Gewaschen und verrostet

Während der Lagerung von unbeschichteten Stahlrohren wie diesen kann es zu Korrosion kommen. Kondensation und Wetter spielen hier eine wichtige Rolle - (Foto: stock.adobe.com/JackBoiler)
  • Titelbild: Während der Lagerung von unbeschichteten Stahlrohren wie diesen kann es zu Korrosion kommen. Kondensation und Wetter spielen hier eine wichtige Rolle - (Foto: stock.adobe.com/JackBoiler)

Wir lassen von einer benachbarten Galvanik sehr viele Teile galvanisieren. Gelegentlich müssen auch blanke Stahlteile gewaschen werden, die bei uns eingelagert und bei Bedarf verarbeitet werden. Hierbei kommt es immer wieder vor, dass diese Teile nach kürzester Zeit rosten, während andere Teile die Lagerzeit schadlos überstehen. Früher hat die Galvanik die Teile neu gewaschen und einen 8D-Report erstellt. Irgendwann hörten die Reporte auf, mittlerweile berechnet uns die Galvanik sogar die Nacharbeit. Wir hingegen lehnen die Bezahlung der Nacharbeiten ab, und die Situation droht zu eskalieren. Unser Standpunkt ist, dass die Schuld bei der Galvanik liegt, da ja einige Lieferungen i. O. sind, andere wiederum nicht. Wer hat nun recht?

Auch wenn das Vorgehen der Galvanik radikal erscheint und wir uns einen diplomatischeren Ansatz gewünscht hätten, können wir die Situation gut nachvollziehen. Was Sie beschreiben, ist kein Einzelfall, sondern ein seit Jahrzehnten bekannter Streitpunkt, der in dieser und ähnlichen Formen ausgetragen wird. Das betrifft also nicht nur blanke, gewaschene Stahlteile, sondern auch ähnliche Oberflächenbehandlungen bzw. alle, die keinen oder einen geringen Schutz aufweisen bzw. einen zu geringen für die jeweiligen Anforderungen. Ihr Fall ist dabei besonders extrem, weil eine hoch reaktive Oberfläche geschaffen wird, von der Sie hoffen, dass sie nicht reagiert. Dass der Lieferant irgendwann nicht mehr auf Beschwerden und Reklamationen reagiert, hat einen guten Grund: Für die Galvanik klingt es so, als würden Sie immer wieder fragen, warum Eis an warmen Tagen schneller schmilzt als an kalten.

Um das Problem verständlich zu machen, werden wir versuchen, den Vorgang nachzustellen und die Abläufe an der Oberfläche zu erklären. Am Ende führen wir einige Lösungsmöglichkeiten auf.

Arbeitsablauf

Da der Ausgangszustand der Stahlteile schwanken kann, benötigt die Galvanik einen Arbeitsablauf, der alle üblichen Eventualitäten abdeckt und zum gleichen Resultat führt. So ein Ablauf sieht i. d. R. folgendermaßen aus:

  1. Entfettung in einem Heißreiniger
  2. Beizen in Salz- oder Schwefelsäure
  3. Behandlung in einer elektrolytischen Entfettung

Zu 1: Hier wird der gröbste Schmutz, also Fette, Öle und Partikel entfernt. Häufig handelt es sich dabei um eine sehr alkalische, warme Lösung. Heutzutage kommen auch immer mehr kalte, nicht ganz so alkalische Reinigungslösungen zum Einsatz. Wenn sich keine Korrosionsprodukte auf der Oberfläche befinden, wäre die Behandlung hier bereits abgeschlossen.

Zu 2: Entfernung von Rost bzw. Oxiden. Normalerweise dauert die Behandlung nur 3-5 min. Sollten die Stahlteile stark verrostet sein, kann die Behandlung wesentlich länger dauern. Rostnarben lassen sich hierbei nicht ent-fernen.

Zu 3: Bei 2. kann ein Belag entstehen, der „Beizbast“ genannt wird. Dieser wird in der letzten Entfettungsstufe entfernt. Außerdem werden weitere Verschmutzungen beseitigt und die Oberfläche alkalisiert, um eine sofortige Korrosion durch Säurereste zu verhindern.

Selbstverständlich wird zwischen den Arbeitsschritten jeweils umfangreich gespült. Nach der elektrolytischen Entfettung wird versucht, etwas weniger zu spülen, sodass ein leicht alkalischer Film auf der Oberfläche bleibt, ohne dass Flecken entstehen oder gar Salze/Hydroxide auskristallisieren. Am Ende werden die Teile heiß getrocknet und nach Vorgaben des Kunden verpackt.

