Die Ausbildung von qualifizierten Fachkräften in der Branche steckt in der Klemme: Kontinuierlich sinken die Ausbildungszahlen zum Oberflächenbeschichter und damit auch die der Galvanotechniker in der zweijährigen Vollzeitfortbildung u. a. an der Gewerblichen Schule Schwäbisch Gmünd. Die „Galvanotechnik“ traf dort auf hochmotivierten Nachwuchs, bereit für den Aufbruch in eine Berufswelt, die auch zahlreiche neue Tätigkeitsbereiche bietet. Um den künftigen Bedarf zu decken, sind jedoch besonders die Branchenunternehmen gefragt.
Galvanotechnik – unentbehrlicher Wirtschaftsfaktor
Nachhaltigkeit durch Galvanotechnik ist keine hohle Floskel. Seit Beginn der Industrialisierung bewahrt die Technologie mit galvanotechnisch geschützten Oberflächen Maschinen, Fahrzeuge, Infrastruktur und zahllose Gegenstände des täglichen Alltags vor Zerstörung und sichert so ihre Funktionsfähigkeit. Schätzungen gehen davon aus, dass Oberflächentechnik – insbesondere galvanotechnische Verfahren – die Schäden durch Korrosion in Deutschland in Höhe von 120 bis 160 Milliarden Euro im Jahr um bis zu 40 Prozent mindern. Damit sorgt Galvanotechnik für den Erhalt von Ressourcen und entspricht damit dem Wesen einer nachhaltigen Wirtschaft: Maschinen können mit ihrem Schutz jahrzehntelang produzieren, Kraftwerke verlässlich und sicher Energie erzeugen und weiterleiten, Wasserhähne ihren Dienst über Generationen hinweg formschön und hygienisch verrichten, versorgt von korrosionsgeschützten Wasser- und Abwasserleitungen. Die nasschemische Abscheidung von Metallen ist ein unentbehrlicher Wirtschaftsfaktor. Hinzu kommt: Auf dem Weg hin zu Dekarbonisierung und Klimaneutralität sind Batterien, Elektrolyseure und Mikroprozessoren wesentliche Technologien – die auf Galvanotechnik angewiesen sind. In ihnen verbaute Komponenten müssen leitfähig, langlebig oder haftfähig sein, zudem spielen elektrochemische Prozesse in Batterien und Elektrolyseuren eine wichtige Rolle.
Rückläufige Zahlen trotz höherer Bedeutung
Doch die weiter zunehmende Bedeutung der im 18. Jahrhundert von Luigi Galvani begründeten Technologie steht in krassem Widerspruch zu den niedrigen Ausbildungszahlen in der Schlüsseltechnologie. Zwar wurden 2023 noch über 1000 junge Menschen in Deutschland zu Oberflächenbeschichtern (435) bzw. Verfahrensmechanikern für Beschichtungstechnik (655) ausgebildet. Insbesondere die Zahlen bei den Oberflächenbeschichtern sind jedoch seit 2018 stark rückläufig. Das färbt mittlerweile auch auf die Technikerfortbildung ab, deren Teilnehmerzahlen ebenfalls stark gesunken sind.
Die Fachstufe steht kurz vor der Abgabe ihrer Technikerarbeit: Axel Aichele, Heinrich Uhlmann, Benjamin de Vries, Paul Rienäcker und Jannik Fritsch (v. l. n. r.)
Ursachensuche: Demografie, Klischees, Unternehmen
Wie konnte es so weit kommen? Da ist zum einen der Fachkräftemangel in der Branche aufgrund schwächelnder Demografie, der die Zahlen sinken lässt, denn Galvanotechniker kann nur werden, wer zuvor eine Ausbildung zum Oberflächenbeschichter absolviert hat. Zum anderen sei der Beruf des Oberflächenbeschichters kaum bekannt, so Dr. Christa Hannak, Abteilungsleiterin Oberflächenbeschichtung an der Gewerblichen Schule Schwäbisch Gmünd. „Und wenn doch, dann nur über alte Klischees“, ergänzt sie. Die Darstellung des Berufs in Berufsberatung und Schulen könne leider immer noch nicht das innovative Potenzial vermitteln, das in dieser Technologie steckt.
Doch der entscheidendste Hebel für die Ausbildung von Galvanotechnikern sind die Unternehmen selbst. Sie sind der wesentliche Motivationsfaktor für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Techniker-Fortbildung anzustreben. Wie kommt es aber, dass Unternehmen die technische Weiterbildung ihrer Belegschaft nicht entschiedener vorantreiben, nicht dafür sorgen, dass die eigenen Fachkräfte in der Lage sind, Lösungen für eine Wirtschaft im Wandel und Antworten auf neue Beschichtungsanforderungen zu finden? Ob die Antworten darauf wirtschaftliche Unsicherheit, höhere Löhne von Fachkräften oder auch bürokratische Hürden sind: Deutschlands Industrie braucht mehr qualifizierte Galvanotechniker.
