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Mittwoch, 25 Oktober 2023 14:00

Die wunderbare Welt der Galvanotechnik

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Geschätzte Lesezeit: 4 - 8 Minuten
Gleichstromgeneratoren aller Art – die Grundlage für die industrielle Galvanotechnik – sind im Untergeschoss des Museums ausgestellt, das Thilo von Vopelius gerade abschreitet Gleichstromgeneratoren aller Art – die Grundlage für die industrielle Galvanotechnik – sind im Untergeschoss des Museums ausgestellt, das Thilo von Vopelius gerade abschreitet (Fotos: Robert Piterek)

Die industriellen Anfänge der Galvano­technik lassen sich auf die 1840er-Jahre in England zurückdatieren. In Deutschland waren es die Langbein-Pfannhauser Werke in Leipzig, die das Fertigungsverfahren aufgriffen und seit ihrer Gründung im Jahr 1881 industrialisierten. In Leipzig werden die Pionierleistungen der frühen Jahre gezeigt und ihr Andenken lebendig gehalten – im einzigen Museum für Galvanotechnik weltweit.

Es ist der Initiative von Dr. Ulrich Vieweger und Thilo von Vopelius zu verdanken, dass es heute einen Ort gibt, der die galvanotechnische Industriegeschichte mit zeitgeschichtlichen Artefakten und ausführlichen Beschreibungen am Leben hält. Die beiden Herren stehen dem Trägerverein Museum der Galvanotechnik e. V. vor, der sich seit 2010 dem Andenken an die Anfänge der Technologie in Deutschland mit bislang 45 Firmen- und 20 persönlichen Mitglieder verpflichtet hat.

Passenderweise befindet sich das Museum am einstigen Standort der traditionsreichen Langbein-Pfannhauser Werke

Passenderweise befindet sich das Museum am einstigen Standort der traditionsreichen Langbein-Pfannhauser Werke. Der Betrieb wurde nach 1945 als ehemaliger Rüstungsbetrieb verstaatlicht und war bis zur Wende unter dem Namen VEB Galvanotechnik Leipzig bekannt. Heute sind beide Unternehmen Geschichte, doch die Verbindung zur Branche ist geblieben, denn auf einem Teil des Geländes befindet sich jetzt die Vopelius Chemie AG. Das Unternehmen beliefert Chemiefachfirmen der Galvano- und Oberflächentechnik mit Rohstoffen. Eigner Thilo von Vopelius hatte das Betriebsgelände Anfang der 1990er-Jahre von der Treuhandanstalt übernommen und hier zusätzlich zum bestehenden Werk in Fürth einen weiteren Produktionsstandort seiner Chemiefirma aufgebaut

Gemäldereihe der Pfannhauser-Familie. Ganz rechts: Dr. Wilhelm Pfannhauser, Mitbegründer der Langbein-Pfannhauser WerkeGemäldereihe der Pfannhauser-Familie. Ganz rechts: Dr. Wilhelm Pfannhauser, Mitbegründer der Langbein-Pfannhauser Werke

Die Fabrik, die in der Spitze 2000 Mitarbeiter beschäftigte, ist der industrielle Ursprung der Galvanotechnik in DeutschlandDie Fabrik, die in der Spitze 2000 Mitarbeiter beschäftigte, ist der industrielle Ursprung der Galvanotechnik in Deutschland

In der Branche ist Leipzig als Wiege der Galvanotechnik in Deutschland bekannt. Schlötter-Gründer Dr. Max Schlötter lernte das Handwerk in den Langbein-Pfannhauser Werken und auch der Leuze Verlag hatte seinen Sitz von 1902 bis 1945 in der heute bevölkerungsreichsten Stadt Sachsens.

Gleichrichtertechnik im Zug der Zeit

Zentrale Voraussetzung für die Galvanotechnik ist Strom. Und so startet eine Führung durch das Museum bei einer Voltaschen Säule, der ersten bekannten Batterie. Das Museum zeigt eine solche Apparatur, deren Anfänge bis ins Jahr 1800 zurückreichen. Die Tafel mit dem Erklärungstext darunter stammt ebenso wie die übrigen Erklärtafeln im Museum von Dr. Vieweger, dem ehemaligen Geschäftsführer von Galvanotechnik Leipzig. Er leitete den ehemaligen volkseigenen Betrieb nach der Wende und ist ein enthusiastischer Sammler von Artefakten aus der Frühzeit der Galvanotechnik. Die gezeigten Exponate gehen überwiegend auf seine private Sammlung zurück. Thilo von Vopelius überzeugte Dr. Vieweger schließlich davon, die beachtliche Kollektion in einem Museum auszustellen.

