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Donnerstag, 07 Dezember 2023 13:00

Kollaborative Roboter: Echte Gefahrenquellen?

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Geschätzte Lesezeit: 3 - 6 Minuten
Cobots arbeiten direkt mit dem Menschen zusammen. Sie unterliegen deshalb dem besonderen Augenmerk des Arbeitsschutzes Cobots arbeiten direkt mit dem Menschen zusammen. Sie unterliegen deshalb dem besonderen Augenmerk des Arbeitsschutzes zapp2photo - stock adobe.com

 Kollaborative Roboter verfügen über keine passiven Schutzvorrichtungen. Sie arbeiten ohne Käfig frei am ihnen zugeteilten Platz. Das hat den Vorteil, dass sie sehr flexibel und dadurch vor allem für kleine Galvanikbetriebe interessant sind. Der Nachteil: Von ihnen geht eine Unfallgefahr aus.

Kollaborative Roboter werden umgangssprachlich Cobots genannt. Das Kürzel kommt, wie so vieles, aus dem angloamerikanischen Sprachraum und ist eine Zusammenführung aus Wortteilen der englischen Bezeichnung Colaborate Robots. Charakteristisch für einen Cobot ist, dass er eng mit seinen menschlichen Kollegen zusammenarbeitet und nicht durch eine Schutzvorrichtung von ihnen getrennt wird. Das hat unbestreitbare Vorteile. Der Cobot ist so äußerst flexibel. Da er in der Regel auch weniger Gewicht auf die Waage bringt (und somit nicht fest installiert werden muss) als sein Industriependant kann er leicht umgestellt werden und mit einer neuen Programmierung verschiedene Aufgaben in einem Unternehmen wahrnehmen. Dem nicht genug, ist der Cobot zu einer echten Zusammenarbeit, sozusagen einer Hand-in-Hand-Arbeit, mit Menschen fähig. Die fehlende Einhausung macht ihn in Sachen Arbeitsschutz jedoch auch zu einer echten Gefahrenquelle im Produktionsprozess. Während ein Cobot auf der einen Seite einen menschlichen Mitarbeiter bei schweren Arbeiten durchaus entlastet, kann er ihn, im Fall einer Kollision, andererseits jedoch auch verletzen.gt 2023 11 074Collaborate Robots sind sogenannte „unvollständige Maschinen“ und erhalten deshalb kein CE-Zertifikat

Tolerierbares Verletzungsniveau?

Das Institut für Arbeitsschutz (IFA) und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) jedoch halten ein Unfallrisiko im Zusammenhang mit Cobots für eher vernachlässigbar und sprechen von einem „tolerierbaren Verletzungsrisiko“. Dazu muss aber folgendes gesagt werden: Es gibt im Arbeitsschutz noch keine breit angelegte, aussagefähige Unfallstatistik geschweige denn eine Studie, die sich ausschließlich dem Thema Cobot widmet. Im Gesamtbereich der Robotik, also Industrieroboter, Bestückungsautomaten, Fertigungsstraßen und Cobots gesamt, wurden in vier Jahren mehr als 2000 Unfälle registriert. Davon entfielen auf die reine Industrierobotik (also inklusive der Cobots) 771 Unfälle. Nur drei davon endeten tödlich. Was die Betrachtung nur der Cobots anbelangt, so sind lediglich drei Fälle bekannt, die in der Installationsphase, also bei der Einrichtung der Leichtroboter, entstanden. Keiner dieser drei Fälle endete tödlich sondern „nur“ mit schweren Verletzungen.

Allerdings wusste schon Einstein, dass im Leben im Allgemeinen und in der Physik im Besonderen alles relativ ist. So ist es eine Tatsache, dass Cobots noch recht selten in mitteleuropäischen Unternehmen anzutreffen sind – was ein vergleichsweise geringes Unfallrisiko zur Folge hat. Eine weitere Tatsache in diesem Zusammenhang sind die Arbeitsgebiete der Maschinen. Bislang werden sie für wenig komplexe Tätigkeiten verwendet. Zum Beispiel im Schleifen einfacher Oberflächen, in der Positionierung, als Schrauber oder im Versand als Verpacker. Auch bei Klebearbeiten leisten die Cobots heute schon gute Dienste. Es handelt sich also durchweg um Arbeiten mit geringem Gefährdungspotential. Darüber hinaus ist das hier eingangs genannte Hand-in Hand-Arbeiten von Mensch und Maschine in vielen Bereichen noch Zukunftsmusik. Vielmehr arbeiten die beiden so verschiedenen Kollegen weitaus weniger eng zusammen als es der Name der Maschine suggeriert. Experten wollen deshalb eher von Koexistenz oder Assistenz als von Kollaboration reden. In der derzeit herrschenden Praxis in mitteleuropäischen Unternehmen sind Mensch und Cobot sowohl räumlich als auch zeitlich soweit voneinander entfernt, dass Unfälle schwerlich eintreten können. Was heißt das? Ein ungeschützter Roboter erledigt seine Arbeiten so weit vom Mitarbeiter entfernt, dass keine Gefahr für jenen entsteht. Erst wenn der Roboter seien Arbeiten abgeschlossen hat und in Ruhe verfällt (Zeitfaktor), greift der Mensch auf die Werkstücke zu. Auch wenn der Roboter nicht mehr durch einen Korb oder eine Schranke geschützt ist, verfügt er dennoch über vielerlei Sicherheitstechnologien. So signalisiert ein Näherungssensor beispielsweise eine kritische Distanz des Menschen. Berührungssensoren, Kameras und Wärmeerkennung lassen die Maschine sofort stoppen, wenn Gefährdungswerte erreicht werden.

