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Montag, 19 Oktober 2020 16:00

Geschichte[n] der Galvanotechnik - Ausbildung im Raum Schwäbisch Gmünd (Teil 2)

von Hasso Kaiser
Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten

Das am 28.11.1986 gegründete Zentrum für Oberflächentechnik Schwäbisch Gmünd e.V. (Z.O.G.) ist ein Zusammenschluss von Schulen, Institutionen und Firmen, die Veranstaltungen zur Aus-, Fort- und Weiterbildung auf dem Gebiet der Oberflächentechnik anbieten.

Die Arbeit des Z.O.G. wurde überregional und international mit großem Interesse zur Kenntnis genommen und beachtet. Deshalb erfolgt bereits nach zwei Jahren, im Oktober 1988, auf Anregung des für Schwäbisch Gmünd verdienten Ministers a. D. Professor Dr. Seifriz und unter entscheidender Mithilfe des Oberbürgermeisters der Stadt Schwäbisch Gmünd, Dr. W. Schuster, des Landtagsabgeordneten Dr. H. Ohnewald, anderer Landespolitiker, Industrievertreter und Wissenschaftler die Gründung eines Europäischen Komitees für Oberflächentechnik.

Diesem gehörten führende Vertreter aus Industrie und Wissenschaft an, die auf dem Gebiet der Oberflächentechnik tätig waren. Der Vorstand dieses Komitees bestand aus dem Oberbürgermeister der Stadt, Dr. W. Schuster, und seinen beiden Stellvertretern Professor Dr. Ch. J. Raub (Forschungsinstitut für Edelmetalle und Metallchemie, Schwäbisch Gmünd) und Direktor H. Kaiser (Degussa Schwäbisch Gmünd). Dieses Komitee war der Grundstein für die konsequente Erweiterung der internationalen Aktivitäten und gründete am 15. Oktober 1989 in Schwäbisch Gmünd im Beisein von viel Prominenz aus internationaler Wirtschaft, Wissenschaft und Politik die Europäische Akademie für Oberflächentechnik oder auch European Academy of Surface Technology (EAST).

Initiatoren und Organisatoren der Gründung der EAST sowie Gründungsmitglieder waren Direktor Hasso Kaiser (Degussa Schwäbisch Gmünd) und Prof. Christoph Raub (Forschungsinstitut für Edelmetalle und Metallchemie, Schwäbisch Gmünd).

Abb. 4: 30-jähriges EAST JubiläumAbb. 4: 30-jähriges EAST Jubiläum

Zu den weiteren Gründungsmitgliedern gehörten:

  • Professor Dr. P. Cavallotti (Technische Hochschule Mailand/Italien)
  • Professor Dr. A. Despic (Universität Belgrad/Jugoslawien)
  • Professor Dr. M. Froment (Institute Physique des Liquides et Electrochimie, Paris/Frankreich)
  • Dr. D. Gabe (University Loughborough, England)
  • Professor Dr. V. N. Kudryavtsev (Mendeleev Hochschule für chemische Technik, Moskau/UdSSR)
  • Dr. Th. A M. Maas (Philips, Eindhoven/Niederlande)
  • Dr. A. Maner (Elfo AG, Sachseln/Schweiz)
  • Prof. Dr. W. Paatsch (BAM, Berlin/Deutschland)
  • Dr. J. C. Puippe (W. Flühmann AG, Zürich/Schweiz)
  • Professor Dr. St. Rashkov (Bulgarische Akademie der Wissenschaften, Sofia/Bulgarien)
  • Professor Dr. J. Roos (Universität Löwen/Belgien).

gt 2020 10 0076Abb. 5: Gründungsurkunde der European Academy of Surface Technology (EAST)Die neu während der Sitzung gewählten Mitglieder waren Dr. J. Vanhumbeek (Siemens AG, Oostkamp/Belgien) und Professor Dr. E. Budevski (Bulgarische Akademie der Wissenschaften, Sofia/Bulgarien).

Als assoziierte Mitglieder waren der Präsident der American Electroplaters and Surface Finishers Society, St. Schachamayer und der Geschäftsführer H. Schumacher sowie der Vizepräsident der Surface Finishing Society of Australia, B. Wilson, anwesend.

Das Patronat hatten der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, S. Alber, P. M. Schmidhuber von der Europäischen Gemeinschaft, Dr. H. Riesenhuber, Minister für Forschung und Technologie, Bonn (vertreten durch Dr. D. Widdershoven), H. Schaufler, Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie Baden-Württemberg, Stuttgart, und Dr. W. Schuster, Oberbürgermeister der Stadt Schwäbisch Gmünd übernommen.