Das weiß auch Volker Rogoll, Fachlehrer für Galvanotechnik an der Gewerblichen Schule. Deshalb, „weil eine zukunftsfähige Galvano- und Oberflächentechnik, vor allem an Standorten wie Deutschland, zunehmend technologisch anspruchsvoller wird. Aber auch, weil die Anforderungen an die Produktionsplanung und Ressourceneffizienz, einschließlich der Dokumentation, immer weiter steigen“, weiß der Mann, der lange Projektingenieur am Forschungsinstitut Edelmetalle und Metallchemie (fem), aber auch Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Galvano- und Oberflächentechnik e. V. (DGO) war. Auch er bestätigt: „Der Transformationsprozess hin zur Dekarbonisierung der Industrie sei ohne Galvano- und Oberflächentechnik nicht zu bewältigen.“ Zugleich seien die Berufschancen für Galvanotechniker auch wegen des Ingenieurmangels in der Branche besser denn je. „Man sollte selbstständig arbeitende und denkende Fachkräfte im Unternehmen als Gewinn wahrnehmen“, wirbt Dr. Christa Hannak für einen Sinneswandel in der Industrie. Ein qualifizierter Mitarbeiter sei auch gleichzeitig jemand, der ein Ziel mitverfolgt und vorantreibt. „Stillstand ist Rückstand“, ruft die promovierte Ingenieurin ins Gedächtnis.
Tablets gehören mittlerweile zum Standard der Ausbildung – sowohl bei den Oberflächenbeschichtern als auch bei den Technikern
Es geht nicht mehr um das Wie – sondern um das Warum
Einige Unternehmen, darunter Umicore oder Schlötter, ermutigen ihre Mitarbeiter zur Techniker-Fortbildung in Schwäbisch Gmünd. Die hiesige Gewerbliche Schule gilt als eine der bedeutendsten Fachschulen für Galvanotechnik in Deutschland. Galvanotechnische Berufsqualifizierungen gibt es hier schon seit 1927. Mehr als 1000 Techniker haben die Schule seither durchlaufen.
Den Schülerinnen und Schülern wird einiges abverlangt: Zwei Jahre in Vollzeit müssen sie weiter die Schulbank drücken. In dieser Zeit wird ihnen viel mitgegeben. Neben einem profunden Verständnis von Chemie und galvanotechnischen Prozessen stehen Umwelttechnik, Betriebswirtschaft, betriebliche Kommunikation, branchenspezifisches Englisch, Personalführung und Ausbildereignung auf dem Lehrplan. Im Fach Galvanotechnik geht es nicht mehr nur darum, wie etwas funktioniert, sondern warum es so funktioniert. „Wir vertiefen wissenschaftliche Fragestellungen zum Beispiel in der Abschlussarbeit der Techniker“, erklärt Dr. Hannak und ergänzt: „daher wird die Technikerarbeit als wissenschaftliche Arbeit praxisnah in der Industrie durchgeführt.“
Birka Schunter, selbst in einer Galvanotechnikerfamilie aufgewachsen, unterrichtet die technischen Verfahren. Nach einem Studium der Oberflächentechnik an der Hochschule Aalen und Stationen als Ingenieurin bei Umicore und Hartverchromern wechselte sie 2008 in den Schuldienst. „Ich bringe den Schülerinnen und Schülern Verfahren bei, die über das Alltägliche hinausgehen: Chemisch Glänzen, Elektropolieren, Sonderchromverfahren, Hydrozyklontechnik.“ Ihr Credo: „Die Schüler sollen Prozesse verstehen, nicht nur ausführen.“
Die Ausstattung der Ausbildungswerkstatt ist modern und sicher. Technikern bietet sich hier die Gelegenheit, Inhalte aus ihrer Ausbildung zu wiederholen und zu vertiefen
Grundstufe: Fortgeschrittene Fachkenntnisse gewünscht
