Dr.-Ing. Uwe Krismann Sprecher der Geschäftsführung der Hubert Stüken GmbH & Co. KG aus Rinteln. Das Unternehmen baut für eine Investitionssumme von 30 Mio. Euro eine neue Galvanik - Interview: Robert Piterek
»Die technische Oberfläche ist für uns ein Erfolgsfaktor!«
Herr Dr. Krismann, Sie bauen eine Galvanik für 30 Mio. Euro. Was beinhaltet die Investition?
Sie umfasst Gebäude, technische Gebäudeausstattung und Galvanikautomat. Es ist die größte Einzelinvestition in der Unternehmensgeschichte. Wir befinden uns in einer Transformation und möchten uns in diesen schwierigen Zeitenstrategisch und nachhaltig für die Zukunft aufstellen. Wir sehen auch am Neugeschäft, dass wir hier richtig liegen.
Wie wird die Galvanik aussehen?
Wir werden nur eine einzige Vorbehandlung mit Dekapierung und Spülen haben und können dann die Prozesse auf drei Fertigungslinien nahezu beliebig mit Transportwagen und Umsetzern anfahren. Die Beschickung erfolgt automatisch aus dem Lager. Die Anlage wird hochautomatisiert von einem Leitstand gefahren. Wir benötigen außerdem Bediener sowie Instandhalter. Der Personalbedarf liegt zu Beginn bei etwa 15 Mitarbeitern.
Galvaniken sind energieintensiv. Wie gehen Sie damit um?
Das spielt bei der neuen Galvanik eine ganz große Rolle. Das Nebengebäude und die Galvanik sind mit Photovoltaik bestückt. Inklusive Wärmerückgewinnung mit Wärmetauschern lässt sich die Galvanik CO2-neutral betreiben.
Welche Teile produziert Stüken?
Ein großer Schwerpunkt ist die Autoindustrie, für die wir weltweit fertigen. In jedem Auto sind statistisch gesehen über 40 Stüken-Teile verbaut. Das reicht beim Verbrennungsmotor vom Motor und dem Antriebsstrang über Benzineinspritzungen und Abgassensoren bis zu Benzinfiltern, umfasst aber auch Bremsen, ABS- und ESP-Systeme sowie Sicherungen und Elektronik. Im Bereich Elektromobilität geht es um Hochvoltsysteme mit 800 bis 1000 Volt, die mit hohen Spannungen und geringen Strömen möglichst verlustfrei funktionieren sollen.
Konkret stellen Sie ja Präzisionstiefziehteile her. Worum genau handelt es sich dabei?
Wir verarbeiten meistens Stahlblech oder Aluminium mit einer Bandstärke von zwei Hundertstel Millimetern bis zu vier Millimetern. Durch die Formgebung mit Stempel und Matrize werden beim Tiefziehen dreidimensionale, rotationssymmetrische oder auch eckige Teile gefertigt. Bezogen auf den Anwendungsfall ist auch noch eine Veredelung nötig oder gefordert. Für Stecker und Steckverbinder brauchen wir z. B. Abschirmungen, weil diese Hochvoltverbindungen die Elektronik elektromagnetisch stören. Hierfür fertigen wir tiefgezogene Teile, die beschichtet sind.
Welche Bedeutung hat Galvanotechnik für Sie?
Die technische Oberfläche ist für uns elementar wichtig, also ein strategischer Erfolgsfaktor. Sie hat für uns bei den meisten Teilen eine Schlüsselfunktion. Bei der Elektromobilität beispielsweise sind es hohe Leitfähigkeit oder geringer Übergangswiderstand, die wir sicherstellen wollen und müssen. Ein wichtiges Thema sind z. B. auch Diffusionssperren. Wir nutzen hier Mehrschichtsysteme, beispielsweise Silber unterlegt mit Nickel. Die Baueile müssen Lebenszyklen durchlaufen, mit thermischen, mechanischen und natürlich auch elektrischen Lastprofilen. Hohe Anforderungen, die mit geringen Schichtdicken erfüllt werden müssen, auch aus Kostengründen. Neben den elektrischen haben wir aber auch thermische Anwendungen, z. B. Teile, die als Kühlkörper fungieren und alkalisch passiviert werden. Wir beizen darüber hinaus Titan und anodisieren es. Weitere galvanische Prozesse sind Sulfamat-Nickel, Glanz-Nickel, Chemisch Nickel. Elektropolieren, Kupfer-Flash-Strike und künftig auch Zinn. Unsere Teile entstehen aus der Verbindung von Tiefziehteil und Oberfläche, manchmal noch montiert, geschweißt oder mit Kunststoff umspritzt.
Welche weiteren Pläne verfolgen Sie?
Wir erwägen den Bau einer Bandgalvanik für Elektronikteile, in der das Band selektiv beschichtet und dann tiefgezogen wird.
INFO
Dr. Uwe Krismann
ist Technischer Geschäftsführer und Sprecher der dreiköpfigen Geschäftsführung bei Stüken. Er hat Maschinenbau an der RWTH Aachen studiert und war anschließend bis 1994 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin tätig. Anschließend durchlief er verschiedene Postionen als Fertigungsleiter, Produktbereichsleiter und Werkleiter und in der Industrie u. a. bei der Robert Bosch GmbH. Inzwischen ist er seit 17 Jahren Geschäftsführer bei Stüken, das neben den deutschen Werken noch in Tschechien, den USA, China und künftig auch in Indien produziert.