Am 14. Oktober 1989 wurden in einer Arbeitssitzung von den Gründungsmitgliedern der Akademie die Ziele und Arbeitsschwerpunkte diskutiert und festgelegt.

In den Statuten von EAST sind die Aufgaben wie folgt beschrieben:

  • Die Zusammenarbeit innerhalb Europas auf dem Gebiet der Galvano- und Oberflächentechnik zu intensivieren.
  • Durch Einrichtung von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen den Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Industrie auf dem Gebiet der Oberflächentechnik zu intensivieren.
  • Als Informationszentrum ein Forum für den europäischen Wissenschafts- und Technologietransfer zu bilden.
  • Die Entwicklung umweltschonender Prozesse und Produkte durch europäische Zusammenarbeit zu fördern.
  • Durch Verleihung des „Europäischen Preises für Oberflächentechnik“ herausragende europäische Beiträge zum Technologietransfer anzuerkennen.
  • Partnerschaftlich mit nationalen und internationalen Einrichtungen von Bildung und Wissenschaft als auch der Industrie zusammenzuarbeiten.

Ausdrücklich wurde festgelegt, dass die Akademie zur europäischen Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie, dem gegenseitigen Verständnis der Menschen zwischen Ost und West und der weltweiten Freundschaft beitragen soll.

Neben europäischen wissenschaftlichen Einrichtungen wie Universitäten, Hochschulen und Forschungsinstituten, die aktiv bei EAST mitarbeiten, wurde insbesondere auf die Zusammenarbeit mit der europäischen Industrie großen Wert gelegt.

Im Oktober 2019 konnte EAST sein 30-jähriges Bestehen feiern und auf eine außerordentlich erfolgreiche Entwicklung zurückblicken. Die jährlichen Treffen der EAST-Mitglieder waren und sind immer eine gute Möglichkeit für neue Ideen und gemeinsame Projekte im Rahmen von europäischen Forschungsprogrammen.

Neben zahlreichen Forschungsaktivitäten von verschiedenen Konsortien der EAST-Mitglieder stand immer auch die Weiterbildung von jungen Nachwuchswissenschaftlern auf dem Gebiet der Elektrochemie sowie der Galvano- und Oberflächentechnik im Mittelpunkt. Durch die Aktivitäten von EAST ist es gelungen, Schwäbisch Gmünd international als Zentrum auf diesen Technologiegebieten zu etablieren. Dies zeigt sich u. a. auch dadurch, dass die Tagungen im Rahmen eines internationalen Weiterbildungsprojekts (MINDE) in Athen, Barcelona, Mailand und Schwäbisch Gmünd stattfanden. Damit wurde auch die Möglichkeit geschaffen, kontinuierlich junge Wissenschaftler in das EAST-Netzwerk zu integrieren und somit die Zukunft zu sichern.

Die Galvanoaktivitäten im Raum Schwäbisch Gmünd sind auch eng mit den Anfängen der Hochschule Aalen für Technik und Wirtschaft (HTW) verknüpft. Erster Direktor der am 1. Oktober 1962 gegründeten Ingenieurschule Aalen wurde Professor Ernst Raub, welcher bereits seit 1934 die Probier- und Forschungsanstalt für Edelmetalle – das heutige Forschungsinstitut für Edelmetalle und Metallchemie (fem) – erfolgreich leitete [7]. Die seit 1957 bestehende Ingenieurabteilung für Metallveredelung und Werkstoffkunde in Schwäbisch Gmünd wurde zum 1. Januar 1963 der Ingenieurschule Aalen angegliedert, verblieb aber bis März 1969 in Schwäbisch Gmünd.

Der Gründung der HTW Aalen ging ein fast 10-jähriges Ringen zweier maßgeblicher Personen voraus: Oberbürgermeister Dr. Karl Schübel und Landrat und Minister des Landes Dr. Anton Huber engagierten sich vehement für den Standort Aalen. Alle lokal- und landespolitischen Ebenen wurden bespielt und die vielen geduldigen und teilweise harten Verhandlungen hatten schlussendlich zur Entscheidung zu Gunsten des Standorts in Aalen geführt. 

