits weitestgehend Stand der Technik.

Die Schäden, die der Mensch der Natur bzw. Umwelt durch maßlosen Einsatz der Technik zugefügt hat, kann er auch nur durch sinnvollen Einsatz der(selben) Technik versuchen wieder gutzumachen.

Auch die Galvanotechnik kann sowohl mit ihren Verfahren und Produkten zur Veredelung, Verbesserung, Funktionalisierung und Optimierung von Oberflächen(eigenschaften) einen gewissen, nicht zu unterschätzenden technischen Beitrag dazu leisten als auch durch moderne sowie ressourcen- und umweltschonende Fertigungstechnologien. Neue Schichtsysteme und Verfahren werden immer wieder (weiter)entwickelt, die sowohl prozesstechnisch als auch die Eigenschaften der Schichten betreffend eine Verbesserung mit sich bringen. Metalle effizient einzusetzen und gezielt zu recyceln ist ein wichtiger Baustein für eine ressourcenschonende Fertigung der Zukunft. Aber auch Ressourcen wie Wasser, Luft und Boden müssen bei der Fertigung schonend und nachhaltig eingesetzt werden. Der Schutz vor Wetterereignissen mit katastrophalen Folgen für Land und Leute, wie z. B. Starkregen und Hochwasser, sollte vorangetrieben werden.

Zukunftstechnologien, wie die grüne Wasserstofftechnologie oder die E-Mobilität, können helfen, die gesteckten Ziele zu erreichen. Bedeutend ist auch die jeweils verwendete Fertigungstechnologie, die umwelt- und ressourcenschonend ausgelegt sein sollte. Technisch ist heute schon vieles möglich, was bisher nicht unbedingt wirtschaftlich daherkommt. Zukunftsweisende Technologien, wie z. B. die Wasserstofftechnologie und die E-Mobilität zur Schaffung der Verkehrswende, sollten weiterhin umfängliche staatliche Förderung erfahren, um attraktiver zu werden.

Wäre es nicht vielleicht zielgerichteter, die bereits bestehenden Vorschriften in vollem Umfange auszuschöpfen und alle verfügbare Technik sinnvoll umzusetzen und weiterzuentwickeln, als weitere Vorschriften aller Art zu kreieren? Machen Sie sich hier und heute selbst ein Bild davon. Dieser erste Überblick kann vieles nur recht oberflächlich streifen und nicht auf alle Aspekte im Einzelnen eingehen. Mehr Informationen erwarten Sie in den einzelnen Fachbeiträgen und -artikeln ausgewählter Experten in dieser Ausgabe der Fachzeitschrift Galvanotechnik.

  • Ausgabe: Mai
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Dr. Joachim Heermann
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