Die Führung durch das Museum startet bei einer Voltaschen Säule

Produktraum mit einer Riesenschraube für ein Windrad in der MitteProduktraum mit einer Riesenschraube für ein Windrad in der Mitte

Stromversorgungstechnik: Der hohe Kasten hinten links ist ein Gleichstromgenerator mit WechselstrommotorStromversorgungstechnik: Der hohe Kasten hinten links ist ein Gleichstromgenerator mit Wechselstrommotor

Zur Erzeugung von Elektrizität zum Galvanisieren kamen zunächst Gleichstromgeneratoren zum Einsatz, die mit Dampf betrieben wurden, berichtet Thilo von Vopelius an einem Nachmittag im September bei einer privaten Führung. Ein Exemplar von 1895 befindet sich im Besitz des Museums. Nach Einführung des Wechselstroms in Deutschland kamen bald Gleichstromgeneratoren mit Wechselstrommotoren auf. Der dazu passende gewaltige Apparat mit den runden Anzeigen hinter Glas, dem schlichten Stromregler und dem davor stehenden verkabelten Aggregat verströmt den Charme der 1930er-Jahre und erinnert unwillkürlich an alte Schwarz-Weiß-Filme, in denen Wissenschaftler in weißen Kitteln mit Strom experimentieren. „Geregelt wurde die Stromquelle noch über Widerstände, was zu unglaublichem Stromverbrauch führte“, gibt von Vopelius zu bedenken. Später kamen Selen- und Germanium-Gleichrichter hinzu, bis schließlich die heutigen Halbleitergleichrichter die elektrochemische Abscheidung im Elektrolytbad sicherstellten.

Von Arbeiter und Bauern

Der Chemiker als Teil des Arbeiter und Bauernstaats. Poster aus der DDR-ZeitDer Chemiker als Teil des Arbeiter und Bauernstaats. Poster aus der DDR-Zeit

Wie der Arbeiter- und Bauernstaat die industrielle Forschung mit Chemikalien in Szene setzte, bildet ein Gemälde in einem der Museumsräume ab. Auf dem Bild mit dem Titel „Chemiezirkel“ gewinnen Forscherinnen und Forscher konzentriert und mit entschlossenem Blick Erkenntnisse mit Pipette, Reagenzglas und Bunsenbrenner und bringen sie zu Papier. Man erkennt dahinter die idealisierte Vorstellung vom gemeinsamen Ringen um das Wohlergehen von Bürgern und Arbeitern in der DDR, die die Staatsführung transportieren wollte.

VEB Galvanotechnik Leipzig war neben der galvanotechnischen Beschichtung auch verpflichtet, Konsumgüter für den Export herzustellen, um Devisen zu erwirtschaften. So wurden hier auch Produkte wie Kaffeemühlen hergestellt, die allerdings im Westen nur mit äußerst mäßigem Erfolg verkauft werden konnten, wie von Vopelius zu berichten weiß.

Ansehnlicher Ausschnitt der Produktfülle

Zentrum des Museums im Obergeschoss ist ein Raum mit vollen Vitrinen und Podesten mit größeren Bauteilen in seiner Mitte. An den Wänden oberhalb der Vitrinen sind die chromglänzenden Kühlergrills mehrerer deutscher Automobilhersteller zu sehen. Die Vitrinen zieren unterschiedlichste Produkte von Mercedessternen und Metallstatuen über Löffel und Münzen bis zu dekorativ beschichteten Kunststoffbauteilen und zahlreichen Messgeräten. Eine riesige Schraube auf einem Podest, gefertigt für ein Windrad, ist der Blickfang in der Mitte des Raums, daneben glänzende Armaturen und Duschschläuche. Ein ansehnlicher Ausschnitt aus der reichen Welt galvanotechnisch beschichteter Produkte. „Was hat ein Reifen mit Galvanotechnik zu tun?“, fragt von Vopelius und liefert nach einem Moment der Stille die Antwort: „Die Karkasse innen besteht aus einem Stahlgeflecht. Weil Gummi und Stahl aber nicht haften, wird das Stahlgeflecht mit einer Bronzeschicht beschichtet – dann hält Gummi auf Stahl“. Ein Hinweis darauf, wie wichtig die Materialwissenschaften für die Galvanotechnik sind. Schließlich gelingt die richtige Schichtkombination nicht ohne Kenntnisse der Materialeigenschaften.

Dann folgt das sogenannte Langbeinzimmer. Es wurde im vergangenen Jahr anlässlich des 125jährigen Jubiläums der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung aus dem Jahr 1897 eingerichtet. Neben den Gemälden des Industriellen an der Wand ist auf einem Podest ein kleiner Generator ausgestellt, den Langbein damals vorstellte. In der Frühzeit der Galvanotechnik stellte das Unternehmen die Chemie sowie die erforderlichen Apparaturen und Anlagen noch nahezu vollständig selbst her – eine Zulieferindustrie gab es erst in Ansätzen.

