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Montag, 07 August 2023 11:59

In Kalamitäten geraten

von
Geschätzte Lesezeit: 4 - 8 Minuten
Ein Stinktier auf der Pirsch. Seinem ‚Looney toons‘- Vetter Pepe Le Pew wurde das übergriffige Anbaggern vermeintlicher Stinktier- Weibchen (eigentlich Katzen) zum Verhängnis – es kostete ihn gar den Platz im Cast der Filmreihe ‚Space Jam‘ Ein Stinktier auf der Pirsch. Seinem ‚Looney toons‘- Vetter Pepe Le Pew wurde das übergriffige Anbaggern vermeintlicher Stinktier- Weibchen (eigentlich Katzen) zum Verhängnis – es kostete ihn gar den Platz im Cast der Filmreihe ‚Space Jam‘ Bild: USFWS Mountain-Prairie/CC BY 2.0

Das ‚französische' Stinktier Pepe Le Pew, seit den 1940er Jahren bekannt als Comicfigur der ‚Looney toons' (Warner Brothers), wird nicht in der Fortsetzung der beliebten Filmreihe ‚Space Jam' vorkommen [1]. Ihm wird vorgeworfen, sich gegenüber weiblichen Cartoon-Charakteren sexuell übergriffig zu verhalten [2]. Pepe ergeht es damit wie so vielen anderen, denen einige wenige mit lauten Protesten ein Fehlverhalten nachsagen. Was früher wohl in der Bierkneipe oder in Damenzirkeln verhallte, zeitigt heute dank der Elektronik eine weitreichende Wirkung.

Ob Homer – den es eventuell in der bekannten Form gar nicht gab –, Samuel Langhorne Clemens [3] oder Jean-Baptiste Poquelin [4]: sie alle haben sich an Themen vergriffen, die heutzutage kontrovers sind. Natürlich war es meist volle Absicht, ins Fettnäpfchen zu treten. Denn es sind ja gerade die ‚Tabus', die als Zielscheibe für Witze besonders geeignet sind.

 

Bildnis von Molière des französischen Malers Pierre Mignard (1622-1673)

Porträt des amerikanischen Schriftstellers Mark Twain, aufgenommen 1907 von A. F. Bradley in New YorkPorträt des amerikanischen Schriftstellers Mark Twain, aufgenommen 1907 von A. F. Bradley in New York

 

Zielscheiben gibt es auch in der elektronischen Fertigung, wenigstens könnte man sie so beschreiben. Will man ein Bauteil richtig setzen, dann muss es gezielt auf die Paste abgelagert werden. Noch schwieriger ist es einen Draht in ein Loch zu fädeln, besonders wenn das Bauteil gleich mehrere Anschlüsse hat. In mittelständigen Betrieben sieht man die Hausfrauen am Arbeitsplatz, den sie mit den Bildern ihrer Enkel dekoriert haben. Sowas ist in Großproduktionen nicht kostengünstig. Zudem fehlen trotz forcierter Immi-grationspolitik schon lange die Arbeitskräfte.

Firmen sehen sich immer öfter Problemen gegenüber, die sie mit ihren Produktionslinien nicht bewältigen können. Auf der Basis historischer Erfahrung haben die Ingenieure Linien spezifiziert, die für Produkte der Vergangenheit geeignet sind. Sowohl was die Leiterplattengröße betrifft wie auch das Spektrum der Bauteile, und um noch etwas Flexibilität zu bewahren, hat man vielleicht einige wenige Plätze für Handarbeit mit eingeplant.

Aber die elektronische Industrie steht nicht still. Der Trend geht nicht nur zur weiteren Automation, sondern gleichzeitig zur Flexibilität, wobei der Mensch systematisch eliminiert wird, wenigstens bei seinem direkten Einsatz.

Das, was man als künstliche Intelligenz bezeichnet, wird dem Robotersystem eingeimpft und dann mittels dem schnellen 5G Übertragungsmittel produktionsweit vermittelt, wobei das 6G (& Co.) Netzwerk einem bereits über die Schulter schaut.

2021 arbeiteten weltweit bereits 4,37 Millionen Roboter in Fabriken – Tendenz steigend2021 arbeiteten weltweit bereits 4,37 Millionen Roboter in Fabriken – Tendenz steigendDie in China derzeit getroffenen Maßnahmen zielen nicht nur auf eine Harmonisierung der Vermögen ab, die Volksrepublik will den USA den Zugriff auf die riesigen Datenmengen verwehren, die so wichtig bei der Entwicklung von KI-Programmen sind.