Bauweise und Sicherheit

Wie bereits erwähnt: Cobots sind keine Industrieroboter. Schon ihre Bauweise ist so ausgelegt, dass die Zusammenarbeit mit dem Menschen zu keinen nennenswerten Blessuren führen kann, selbst im Falle einer heftigen Berührung von Mensch und Maschine:

  • Die Arbeitsgeschwindigkeit dieser Roboter ist der des Menschen angeglichen
  • Die Cobots weisen keine Ecken und Kanten auf und wo möglich, sind sie aus Softmaterialien hergestellt
  • Die Reichweite der Arme beträgt max 60 Zentimeter
  • Das Gewicht der Cobots ist auf maximal 30 Kilogramm reduziert

Trotzdem tun Arbeitgeber gut daran, zusätzliche Maßnahmen, die der Sicherheit dienen, einzuführen. Das ist zum einen (und zum wichtigsten) der Fürsorgepflicht den Arbeitnehmern gegenüber geschuldet, zum anderen auch den Versicherungen. Und selbstverständlich bedeutet auch jeder Unfall einen Produktionsstillstand und damit Arbeitseinbußen. Folgende Sicherheitsmaßnahmen haben sich bewährt:

Zutrittsbeschränkung

Der Arbeitsradius des Roboters ist klar zu markieren. Innerhalb der Markierung dürfen sich nur berechtigte Personen, sinnvollerweise die, die mit ihm zusammen arbeiten, aufhalten. Der Personenkreis ist so niedrig wie möglich zu halten.

Hinweisschilder

Im Umfeld des Cobots müssen klar erkennbare Warnschilder angebracht sein. Diese sollen auf die Gefahren hinweisen und Verhaltensanweisungen (Sicherheitsabstand einhalten; nicht berühren usw.) aussprechen – am besten durch verständliche Piktogramme.

Not-Aus

Im Umfeld des Cobots sind Not-Aus Schalter anzubringen. Diese Schalter (am besten mehrere davon) müssen bedienbar sein, ohne in den Gefahrenbereich der Maschine zu gelangen. Zwei Möglichkeiten stehen zur Verfügung. Zum einen ein Schalter, der die Bewegung einfriert, zum anderen ein Schalter, der das Gerät ganz ausschaltet. Auch fremde Personen müssen diese Schalter erkennen, erreichen und bedienen können. Er sollte sowohl mit den Armen als auch mit den Beinen erreich- und bedienbar sein.

Mitarbeiter

Die Mitarbeiter, die später mit der Maschine direkt und auch indirekt zusammen arbeiten, müssen schon in die Planungsphase mit eingebunden werden. Ideen und Vorschläge sollen, so machbar, berücksichtigt werden.

Qualifikation

Alle Mitarbeiter, die im Umfeld des Cobot eingesetzt sind, also vor allem auch die Springer, müssen sicherheitstechnisch im Umgang geschult werden. Auffrischungen in regelmäßigen Zeitabständen sind obligatorisch.

gt 2023 11 072Besonders weit fortgeschritten sind Cobot-Anwendungen im Lagerhaltungs- und Verpackungsbereich

gt 2023 11 073Auch Roboter in Pflegeeinrichtungen zählen mittlerweile zu den Cobots

Die Rolle des Herstellers

Ein Hersteller garantiert in der Regel nur für die technische Funktion und die Sicherheit des Roboters. Er garantiert jedoch nicht für das, nennen wir es Gesamtpaket, der Anlage. Dieses besteht nämlich nicht nur aus der Maschine selbst. Ein am Roboterarm appliziertes Werkszeug (Bohrer, Schrauber, Kleber usw.) wird meistens von einem anderen Hersteller bezogen und bildet zusammen mit dem Roboter und vor allem dem Werkstück eine Einheit. Rechtlich gesehen ist ein Cobot daher eine unvollständige Maschine. Er erhält daher keine CE-Kennzeichnung sondern nur eine Einbauerklärung. Der Anwender ist deshalb nur auf der sicheren Seite, wenn der Roboter, das Werkzeug und das Anwendungsumfeld zu einer Kette zusammengefasst sind und diese nach der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG und der Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz bewertet wurde.

 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 11
  • Jahr: 2023
  • Autoren: Heinz Käsinger

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