Zu den ausgestellten Behältern der Galvanotechnik, die das Museum im Repertoire hat, gehört auch dieses HolzbadZu den ausgestellten Behältern der Galvanotechnik, die das Museum im Repertoire hat, gehört auch dieses Holzbad

Beschichtung gestern und heute

Die Ausstellung im Untergeschoss stellt die verschiedenen Produktionsschritte der galvanotechnischen Fertigung dar. Mehrere Generatoren aus ganz unterschiedlichen Epochen des letzten Jahrhunderts zeigen die Entwicklung der Technik. Ein orangefarbener Apparat, der offenbar aus den 1970er-Jahren stammt, erweist sich als frühes Röntgenfluoreszenzgerät, daneben ein Photometer der Firma Carl Zeiss. An einem Holztisch ein paar Meter entfernt lernen junge Menschen die Galvanotechnik kennen. Hier wird regelmäßig galvanisiert – meist sind es Schülergruppen der 10. oder 11. Klassen mit ihren Lehrern, einmal im Jahr kommt auch eine Kundengruppe des VDI. Regelmäßigen Besuch erhält das Museum auch am Tag der Industriekultur sowie bei der offenen Museumsnacht. Im hinteren Bereich der Ausstellungsfläche findet sich eine weitere Rarität aus vergangenen Zeiten. Zu sehen ist eine kleine Trommelgalvanik, die mittels Selengleichrichter und Kühler betrieben wurde. Daneben eine Glockengalvanik zum Galvanisieren, Scheuern und Polieren für Kleinteile. Eine Sammlung verschiedener Behälter für das Galvanisieren erregt die Aufmerksamkeit. Die ganz frühen Bäder wurden offenbar noch in hölzernen Bottichen angesetzt. Weitere Highlights sind eine Kollektion von Filtern, die die Entwicklung und ständige Verkleinerung in der Filtertechnik zeigt sowie eine automatisierte Anlage des Fraunhofer Instituts zum selektiven Versilbern von Kupferzylindern im Inneren. Die ausgediente Apparatur erhielten die Leipziger Galvanotechnikenthusiasten als Schenkung

Der dicke Mann in der Mitte zieht alles Gold an sich – möglich wird das durch GalvanotechnikDer dicke Mann in der Mitte zieht alles Gold an sich – möglich wird das durch Galvanotechnik.

Eines der jüngsten Exponate ist eine Installation der Künstlerin Ulrike Israel, bei der ein galvanischer Prozess in drei Becken abläuft. Ausgestellt wurde sie ursprünglich in der Ausstellung „Gier“ in Stuttgart. Das mittlere Becken zeigt einen dicken Goldkönig – es ist mit Zitronensäure gefüllt, die Begleitbecken links und rechts enthalten Zinkchlorid. Die Becken sind über eine Salzbrücke verbunden und die Metalle mit einem Stromleiter. Vom unedlen Zink fließt nun Strom zum edlen Gold, frisst die grauen Menschlein im wahrsten Sinne des Wortes auf und macht den dicken Goldjungen noch reicher – eine technisch sehr interessant umgesetzte Darstellung von Ausbeutung. Mehr zum Thema erfahren Sie in der Reportage von Heinz Käsinger in Galvanotechnik 7/2021.

Bei der Plattenherstellung kommt Galvanoformung zum Einsatz. Ein Sonderdruck von Heinz Käsingers Artikel über die Schallplattenherstellung liegt beiBei der Plattenherstellung kommt Galvanoformung zum Einsatz. Ein Sonderdruck von Heinz Käsingers Artikel über die Schallplattenherstellung liegt bei

Bei aller Faszination, die das Museum bietet: Es ist neben den genannten Terminen nur jeden 3. Dienstag im Monat geöffnet und benötigt neben den acht ehrenamtlichen Mitarbeitern eine Teilzeitkraft, wie Thilo von Vopelius bekräftigt. Fördergelder sind nicht in Aussicht, weil der Museumsverband das Museum bei den seltenen Öffnungs­zeiten nicht als Mitglied aufnimmt. Um langfristig anerkannt zu werden, ist die Unterstützung durch die Branche erforderlich – ein Grund, warum Thilo von Vopelius und Dr. Ulrich Vieweger nicht müde werden, auf den einschlägigen Branchenveranstaltungen für sich zu werben. Der einmalige Schatz, den sie bewahren, ist es wert!

Fotos: Robert Piterek

 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 10
  • Jahr: 2023
  • Autoren: Robert Piterek

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