High-Tech-Fabrikanlage für die Smartphone-ProduktionHigh-Tech-Fabrikanlage für die Smartphone-ProduktionDie modernen Roboter [5] haben gegenüber den alten schon viel dazu gelernt. Es hat sich nicht nur ihre Genauigkeit von 0,1 cm auf 0,01 cm verbessert – sie sind auch flexibler und schneller geworden. Bildverarbeitung und Sensorik tragen dazu bei, dass auch sehr komplexe Vorgänge nachgeäfft werden können, bis hin zu Operationen an Gelenken und dem Rückgrat, ferngesteuert durch kompetente Chirurgen.

In Interviews während der rasch um sich greifenden KI- und Robotermessen freuen sich die Manager speziell darüber, dass die Maschinen nicht nur ‚intelligenter' werden und angepasster, sondern auch gleichzeitig sehr viel billiger. Damit gleichen sie den Arbeitermangel an den Produktionslinien aus und sorgen dafür, dass die Waren preiswerter vom Band rollen. Hinzu kommt, dass weder Kaffee- noch Zigarettenpausen beansprucht werden und die Automaten auch klaglos im Dunkeln sowie die ganze Nacht durch schaffen – ohne Überstundenzulage oder höhere Gehaltforderungen, da sie sich noch nicht zu Gewerkschaften zusammengefunden haben.

Was zum Teil jedoch übersehen wird, ist das Bedienungspersonal für diese Roboter, dessen Mannstärke zwar geringer ausfällt, das aber dafür weit besser ausgebildet sein muss als die Hausfrau, die ein paar bedrahtete Bauteile in die Leiterplatte fädelt und bald gelangweilt die Konzentration verliert.

Das zugrundeliegende Problem sind nicht nur die Mitarbeiter oder die dauernd sich ändernden Konstellationen, die Flexibilität verlangen, sondern auch die enormen Stückzahlen der Produkte, die vom Markt verlangt oder in ihn hineingedrückt werden. Allein ein Blick auf die verkauften ‚Smartphones' machen klar, welch riesige Anstrengungen dahinterstehen müssen.

Nimmt man an, dass an einer Massenproduktionslinie alle zwanzig Sekunden ein Produkt gefertigt wird, dann sind das drei pro Minute und 180 pro Stunde sowie 4320 in einem 24-Stunden-Tag (unter der unrealistischen Annahme, dass keine Unterbrechungen vorkommen). In einem 365 Tage-Jahr sind also höchstens 1.576.800 Einheiten zu schaffen. Hält man das gegen die verkauften Waren (siehe Graphik) dann bedarf es wohl mehr als 1000 solcher Linien, um den Bedarf zu decken.

Rework-System ‚Martin Expert‘ der Firma MartinRework-System ‚Martin Expert‘ der Firma MartinBillig sind solche Straßen gerade nicht, und selbst, wenn man vorbeugende Wartung annimmt, so sind viele der hier verwendeten Werte äußerst optimistisch, wie gerade die Virenepidemie es wieder aufgezeigt hat, während derer wegen nur eines Infizierten ganze Produktionen wochenlang still standen.

Einige Manager haben inzwischen geschnallt, dass die Verwendung von Robotern (nur jene in den Ausstellungshallen sehen entfernt Menschen ähnlich) nur dann wirklich effektiv ist, wenn sie voll vernetzt werden. InPCB-Montagelinien werden jedoch eine Vielzahl von Maschinen (Pastendrucker, Inspektionsmaschinen, Bestücker, Tester, Reparaturanlagen etc.) verwendet und es gibt keinen einzigen Hersteller derzeit, welcher alle Gerätetypen anbietet.

Leider wirkt sich das auf die Kommunikationsprotokolle und Schnittstellen aus, die jeder anders entwirft, was nun wieder Softwarefirmen auf den Plan ruft, die eine Kommunikation von Maschine zu Maschine und sogar von Mensch zu Maschine ermöglichen wollen. Da jeder Maschinentyp während des Fertigungsprozesses Millionen von Datenpunkten in seinem eigenen Format generiert, erzeugt er Barrieren (proprietäres Datenformat, fragmentierte Schnittstelle etc.) welche jeden selbstgerechten Roboter mit Ekel erfüllen.