Das ist es auch, was die aktuelle Generation angehender Galvanotechniker in Schwäbisch Gmünd im Sinn hat. Die jungen Leute im Alter zwischen 20 und 37 Jahren sind wissbegierig und hochmotiviert. Viele haben sich ganz bewusst für den Weg des staatlich geprüften Technikers entschieden – nicht, weil es ihnen ihr Arbeitgeber nahelegte, sondern überwiegend aus eigenem Antrieb. So wie Elena Feil, die nach ihrer Ausbildung beim Hochvolttechnik-Experten Rosenberger im oberbayerischen Friedolfing wusste: „Ich will mehr wissen und verstehen, was ich da eigentlich tue.“ Sie ist eine der wenigen Frauen in der Techniker-Fortbildung, doch das stört sie nicht: „Ich würde den Beruf jeder technikinteressierten Frau empfehlen“, so die 21-Jährige. Ihr gleichaltriger Mitschüler Leandro Anderutti aus der Schweiz kam von sich aus nach Schwäbisch Gmünd und finanziert die Fortbildung selbst. In seinem Heimatland gibt es keine Techniker-Ausbildung – nur den Galvanomeister. Mehrere Kollegen seines Arbeitgebers Hofstetter PCB in Küssnacht am Vierwaldstättersee empfahlen ihm die deutsche Fachschule. „Ich wollte tiefer einsteigen. Die Vielseitigkeit in der Galvanik ist enorm – von der Forschung über das Labor bis zur Produktion.“ Dass er dafür das idyllische Städtchen Küssnacht gegen das Wohnheim in Schwäbisch Gmünd getauscht hat, bereut er nicht. Ob Leandro allerdings, wie rund 70 Prozent der Galvanotechniker, noch die berufsbegleitende Fortbildung zum Galvanomeister draufsattelt, steht noch in den Sternen. Der Grund: „Der Techniker wird in der Schweiz höher angesehen als der Meister.“
Michael Ferahyan hingegen ist mit der Branche aufgewachsen – sein Vater arbeitete als Galvaniseur in einem Eloxalbetrieb. Zunächst hatte der 26-Jährige Vorbehalte, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten: „Er sprach viel von Fließbandarbeit. Aber als ich bei Schlötter ein Praktikum machte, merkte ich, wie vielfältig der Beruf wirklich ist“, erzählt er. Heute schätzt er besonders die Verbindung aus Chemie, Technik und Präzision. Wie Elena und Leandro ist Michael in der Grundstufe, also im ersten Jahr der zweijährigen Fortbildung, die in diesem Jahr lediglich aus neun Schülerinnen und Schülern besteht.
Auszubildende zum Oberflächenbeschichter und Teilnehmer der Technikerfortbildung kommen aus dem ganzen Bundesgebiet und auch aus Nachbarländern. Viele wohnen im modernen Schulwohnheim
Fachstufe: Begeisterung für elektrochemisches Beschichten
Viele Nachwuchsgalvanotechniker eint ein ähnlicher Erfahrungshintergrund: Viele begannen nach dem Abschluss an der allgemeinbildenden Schule eine Ausbildung zum Oberflächenbeschichter – und entdeckten in Praktika oder im Betrieb ihre Leidenschaft. Beim Blick in die Fachstufe, dem finalen Fortbildungsjahr für Techniker, das in diesem Jahr zwölf Teilnehmer hat, ist das nicht anders.
Jannik Fritsch (22) aus Ravensburg etwa war bei Liebherr Aerospace in Lindenberg tätig, wo er mit Zink-Nickel, Silber und Kupfer beschichtete. Heute ist er angehender Techniker – und hat kürzlich bereits einen Vertrag als Ausbilder bei seinem früheren Arbeitgeber unterschrieben. Sein Mitschüler Axel Aichele (24) stammt aus Schwäbisch Gmünd. Nach seiner Ausbildung in einem kleineren Betrieb in Böbingen wechselte er zu Umicore in die Anodenfertigung. „Mir war von Anfang an klar, dass ich den Techniker machen will, sobald ich mich bereit fühle“, sagt er. 2023 startete er die Technikerausbildung auf eigene Faust. Sein Aufstiegs-BAföG erhielt er schnell, weitere Finanzierungsmöglichkeiten wie Wohngeld lassen noch auf sich warten. Paul Rienäcker (26) wiederum durchlief einen ungewöhnlichen Werdegang: Er lernte Metallblasinstrumentenmacher im thüringischen Vogtland. In der Galvanikabteilung seines Ausbildungsbetriebs entdeckte er seine Begeisterung für das elektrochemische Beschichten. Nach der Ausbildung und einem Jahr Berufserfahrung stand der Wunsch fest, Techniker zu werden. Paul ist flexibel und kann sich sowohl eine Zukunft bei Umicore in Schwäbisch Gmünd als auch etwa beim Halbleiterhersteller Global Foundries in Dresden vorstellen.
