Galvanische Schichten unterdrücken die Entstehung von Rost. Doch das rotbraune Eisenoxid kann eine entscheidende Rolle bei der Energiewende spielen. Denn in einem Kreislauf aus Oxidation und Reduktion könnte Rost entscheidender Baustein für sogenannte Metallkraftwerke werden, die Energie erzeugen und speichern. Wissenschaftler der TU Darmstadt erproben die Technik derzeit und wollen demnächst ein Berliner Kohle-kraftwerk umrüsten.
Der Schutz gegen Korrosion beziehungsweise Rost ist der wichtigste Zweck der Galvanotechnik. Das deutsche Lackinstitut hat kürzlich gemeldet, dass in Deutschland tagtäglich 16 Tonnen Stahl durch Korrosion verschwinden. Eine geradezu revolutionäre Erkenntnis stellt den vermeintlich ausnahmslos schädlichen Korrosionsprozess nun in ein neues Licht: Denn Rost kann in einem Kreislauf aus Oxidation und Reduktion zur CO2-freien Erzeugung und Speicherung von Energie beitragen. Mit dieser Technik, die Dr. Andreas Dietz vom Fraunhofer Institut für Schicht und Oberflächentechnik IST schon beim letzten Ulmer Gespräch in seinem Vortrag beschrieben hat, wollen Forscher der TU Darmstadt nun im Projekt „Clean Circles“ den Weg für sogenannte Metallkraftwerke frei machen (Abb. 1).
Abb. 1: Blick in eine Staubfeuerungsbrennkammer. In dieser Anlage der TU Darmstadt soll Eisenstaub mit 1 MW Leistung verbrannt werden
Eisen und Rost als Energiespeicher
Das Konzept hinter „Clean Circles“ klingt zunächst einfach: Eisen wird verbrannt, um Wärme zu erzeugen. Eisenpulver besitzt brennbare Eigenschaften, ähnlich wie Kohle, jedoch mit einem entscheidenden ökologischen Vorteil: Da Eisen frei von Kohlenstoff ist, entsteht bei der Verbrennung kein klimaschädliches Kohlen-dioxid (CO2). Diesen Vorteil wollen die Forscher (Abb. 2) gezielt für eine nachhaltige Energieversorgung nutzen.
Zentrales Element des Prozesses ist Rost – der bekanntlich aus Eisen und Sauerstoff besteht. Durch den Einsatz von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien kann dieser Sauerstoff wieder aus dem Rost entfernt und das Eisen regeneriert werden. Dieser kontinuierliche Kreislauf aus Oxidation und Reduktion ermöglicht eine langfristige Speicherung von Energie aus erneuerbaren Quellen.
Abb. 2: Marius Schmidt, Christian Hasse, Andreas Dreizler und Rainer Hofmann vom Darmstädter Clean Circles-Team. Im Hintergrund der Turm des TUDa-eigenen Demonstrationskraftwerks
„Rost ist somit nicht mehr nur ein Nebenprodukt, sondern wird zu einem wertvollen Bestandteil eines nachhaltigen Energiespeichers“, erklärt Prof. Andreas Dreizler, Experte für reaktive Strömungen und Mitverantwortlicher des Projekts an der TU Darmstadt. Die gespeicherte Energie in Eisen sei langfristig nutzbar und in einer funktionierenden Infrastruktur problemlos transportierbar, was dem Konzept eine globale Bedeutung verleihe. Schon heute werden jährlich Millionen Tonnen Eisen und Rost per Bahn oder Schiff transportiert.
Energiespeicherung für eine zuverlässige Zukunft
Energie effizient zu speichern, insbesondere über Nacht oder während der Wintermonate, ist eine zentrale Herausforderung der Energiewende. Eisen bietet hierfür eine vielversprechende Lösung, da es sich wiederholt regenerieren lässt – vergleichbar mit einer Batterie. Zudem entsteht dabei kein CO2.
In einem Versuchskraftwerk auf dem Gelände der TU Darmstadt testen die Wissenschaftler derzeit die Umsetzung im größeren Maßstab. Dieses Kraftwerk, das bisher zur Erforschung von Biomasse und Abfallstoffen genutzt wurde, soll nun ein Megawatt an „Eisenenergie“ liefern. Sollte das Konzept aufgehen, planen die Forscher bereits einen noch ambitionierteren Schritt: Die Umrüstung eines Berliner Kohlekraftwerks auf Eisenverbrennung, um eine nachhaltige Nahwärmeversorgung zu ermöglichen.
Neue Perspektiven für Kohlekraftwerke
Das Forschungsteam von „Clean Circles“ sieht die Zukunft der Energieversorgung in einem Mix verschiedener Technologien. Insbesondere die Langzeitspeicherung erneuerbarer Energie könnte durch Eisen eine entscheidende Weiterentwicklung erfahren.
„In Eisen lassen sich enorme Mengen Energie über lange Zeiträume hinweg speichern“, betont Professor Christian Hasse, Experte für Thermo-Fluid-Systeme und Mitverantwortlicher des Projekts. Dies sei insbesondere für den europäischen Winter mit seinen langen Dunkelflauten eine essenzielle Lösung. Erste Umrüstungen von Kohlekraftwerken auf Eisen als Energieträger könnten bereits ab 2030 starten. „Eisen sollte als vielversprechende Technologie für die Energiewende unbedingt mit einbezogen werden“, so Hasse. Der erforderlichen Energiesicherheit kämen wir mit der Speichertechnik ebenfalls deutlich näher, ist er überzeugt. Eine gute Nachricht unter anderem für energieintensive Industrien wie die Galvanotechnik. Darüber hinaus könnte dieser Ansatz einen nachhaltigen Effekt im Bauwesen haben: Ehemalige Kohlekraftwerke müssten nicht abgerissen werden, sondern könnten mit minimalen Eingriffen auf eine klimafreundliche Energieproduktion umgestellt werden.
Abb. 3: Ein sauberer Zyklus: Grüner Strom – auch über die Speicherstufe Wasserstoff – reduziert die Metall-Sauerstoff-Verbindung zum reinen Metall. Bei dessen Verbrennung wird Wärme frei, aber auch wiederum speicherbarer Wasserstoff. Diese Energien können zur Produktion genutzt oder gespeichert werden
Mit Eisenverbrennung Wärme und Wasserstoff gewinnen
Mit einer zusätzlichen Nutzungsidee gewann das Team der TU Darmstadt kürzlich zwei Preise bei einem Ideenwettbewerb: Der Energiespeicher Eisen kann nicht nur viel Wärme liefern, sondern auch den begehrten Wasserstoff (Abb. 3). Wird Eisen mit Wasserdampf – also H2O – oxidiert, entsteht neben Eisenoxid auch Wasserstoff (H2). Dieser Forschungsidee gab das Team den Namen „MetalH2eat“ für Metall zu H2 und Wärme. Das Team unter Leitung von Marius Schmidt, promovierter Ingenieur der TU Darmstadt und Geschäftsführer von Clean Circles, überzeugte die Jury mit ihrer nachhaltigen Idee. Laut Schmidt könnte dies ein weiterer Baustein für die Energiewende und Wasserstoffstrategie sein – „zum Beispiel für eine Glashütte im tiefen Schwarzwald, die Energie in Form von Wasserstoff und Wärme nutzen kann, aber nicht an entsprechende Netze angeschlossen ist“. Solche Betriebe könnten dezentral Energie aus Eisen einsetzen.
Fotos: TU Darmstadt/ Anja Störiko