Abb. 6: Die ,,Geschichte'' zum Spatenstich und der Original-Spaten (8)Abb. 6: Die ,,Geschichte'' zum Spatenstich und der Original-Spaten (8)Aus den beschaulichen Anfängen mit 32 Studierenden ist in knapp sechs Jahrzehnten eine der forschungsstärksten Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Baden- Württemberg entstanden. Rund 5800 Studierende nutzen über 50 Bachelor- und Masterstudienangebote aus fünf Fakultäten. Die HTW Aalen ist ein zuverlässiger Partner in der „Region der Talente und Patente“ für die regionale Wirtschaft, Verbände und mehr als 100 Kooperationspartner weltweit. Als die Hochschule Aalen 1963 ihren Betrieb aufnahm, studierten etwa fünf bis sechs Prozent eines Jahrgangs. Heute sind es in Deutschland 54 Prozent [9].

Die Region Ostwürttemberg kann vielfältige Aktivitäten im Bereich der Oberflächentechnik vorweisen und wurde als Preisträger des regionalen Clusterwettbewerbs Baden- Württemberg ausgezeichnet.

Obwohl die Branche auf Basis der Beschäftigtenzahlen übersichtlich ist, gehen doch starke internationale Impulse aus der Region hervor. Dies ist insbesondere auf die Ausprägung der Ausbildungsmöglichkeiten im Fachgebiet Oberflächentechnik in dieser Region und einer engen Vernetzung der Akteure zurückzuführen. Die gewerbliche Ausbildung als Oberflächenbeschichter mit schulischer Begleitung durch die älteste Berufsschule in Baden-Württemberg [10], stellt eine solide Basis für eine erfolgreiche Berufslaufbahn sicher. Der erfolgreiche Abschluss zum Oberflächenbeschichter eröffnet den Weg in die Techniker- bzw. Meisterausbildung in Schwäbisch Gmünd, um qualifiziert Fach- oder Führungsverantwortung übernehmen zu können.

Der Einblick in die internationale Welt der Oberflächentechnik motiviert viele Absolventen einer gewerblichen Ausbildung, ein Studium der Werkstoffkunde- und Oberflächentechnik zum Beispiel an der HTW Aalen anzuschließen. Hier können interessierte und weltoffene Studenten schnell Kontakte zu namhaften Firmen oder universitären Einrichtungen knüpfen und sich ein wertvolles Netzwerk aufbauen. Schon seit Generationen gilt das Motto „Sei schlau, mach V“ unter den Aalener Studenten. Die Galvanospezialisten aus der Region finden sich in allen Teilen der Welt und in vielen Industriebranchen wieder. Aufgrund der soliden und durchgängigen Ausbildungsmöglichkeiten mit hohem Praxisbezug sind sie begehrte und befähigte Bewerber in der Industrie.

Das Forschungsinstitut für Edelmetalle und Metallchemie (fem) spielt eine weitere, bedeutende Rolle in der Wahrnehmung der Gmünder Galvanoaktivitäten in der Welt. Seit Gründung im Jahr 1922 wurden tausende technisch- wissenschaftliche Veröffentlichungen verfasst. Diese bilden eine solide wissenschaftliche Basis, insbesondere in der Edelmetallgalvanotechnik. Die hochqualifizierten und erfahrenen Mitarbeiter sind begehrte Vortragsredner bei internationalen Konferenzen und arbeiten in vielen Projekt- und Fachausschüssen mit.

Betrachtet man die überschaubare Anzahl der Fachleute auf dem Gebiet der Galvanotechnik in der Welt so wird einem schnell bewusst, dass die Region Ostwürttemberg einen weit über die nationalen Grenzen hinausgehenden Beitrag leistet.

Der Schlüssel zu dieser bemerkenswerten Entwicklung liegt in der ganzheitlichen Ausrichtung der Ausbildungsmöglichkeiten in der Region und dem gemeinsamen Engagement der Politik, der Wissenschaft und der Industrie.

-Hasso Kaiser, Dr. Andreas Zielonka, Thomas Engert- 

Quellen:

[6] Bildmaterial EAST
[7] 80 Jahre fem, Foschungsinstitut für Edelmetalle und Metallchemie
[8] 50 Jahre Hochschule Aalen, Kapitel: Festgehalten
[9] https://www.hs-aalen.de/pages/ueber-uns
[10] https://www.gs-gd.de/Geschichte.html

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 10
  • Jahr: 2020
  • Autoren: Hasso Kaiser, Dr. Andreas Zielonka, Thomas Engert

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