Risiken

Da sich der beschriebene Ablauf seit rund 100 Jahren bewährt hat und auch so oder so ähnlich als Vorbehandlung vor der galvanischen Beschichtung durchgeführt wird, sind die Risiken an dieser Stelle minimal. Sofern es keine Probleme mit der Teilegeometrie gibt, stellt lediglich eine zu lange Behandlungszeit in der Beize ein Risiko dar. Hierbei reden wir nicht von Minuten, sondern Stunden, in denen die Teile durch die vergleichsweise starke Säure angegriffen werden könnten. Da modernere Beizen über sog. Beizinhibitoren verfügen, ist auch hier das Risiko eher gering.

Einen Knackpunkt kann die letzte Spüle darstellen. Ist das Wasser nicht mindestens neutral, sondern leicht sauer, kann es tatsächlich zu verfrühten Korrosionserscheinungen kommen. I. d. R. besteht die letzte Spülstufe aus Kreislaufwasser, welches entsprechend von Sensoren überwacht wird. Trotz aller Vorsicht kann es auch hier zu Problemen kommen, auch wenn wir diese als recht gering einstufen. Ein Problem kann entstehen, wenn die Spüle gleichzeitig von Beize und E-Entfettung genutzt wird und das Wasser vor dem letzten Spülschritt angesäuert wurde.

Je nach Konstruktion der Teile können sich in Spalten und Rissen Säurereste ansammeln, die durch die letzte Entfettungsstufe nicht ausreichend entfernt wurden. Der Galvaniker begegnet dem Problem, indem er entweder länger elektrolytisch entfettet oder nach dem letzten Spülschritt noch mit einer sog. Dewatering-Lösung arbeitet, welche das Wasser bzw. Säurereste aus den Spalten verdrängt.

Den eigentlichen Knackpunkt stellt die Trocknung dar. Je nach Teilegeometrie und somit Art der Bearbeitung (Trommel, Gestell) kommen unterschiedliche Konzepte zum Einsatz und der blanke Stahl ist der einströmenden Luft schutzlos ausgeliefert. Trommelware wird normalerweise in Zentrifugen getrocknet, was durch die Kombination mit Heißluft sehr effizient ist. Bei Gestellteilen ist das Risiko von Korrosion während der Trocknung höher, was durch höhere Temperaturen und Einblasgeschwindigkeiten, sofern möglich, kompensiert wird.

Abb. 1: Schema der Rostbildung auf Stahl unter einem Wassertropfen - Grafik: PrivatAbb. 1: Schema der Rostbildung auf Stahl unter einem Wassertropfen - Grafik: Privat

Transport, Lagerung und Kondenswasser

Ein deutlich höheres Risiko stellt alles dar, was nach der Trocknung passiert. Dies kann bereits unmittelbar nach der Trocknung stattfinden, oder aber beim Transport und der anschließenden Lagerung. Unserer Erfahrung nach kommen mehr als 90 Prozent der von Ihnen beschriebenen Schwierigkeiten aus diesem Bereich. Das Schlüsselwort lautet „Kondenswasser“ bzw. dessen Bildung.

Für die Bildung eines Wasserfilms auf Metalloberflächen gibt es folgende Möglichkeiten:

Kondensation an kalten Oberflächen in warmer Umgebung. Einen so entstandenen Wasserfilm nennt man Schwitzwasser oder Tau. Dieses Problem tritt u. a. im Bereich Transport/Lagerung auf

Bevorzugte Kondensation an Kondensationskeimen. Als solche Keime wirken die Bestandteile Staub, Pigmente und Ruß sowie andere feste Verunreinigungen. Je nach Dampfmenge bilden sich Tropfen oder dünne Flüssigkeitsschichten.

Die Bildung von dünnen unsichtbaren Wasserfilmen erfolgt durch Adsorption von Wassermolekülen und wird nicht immer erkannt. So erscheint beispielsweise eine Stahloberfläche noch „trocken“, auch wenn sich auf ihr bereits 2 g Wasser pro m2 befinden. Bei 20 g Wasser pro m2 wird sie noch als „fast trocken“ bezeichnet und erst bei etwa 200 g Wasser pro m2 erscheint die Oberfläche „taufeucht“.

Für den Kunden der Galvanik ist die Lagerung oft optimal, wenn er keine Feuchtigkeit auf der Oberfläche „verspürt“. Je nach dem Tag der Anlieferung (Temperatur und Luftfeuchtigkeit) schwanken die Zustände zwischen optimal und katastrophal. Bei einer Abkühlung der Raumtemperatur von 22 °C auf 16 °C steigt die relative Luftfeuchtigkeit von 70 % auf 100 % an. Unter diesen Bedingungen findet völlige Betauung statt.