Wirkliches Ziel in den modernsten Produktionen ist jedoch weit mehr. Sozusagen ‚von der Wiege bis zur Bahre' soll der Datenaustausch reichen, was somit bereits den Entwurf mit einbezieht – was ehrlich gestanden schon längst auch unter Menschen hätte geschehen sollen, denn soweit arbeiten die verschiedenen Abteilungen in ihren eigenen Türmen – einige im Gucci-Anzug, andere in Jeans, weitere in weißen Kitteln und schließlich ganz unten am Totempol jene im ‚blauen Toni' und ‚wehe, wehe' [6] einer spräche mit dem anderen.

Zur Person

Prof. Rahn ist ein weltweit tätiger Berater in Fragen der Verbindungstechnologie. Sein Buch über ‚Spezielle Reflowprozesse' erschien beim Leuze Verlag. Er ist erreichbar unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, wohin auch Anfragen über In-Haus-Seminare gerichtet werden können.

Referenzen

[1] Bruce Haring: New York Times Columnist Raises A Stink About Looney Tunes’ Pepe Le Pew, Deadline, www.deadline.com/2021/03/new-york-times-columnist-raises-a-stink-about-pepe-le-pew-1234708479/ (Abruf: 22.05.2023)
[2] Jay Martel: Pepé Le Pew Apologizes, New Yorker, www.newyorker.com/humor/daily-shouts/pepe-le-pew-apologizes (Abruf: 22.05.2023)
[3] Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain, eigentlich Samuel Langhorne Clemens (1835-1910), erschuf die legendären Figuren Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Es gibt immer wieder Kontroversen um die Verbannung seiner Bücher aus Bibliotheken, weil in ihnen rassistische Begriffe verwendet werden. Vgl.: BANNED: Adventures of Huckleberry Finn, Public Broadcasting Service (PBS), www.pbs.org/wgbh/americanexperience/features/banned-adventures-huckleberry-finn/ (Abruf: 22.05.2023)
[4] Jean-Baptiste Poquelin alias Molière (1622-1673) war ein Schauspieler, Theaterdirektor und Dramatiker und gilt als einer der großen Klassiker der französischen Literatur, der die Komödie zu einer der Tragödie gleichwertigen Gattung machte und das Theater zum Diskussionsforum über allgemeine menschliche Verhaltensweisen in der Gesellschaft erhob. In Frankreich wird seit langem darüber diskutiert, ob seine sterblichen Überreste in den Panthéon von Paris überführt werden sollen, also in die nationale Ruhmeshalle des Landes und Grabstätte berühmter französischer Persönlichkeiten – doch dies trifft noch immer auf Widerstand aus dem Elysée. Vgl.: Mauro Zanon: Cancel culture in salsa macronista in Francia: l’Eliseo dice no a Molière, Tempi, www.tempi.it/francia-eliseo-moliere-cancel-culture/ (Abruf: 22.05.2023)
[5] 1920 verwendete der Dramatiker Karel Čapek den Begriff ‚robot' (Roboter) in dem utopischen Drama R. U. R. (Rossums Universal-Robots). Eigentlich erfand ihn jedoch Karels Bruder Josef. Die deutsche Endung-er stammt vom Übersetzer. Grundlage des tschech. Wortes ist robota ‚Arbeit, Fronarbeit', es geht auf das altkirchenslawische ‚rab' (Sklave) zurück
[6] Herkunft: mittelhochdeutsch, althochdeutsch‚ wē' – so bei Wilhelm Busch („Aber wehe, wehe, wehe! Wenn ich auf das Ende sehe!!“)

Literatur

Scott Zerkle; Makoto Murakami: A Robot’s Place in SMT; IPC proceedings, Circuit Insight, www.circuitinsight.com/programs/54027.html (Abruf: 22.05.2023)
Yutaka Higashiguchi: Manufacturing Innovation for Smartphones, FUJITSU Sci. Tech. J., Vol. 49, No. 2, S. 264–268 (April 2013)
www.fujitsu.com/global/documents/about/resources/publications/fstj/archives/vol49-2/paper20.pdf (Abruf: 22.05.2023)
Siemens, Data exchange in electronics manufacturing (White Paper), 2020

Bildquellen

www.kuttig.de

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 7
  • Jahr: 2023
  • Autoren: Prof. Armin Rahn

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