Oberflächenbeschichtung als Post-Processing 3D-gedruckter Metallbauteile

Galvanische Beschichtung schafft es, Unebenheiten auszugleichen und AM-Teilen ein dekoratives Aussehen und die gewünschte Oberflächenfunktionalität zu verleihen (Foto: Shutterstock)

Wie können 3D-gedruckte Oberflächen geglättet werden? Ein Überblick, welche Rolle die Oberflächenbeschichtung bei dieser Aufgabe spielen kann.

Die Notwendigkeit zur Nachbearbeitung 3D-gedruckter Metallbauteile wurde in zahlreichen Publikationen beschrieben und wird bald ein ganzes Buch im Leuze Verlag füllen. Durch methodenspezifische Oberflächenphänomene kommt es während des 3D-Drucks zu einer erhöhten Rauigkeit, zu einem matten und wenig dekorativen Aussehen und zu Erstarrungsphänomenen (tropfenförmige Unregelmäßigkeiten an Unterseiten der Bauteile, sog. Down-Skin-Effekt). Es gibt viele verschiedene Ansätze, diese Unebenheiten zu entfernen. Von mechanischen über chemische und elektrochemische Verfahren bis hin zu einer laserbasierten Nachbearbeitung reicht hier die Palette an Methoden. Selten jedoch werden additiv gefertigte Bauteile beschichtet oder gar anodisiert. Teilweise liegt das an den verwendeten Materialien (z. B. hohe Siliciumgehalte), teilweise an den eingesetzten edlen (und damit teuren) Legierungen.

Beschichtung als Post-Processing?

Prozessbedingt sind die Oberflächen 3D-gedruckter Metallbauteile rau und uneben (Foto: EGM)Prozessbedingt sind die Oberflächen 3D-gedruckter Metallbauteile rau und uneben (Foto: EGM)Die Methode des 3D-Drucks hat ihre Wurzeln in der Prototypenfertigung. Entsprechend gestaltete sich das ursprüngliche Post-Processing und war eine Abfolge verschiedener manueller Bearbeitungsschritte. Erst mit zunehmender Relevanz einer industriellen Anwendung etablierten sich komplexere Nachbearbeitungswege wie z. B. Strahlen, Trommelpolieren oder Elektropolieren, oft auch in einer Kombination aus mehreren Methoden. Ein Wettlauf um die glatteste Oberfläche begann, der oftmals nur mit enormem zeitlichen und monetären Aufwand erreicht werden konnte. Das Post-Processing hat bis heute einen signifikanten Anteil an den Gesamtkosten eines über AM gefertigten Produkts. Mit zunehmender Serienfertigung rückten diese Kosten vermehrt in den Fokus, erste automatisierte Lösungen setzten sich durch. Weiterhin blieb der Anteil der Nachbearbeitung an den Herstellungskosten signifikant. Daran konnten auch erste Ansätze zur elektrochemischen Nachbearbeitung (Elektropolieren, dynamisch-elektrochemische Verfahren) nur wenig ändern. Interessanterweise wird das Material beim 3D-Druck nach der Anwendung ausgewählt. Dies betrifft nicht nur mechanische Eigenschaften, sondern vermehrt auch oberflächentechnische. Eine gute Korrosionsstabilität wird so über sehr edle (und teure) Legierungen erkauft. Der Einsatz von Titanlegierungen ist in der additiven Fertigung keine Seltenheit. Der für eine Massenfertigung logische Weg einer Kombination günstigerer Materialien mit einer nachfolgenden galvanischen Veredelung scheint (noch) nicht in den Sinn zu kommen.

Von der Kunststoffbeschichtung bis zur funktionellen galvanischen Schicht

Getrieben vom Design (z. B. Möbelbau) oder technischen Anforderungen (etwa aus dem Bereich der Medizintechnik) gibt es mittlerweile mehrere Ansätze, vor allem das resultierende Aussehen nochmals über Aufbringen von Schichten nachzuschärfen. Vorreiter ist hier wieder der Bereich Kunststoff, der in der additiven Fertigung bereits den Weg in die Serienproduktion erfolgreich vollzogen hat. Die Vorteile einer Metallisierung zur Schaffung metallischer Oberflächen auf Polymeren sind mannigfaltig und werden immer öfter genutzt. Noch etwas weiter entfernt von der Serienfertigung ist der metallische 3D-Druck. Hier freuen sich die Hersteller über Produktionsmengen, welche herkömmlich wohl als Kleinserien zu bezeichnen sind. Doch immerhin, der Weg in die Serie scheint auch hier vorgegeben und mit ihm die Kostensensitivität. Und wie bei der klassischen Fertigung wird hier das Material plötzlich re­levanter und die Kosten der Nachbearbeitung kritisch. Einsparungen bei der gedruckten Legierung (z. B. Stahl anstelle von Titan) und der Transfer der Funktionalität zur Oberfläche erscheinen plötzlich naheliegend. Doch weiter gedacht: Wenn im finalen Schritt eine galvanische Schicht aufgebracht wird, inwieweit muss dann die vorgelagerte Oberflächenbearbeitung noch optimiert werden?

Nutzung der etablierten galvanischen Oberflächentechnik in der Serienfertigung

Galvanische Schichten sind in der Lage, Oberflächendefekte bis zu einem gewissen Grad auszugleichen. Auch leichte Unebenheiten können über den Einsatz entsprechender Beschichtungen eingeebnet werden. Und hier wird es spannend, da plötzlich ein Finishing bis zu den glattesten Oberflächen nicht mehr notwendig ist. Sicherlich, die groben Defekte müssen in einem ersten Schritt (mechanisch) entfernt werden, doch danach benötigt es keine Polierschritte mehr. Die Bauteile können direkt in eine chemische Aktivierung und die galvanische Beschichtung eingebracht werden. Das optische Erscheinungsbild, der metallische Glanz, wird ja durch die Schicht bewirkt. Zusätzlich kann über Wahl (und Dicke) der Beschichtung in bewährter Weise die Funktionalität der Oberfläche eingestellt werden. So kann der Korrosionsschutz wie bei herkömmlichen Produktionsverfahren über die Schicht erfolgen, die Oberflächenhärte erhöht und die Verschleißfestigkeit verbessert werden, ohne dabei auf teure Grundmaterialien zurückgreifen zu müssen. Die Beschichtung von Innenräumen mag nicht immer möglich sein, gelingt aber mitunter gut über außenstromlose Verfahren oder mit Hilfe von (gedruckten) Hilfselektroden. Ein guter Teil der aufwendigen Nachbearbeitung kann entfallen und durch über Jahrzehnte bewährte und optimierte und somit auch kostenoptimierte galvanische Prozesse ersetzt werden. Und sollten sehr geringe Oberflächen-Rauigkeiten erforderlich sein, so kann problemlos in der galvanischen Kette ein Elektropolierschritt vorgeschaltet werden. In diesem Sinne kann die Galvanotechnik als Enabler einer Serienproduktion im Bereich AM wirken und zu einer Win-Win-Situation für beide Seiten führen.

 

  • Ausgabe: August
  • Jahr: 2024
  • Autoren: Redaktion
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