Das Problem beginnt bereits bei der Beladung des Lkws in der Galvanik. Die Ware ist zwar augenscheinlich trocken, aber Galvaniken sind zumeist warme Orte mit einer relativ hohen Luftfeuchtigkeit. Beim Transport kühlt die Ware ab, das Wasser kondensiert auf der Warenoberfläche und kommt nass beim Kunden an. Diesen Effekt kennt man übrigens auch, bevorzugt im Winter, vom Badezimmer. Wassertropfen bilden sich zuerst an der Fensterscheibe, meistens wenn die Heizung an ist. An dieser Stelle gibt es den größten Temperaturunterschied im Raum.

In neutralen Wässern und an feuchter Luft bildet sich auf unlegiertem und niedriglegiertem Stahl eine Rostschicht. Rost ist ein Sammelbegriff für die nicht einheitlich zusammengesetzten Oxide und Oxidhydrate des überwiegend dreiwertigen Eisens, wobei der Hauptbestandteil meist aus FeO(OH) · nH2O gebildet wird. Als anodische Reaktion löst sich Eisen als zweiwertiges Kation, während gleichzeitig kathodisch Hydroxidionen gebildet werden. In Wasser bilden sich bei Überschreiten des Löslichkeitsproduktes Ausfällungen von Fe(OH)2. In Gegenwart von gelöstem Sauerstoff oxidiert das zweiwertige Hydroxid zum dreiwertigen, rotbraun gefärbten Eisenoxidhydrat. Auf dem Stahl bildet sich dadurch eine voluminöse, lockere Rostschicht. Abbildung 1 zeigt die Rostung unter einem Wassertropfen. In diesem Fall findet die anodische Auflösung in der Mitte statt und an den Rändern bildet sich Rost. Im Prinzip entspricht diese Rostung einem Belüftungselement, da der O2-Zutritt an den Rändern stattfindet.

Bei gleichmäßiger Benetzung der Oberfläche an der Atmosphäre oder unter Wasser würde die Korrosion gleichförmig ablaufen. Bei gleichmäßiger Rostung würde die Bildung der Rostschicht die Zufuhr von Sauerstoff durch die Schicht hemmen, die Korrosionsrate wird dann ­verringert.

In der Meeresatmosphäre wird die Korrosion besonders durch den Chloridgehalt begünstigt. Auch die relative Luftfeuchte ist in dieser Atmosphäre größer als in einer Industrieatmosphäre. Durchweg ist in der Außenatmosphäre die relative Luftfeuchte in den Wintermonaten größer als in den Sommermonaten. In der Innenraumatmosphäre ist es umgekehrt, durch die Heizung im Winter liegt die relative Luftfeuchte zumeist unter 50 %.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Problem aus einer Kombination von reaktiver Oberfläche und Kondenswasser herrührt. Das Kondenswasser entsteht bei Transport und/oder Lagerung, wobei sich die Bedingungen bereits durch das Wetter radikal ändern können. Ein weiterer Einfluss kann sein, wenn die Teile nicht sofort gelagert werden, sondern bspw. über Nacht auf dem Lkw bleiben, wo ein Temperaturabfall zu einer zusätzlichen „Befeuchtung“ der Oberfläche führen kann.

Mögliche Gegenmaßnahmen

Zunächst sollte geprüft werden, ob es nicht möglich ist, die Teile doch mit einem, zumindest temporären, Korrosionsschutz zu versehen. Dies wäre die effektivste Methode, um dem Problem zu begegnen.

Ein zweiter Punkt betrifft die Verpackung. Erfahrungsgemäß werden die Teile so verpackt, wie sie angeliefert wurden. Hierbei handelt es sich meistens um offene Kisten und Gitterboxen, die in etwa einen so guten Schutz bieten wie eine Drehtür als Schutzzaun. Heutzutage gibt es verschiedene Verpackungsarten, die wasseranziehende oder wasserabweisende Eigenschaften haben. Das richtige Material müsste über Tests beim jeweiligen Teilespektrum ermittelt werden.

Außerdem sollten Transport und Lagerung optimiert werden, wobei aus o. g. Gründen auf eine möglichst gleichmäßige Temperatur bei möglichst geringer Luftfeuchtigkeit geachtet werden muss.

Die Abläufe erklären somit auch, warum manche Lieferungen im Lager i. O. und ggf. neuere Lieferungen n. i. O. sind: Meistens liegt es am Wetter (Temperatur und Luftfeuchtigkeit) bei Transport und Lagerung, welches im ungünstigen Fall zu Kondenswasser/Schwitzwasser auf der Oberfläche führt, auch wenn sich diese noch trocken anfühlt.

Weiterführende Informationen:

Kurs: Grundlagen der Korrosion; https://www.galvanotechnik-for-you.de/uebersicht-kurse/grundlagen-der-korrosion/

  • Ausgabe: Mai
  • Jahr: 2025
  • Autoren: B. C.
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