Im Gegenteil! Ängste rund ums Handy

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  • Titelbild: Hands - Pixabay.com/Pexels

»Je dümmer, desto Handy?«

Generation Angst heißt das Buch, das Eltern Angst machen soll, deren Kinder sich nicht von ­ihren Smartphones trennen könnenund mehr Zeit in den sozialen Medien als in handyfreien Begegnungen mit Gleichaltrigen verbringen. Der Autor Jonathan Haidt vermeldet, dass Teenager mehr depressive Phasen erleben, dass Mädchen anfangen, sich gegenseitig zu verletzen, dass ihre Suizidrate steigt, dass mehr Schüler über Angststörungen klagen und so weiter.

Kritiker ärgern sich über Haidts einseitige Darstellung und beklagen, dass er nicht auf Faktoren wie die Corona-Pandemie, die wirtschaftliche Lage und die Opioid-Krise – Stichwort Fentanyl – eingeht. Haidt könne keine belastbaren Belege für die schädliche Wirkung von Smartphones vorlegen, monieren sie. Das glaube ich auch. Aber: Wenn man nur knallig genug Angst verbreitet und behauptet, was offenkundig scheint und in der Formulierung ausgedrückt werden kann, „Je dümmer, desto Handy“, dann steigert das sicher die Verkaufszahlen. Doch was stimmt? Wie immer lohnt ein Blick in die Geschichte, in der neue Techniken oder Technologien anfangs weniger begrüßt und mehr verflucht worden sind. Der weise Sokrates hat vor mehr als 2000 Jahren vor dem Gebrauch geschriebener Texte gewarnt, da der Rückgriff auf die papierne Form der Gedanken in der Sicht des Philosophen dem Gedächtnis schaden und das Lernen verzögern würde. Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Produktion von Zeitungen, Magazinen und Büchern zunahm, gerieten die Herren der Schöpfung in Panik. Das Lesen solcher Erzeugnisse würde erstens die Moral ihrer Frauen schwächen und sie zweitens als Mütter dazu bringen, ihren Nachwuchs zu vernachlässigen. Und im 20. Jahrhundert hieß es, das Radio würde die Kinder dazu verführen, ihre Freizeit vor den Geräten zu verbringen – oder ins Kino zu gehen. In den 1990er-Jahren geriet dann das Internet ins Zentrum pädagogischer Sorgen und psychologischer Kritik. Der Verfasser dieser Zeilen kann Leute nicht leiden, die es nicht lassen können, auf ihr Handy zu starren, während er mit ihnen spricht, und es kommt ihm tatsächlich so vor, dass die Liebe zum Smartphone etwas mit Angst zu tun hat, aber einer anderen, als der Sozialpsychologe meint. Es geht um die innere Leere von Menschen, die Angst davor haben, ihre Freizeit sinnvoll zu füllen und ihr Leben selbstbestimmt zu führen. Sie sehen in sich hinein, finden dort nichts und starren verzweifelt und voller Hoffnung auf ihr Gerät. Nicht das Smartphone bringt Menschen Angst – die Angst bringt Menschen zum Smartphone.

  • Ausgabe: Januar
  • Jahr: 2025
  • Autoren: Ernst Peter Fischer
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