Benjamin de Vries (26) wollte zunächst Chemielaborant in Solingen werden, konnte hier aber keine Stelle finden und folgte dann dem Tipp einer Bekannten, die Ausbildung in einer Armaturenfirma mit großer Galvanikabteilung zu absolvieren. Heute lebt er in Schwäbisch Gmünd. „Ich wollte etwas Neues sehen. Die Schule hier hat mich mit ihrem Ruf überzeugt.“ Am meisten Berufserfahrung bringt Heinrich Uhlmann (36) mit. Nach einem begonnenen Chemiestudium arbeitete er im Rettungsdienst, wo er wegen eines Arbeitsunfalls ausschied. Später war er sieben Jahre lang Schichtführer im Technologie-Zentrum für Oberflächentechnik und Umweltschutz (TZO) in Leipzig. „Ich wollte zeigen, dass ich mehr kann als nur eine Anlage überwachen“, sagt er. Der logische nächste Schritt: Die Techniker-Fortbildung in Schwäbisch Gmünd.
Gänge mit hohen Fensterfassaden prägen die Schule und verleihen ihr ein modernes Lernambiente
Zukunftsbranche Galvanotechnik
Die Galvanotechnik – da sind sich alle acht interviewten Nachwuchsgalvanotechniker aus Grund- und Fachstufe einig – ist eine Zukunftsbranche. Ihre Argumente: Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung, Miniaturisierung, Elektromobilität, Medizintechnik. „Fast jedes technische Produkt hat eine beschichtete Oberfläche“, sagt Elena Feil. Dass die Schichten künftig dünner, effizienter und präziser werden, sehen viele als Herausforderung – auch für die eigene Technikerarbeit, deren Themen sich in der Fachstufe schon herauskristallisieren: Paul Rienäcker schreibt gemeinsam mit Heinrich Uhlmann über Einsparungen von Material und Energie, Jannik Fritsch über Aluminiumschichten. Mit der Minimierung der Wasserstoffversprödung beim Versilberungsprozess beschäftigt sich Benjamin de Vries und Axel Aichele bringt eine Abschlussarbeit über die fluoridfreie Vorbehandlung von Titan zu Papier. Die Technikerfortbildung kann dem Anspruch eines Studiums nicht genügen, doch ein wissenschaftlicher Anspruch und fortgeschrittene Fachkenntnisse sind eindeutig vorhanden bei den Fachkräften von morgen. Und nach Ende der Fortbildung steht der Weg an eine Hochschule mit der gleichzeitig erworbenen Fachhochschulreife auch offen. Und wie sehen sie ihre Schule? Einstimmig positiv. Die Lehrer gelten als engagiert, die Inhalte bringen Licht in Verfahren und Zusammenhänge, das Klima ist kollegial. „Hier sind alle motiviert – das fördert das Lernen“, sagt Leandro. Und Paul bringt es auf den Punkt: „Ich hätte mir keine bessere Schule vorstellen können.“
Die Gewerbliche Schule Schwäbisch Gmünd hat einen exzellenten Ruf in der Branche, leidet jedoch an kontinuierlich sinkenden Ausbildungszahlen
Fazit: Die Zeichen der Zeit erkennen
Lauscht man dem Nachwuchs für die Galvanikindustrie von morgen, ist der Aufbruch in eine nachhaltigere Welt mithilfe der Galvanotechnik schon da. Um Berufschancen machen sie sich keine Sorgen. „Wenn der Industriestandort Deutschland sich halten, technologisch auf der Höhe der Zeit bleiben und die Potenziale des energietechnischen Transformationsprozesses für sich ausschöpfen will, müssen wir mehr Oberflächenbeschichter und Techniker ausbilden“, ist Dr. Christa Hannak überzeugt. Um die Ausbildung wieder anzuschieben, müssten die Betriebe in die Schulen gehen, den Beruf bekannter machen und wieder ins Bewusstsein der Schulabgänger bringen. Denn es winken „gerade in der Galvanotechnik beste Chancen für eine berufliche Karriere bis in höhere Ebenen bei attraktiven Jahreseinkommen“, wie Volker Rogoll betont.
Die Stimmung im Land ist schlechter als die Lage. Da sind sich viele Unternehmer der Branche einig, wie auch schon die Branchenumfrage auf dem Leipziger Fachseminar im Februar zeigte. Die weltweiten Entwicklungen weisen in die Richtung einer Rückbesinnung auf den Standort Deutschland. Autarkie und Unabhängigkeit stehen höher im Kurs denn je in den vergangenen Jahrzehnten. Es gilt nun, die Zeichen der Zeit zu erkennen und die Begeisterung der jungen Leute zu teilen, die sich eine erfolgreiche Zukunft in der Galvanotechnik wünschen. Wer Zukunft will, muss ausbilden – und Mut, Zuversicht und Beharrlichkeit bei den Ausbildungsbemühungen an den Tag legen!